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Cat hockt wie immer vor ihrem Computer und surft im Internet. Ich muss gar nicht fragen, wonach sie guckt, weil ich es sowieso weiß. Vorsichtig lege ich ihr von hinten die Hand auf die Schulter.

»Cat? Ich muss mit dir reden. Dringend.«

Mein Herzschlag hat sich nur sehr langsam beruhigt, nachdem ich die Nachricht auf meinem Handy abgehört hatte. Noch immer bin ich aufgewühlt und verwirrt und habe das dringende Bedürfnis, Cat davon zu erzählen.

»Moment«, sagt sie, ohne sich zu mir umzudrehen.

Auf ihrem Monitor tauchen lauter Chatbeiträge auf.

»Hast du Jonathans Rechner gehackt?«, frage ich skeptisch und beuge mich vor, um mitlesen zu können. In der Tat flirtet er mit einer Frau, die sich MadeMoiSelle nennt. Seinen Chatnamen, The_great_commandment, kenne ich natürlich längst. Und meine Gedanken dazu habe ich Cat gegenüber auch schon ausgiebig ausgebreitet, das muss ich nicht wiederholen. Erst Minuten später schnalle ich, dass sie MadeMoiSelle ist, und stöhne auf. »Ernsthaft? Das merkt er doch sofort!«

Ihr Gesicht glüht, während ihre Finger über die Tastatur fliegen. »Da kommt er nie drauf«, murmelt sie vor sich hin, schickt ihre Nachricht ab und lehnt sich lächelnd, mit verschränkten Armen, im Stuhl zurück.

Nur ihr wippender rechter Fuß deutet darauf hin, wie nervös sie gerade ist. Allerdings kreisen meine Gedanken seit einer halben Stunde um die seltsame Nachricht auf meiner Mailbox, die ich nicht zuordnen kann, und ich muss es jetzt unbedingt loswerden. Ich lasse mich auf ihr Bett fallen, das Handy fest umklammert, und warte darauf, dass sie ihre Cybersex-Runde mit Jonathan beendet und Zeit für mich hat. Witzigerweise stört meine Anwesenheit sie offenbar gar nicht, aber das ist typisch für sie. Meine persönliche Privatsphäre muss ich ihr gegenüber mit Klauen verteidigen, sonst würde sie die gnadenlos ignorieren. Diskretion ist leider nicht gerade ihre Stärke.

»Cat? Ich muss wirklich mit dir sprechen. Bitte!«

»Was?« Die rot gefärbten Haare fliegen, als sie sich zu mir umdreht und mich mit hochgezogenen Brauen mustert. Offenbar erkennt sie an meinem Gesichtsausdruck, dass etwas nicht in Ordnung ist. »Hey, was ist los, Süße?«

Ich halte das Handy hoch. »Ich habe einen sehr seltsamen Anruf bekommen, und ich kann mir nicht erklären, was das zu bedeuten hat.«

»Oh, warte!« Sie tippt hastig ein paar Zeilen, dann sehe ich, dass sie das Browserfenster schließt. »Coitus interruptus«, meint sie grinsend und kommt zu mir rüber. »Geschieht ihm recht.« Cat deutet mit dem Kinn auf mein Telefon. »Und? Wer hat angerufen?«

Wortlos wähle ich die Nummer meiner Mailbox und lasse die Nachricht des anonymen Anrufers über den Lautsprecher laufen. Es ist eine männliche Stimme, die ich nicht wirklich zuordnen kann, weil sie etwas verzerrt klingt. Und was sie mir zu sagen hat, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.

Sieh dich vor, du kleine Schlampe, und lass die Finger von ihm, sonst könnte es ein schlimmes Ende nehmen.

»Okay.« Cat nimmt mir das Handy aus der Hand und starrt mich an, als ob ich mich gerade vor ihren Augen in ein Tier verwandeln würde. »Ich denke, jetzt musst du mal damit rausrücken, was in London wirklich passiert ist.«

»Was? Nein, nein, das ist nicht Adrian ... jedenfalls glaube ich das nicht, es ist nicht seine Stimme. Aber ich weiß nicht, was das bedeuten soll?«

»Unterdrückte Nummer, natürlich«, murmelt Cat vor sich hin und dreht das Handy hin und her, wie wenn sie beim Scotland Yard wäre. »Aber es hat doch mit ihm zu tun, oder etwa nicht?«

Ich zucke die Achseln und sauge an meiner Unterlippe. »Keine Ahnung. Wenn es eine Frau gewesen wäre, hätte es vielleicht Gregs enttäuschtes Groupie sein können, aber so ...«

»Greg?« Cat hebt ihre Augenbrauen an und sieht mich scharf an. »Was ist mit Greg?«

Ich muss grinsen, weil sie mir das vermutlich gar nicht glauben wird. Dann erzähle ich kurz, was im Theater passiert ist, und tatsächlich runzelt sie ungläubig die Stirn.

»Herzlichen Glückwunsch, Gwen! Auch wenn du mir nach wie vor nicht erzählst, was zwischen Adrian Moore und dir vorgefallen ist, aber offenbar hast du dich verändert. Gut! Meinst du, das wird was mit Greg und dir?«

»Keine Ahnung. Er schien jedenfalls nicht abgeneigt und ich hatte das Gefühl, dass er mich küssen wollte. Bevor mein Handy uns unterbrochen hat.«

Cat legt eine Hand auf mein Knie und kräuselt die Lippen. »Vielleicht hat Greg auch männliche Verehrer und einer von denen hat euch beobachtet? Oder es war doch Adrian, der ...«

Ich schüttele vehement den Kopf. »Nein, auf keinen Fall. Seine Stimme würde ich sofort erkennen.« Mein Magen zieht sich zusammen beim Gedanken an ihn. Noch immer habe ich das Gefühl, dass sich ein Gewicht auf meine Brust legt, wenn ich an ihn denke, obwohl ich einfach nur mit ihm abschließen möchte.

»Vielleicht hat sich jemand verwählt und meinte gar nicht dich«, philosophiert Cat weiter. »Ich würde die Nachricht einfach löschen. Mach dir keine Gedanken. Und jetzt erzähl, was du mit Greg vorhast. Die neue Gwen gefällt mir! Du musstest zwar erst durch deinen eigenen Schatten schwimmen, aber jetzt wird es passieren. Ganz bestimmt!«

Ich unterdrücke den rechthaberischen Impuls, die Redewendung zu korrigieren. Cat ist eine Expertin darin, Phrasen zu verbiegen, bis sie völlig sinnentstellt sind. Heute ist mir aber nicht danach, ihr eine Sprachlektion zu erteilen. Ausnahmsweise nicht. Ich bin viel zu aufgedreht, obwohl sie mich wirklich beruhigt hat. Ganz sicher hat sie Recht und diese komische Nachricht war gar nicht für mich. Ich meine, wer sollte mich schon telefonisch bedrohen? Das ist einfach absoluter Unsinn.

»Ich muss was trinken. Lust auf einen Scotch?«

Sie sieht nicht mal auf die Uhr, wozu auch? Den Campus betritt sie höchst selten und nie vor zwölf (weil sie früher nicht vorzeigbar ist, ihrer Meinung nach), und für ihren Unterhalt sorgen ihre Eltern. Der monatliche Scheck reicht zwar gerade für das Nötigste, aber wenn man bedenkt, dass sie seit acht Jahren kein Wort mit ihrer Familie gewechselt hat, ist das mehr, als man erwarten kann. Nicht, dass es um meine Familienverhältnisse besser bestellt wäre. Ich weiß, dass meine Mutter nicht gerade in Geld schwimmt, trotzdem nehme ich den Scheck für die Unigebühren ohne Dank entgegen. Das ist sie mir schuldig.

Wir gehen gemeinsam in die Küche. Ich hole die Flasche aus dem Schrank, dann schenke ich zwei Gläser ein.

»Lädst du mich zur Premiere ein? Ich möchte unbedingt Gregs Gesicht sehen, wenn ihr in aller Öffentlichkeit knutscht.«

Sie grinst so breit, dass die Grübchen in der Wange sich zu kleinen Kratern vertiefen. Wie immer erinnern sie mich an ... Adrian. An sein Grübchen, das sich nur selten zeigte. Die Erinnerung schmerzt wie ein Insektenstich.

»Klar lade ich dich ein. Du bekommst einen Ehrenplatz in der ersten Reihe. Und ich erwarte von dir Standing Ovations nach der Vorstellung!«

»Wow, Gwen, das ist echt ... cool! Ich wünschte, ich hätte derzeit so viel Glück bei Jonathan.«

Ihr Blick wird trüb und erinnert mich daran, dass auch meine beste Freundin Probleme hat. Ihretwegen bin ich aus London zurückgekommen und habe mich mit Adrian überworfen. Zwei Wochen lang habe ich sie getröstet, und jetzt ist sie schon wieder fröhlich dabei, sich an Jonathan ranzumachen. Was ich absolut nicht begreifen kann.

»Hast du nicht mal gesagt, dass Beziehungen nur für Männer gut sind?«, frage ich. »Warum bist ausgerechnet du plötzlich so hinter einer her? Ich verstehe das nicht.«

Cat hebt seufzend die Schultern und sieht mich mit einem Blick an, der das Herz eines Investmentbankers erweichen könnte. »Ich weiß es nicht, Gwen. Ich glaube, ich liebe ihn wirklich. Ich denke andauernd an ihn, ich habe körperliche Sehnsucht, die ich spüren kann, ich fühle mich nur in seiner Gegenwart wirklich wohl und rund und ... ich könnte daran verzweifeln, aber ich weiß nicht, wie ich es abstellen soll.«

Meine Hand zittert. Ich nehme das Glas wieder an mich und trinke noch einen Schluck. Ihre Worte fallen auf fruchtbaren Boden, denn mir geht es mit Adrian genauso. Abgesehen davon, dass ich verzweifelt versuche, ihn loszuwerden. Jedenfalls gedanklich.

»Dann erinnere dich doch mal an früher. Was hast du immer gesagt? Nur Männer profitieren von Beziehungen und von der Ehe. Sie bekommen regelmäßig Sex, ohne etwas dafür tun oder bezahlen zu müssen, sie haben gebügelte Hemden im Schrank, abends ein warmes Essen auf dem Tisch, und wenn es sie mal nach Abwechslung gelüstet, ist auch das kein Problem. Eine Affäre hier, eine Affäre da, und zu Hause sitzt die Mutti, die ihr Leben nach dem Kerl richtet und sich selbst dabei vergisst. Gut für die Männer, schlecht für uns Frauen. Ist es denn das, was du willst? Eine wirkliche, richtige Beziehung mit Jonathan, der dich vermutlich ständig betrügen wird, während du sein Lieblingsessen kochst und deine Karriere vernachlässigst?«

Das klingt eigentlich nicht nach mir, aber genau diese zynische Sicht auf Paare hat Cat früher propagiert. Wir haben nächtelang darüber diskutiert, warum die Emanzipation für Frauen vorüber ist, sobald sie Kinder kriegen und ihren Beruf hintenanstellen, der Familie wegen. Und warum die Männer genau das gut finden – laut Cat gibt ihnen das Sicherheit. Sie wissen, dass die Frau abhängig von ihnen ist, und das mögen sie, weil es ein Freibrief für außereheliche Affären ist. Darum wollen die meisten Männer angeblich auch keine emanzipierte Frau, weil sie an so einer Beziehung ständig arbeiten müssen. Schließlich könnte die Frau sie jederzeit verlassen, so unabhängig und selbstständig, wie sie ist. Warum denke ich eigentlich gerade über so einen Kram nach?

Wir trinken noch einen Whisky und diskutieren weiter über Emanzipation und Liebe, dann lasse ich Cat allein und gehe in mein Zimmer. Ich bin müde und will schlafen, gleichzeitig fühle ich mich jedoch so aufgekratzt, dass ich dringend etwas brauche, um runterzukommen. Auf meinem Nachttisch liegt die Fesselnde Liebe, mit vielen kleinen Notizzetteln darin. Ich habe mir ein paar Stellen markiert, die mich beim ersten Lesen schockierten. Inzwischen dienen sie mir abends im Bett als Anregung für vergnügliche Zeit ... mit mir selbst.

Sorgfältig verriegele ich die Tür, damit die neugierige Cat nicht versehentlich in meine Privatorgie platzt, drapiere den Vibrator auf dem Kopfkissen, nachdem ich den Stand der Batterien geprüft habe, und ziehe mich aus. Dann schlüpfe ich unter die Decke und nehme das Buch zur Hand. Während ich lese wird mir warm. Wärmer. Zwischen meinen Beinen breitet sich Feuchtigkeit aus. Ich sehe uns, Adrian und mich. Spüre seine Küsse, seine Hände, überall auf meinem Körper. Ich höre ihn, wie er auf diese samtige Weise Kleines raunt und leise in mein Ohr stöhnt. Versuche, mir stattdessen Greg vorzustellen, doch sein Bild wird immer wieder verdrängt von Adrian. Von den blauen Augen, der Stirnfalte, der kleinen Narbe am Auge ...

Ich erinnere mich gut an unser erstes Mal. Auch wenn sie heute nicht mehr das Mädchen ist, das mich vor zwei Jahren in den Bann gezogen hat, sondern eine junge Frau. In ihren Augen liegt plötzlich die schmerzhafte Erfahrung unerfüllter Liebe, und ich weiß, dass ich es war, der sie so gezeichnet hat. Das Wissen darüber erregt mich, fast ebenso sehr wie die Erinnerung an den Tag, an dem ich ihren Körper in Besitz nahm und sie markierte. Für immer.

Sie sah hilflos aus, zerbrechlich und verletzlich. Mit schwarzen Tüchern gefesselt, die Beine gespreizt an die Bettpfosten gebunden. Ich nahm ihrem Blick die Intensität, indem ich ein dunkles Tuch um ihren Kopf schlang und sie in gnädige Dunkelheit hüllte. Ihr Körper zitterte vor mir, nackt. Ich sah, wie sie zusammenzuckte, als ich den Gürtel aus den Laschen zog und um mein Handgelenk schlang.

»Wirst du mir wehtun?«, flüsterte sie, mit bebender Unterlippe. Ich zog mich nicht aus, obwohl es bequemer gewesen wäre und sie mich sowieso nicht sehen konnte. Der Druck der Hose auf meinen Schwanz steigerte meine Erregung.

Dann hob ich den Arm und ließ den Ledergürtel auf ihren Oberschenkel auftreffen. Ein unterdrücktes Stöhnen entfuhr ihr. Ihre Beine zuckten, sodass ich den Hieb einfach wiederholte, ohne ihre Spalte aus den Augen zu lassen.

Mit jedem Schlag wurde sie feuchter; ich überprüfte ihre Erregung mit den Fingern, strich zwischen zwei Hieben mit der Zunge über ihre Pussy und saugte an der winzigen, harten Perle, bis sie eine halbe Stunde später wimmernd und flehend vor mir lag. Rote Striemen zierten ihre Schenkel, also löste ich die Fußfesseln und drehte sie an der Hüfte herum. Sie streckte mir ihren weißen Hintern entgegen. Makellose Haut, so unschuldig rein, weich. Ich streichelte ihre Pobacken, fuhr mit dem Finger dazwischen und rieb an ihr, bis sie den Kopf lustvoll hin und her wand und auf meinem Finger tanzte.

Mein Unterleib verkrampft sich. Die Vibrationen des kleinen Spielzeugs wandern durch meinen Körper, sorgen für heftige Spasmen, die sich innerhalb von zwei Sekunden in einem markerschütternden Pulsieren auflösen. Ich keuche, werfe den besudelten Vibrator zur Seite und presse meine Oberschenkel fest zusammen, um die letzten Wellen der Erregung tiefer in mir zu spüren.

Ein Ritual. Das Lesen von Adrians Roman im Bett ist zu einem heimlichen Ritus geworden, und ich fürchte langsam, dass ich ohne gar nicht mehr einschlafen kann. Doch wie immer hat es mir geholfen, schläfrig zu werden. Mit dem Kopf auf dem aufgeschlagenen Buch, dessen Seiten inzwischen ziemlich ramponiert sind, dämmere ich endlich weg. Um Adrian in einem heißen Traum erneut zu begegnen. Ich freue mich auf dieses Wiedersehen, wie an jedem Abend ...