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Es ist mir ein bisschen peinlich, Greg nach der verpatzten Vorstellung in die Augen zu sehen, aber ich konnte seiner Bitte nicht widersprechen. Obwohl er beteuert hat, dass es kein Date ist, weil wir nur nach der Vorstellung zusammen Essen gehen wie Arbeitskollegen, fühlt es sich doch so an. Nun sitze ich ihm in Newcastles coolstem Fast Food-Restaurant gegenüber und stochere mit nervösem Magen in meinen handgeschnitzten Pommes herum, ohne wirklich etwas davon zu essen.

»Ich habe gehört, dass du eine ... Beziehung mit Adrian Moore hast?« Er zieht eine Augenbraue hoch und sieht mich fest an.

»Beziehung kann man das nicht nennen. Ich habe für ihn gearbeitet. In London.«

Greg pfeift durch die Zähne. »Wow. Das ist mal eine Referenz. Er ist doch dieser Bestsellerautor, oder? Wie bist du an den Job gekommen?«

»Lange Geschichte«, antworte ich. »Ich habe ihn auf der Buchmesse getroffen und wir kamen ins Gespräch, daher ...«

»Es sah vorgestern nach der Premiere eher nicht nach einer Arbeitsbeziehung aus.« Greg zwinkert mir zu und ich muss lachen.

»Gut, vielleicht war da ein bisschen mehr als Arbeit, aber ... jetzt ist es vorbei. Deshalb bin ich ja hier. Mit dir.«

Er beißt herzhaft in seinen Riesenburger und kaut, während er mich nachdenklich mustert. »Woher kommt der plötzliche Sinneswandel, Gwen?«

»Was meinst du?«

Jesus, das ist wirklich unangenehm. Ich bin nicht besonders erfahren, wenn es um Dates geht, aber wenn das immer so anstrengend ist, weiß ich auch, warum ich bisher nicht viel darum gegeben habe.

»Deine Zustimmung zum Theaterstück. Der Kuss. Die Tatsache, dass wir auf einem Nicht-Date sind und Essen gehen ... ich meine, wir wissen beide, worauf es hinauslaufen wird.«

Er grinst mit schiefem Mund, und mir wird ein bisschen schlecht. Ernsthaft?

»Läuft das immer so bei dir? Ein Date, ein billiges Essen, und dann ab ins Bett?«

Zu meinem Erstaunen nickt er einfach nur als Antwort und beißt erneut vom Burger ab. Meine Wangen werden heiß. Himmel, woher nehmen Männer eigentlich ihr unerschütterliches Selbstbewusstsein?

»Ich weiß nicht, Greg ... klar, wir kennen uns schon lange, aber ich dachte, es wäre ... anders. Etwas Besonderes, irgendwie.«

»Tut mir leid, ich bin nicht besonders kreativ, wenn es um Dates geht.« Greg zuckt mit den Schultern. »Ist meistens nicht unbedingt nötig.«

Ich stöhne leise auf. »Ich weiß, dass du es leicht hast bei den Frauen. Kein Wunder, wenn man so aussieht wie du. Umso mehr wundere ich mich, dass du ausgerechnet mit mir Essen gehen wolltest. Wozu die Mühe?«

»Weil ich neugierig bin und wissen will, was mit der kleinen, spröden Gwen passiert ist. Ich erkenne dich kaum wieder, seit du aus London zurück bist. Du wirkst viel selbstbewusster und offener als früher und ich gebe zu, dass du mich neugierig gemacht hast.«

»Neugierig?« Stirnrunzelnd sortiere ich weiter die Pommes auf meinem Teller. »Du bist also einfach nur neugierig auf mich? Weiter nichts?«

»Nun ja, Liebe und sexuelle Anziehungskraft bestehen doch zu drei Vierteln aus Neugier. Und ich frage mich, was hinter der schroffen Fassade steckt.«

Seine Ehrlichkeit verblüfft mich.

»Ich kann das nicht, Greg«, sage ich entschlossen. »Ich bin kein Typ für belanglosen Sex. Entweder, da ist mehr, oder ... eben nicht.«

»Gut. Ich bin bereit, auf das mehr zu warten, wenn du willst. Ich habe auch nicht erwartet, dass du gleich beim ersten Mal mit mir ins Bett springst. Obwohl ich nicht zu viel verspreche, wenn ich dir sage, dass es sich lohnen könnte.«

Er zwinkert wieder, aber während ich sein Selbstbewusstsein früher charmant und bewundernswert fand, finde ich ihn plötzlich gar nicht mehr ... anziehend. Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl herum und frage mich, was ich hier eigentlich gerade mache. Und warum ich nicht einfach locker sein und Spaß haben kann. Dabei ist das kein großes Rätsel.

Mein Magen verknotet sich, als ich an Adrian denke. Der Sex mit ihm wird mir immer unvergessen bleiben, und noch so vieles mehr. Unsere Gespräche, sein Humor, die Art, wie er mich angesehen hat, bevor wir ... Vielleicht hat er mich verdorben. Ja, das wird es sein. Er hat mich verdorben, weil sich alles andere plötzlich nur noch schal anfühlt. Nicht richtig. Vor einem halben Jahr wäre ich ausgeflippt, wenn Greg mich zum Essen eingeladen hätte, und jetzt?

Ich seufze auf und wende mich wieder Greg zu. »Vielleicht brauche ich auch nur ein bisschen mehr Zeit.«

»Klar, das verstehe ich. Wie wär’s, wenn wir nächste Woche ein zweites Date versuchen? Nicht Essen gehen, irgendwas anderes. Wir könnten ... hm, keine Ahnung. Was magst du so? Was machst du gerne?«

»Lesen«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen. Himmel, ich mache es ihm wirklich nicht leicht, das merke ich nicht nur an seinem irritierten Gesichtsausdruck. Und es tut mir leid.

»Äh ... okay. Dann ... vielleicht gehen wir zusammen in die Bibliothek und du zeigst mir deine Lieblingsbücher?« Er lacht leise.

»Sehr witzig, Greg. Ich weiß nicht, was man bei Dates so macht. Zum Eislaufen ist es zu warm, zum Schwimmen zu kalt. Theater wäre vielleicht nicht ganz angebracht ... Kino?«

»Kino, klar. Warum nicht? Dunkel, gemütlich, kuschelig ... Such einen Film für uns aus, okay?«

Nicht okay. Gar nicht okay. Ich will, dass er einen Film aussucht und alles organisiert. Mich einlädt, für Popcorn und Cola sorgt und mir einen Film zeigt, den er mag. So soll das doch laufen, oder etwa nicht? Jetzt will er mir die Verantwortung in die Schuhe schieben, und ich bin schuld, wenn das nächste Date ein Desaster wird.

»Okay«, antworte ich trotzdem, um nicht total bescheuert auszusehen. »Aber am Montag fahre ich nach London wegen eines möglichen Jobs, also vielleicht am Mittwoch?«

Ich kenne den Theaterplan natürlich und weiß, wann er einen freien Abend hat. Montag und Mittwoch. Am Donnerstag werde ich ihn dann bei der Arbeit treffen, und wenn unser Date ein Reinfall wird, weiß ich nicht, wie ich ihm gegenübertreten soll. Oh Gott.

Sei vernünftig, Gwen! Mit Greg könnte es funktionieren. Er sieht gut aus, er ist nett, ihr kennt euch schon lange, und ihr seid so was wie Freunde. Das klingt nach einer soliden Basis für eine Beziehung. Abgesehen davon, dass Greg offenbar keine große Erfahrung mit Beziehungen hat, zumindest nicht, seitdem du ihn kennst.

Verdammt, warum muss das Leben so kompliziert sein? Jedenfalls, sobald Männer ins Spiel kommen. Vor ein paar Wochen noch ging es mir ziemlich gut mit meiner unerfüllten Schwärmerei für Greg. Kein Adrian, keine komischen Gefühle. Kein Welt verändernder Sex. Keine schlechten Küsse. Ich muss mich zwingen, Adrian zu vergessen, damit Greg und ich eine Chance haben.

Greg fährt mich nach Hause, in seinem alten Vauxhall, der aussieht, als würde er nur vom Rost zusammengehalten. Vor unserer Tür hält er an und sieht mir so lange in die Augen, dass ich meinen Blick anwenden muss.

»Also, dann ...«, sage ich und strecke den Arm aus, um die Tür aufzumachen.

Er beugt sich etwas vor und lächelt. »Komm schon ... nicht mal ein Abschiedskuss?«

Mein Herz wird schwer, als ich den Kopf schüttele. Ich kann nicht. Nicht, nachdem Adrian hier war und mich ... verdammt, ich sollte ins Kloster gehen oder so was. Seit ich wieder Männer in meinem Leben zugelassen habe, hat sich alles in Chaos verwandelt. Zumal mein Handy in der Handtasche vibriert und ich dringend nachsehen will, ob Adrian sich meldet. Warum auch immer ich mir das wünsche.

»Wir sehen uns. Am Mittwoch.«

Damit steige ich aus und hinterlasse einen kopfschüttelnden Greg, der umgehend den Motor startet und nicht einmal wartet, bis ich die Haustür aufgeschlossen habe. Irgendwie bin ich mir sicher, dass Adrian mich zumindest bis zur Tür begleitet hätte, und plötzlich erscheint mir das gar nicht mehr seltsam, sondern ... schön.

In der leeren Wohnung streife ich die Schuhe von den Füßen ab und ziehe das Handy aus der Tasche. Die Nachricht ist anonym, was mein Herz schneller klopfen lässt. Oh bitte, nicht noch mehr davon! Was um alles in der Welt soll das?

Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.

Mehr nicht. Natürlich kein Absender, kein Gruß. Meine Finger zittern, als ich das Handy genervt in die Tasche zurückwerfe. Sehr witzig. Seit wann verschickt das Chinarestaurant Glückskekse per SMS? Ich würde so gern eine bissige Antwort schreiben, was aber leider nicht geht, weil die Nachricht wie immer von einer anonymen Internetadresse verschickt wurde. Wer zum Teufel will mir hier Angst machen? Und warum?

Ich zögere kurz, bevor ich meinen Laptop einschalte und meine Facebookseite aufrufe. Kilian hat sich gemeldet und fragt nach, wie es uns geht. Ich erkundige mich nach seiner Mutter und bitte ihn, mich mal anzurufen, dann erzähle ich noch rasch von meinem aufregenden Jobangebot in London. Wie von selbst klicke ich Adrians Fanseite an und lese die neuesten Kommentare. Vielleicht bin ich doch masochistischer, als ich zugeben will? Warum kann ich ihn nicht einfach vergessen und mit meinem Leben weitermachen? Mit Greg, zum Beispiel. Es ist einfach nicht fair!

Trotzdem kann ich der Versuchung nicht widerstehen und schreibe ihm. Vielleicht hat er eine Erklärung für die seltsamen anonymen Nachrichten und kann mir helfen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie etwas mit ihm zu tun haben, woher auch immer der Absender meine Handynummer hat. Dann nutze ich die Gelegenheit und frage auch gleich noch nach, ob er zufällig eine Idee hat, wie ausgerechnet ich an das Angebot komme, John Karrys Biografie zu verfassen. Ich erwarte keine Antwort, aber jedenfalls habe ich gefragt und das beruhigt mich ein wenig.

Die Antwort folgt wenige Minuten später in Form eines Postings auf meiner Pinnwand. Was zum ...? Es ist ein Bild. Nur das Bild einer Spielkarte, ohne Kommentar. Ein Herz-Ass.