Ein paar Anmerkungen der Autorin

Adelia Aguilar, die Meisterin der Wissenschaft des Todes, wurde von mir vor dem Hintergrund erfunden, dass es im Salerno des 12. Jahrhunderts, das damals zum Königreich Sizilien gehörte, eine große Medizinerschule gab, die nicht nur die Autopsie erlaubte, sondern auch Frauen zum Studium zuließ. Das wissen wir durch eine bis heute erhaltene medizinische Abhandlung, die unter dem Titel »Trotula major« bekannt ist und von einer weiblichen Professorin geschrieben wurde.

Sizilien war das liberalste und am fortschrittlichsten denkende Reich des gesamten Christentums, wo Araber, Griechen, Juden und Normannen als gleichwertige Bürger behandelt wurden, was es sonst nirgends gab.

Die Schule verschwand im 13. Jahrhundert, wahrscheinlich unter dem Druck der katholischen Kirche, die Autopsien und weibliche Ärzte mit einem Bann belegte.

 

Henry II. von England wird von der Geschichte der Vorwurf gemacht, zur Ermordung Thomas Beckets, des Erzbischofs von Canterbury, aufgerufen zu haben. Henry war zu der Zeit in Frankreich und soll in einem berühmt gewordenen Wutausbruch wegen Beckets Weigerung, das korrupte System zu reformieren, ausgerufen haben: »Wer wird mich endlich von diesem widerspenstigen Priester befreien?« Worauf sich einige Ritter aufmachten, die ihre eigenen Probleme mit dem Erzbischof hatten, nach England übersetzten und den Mann auf den Stufen seiner Kathedrale töteten. So wurde Becket zum heiligen Märtyrer und Henry zum Sünder. Dabei war es Henry Plantagenet, der England aus dem Mittelalter führte, ihm ein allgemeines Recht schenkte (ein umfassendes Rechtssystem für das gesamte Volk) und allen englischsprachigen Nationen das Wunder einer Rechtsprechung durch ein Geschworenengericht brachte. Bis dahin war die Rechtsprechung Gott überlassen worden, indem man den Angeklagten beispielsweise in einen Teich warf: Ging er unter, war er schuldig, schwamm er oben, war er unschuldig.

 

Eleonor von Aquitanien war ihrem Mann, König Henry II., intellektuell nicht unbedingt ebenbürtig. In den von Mönchen geschriebenen Chroniken jener Zeit wird sie als aufflammender, wilder Charakter beschrieben. Sie brachte zehn Kinder zur Welt und stellte sich hinter die Revolte ihrer älteren Söhne gegen ihren Vater, der sie, Eleonor, dafür einsperrte (wenn auch an einem recht schönen Ort). Nach dem Tod Henrys II. regierte sie England anstelle von Richard, der sich auf einem Kreuzzug befand, und besorgte das Lösegeld, als er auf dem Rückweg in feindliche Hände geriet. Als er getötet wurde, verbrachte sie ihre Zeit damit, den unsteten König Johann vor Unheil zu bewahren. Bis auf ihn überlebte sie all ihre Söhne und starb erst in ihren Achtzigern. Da konnte sie auf ein abenteuerlicheres Leben zurückblicken als alle Königinnen vor und nach ihr.

Am Ende ihres Lebensweges ging sie in den Konvent von Fontevrault im französischen Anjou (dem schönsten aller Klöster), wo sie trotz aller Turbulenzen in ihrer Ehe mit ihm neben Henry Plantagenet beigesetzt wurde.

 

Joanna Plantagenets Reise von England nach Palermo, um König William von Sizilien zu heiraten, ist ein weiteres historisches Ereignis.

Wir kennen den Großteil ihrer Reiseroute und wissen, dass sie zeitweise von zweien ihrer Brüder begleitet wurde, Henry, dem Jüngeren und Richard, der später Richard Löwenherz genannt wurde. Wir wissen auch, dass die Reise an einem Punkt unterbrochen und Joanna an Land gebracht werden musste, weil sie krank war.

Das alles ist belegt, aber wenig mehr. Die Chronisten des frühen Mittelalters enttäuschen ihre Leser, wenn es um die Einzelheiten von Reisen geht. Alle möglichen Männer und Frauen, nicht nur die königlichen Geblüts, reisten in jenen Jahren. Manche unternahmen Pilgerreisen quer durch die christliche Welt, andere besuchten Rom, von England aus dauerte das nur ein paar Wochen. Wir finden lakonische Hinweise auf Alpenüberquerungen, ohne dass viel über die damit verbundenen Entbehrungen berichtet würde, obwohl sie doch mitunter im Winter stattfanden.

Um auf die wachsende lähmende Macht der römisch-katholischen Kirche von damals hinzuweisen, habe ich mich berechtigt gefühlt, an Joannas Reise teilzunehmen und der sicher sowieso schon abenteuerlichen Unternehmung noch mehr Dramatik hinzuzufügen, wobei ich wie immer darauf geachtet habe, keine meiner historischen Personen auf eine für sie untypische Weise handeln zu lassen.

Ein paar historische Daten habe ich für meine Geschichte verschoben. So ist Joanna bei ihrer Abreise zehn Jahr alt und kommt mit elf in Palermo an, wie es tatsächlich auch war, aber ich habe die ganze Reise nach Sizilien um zwei Jahre nach hinten verlegt, ins Jahr 1178, obwohl sie 1176 stattfand. Das war nötig, um sie im Lebensablauf meiner Heldin unterbringen zu können. 1176 hatte Adelia andernorts zu tun, und so habe ich mir die schriftstellerische Freiheit genommen, Joannas außergewöhnlich Reise umzudatieren, damit Adelia daran teilnehmen konnte.

 

Henry, der Jüngere: Es wäre typisch für diesen jungen Mann gewesen, seine Schwester im Stich zu lassen, um an einem der Turniere teilzunehmen, nach denen er geradezu süchtig war. Professor W. L. Warren, der sich so intensiv wie aufschlussreich mit der Regentschaft Henrys II. befasst hat, sagt über ihn: »Er war gütig, huldvoll, leutselig und höflich, der Inbegriff von Liberalität und Großzügigkeit. Unglücklicherweise war er aber auch oberflächlich, eitel, leichtfertig, hohlköpfig, inkompetent und verantwortungslos.« (W. L. Warren, Henry II, University of California Press, 1977) Irgendwann hat er praktisch jeden im Stich gelassen. Er starb mit achtundzwanzig Jahren an der Ruhr, als er in Aquitanien Aufständische gegen Richard unterstützte, den Bruder, mit dem er sich gegen seinen Vater aufgelehnt hatte.

 

Richard Löwenherz: Die PR-Abteilung der Geschichte, die so oft den falschen Leuten ein gutes Image verpasst, hat Richard durch die Legende von Robin Hood mit einer fast heiligen Aura versehen. Niemand kann abstreiten, dass er ein guter General und mutiger Kämpfer war, aber er war auch nicht ohne Gier und Grausamkeit. So ließ er auf seinem Kreuzzug muslimische Gefangene hinrichten und ihnen die Bäuche aufschlitzen, weil er sehen wollte, ob sie irgendwelche Preziosen verschluckt hatten.

England war ihm egal, er verbrachte weniger als ein Jahr seines Lebens dort. Seine Krönung war das Signal für ein Massaker an den englischen Juden, die sein Vater beschützt hatte. Es heißt, er habe gesagt, er würde London verkaufen, wenn sich damit ein Kreuzzug finanzieren ließe. Vielleicht war es seine Bisexualität (einmal scheint er Buße für einen Akt der Unzucht getan zu haben), die ihn dazu gebracht hat, seinen christlichen Gott damit beschwichtigen zu wollen, Jerusalem von den Muslimen zurückzugewinnen. Zu Tode kam er durch einen wenig ruhmreichen Pfeil, der ihn im heutigen Frankreich traf, als er den Kastellan von Châlus belagerte, der, wie er fälschlicherweise annahm, einen Schatz ausgegraben hatte.

 

Rowley: Im 12. Jahrhundert gab es im Gegensatz zu heute keinen Bischof von St. Albans.

 

Vater Adalburts Ansichten waren unter der naiven Geistlichkeit jener Zeit weit verbreitet.

 

Aveyron gibt es zwar als Namen eines französischen Departements, die Stadt Aveyron wurde jedoch von mir erfunden, genau wie ihr Bischof.

 

Die Katharer haben sich diesen Namen nicht selbst gegeben, auch nicht den Begriff des Perfectus für ihre geistlichen Vertreter benutzt. Es war die christliche Kirche, die diese »Irrgläubigen« aus dem Languedoc so nannte und dann auslöschte. Ich habe beide Begriffe verwandt, weil sie heute allgemein so für die Sekte benutzt werden. Der große Kreuzzug gegen sie und die Verbrennung Tausender Katharer – Männer, Frauen wie Kinder – begann erst nach der hier von mir erzählten Geschichte. Aber schon vorher ließ die Kirche ihre Muskeln spielen, schickte den einen oder anderen von ihnen auf den Scheiterhaufen und behandelte sie mit solcher Grausamkeit, dass meine Schilderung dessen, was Adelia und ihre Freunde im erfundenen Aveyron durch den erfundenen Bischof von Aveyron erleiden mussten, mehr als gerechtfertigt ist.

Adelias Zwangsaufenthalt in Caronne basiert auf dem Klassiker Emmanuel Le Roy, Montaillou: Ein Dorf vor dem Inquisitor 1294 bis 1324, der sich wiederum auf die peinlich genauen Kirchenberichte über das stützt, was die Männer und Frauen dieser Gegend im Mittelalter zu ertragen hatten.

 

Die cornemuse des Pyrénées, die Samponha, ähnelt dem schottischen Dudelsack in ausreichendem Maße, um dem Highlander Rankin ein heimisches Gefühl zu vermitteln.

 

Die Ausdrucksweise meiner Romanfiguren: Ich werde manchmal kritisiert, weil ich meine Personen in einer modernen Sprache sprechen lasse, aber im England des 12. Jahrhunderts war das Englisch der einfachen Leute noch unverständlicher als das von Chaucer im 14. Jahrhundert. Der Adel sprach normannisches Französisch und der Klerus Latein. Da sich die Leute damals natürlich dennoch wie auch wir heute verstanden, lehne ich den Gebrauch einer künstlich verfremdeten Sprache, um den historischen Charakter eines Buches zu betonen, ab und bestehe stattdessen darauf, sie für uns zeitgenössisch klingen zu lassen.

 

Die Doktoren: Der Klarheit halber benutze ich den Titel für die Ärzte meiner Geschichte, obwohl damals tatsächlich nur die Lehrer der Logik und Philosophie so genannt wurden.

 

Die Blinddarmoperation: Ich halte es für möglich, dass Adelia einen Blinddarm entfernen und ihre Patientin den Eingriff überleben konnte. Tatsächlich wusste man schon sehr früh von der Existenz des Appendix und war sich in derMedizinerschule von Salerno sicher bewusst, welche Gefahr er bei einer Entzündung darstellte.

 

Narkosemittel: Seit den Tagen der Pharaonen weiß der Mensch um die Eigenschaften von Opium, und Laudanum, ein Opiumextrakt, der gewöhnlich mit Wein verabreicht wurde, war im Mittelalter sicher bekannt. Allerdings wurde sein Gebrauch von der Kirche verboten, da sie es für böse hielt, von Gott gesandte Schmerzen zu lindern. Ebenso wenig erlaubte die Kirche das Vergießen von Blut, was Chirurgen in den Stand von Friseuren versetzte.

 

Operationen sind bei den Sumerern bereits etwa 4000 vor Christus bekannt. Archäologen haben in den Überresten von Ninive scharfe Bronzeskalpelle, Messer und Trephinen gefunden. Im Codex Hammurapi aus jener Zeit gibt es eine Liste, was man Ärzten dafür zahlen sollte, die »mit einem Operationsmesser einen langen Einschnitt machen und den Patienten heilen«. Ein alter indischer Text aus dem Jahre 600 vor Christus beschreibt das Vorgehen bei Operationen, sogar aus kosmetischer Sicht.

Man darf den Mut des Menschen im Umgang mit seinem Körper nicht unterschätzen. Es wurden Schädel aus dem Neolithikum gefunden, die Spuren erfolgreicher Hirnschalenöffnungen aufweisen. Das Wachstum des Knochens auf der inwendigen Seite der operierten Stellen legt nahe, dass einige der Patienten anschließend noch beträchtliche Zeit gelebt haben.

Wie wir aus frühen Aufzeichnungen wissen, betrug die Überlebensrate bei einer Amputation etwa fünfzig Prozent.

Die Schriftstellerin und Tagebuchautorin Fanny Burney lebte noch viele Jahre, nachdem man ihr im Jahre 1811 ohne Narkose eine von Krebs befallene Brust abgenommen hatte.

Im September 1942 entfernte Wheeler P. Lipes, ein Sanitäter im Rang eines Pharmacist’s Mate (ein Unteroffiziersrang), einem Schiffskameraden an Bord des amerikanischen U-Boots »USS Seadragon« erfolgreich den Blinddarm, und das ohne Hilfe eines qualifizierten Arztes und ohne Penicillin.

Leonid Rogosow, ein russischer Arzt, schnitt sich 1961 bei einer Antarktisoperation mit lokaler Betäubung und unter Mithilfe einiger medizinischer Laien den eigenen Appendix heraus. Er überlebte und konnte seine Geschichte selbst erzählen.

 

Blutungen wurden in alten Zeiten oft durch Ausbrennen gestillt. Was ein ganz eigenes Risiko bedeutete, aber nicht unbedingt zum Tode führte.

 

Genäht wurde bereits bei der ersten Operationen, wenn auch frühe Operateure das Fleisch der Wunde von Ameisen zusammenbeißen ließen, die Körper der Insekten wegschnitten und die Zähne in der Wunde beließen.

 

Eine Blutvergiftung war natürlich tödlich, ohne dass Adelia gewusst hätte, was die Ursache war. Erst im 19. Jahrhundert wurde man sich der Gefahren einer entsprechenden Verunreinigung bewusst. Aber auch wenn das Mittelalter als unhygienisch dargestellt wird und in aller Regel wohl auch war, gab es doch auch damals viele, die auf Sauberkeit hielten. Für Juden und Araber war sie Teil der religiösen Rituale, und ein Christ, der zum Ritter geschlagen wurde, musste vor der Zeremonie ein Bad nehmen. Mittelalterliche Haushaltsbücher weisen beträchtliche Ausgaben für Waschen und Schneiderarbeiten auf. Roben und Kleider, an denen Monate, wenn nicht Jahre genäht worden war, mussten sauber gehalten werden, wenn sie nicht durch Schweiß und Schmutz zerstört werden sollten.

Und wenn die Säuglingssterblichkeit auch enorm war, so entwickelte ein Kind, das älter als fünf Jahre wurde, dennoch eine Immunität, die es oft ein hohes Alter erreichen ließ.

 

Die Kathedrale von Palermo ist so oft umgebaut und restauriert worden, dass sie längst nicht mehr so herrlich wie im 12. Jahrhundert ist, und so habe ich das so wundervolle wie großartige Mosaik des Pantokrators aus ihrer weit weniger in Mitleidenschaft gezogenen Rivalin, der Kathedrale von Cefalù, in sie hineinverlegt. John Julius Norwich beschreibt die Kirche in Cefalù als »nicht einfach nur das herrlichste normannische Bauwerk auf Sizilien, sondern eine der schönsten Kathedralen der Welt«.

 

Sizilien: Die glorreiche Zeit der Aufklärung im Königreich Sizilien dauerte nicht länger als vierundsechzig Jahre. Die Ehe Joannas mit William II. verlief offenbar glücklich, aber auch insofern tragisch, als sie kinderlos blieb. William war nicht Staatsmann genug, um zu erhalten, was sein Land einmal verkörpert hatte, und es gelang ihm auch nicht, es in gute, fähige Hände zu legen. Er starb in seinen Dreißigern, und sein Königreich versank in Gewalt und Bigotterie. Eine Zeitlang war Joanna praktisch die Gefangene von Williams unrechtmäßigem Nachfolger Tankred und musste von Richard Löwenherz befreit werden. 1196 wurde sie erneut verheiratet, diesmal mit dem Grafen von Toulouse, dem sie drei Kinder gebar. Bei der Geburt des dritten starb sie im Alter von dreiunddreißig Jahren und wurde von ihrer unbeugsamen Mutter Eleonor von Aquitanien überlebt.

 

Excalibur. Niemand weiß, was damit geschehen ist. In den Unruhen nach Williams Tod verschwand König Artus’ Schwert – wie das große Königreich, dem es zum Geschenk gemacht worden war.