Jeder von uns hat sich schon einmal die Frage vorgelegt: »Was täte ich, wenn ich auf der Straße einen Schatz finde?« Wer auf diese Frage antwortet, daß er den Schatz für sich behalten würde, kann möglicherweise noch ein reicher, niemals aber ein feiner Mensch werden. Wer behauptet, er würde den Fund abliefern, hat noch nie etwas gefunden. Wer aber fragt, was der Schatz eigentlich wert ist: der ist ein ehrlicher Finder.

 

EIN EHRLICHER FINDER

Kurzdrama in einem Akt

 

Personen:

SA'ADJA SCHABATAI

DIE WITWE »MAO-MAO«

Ort der Handlung: Ein Zimmer in der Wohnung der Witwe

WITWE: (lehnt sich zum Fenster hinaus und ruft mit trauriger Stimme) Clarisse! Komm nach Hause, Clarissilein! (Nichts geschieht. Die Witwe seufzt und zieht sich ins Zimmer zurück. Es klopft.) Wer ist draußen?

SA'ADJA: (von draußen) Ich.

WITWE: Was wollen Sie?

SA'ADJA: Daß Sie die Tür öffnen.

WITWE: (öffnet die Tür spaltbreit und erblickt einen unrasierten, vollbärtigen Mann von unverkennbar orientalischer Herkunft, der einen großen Korb im Arm hält) Ich brauche nichts. (Schlägt die Türe zu.) Unverschämt ...

SA'ADJA: (klopft abermals)

WITWE: (reißt zornig die Tür auf) Ich brauche nichts, sage ich Ihnen.

SA'ADJA: Sch-sch-sch. (Überprüft das Türschild.) Ist Herr Har-Schoschanim zu Hause?

WITWE: In welcher Angelegenheit?

SA'ADJA: Persönlich. Wann kommt er nach Hause?

WITWE: Er kommt überhaupt nicht nach Hause.

SA'ADJA: Warum nicht?

WITWE: Weil er tot ist.

SA'ADJA: Tot? Das ist schade.

WITWE: (tupft sich mit dem Taschentuch eine Träne aus dem Auge) Er ist vor zwei Jahren gestorben. An Lungenentzündung.

SA'ADJA: Wir alle müssen sterben, früher oder später.

WITWE: Zuerst dachten wir, es wäre nur eine Grippe. Er hustete ein wenig, das war alles. Dann hat man ihm Penicillin gegeben .

SA'ADJA: Penicillin ist gut. Das hilft. Wenn auch nicht immer . Also er ist nicht zu Hause.

WITWE: Nein. Zu Hause bin nur ich. Ich bin seine Witwe.

SA'ADJA: Arme Frau. (Zieht ein Zeitungsblatt aus der Tasche) Haben Sie dieses Inserat aufgegeben? (Liest unter Schwierigkeiten) »Hauskatze verloren. Hört auf den Namen ...« (noch größere Schwierigkeiten) »... Clarisse.«

WITWE: (jauchzend) Clarisse! Ja, das Inserat ist von mir. Bitte treten Sie ein, lieber Herr! Clarisse! Sie haben meine Clarisse gefunden?

SA'ADJA: (rührt sich nicht) Einen Augenblick. Ich bin noch nicht fertig. (Liest drohend zu Ende) »Reicher Finderlohn!«

WITWE: (aufgeregt) Ja, ja, natürlich. Das versteht sich von selbst. Aber so kommen Sie doch weiter, lieber Herr.

SA'ADJA: (tritt ein, setzt sich, behält den Korb auf den Knien) Mir brauchen Sie nicht »lieber Herr« zu sagen. Sa'adja. Ich heiße Sa'adja Schabatai. Wegen so einer Katze bin ich noch kein lieber Herr.

WITWE: Es ist nicht »so eine Katze«. Es ist Clarisse. Sie ahnen ja nicht, wie glücklich ich bin, daß Sie Clarisse gefunden haben. Bitte nehmen Sie Platz. Clarisse. Wollen Sie etwas trinken? Mein Liebling. Mein süßer kleiner Liebling.

SA'ADJA: Wer?

WITWE: Clarisse. Wie haben Sie sie gefunden? Sie müssen mir alles erzählen! Entschuldigen Sie, daß ich Sie nicht besser empfangen kann. Ich bin eine einsame Witwe. Lesen Sie viele Zeitungen?

SA'ADJA: Alle. Aber nur die Verlustanzeigen.

WITWE: Wo ist sie? Wo ist meine Clarisse? Haben Sie jemals etwas so Schönes gesehen? Ich frage Sie, Herr Schabatai, ob Sie jemals etwas so Wunderschönes gesehen haben!

SA'ADJA: Katze wie Katze.

WITWE: (gekränkt) Ich muß schon bitten. Da gibt es denn doch noch Unterschiede. Meine Clarisse! Die herrlichen grünen Augen ... das süße rosa Naschen ... das schneeweiße Fell.

SA'ADJA: Weiß?

WITWE: Schneeweiß. Fleckenlos weiß. Daran müssen Sie ja sofort erkannt haben, daß sie eine edelrassige Katze ist.

SA'ADJA: Ich erkenne gar nichts. Ich kann das nicht unterscheiden. Katzen sind für mich Katzen. Eine mehr, eine weniger, aber etwas anderes ist keine.

WITWE: Wie mag es ihr wohl ergangen sein, meiner armen Clarisse! Wo haben Sie sie gefunden?

SA'ADJA: Gefunden? Wieso gefunden?

WITWE: Sie sagten doch, Sie haben -

SA'ADJA: Ich? Nicht ich. Ich habe nur gefragt, ob Sie dieses Inserat aufgegeben haben.

WITWE: Ja, gewiß ... Aber wenn Sie sie nicht gefunden haben, warum sind Sie dann hergekommen?

SA'ADJA: Ich habe nicht gesagt, daß ich sie nicht gefunden habe.

WITWE: Jetzt verstehe ich kein Wort mehr.

SA'ADJA: Nehmen wir an, ich habe sie gefunden.

WITWE: Wo ist sie?

SA'ADJA: An einem sichern Platz. Unter Freunden.

WITWE: Gott sei Dank. Ich hoffe, Sie sind behutsam mit ihr umgegangen.

SA'ADJA: Sehr sanft habe ich sie gefangen. Sehr sanft. Mit zwei Fingern . so . beim Schwanz.

WITWE: (unterdrückt ihr Entsetzen) Gut, gut. Und jetzt bekommen Sie eine schöne Belohnung.

SA'ADJA: Wie schön?

WITWE: Wie es in solchen Fällen üblich ist.

SA'ADJA: Üblich genügt nicht. Es ist eine edelrassige Katze. So ein Tier kostet Geld.

WITWE: (wird unruhig) Wieviel . was haben Sie sich vorgestellt?

SA'ADJA: Das, was die Regierung sagt. Die Regierung sagt alles. Auch was man für eine edelrassige Katze bekommt.

WITWE: Ein Pfund? Eineinhalb Pfund?

SA'ADJA: Wofür?

WITWE: Für Clarisse.

SA'ADJA: Eineinhalb Pfund für eine gesunde Edelkatze? Ein halbes Kilo Wurst kostet drei!

WITWE: Also zwei Pfund. Das ist sehr viel Geld.

SA'ADJA: Vielleicht für einen Hund. Nicht für eine Katze. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Verlieren Sie einen Hund und ich finde ihn für ein Pfund. Wenn er räudig ist, genügen mir 80 Piaster. Eine Katze ist teurer.

WITWE: Warum?

SA'ADJA: Haben Sie schon einen Hund auf einen Baum klettern sehen?

WITWE: Sie haben sie auf einem Baum gefunden?

SA'ADJA: Erst denken, dann reden. Zehn.

WITWE: Was: zehn?

SA'ADJA: Zehn.

WITWE: Zehn Pfund?

SA'ADJA: Das ist der Preis. Zu hoch? Wie viele Katzen findet man schon im Monat? Zwei? Drei? Man muß von etwas leben. Zehn Pfund.

WITWE: Für zehn Pfund kann ich mir einen Tiger kaufen.

SA'ADJA: Einen Tiger? Was machen Sie mit einem Tiger? Er frißt Sie zum Frühstück. Einen Tiger will sie ... Solche Weiber müßte man einsperren.

WITWE: (kramt in ihrer Tasche, die sie durch eine Körperwendung vor den Blicken Sa 'adjas deckt) Zehn Pfund für eine Katze ... unverschämt.

SA'ADJA: (versucht den Inhalt der Tasche zu erspähen) Nur beim ersten Mal. Nächstens finde ich Ihnen eine billigere. Wir können einen Vertrag schließen. Gegen eine monatliche Zahlung von -

WITWE: (schreit auf) Sie haben Clarisse gestohlen!

SA'ADJA: Sch-sch-sch. Ich bin ein ehrlicher Finder. Sa'adja Schabatai stiehlt nicht. Keine Katze. Wer wird eine Katze stehlen? Wenn man schon etwas stiehlt, dann stiehlt man ein Pferd. Sie glauben, daß ich diese zehn Pfund brauche, Frau Schoschanim? Ich weiß, es ist viel Geld. Ich und meine Witwe könnten ein Jahr davon leben. Aber Mordechai muß in die Schule gehen, damit er klüger wird als sein Vater. Und der Lehrer hat gesagt: »Ohne zehn Pfund gibt es keine Schulgeldbefreiung.« Das hat mich auf den Gedanken gebracht, Clarisse zu finden.

WITWE: Wo haben Sie sie gefunden?

SA'ADJA: Auf dem Dach.

WITWE: Auf welchem Dach?

SA'ADJA: Auf welchem Dach? Auf dem Dach in unserem Barackenlager.

WITWE: In der Zeitung steht, daß es schon längst keine Barackenlager mehr gibt.

SA'ADJA: Die Zeitungen müssen über etwas schreiben. Wenn Sie mich fragen, werden noch die Kinder von Clarisse in Baracken leben.

WITWE: (nervös) Die Kinder?

SA'ADJA: Bis jetzt hat sie noch keine. Aber die Zeit vergeht schnell.

WITWE: Na schön. Kommen wir zu Ende. Ich gebe Ihnen die zehn Pfund, aber nur, weil Sie so viel gelitten haben.

SA'ADJA: Ich bin ein sozialer Fürsorgefall.

WITWE: Und jetzt bringen Sie mir Clarisse!

SA'ADJA: Jetzt?

WITWE: Natürlich jetzt.

SA'ADJA: Zuerst den Finderlohn, Frau Schoschanim.

WITWE: Was fällt Ihnen ein? Soll ich eine Katze im Sack kaufen?

SA'ADJA: Sack? (Deutet auf den Korb) Das ist ein Sack?

WITWE: (mit unterdrücktem Jubel) Clarisse ist in diesem Korb?

SA'ADJA: So Gott will.

WITWE: Zeigen Sie her! Clarisse! Ich will meine Clarisse sehen!

SA'ADJA: Sie können sie hören. (Hält den Korb an das Ohr der Witwe) Macht es tick-tack?

WITWE: Nein.

SA'ADJA: (klopft an den Korb) Clarisse! Sag der Frau Schoschanim Miau!

WITWE: (schreit auf) Clarisse! Ich hab sie gehört! Clarisse!

SA'ADJA: So wie ich sagte.

WITWE: Machen Sie den Korb sofort auf! In dem Korb ist ja keine Luft! Machen Sie ihn auf! Auf was warten Sie?

SA'ADJA: Ich bin wie Ben Gurion. Sicherheit über alles. (Streckt die Hand aus) Zehn Pfund.

WITWE: Zuerst Clarisse.

SA'ADJA: Zuerst den Finderlohn.

WITWE: (bricht in Tränen aus) Was soll ich mit Ihnen machen .

SA'ADJA: Warten Sie. Lassen Sie mich nachdenken ... (denkt nach) Also. Damit wir beide sicher gehn, Frau Schoschanim, werde ich bis drei zählen. Wenn ich »drei« sage, dann geben Sie, Frau Schoschanim, mir den Finderlohn in diese Hand, und ich, Sa'adja Schabatai, gebe Ihnen die Katze mit jener. Sehen Sie, so. (Zeigt es)

WITWE: Schon gut, schon gut. Machen wir's rasch. (Nimmt eine Zehnpfundnote heraus) Clarisse! Jetzt wirst du bald wieder bei mir sein, Clarissilein! Und dann trennen wir uns nie, nie, nie wieder .

SA'ADJA: In dem Korb ist nicht viel Luft.

WITWE: Dann also los, um Himmels willen.

SA'ADJA: Gut. Ich bin soweit. Ich zähle bis drei. Fertig?

WITWE: Fertig.

SA'ADJA: Aber daß Sie sich nicht verspäten!

WITWE: Nein!

SA'ADJA: Es muß auf die Sekunde klappen!

WITWE: Ja!

SA'ADJA: Wie auf einer Uhr.

WITWE: (schluckt verzweifelt)

SA'ADJA: Also. Damit wir keine Zeit verlieren. In Gottes Namen. Eins - zwei - drei! (Er zieht aus dem Korb eine kleine, magere, pechschwarze Katze heraus und hält sie der verdatterten Witwe hin.) Wo sind die zehn Pfund?

WITWE: Wo ist Clarisse?

SA'ADJA: Hier.

WITWE: Das ist nicht Clarisse.

SA'ADJA: Nicht? Vielleicht ist es auch keine Katze?

WITWE: Sie sind verrückt geworden. Was soll ich mit diesem Tier da machen?

SA'ADJA: Was man eben mit einer Katze macht. Füttern. Pflegen. Dann wird sie schon wachsen.

WITWE: Um keinen Preis der Welt nehme ich diese Katze.

SA'ADJA: Warum nicht?

WITWE: Weil es nicht Clarisse ist.

SA'ADJA: Woher wissen Sie das?

WITWE: Dumme Frage. Ich kenne doch meine Clarisse. Die hier ist viel kleiner als Clarisse.

SA'ADJA: Sie hat vielleicht ein bißchen abgenommen, weil sie soviel zu Fuß gehen mußte. Deshalb wirkt sie nicht wie Clarisse.

WITWE: Reden Sie keinen Unsinn. Diese Katze ist doch pechschwarz. (Schweigen)

SA'ADJA: Schwarz.

WITWE: Das sehen Sie doch.

SA'ADJA: Aha. Ich hab's ja gewußt. Sie wollen diese Katze nicht haben, weil sie schwarz ist. Wenn es eine weiße gewesen wäre, hätten Sie sie genommen!

WITWE: Nein.

SA'ADJA: Eine schwarze wollen Sie nicht im Haus haben, das ist es.

WITWE: Ich möchte .

SA'ADJA: Es kommt Ihnen nicht auf die Katze an, sondern auf die Farbe. Das habe ich mir gedacht. Diskriminierung. Rassenhaß.

WITWE: Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Herr Schabatai. Ich kenne diese Katze nicht.

SA'ADJA: Nicht? Darf ich vorstellen? Clarisse, das ist Frau Schoschanim ... Clarisse ...!

WITWE: Sie rufen sie Clarisse?

SA'ADJA: Ich habe ihn von Anfang an Clarisse gerufen, damit er sich daran gewöhnt, daß er Clarisse ist. Aber der Name gefällt ihm nicht. Er ist ein Kater.

WITWE: Und wie heißt er wirklich?

SA'ADJA: Mao-Mao.

WITWE: Was ist das für ein Name?

SA'ADJA: Ich habe ihn so genannt, weil er nicht ganz weiß ist. Aber sonst ist er ein prachtvolles Tier. Ich würde ihn nicht für hundert Clarissen hergeben.

WITWE: Wie können Sie sich unterstehen, die zwei in einem Atem zu nennen!

SA'ADJA: Sehen Sie sich doch einmal seinen Bart an, Frau Schoschanim. Wie das blitzt. So etwas Gescheites von einem Tier gibt es kein zweites Mal. Vor Menschen, die er gern hat, geht er nie über die Straße, weil er weiß, daß schwarze Katzen Unglück bringen. So gescheit ist er.

WITWE: Aber zu mager.

SA'ADJA: Auch das hat seine Vorteile. Er braucht wenig Treibstoff. Rennt den ganzen Tag herum und kommt mit einem halben Liter Magermilch aus. Fängt Mäuse wie ein Besessener.

WITWE: In meinem Haus sind keine Mäuse.

SA'ADJA: Ich kann Ihnen welche bringen. Außerdem ist Mao-Mao gar nicht so klein, wie er nach außen wirkt. Wenn er will, kann er wie eine Edelrasse ausschauen. Jetzt steht er nicht ganz gerade, weil er Hunger hat. Steh gerade, Dummkopf, wenn man von dir spricht!

WITWE: Warten Sie, ich bringe ihm ein wenig Milch. (Bringt ihm ein wenig Milch) Na, trink schön, Kleiner ... Clarisse hat immer so gerne mit den Kindern im Hof gespielt.

SA'ADJA: Kinder? Das ist gut.

WITWE: Sie hat mit ihnen Verstecken gespielt. Die Kinder haben sich versteckt, und Clarisse hat sie gefunden .

SA'ADJA: In meinem Barackenlager kann man solche Spiele nicht spielen. Wer soll sich schon in einem einzigen Zimmer verstecken . (Betrachtet den trinkenden Kater) Trinkt schön, was? Die kleine rote Zunge arbeitet wie geölt, was?

WITWE: Ich hab's mir überlegt, Herr Schabatai. Sie können ihn hierlassen.

SA'ADJA: Trotz allem?

WITWE: Ja. Hier haben Sie Ihre zehn Pfund.

SA'ADJA: Wofür?

WITWE: Für Mao-Mao.

SA'ADJA: Frau Har-Schoschanim! Zehn Pfund für dieses prachtvolle Tier?

WITWE: Aber das war doch der Preis, den Sie verlangt haben?

SA'ADJA: Frau Har-Schoschanim, die zehn Pfund waren der Finderlohn. Jetzt müssen Sie auch noch für die Katze zahlen.

WITWE: Sie machen Witze.

SA'ADJA: Ihre Katze war Clarisse. Das hier ist eine vollkommen neue. Fünfzehn Pfund alles zusammen.

WITWE: Das ist nicht schön von Ihnen.

SA'ADJA: Nicht schön? Was ich immer sage. Man soll kein weiches Herz haben. (Steckt den Kater in den Korb zurück.) Nicht schön, hat sie gesagt. Komm, Mao-Mao. Hier haben wir nichts verloren. Wir gehen nach Hause.

WITWE: Warten Sie. Da sind die fünfzehn Pfund.

SA'ADJA: Fünfzehn Pfund?

WITWE: Sie wollten doch fünfzehn Pfund haben?

SA'ADJA: Ja. Aber ich hatte den Eindruck, daß Sie nicht damit einverstanden sind.

WITWE: Ich bin einverstanden. Nehmen Sie die fünfzehn Pfund und geben Sie mir den Kater.

SA'ADJA: Für die Nachbarkinder?

WITWE: Wollen Sie das Geld haben, ja oder nein?

SA'ADJA: Ich brauche es. Damit Mordechai in die Schule gehen kann. Ich brauche es sehr dringend. Gut, zählen wir. Fertig.

WITWE: Ja. Hier ist Ihr Geld.

SA'ADJA: Eins ... zwei ... er fängt keine Mäuse. Ich habe gelogen. Er fürchtet sich vor Mäusen.

WITWE: Macht nichts.

SA'ADJA: Gut. Eins ... zwei ... er wächst auch nicht mehr. Er ist eine Mißgeburt.

WITWE: Zählen Sie weiter.

SA'ADJA: Wie Sie wollen. Eins ... zwei ... drei ...

WITWE: (hält ihm die Banknote hin, die Sa'adja nicht nimmt) Nehmen Sie!

SA'ADJA: Ich will nicht.

WITWE: Was ist los?

SA'ADJA: Ich kann nicht.

WITWE: Warum können Sie nicht, um Gottes willen? SA'ADJA: Ich war nicht ehrlich zu Ihnen, Frau Har- Schoschanim. Sa'adja Schabatai war nicht ehrlich. Der Kater gehört meinen Kindern.

WITWE: Aber Sie sagten mir doch, daß Sie ihn gefangen haben?

SA'ADJA: Natürlich habe ich ihn gefangen. Ich bin auf das Dach unserer Baracke hinaufgestiegen und habe ihn gefangen. Ich habe ihn gefangen, damit ich Ihre Clarisse aus ihm machen kann. Ich schäme mich. Einen Mann in ein Weib zu verwandeln, für ein paar schäbige Pfunde.

WITWE: So schlimm ist es gar nicht. Wollen Sie noch zwei Pfund haben?

SA'ADJA: Frau Har-Schoschanim, meine Kinder lieben ihn über alles. Sie lieben ihn, weil er so schwarz und arm ist. Und jetzt wollen Sie ihn Ihrer Nachbarsbrut hinwerfen. Sie haben kein Herz im Leibe. (Geht zur Tür)

WITWE: Warum haben Sie ihn dann überhaupt hergebracht?

SA'ADJA: Jetzt bringe ich ihn wieder zurück. Zu Mordechai. Zu meinen Kindern. Er wird mit ihnen Verstecken spielen.

WITWE: Sie treiben mich in den Wahnsinn. Was soll ich jetzt machen?

SA'ADJA: Das weiß ich nicht. Fangen Sie sich eine schneeweiße Katze. Mao-Mao ist nicht zu haben. Und nächstesmal geben Sie keine Inserate in die Zeitung. Ich komme nicht mehr! (Ab)

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