23

Hämmernde Kopfschmerzen zeigen mir, dass ich noch lebe. Ein Gefühl, als würde jemand mit einer Kreissäge in meinem Schädel arbeiten, während nebenan ein Presslufthammer benutzt wird. An meiner linken Schläfe spüre ich eine pochende Beule und etwas Feuchtigkeit. Blut? Mein Körper ist steif und meine Beine schmerzen, aber als ich sie ausstrecken will, fühle ich einen Widerstand. Der Raum ist dunkel und kalt, ich friere in dem dünnen Kleid. Meine Augen öffnen sich nur quälend langsam, dann blinzele ich ein paar Mal, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen.

Großer Gott, was ist passiert? Ich erinnere mich nur an die kalte, riesige Hand. An die Stimme, die mich hat erschauern lassen. Und daran, dass plötzlich alles um mich herum dunkel wurde, nachdem ich einen heftigen Schlag auf den Kopf bekommen habe. Adrian! Lieber Himmel, wo ist er? Wie lange bin ich schon hier? Ich habe kein Zeitgefühl mehr, eine Uhr ist weit und breit nicht zu sehen, ich habe keine getragen. Und auch meine Pumps scheinen weg zu sein, ich bin jedenfalls barfuß. Mein Herz zieht sich zusammen und ich versuche wieder, mich in eine bequemere Position zu setzen, bis ich die Fesseln bemerke. Schweiß dringt mir aus allen Poren.

Das kann nicht wahr sein. Das ist ein blöder Traum oder irgendwas, aber niemals die Realität. Meine Hände sind hinter dem Rücken mit Handschellen fixiert, und die Handschellen wurden an einer Stange zwischen meinen Fußknöcheln befestigt. So knie ich auf einem kalten, harten Steinboden in einem Keller, der feucht und muffig riecht. Mein Herz klopft so heftig, dass man es außerhalb meines Körpers hören muss. Ganz sicher. Dafür höre ich selbst kaum noch was, weil das Blut durch meinen Kopf rauscht und ich nur noch meinen eigenen Pulsschlag wahrnehme.

Ich habe kein Zeitgefühl. Wie lange knie ich hier schon? Und wer zum Teufel steckt dahinter? Jenna ist es sicher nicht, aber klar ist, dass derjenige auch die anonymen Nachrichten geschickt hat. Was auch immer er von mir will. Scheiße, was hab ich mit der ganzen Sache überhaupt zu tun?

Meine Knie schmerzen entsetzlich, weil ich mich so gefesselt kaum bewegen kann, und meine Beine fangen an zu kribbeln. Ein kreischendes Quietschen durchschneidet plötzlich die Stille. Als die Tür aufgeht, sitze ich atemlos und stocksteif da. Schritte. Von zwei Personen. Ein Mann und ... eine Frau? Ich halte die Luft an und richte die zusammengekniffenen Augen auf den Spalt, der sich in der Wand aufgetan hat. Dann sehe ich vorsichtig nach oben – und reiße den Mund auf. Herr im Himmel, was hat dieser Typ hier verloren?

»Na, Schätzchen?«

Jenna bleibt dicht vor mir stehen und beugt sich zu mir herab. Sie trägt hohe Schuhe und wirkt riesig auf mich in meiner knienden Position. Ihr Grinsen macht mir Angst, aber ich lasse mir nichts anmerken. Mein Körper zittert und mir läuft der kalte Schweiß inzwischen den Schulterblättern die Wirbelsäule runter, aber ich erwidere ihren Blick so frech wie möglich und starre ihr in die blassgrünen Augen.

»Damit hast du nicht gerechnet, was? Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass ich dir Adrian einfach so überlasse? Er gehört mir, und ich werde ihn bekommen. Notfalls über deine Leiche.«

Ich schlucke und wende die Augen von ihr ab, um Benedict anzusehen. Ich habe ihn sofort erkannt – dieses bullige, eiskalte Gesicht, das mir schon im Club Angst eingejagt hat.

»Was wollt ihr von mir?«, frage ich und wundere mich über meine feste Stimme. Noch vor wenigen Wochen wäre ich in einer Situation wie dieser hier einfach ohnmächtig geworden, schließlich bin ich kein Bond-Girl. Aber jetzt rast Adrenalin durch meinen Körper und schärft meine Sinne, ein übermächtiger Überlebenswille verdrängt alle Ängste.

»Was denkst du denn, Kleines?«, fragt er spöttisch und schiebt Jenna brüsk zur Seite.

Meine Augen sind jetzt auf der Höhe seines Schrittes und ich schließe sie hastig, um nicht auf das starren zu müssen, was sich unter der Lederhose verbirgt.

»Ich will dir zeigen, wie glücklich ich dich machen kann. Im Gegensatz zu Adrian, der nichts weiter ist als ein reiches, arrogantes Weichei.«

Erst jetzt bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass er eine Peitsche in der Hand hält. Eine lange Lederpeitsche, die aus mehreren dicken Riemen besteht. Wie geflochtene Zöpfe. Ein eisiger Schauer geht durch mich hindurch. Hastig schlucke ich die Tränen runter, die nach oben kriechen wollen. Konzentriert bleiben, Gwen. Lass dich nicht einschüchtern.

»Ich weiß, was mit Gisele passiert ist. Und ich weiß auch, was er mit dir getan hat, Jenna«, sage ich und werfe Jenna einen funkelnden Blick zu.

Ihr schönes Gesicht ist kalt und hart, von ihr habe ich wohl keine Unterstützung zu erwarten. Zumal sie wahrscheinlich auch noch neidisch wäre auf das, was dieser grobschlächtige Typ für mich vorgesehen hat.

»Er hat mein Mädchen auf dem Gewissen. Jetzt nehme ich ihm seins weg.«

»Indem du mich in einen Keller sperrst und verprügelst? Netter Versuch, Benedict, aber so wird das nichts mit uns beiden.«

Jenna beißt sich auf die Lippe und sieht aus, als ob sie sich ein Lachen verkneifen müsste. Ich kann kaum glauben, dass die Frau vor mir steht, die noch vor wenigen Tagen wie ein heulendes Elend vor Adrians Bett gekniet und ihn angefleht hat. Wo ist sie hin, die demütige, unterwürfige Jenna? Irgendwo in dem kalten Biest versteckt sie sich, da bin ich mir sicher. Jetzt muss ich nur Benedict loswerden und sie aus ihr herauskitzeln, dann habe ich vielleicht eine Chance, hier wegzukommen. Und zwar so schnell wie möglich!

Benedict wedelt bedrohlich mit der Peitsche, und mein Magen schmerzt entsetzlich. Ich richte mich auf, so gut es eben geht mit den verfluchten Fesseln, weil ich stark wirken will. Stark sein muss. Meine einzige Hoffnung, ihn zur Vernunft zu bringen. Über seine Wange zieht sich eine helle Narbe. Sein markantes Gesicht ist nicht schön, aber er hat eine gewisse Ausstrahlung. Ich kann mir vorstellen, dass einige Frauen mit bestimmten Vorlieben auf ihn reinfallen, auf mich wirkt er im Moment allerdings so anziehend wie eine Vogelspinne. Vor allem, weil seine wässrig-blauen Augen im fahlen Licht, das durch die Tür in den Keller fällt, kalt wie Eisberge wirken.

»Nun, ich werde dir schon zeigen, was du an Unterwerfung hast. Und ich meine bedingungslose Unterwerfung. Ich werde dich abrichten, bis du so hörig nach mir bist, dass du in deinem ganzen Leben keinen anderen Mann mehr ansehen wirst. Schon gar keinen Schlappschwanz wie Adrian Moore, der gar nicht in der Lage ist, einer Frau Lustschmerz zu bereiten.«

»Lustschmerz?« Ich lache verächtlich und sehe ihm fest in die Augen. Nicht blinzeln. In diesem Fall ist klar, wozu ein längerer Augenkontakt führen wird. Ganz sicher nicht zu bedingungsloser Liebe! »Du hast wahrscheinlich so einen kleinen Schwanz, dass du es nötig hast, Frauen mit Gewalt zu unterwerfen. Sonst würde wohl keine mit dir ... aaah!«

Der Schmerz beißt in meinen Oberschenkel, so heftig, dass mir Tränen aus den Augen laufen und mein Gesicht heiß wird. Ich keuche entsetzt und starre erst auf die langen Riemen der Peitsche, die mich geschnitten haben, dann wieder nach oben in sein Gesicht. Ungerührt. Jenna steht hinter ihm und beobachtet mich, die Mundwinkel spöttisch nach oben verzogen.

Als der erste Schock vorüber ist und mein Körper wieder auf mich reagiert, zerre ich wütend an den Handschellen, aber ich bin kurz davor, vornüber zu fallen. Ich fühle mich gedemütigt und versuche verzweifelt, die Tränen herunterzuschlucken, weil es diesem Typen ganz offenbar gefällt, dass ich so auf den Hieb reagiert habe.

»Siehst du? Er hat dich verdammt schlecht vorbereitet, Kleines. Denn das war nicht mehr als ein kleines Aufwärmen. Ich werde dich lehren, so mit mir zu sprechen.«

Er geht vor mir in die Knie, das Leder seiner Hose ächzt. Dann hebt er mit einem Finger mein Kinn an und zwingt mich dazu, ihn anzuschauen. Mein Magen dreht sich, ich muss ein Würgen unterdrücken.

»Ab sofort sprichst du mich höflich und respektvoll mit Sir an. Du bist nicht die erste widerspenstige Katze, die ich zu zähmen gedenke. Und auch nicht die erste, die meine Erziehungskünste zu lieben lernt. Vorerst bleibst du hier unten im Keller, alles andere ist mir zu unsicher. In ein paar Wochen sehen wir weiter.«

Ich schnappe nach Luft. In ein paar Wochen? Verdammter Mist, wie lange gedenkt er denn, mich hier festzuhalten? Mein Oberschenkel tut noch immer weh, und wenn das nur das Aufwärmen war kann ich mir ungefähr ausmalen, was mich erwartet. Die Übelkeit drängt wieder nach oben, und obwohl ich es verhindern will, benetzen weitere Tränen meine Wange. Er wischt sie mit dem Daumen weg, mein Kopf zuckt unwillkürlich zurück vor seiner Berührung. Sekunden später greifen seine Finger um meine Haare und zerren meinen Kopf nach hinten. Meine Kopfhaut brennt, aber ich beiße die Zähne aufeinander, um nicht aufzuschreien. Die Genugtuung werde ich ihm nicht geben.

»Natürlich werden wir auch viel Spaß miteinander haben. Und ich werde dir zeigen, was wahrer Lustschmerz bedeutet.

»Niemals«, zische ich und ziehe die Nase hoch, was Jenna ein leises Lachen entlockt. Ich hatte die dumme Kuh fast vergessen und richte meinen Blick jetzt mit zusammengekniffenen Augen auf sie. »Und du ... glaubst du wirklich, Adrian würde sich noch mit dir abgeben, wenn er wüsste, dass du hiermit zu tun hast? Er wird sich rächen, und dann ...«

»Oh ja«, haucht sie und wirft theatralisch die langen Haare über ihre Schulter. Ihr Kleid ist drei Nummern zu klein und betont jede Hautfalte an ihrem zugegebenermaßen perfekten Körper. Zu Angst und Wut mischt sich eine diffuse Eifersucht, die mich wahnsinnig macht. »Genau darauf spekuliere ich, Süße. Ich werde ihn trösten, falls er deinetwegen verzweifelt sein sollte. Das hat bei Gisele ...«

»Halt den Mund«, fährt Benedict sie an und dreht sich ruckartig zu ihr um.

Sofort verstummt sie und senkt den Kopf, ihre blonden Haare fallen wie ein Vorhang um ihr Gesicht. Himmel, der Typ hat sie nicht mehr alle, aber offenbar alles im Griff. Ich bin in der Hölle gefangen und habe keinen Schimmer, wie ich hier rauskommen soll. Wir sind in London, in irgendeinem Keller! Die Chance, dass man mich hier findet, ist ehrlich gesagt winzig.

»Adrian wird wissen, dass du dahintersteckst«, sage ich mit ruhiger Stimme. »Er wird dich finden, und dann wanderst du ins Gefängnis. Wo du hingehörst.«

Er ist so blitzschnell bei mir, dass mir schwindelig wird von seiner raschen Bewegung. Als er mein Kleid anhebt, wird mir eiskalt. Drohend streicht er mit den Riemen der Peitsche über ... meinen nackten Hintern! Ach du ... Ich habe ja keine Unterwäsche an, und falls er es noch nicht wusste, hat er es spätestens jetzt gesehen. Mein Gesicht glüht vor Scham.

»Wie nett. Da ist uns das Vögelchen so gut wie nackt ins Nest geflattert.«

Das Grinsen, das ich mir nun ansehen muss, weil er mein Kinn umklammert und meinen Kopf nach hinten verdreht, ist widerlich. Ich möchte ihn am liebsten anspucken, aber mein Mund ist so trocken, als ob ich gerade ein Papiertaschentuch zerkaut hätte.

»Mir fehlt der Respekt, Mäuschen. Wenn du mich noch einmal so respektlos ansprichst, lernst du meinen guten Freund hier sehr viel besser kennen als vorhin.«

Er lässt mein Kinn abrupt los und steht auf, und noch ehe ich die Luft anhalten kann, schlägt er mir mit den Lederriemen auf den Hintern. Einige Riemen treffen meinen Unterarm und meine gefesselten Hände, ich kann ein schreckliches Jaulen einfach nicht unterdrücken. Es brennt und zieht und sticht, die Tränen fließen jetzt unkontrolliert.

»Was deinen Adrian angeht ... du glaubst nicht im Ernst, dass er nach dir suchen wird? Oder sich deinetwegen mit mir anlegt? Dafür müsste er viel zu viel riskieren, und das bist du ihm gar nicht wert.«

»Was soll das Ganze hier dann?«, frage ich schniefend und versuche, die Tränen an meiner Schulter abzuwischen, was nur halbwegs gelingt. Ich fühle mich erbärmlich, diesem Perversen hilflos ausgeliefert. Langsam wird mir klar, wie sich Verzweiflung anfühlt. »Ich dachte, du ... Sie! Sie wollten mich Adrian wegnehmen, aber wenn es ihn doch gar nicht interessiert ...?«

»Kluges Geschöpf«, raunt er in mein Ohr und fährt mit dem langen Peitschengriff über meinen Körper. Dabei schiebt er mein Kleid hoch, sodass meine Oberschenkel entblößt werden. Kurz bevor er zwischen meine Beine gucken kann, hält er inne. Breitbeinig stellt er sich vor mich, und dann ... Oh mein Gott, nein! Bitte! Er nestelt an seiner Hose, vor meinen Augen! Ich kann ihn riechen. Das Leder, und etwas anderes. Moschus. Mann. Und da ist ... Ich kneife die Augen zu und fange hemmungslos an zu heulen. Bis er lacht. Heiser.

»Da hat jemand Angst«, sagt er, anscheinend zu Jenna gewandt, ich sehe nicht hin. Will ihn nicht ansehen. Mein Magen schlägt einen Salto und ich muss tief durch die Nase atmen, um mich nicht zu übergeben. Mein Herz rast in meiner Brust und pumpt viel zu viel Blut durch meinen Körper.

»Und das macht mich wahnsinnig an. Ich sollte mir Erleichterung verschaffen.«

»Nicht, lasst mich es tun, Sir Benedict.«

Ich reiße die Augen auf und bereue das sofort. Herr im Himmel, er hält mir tatsächlich sein hässliches Ding vor die Nase! Wenn ich die Zunge rausstrecken würde, könnte ich ihn berühren. Ich höre wieder ein Würgen, und es stammt eindeutig von mir. Aber der Einspruch kam von Jenna, die mit glänzenden Augen vor uns auf die Knie fällt und die Hände hinter ihrem Rücken zusammenlegt.

»Sir, Sie wird Euch verletzen, wenn Ihr sie in den Mund fickt. Benutzt ihre Angst, aber nehmt mich an ihrer Stelle.« Wie ein Vögelchen reißt sie den Mund auf und bietet sich ihm dar. Ich zittere am ganzen Körper und mir ist so übel, als käme ich direkt aus einem

Kettenkarussell. Ich kann nicht hinsehen, als er sich tatsächlich der hübschen, blonden Frau nähert und ihr sein Ding in den Mund ...

»Sieh mich an!«, bellt er.

Oh verdammt, er meint mich. Ich soll ... Nein, ich will das nicht sehen. Aber er kriegt es hin, mich erneut mit der schrecklichen Peitsche zu schlagen, diesmal auf die nackten Oberschenkel. Meine Haut platzt auf, ich sehe Blut, dann hebe ich den Kopf und starre ihn an. Durch ihn hindurch. Bis er zufrieden die Hände in Jennas schönem Haar vergräbt und grauenhafte Töne von sich gibt. Mein ganzer Körper zittert vor Angst, dass er es sich anders überlegen könnte und doch mich statt Jenna benutzt. Jesus, mach, dass es aufhört. Das Brennen und Ziehen, die Schmerzen, die Tränen, dieser Anblick, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Hilf mir, Adrian. Wo zum Teufel bist du?