Die Dreharbeiten an dem Film über Janes Austens Leben waren endgültig vorbei. Die Bank hatte den Geldhahn zugedreht.
Honey war deswegen nicht traurig, und Doherty war anderweitig beschäftigt. Er hatte einen Brummschädel und musste andere Verabredungen treffen, die sie in den beiden Mordfällen voranbringen würden.
Candy hatte sich, unbemerkt von Doherty, aus dem Krankenhaus abgesetzt. Darüber war er stocksauer. Er gab Mary Jane die Schuld daran. Es war ihm aufgefallen, dass einer ihrer Reifen sehr wenig Luft hatte. Sie hatte sich artig bei ihm bedankt und ihm mitgeteilt, wo sich ihr Reservereifen befand.
Pflichtschuldig hatte Doherty den Reifen gewechselt und wollte dann das Werkzeug wieder im Kofferraum verstauen.
Mary Jane hatte vergessen, ihm zu sagen, dass eines der Scharniere am Deckel des Kofferraums nicht ganz in Ordnung war. Doherty hatte den Deckel auf den Kopf bekommen.
»Zum Glück waren wir ja schon in der Notaufnahme«, hatte Mary Jane Honey erklärt.
Zum Glück – einerseits. Doherty wurde sehr rasch versorgt. Aber in der Zwischenzeit war Candy abgehauen. Sie war schnurstracks zum Hotel zurückgegangen, hatte ihr Gepäck abgeholt und war verschwunden.
Doherty war ziemlich stinkig. »Ich lasse sie von der Polizei in London überprüfen.« Dann sprintete er in Richtung Hauptwache davon.
Honey beschloss, den Ball flach zu halten. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass Candy einen Mord begangen hatte. Natürlich, da war diese Sache mit Mr North. Die Regenbogenpresse florierte nur, wenn es derlei anzügliche Klatschgeschichten gab. Und was, wenn jemand herausgefunden hatte, dass Martyna eine Beziehung mit Sheherezade hatte?
Sie erinnerte sich, dass es im Wohnwagen keinerlei Anzeichen eines Kampfes gegeben hatte. Nur der Luftbefeuchter war umgekippt und hatte Parfümwolken verströmt, und der Heizlüfter hatte kalte Luft geblasen. Irgendwas war komisch daran, dass beide Geräte gleichzeitig in Betrieb waren, aber bisher hatte sie noch nicht begriffen, was das war.
Casper saß Honey in der Bar des Francis Hotels gegenüber. Sein Augenmerk, nun nicht mehr von den surrenden Filmkameras abgelenkt, war wieder voll und ganz auf das Wohl von Bath gerichtet.
»Wir müssen das alles so bald wie möglich zu Ende bringen«, teilte er Honey mit. »Wie schrecklich, dass ein hoch angesehener Star in unserer Stadt erscheint und prompt umgebracht wird!«
Es gab eine Menge Leute, die der Meinung waren, Martyna hätte nur bekommen, was sie verdiente. Aber Honey verkniff sich jeglichen Kommentar.
Bei einem kleinen Mittagessen brachte Honey Casper mit den Informationen, die sie von Doherty erhalten hatte, auf den neuesten Stand.
»Aller Wahrscheinlichkeit nach war Martynas Mörder verkleidet, und deswegen hat Ted Ryker im Verpflegungswagen …«
Geplättet passte wohl am besten als Beschreibung für Caspers Gesichtsausdruck. Er war platt, als hätte ihm jemand ein gusseisernes Bügeleisen über den Kopf gezogen.
»Ich dachte, der hieß Richard. Richard Richards. Das ist der Name, den ich da gelesen habe.«
Casper spuckte den Namen aus, als sei es ein Verbrechen, unglücklicherweise den gleichen Vor- und Zunamen zu haben. Honey musste zugeben, dass das wirklich ziemlich blöd klang.
»Anscheinend war der nur die Vertretung. Der echte Richard Richards hatte sich um die Verpflegung an der Rennbahn von Cheapstow zu kümmern und dann noch um eine ganze Reihe anderer Termine. Er versuchte, Ted Ryker nach Möglichkeit nicht einzusetzen, weil der ein notorischer Lügner ist und außerdem keine Kritik an seinen Kochkünsten vertragen kann. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass er ständig eine lange Liste von Stars zitiert hat, die seine Pasteten und was sonst noch angeblich über den grünen Klee gelobt haben.«
»Offensichtlich war das also eher im Bereich der Fiktion angesiedelt«, meinte Casper mit unverhohlener Verachtung. »Wie widerwärtig ordinär!«
Honey wollte die Sache hinter sich bringen und sich so bald wie möglich mit Steve Doherty treffen. Der war einem viel größeren Geheimnis auf der Spur, und sie wollte daran teilhaben.
Brett Coleridge war nirgends zu finden. Seine Sekretärin konnte nur sagen, dass er im Ausland war, aber sie wusste nicht wo.
Wieder eine Sache, wegen der Doherty sauer sein konnte. Er hatte Coleridge gesagt, er sollte auf keinen Fall das Land verlassen. Er mochte es nicht, wenn man ihn für dumm verkaufte.
Casper ließ die Augen über die Mittagsgäste schweifen. Dies war nicht gerade sein Lieblingsrestaurant. Andererseits war es ganz gut, dass hier auch seine Freunde und Bekannten nicht so gern hingingen. Das kam ihm durchaus gelegen. Schon geraume Zeit vor den Dreharbeiten hatte er sich überall damit gebrüstet, dass er eine kleine Rolle an Land gezogen hatte – von Statist oder Komparse war da nicht die Rede gewesen. »Einen Dandy von übelstem Ruf«, hatte er geantwortet, wenn man ihn fragte, was er spielen würde.
Inzwischen hatte das Gerücht die Runde gemacht, dass er einen Kreuzungskehrer gegeben hatte. Casper wollte gern eine Weile in der Versenkung verschwinden und dort bleiben, bis sich die Wogen des Spotts gelegt hatten.
Honey hatte gerade angefangen, ihm die letzten Neuigkeiten zu erzählen, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte.
Er schaute an ihr vorbei auf jemanden, der gerade in die Bar gekommen war. Sein Blick sprach Bände. Reiner Horror.
»Ich muss weg«, sagte er plötzlich. »Ich komm mal bei Ihnen vorbei, wenn ich in der Gegend bin.«
Er sprang vom Stuhl auf. Die Bar im Francis Hotel war lang und schmal. Sie hatte zwei Eingänge, einen vom Empfang aus und einen direkt vom Queen Square. Dieser Tür saßen sie am nächsten.
Wie der Blitz war Casper verschwunden und hinterließ nur einen kalten Luftzug.
Die beiden Männer, die eben eingetreten waren und sich an der Bar etwas zu trinken gekauft hatten, bestellten nun noch Sandwiches und setzten sich in eine weit entfernte Ecke, gleich neben der Tür zum Empfang.
Der Kellner brachte zwei Salatteller mit Lachs an Honeys Tisch.
»Für Sie, gnädige Frau?«
»Für mich«, antwortete sie tapfer. Na ja, die Portionen waren nicht sonderlich groß, und der Salat bestand nur aus Kopfsalat, Tomaten und einigen anderen Gemüseschnipseln. Die würde sie schon beide schaffen.
Sie wollte gerade den Salat vom einen Teller mit auf den anderen häufen, als jemand fragte: »Brauchst du Hilfe?«
Doherty schaute mit amüsiertem Grinsen auf sie herab. Er hatte sie auf frischer Tat ertappt.
»Die waren wirklich nicht beide für mich. Casper musste weg.«
Er lächelte. »Das will ich dir mal glauben. Millionen anderer würden das nicht tun.«
Inzwischen kannte er ihre Schwächen – oder vielmehr ihre größte Schwäche. Essen. Gutes Essen natürlich, nicht das zu Tode gekochte Zeug aus einer Tiefkühlpackung oder aus der Dose.
Sie war in der Zwickmühle, was die beiden Salate betraf. Sollte sie mit ihm teilen oder bei ihrem ursprünglichen Plan bleiben und beide essen? Die zweite Option war die reizvollere, und Großzügigkeit würde sie hier nicht weiterbringen. Bis Doherty sagte: »Die mit dem langen Namen ist nicht an der Stichwunde gestorben. Wenn du mehr erfahren willst, musst du mir einen von den Tellern geben. Ich bin kurz vorm Verhungern.«
Sie stellte den Salat vor ihn hin, denn ihr Hunger auf Neuigkeiten war (zumindest zeitweise) größer als ihr Appetit auf Essen.
Steve Doherty stürzte sich auf den Räucherlachs. »Das Zeug könnte ich wirklich jeden Tag essen.«
»Casper macht das.«
»Der kann es sich auch leisten.« Sein Tonfall war vorsichtig, aber es schwang noch etwas anderes darin mit.
Es gab zwischen Doherty und Casper keinerlei Feindseligkeit. Sie kamen von entgegengesetzten Enden des sexuellen Spektrums, behandelten einander aber respektvoll und mit Toleranz. Doherty war misstrauisch, Casper war auf der Hut.
Zwischen Happen vom Räucherlachs teilte ihr Doherty die Einzelheiten zum Ableben von Sheherezade Parker-Henson mit.
»Es sieht aus, als könnte es ein Unfall gewesen sein. Sie wurde geschubst und hat sich am Kopf verletzt. Wer immer es auch war, ist in Panik geraten und hat beschlossen, die Beweislage zu verschleiern, indem er ihr auch eine Hutnadel in den Hals stach. Er oder sie konnte aber keine finden und benutzte also den Stielkamm. Der sah ein bisschen wie eine Hutnadel aus. Wie viele andere spitze Gegenstände gibt es denn noch in so einer Make-up-Abteilung, um Himmels willen?«
»Hutnadeln hätten sie jedenfalls keine haben dürfen«, sagte Honey und erinnerte sich lebhaft daran, was Miss Cleveley ihr zu diesem Thema erzählt hatte. »Damals trug man Schutenhüte mit Bändern. Hutnadeln waren erst Ende des neunzehnten Jahrhunderts notwendig, als die Frauen anfingen, sich diese Riesengebilde mit Straußenfedern und Blumengirlanden auf den Kopf zu setzen.«
Er zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ach wirklich?«
»Damals gab’s auch keine Korsetts. Und keine Unterwäsche. Habe ich das nicht schon mal erwähnt?«
Sie wartete, bis er die letzte Information verdaut hatte. Dann schaute er sie mit weit aufgerissenen Augen an.
»Vielleicht hast du das schon mal angedeutet. Trotzdem braucht man eine Weile, bis man das wirklich kapiert. Keine Unterhosen, sagst du?«
»Keine.«
Die Sponsoren, die den Film unterstützt hatten, hatten angeordnet, alle Zelte abzubrechen und sämtliche Arbeiten einzustellen. Doherty hatte sich geweigert, die Leute ziehen zu lassen, ehe nicht die Tatortuntersuchung zu Ende war.
Honey folgte ihm wie ein Schatten, machte sich Notizen und dachte über alles nach.
Es war ziemlich entspannend, einmal nicht dazuzugehören. Sie musste sich nicht verkleiden, nicht schminken. Sie spazierte einfach nur so herum, wie es ihr gerade gefiel.
Das war das Tolle an Filmsets und den Leuten, die beim Film arbeiteten. Die Stars und alle vom Filmteam waren so in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen und auf ihre eigenen Probleme konzentriert, dass sie nicht einmal das sahen, was sie direkt vor der Nase hatten.
Sogar jetzt, als alles eingepackt war, bemerkte niemand, dass am Verpflegungswagen ein großes Transparent flatterte, auf dem stand: Ted Ryker – Catering für Stars!
Honey hatte sich inzwischen daran gewöhnt, zu dem seltsamen Koch hochzuschauen.
»Was ist denn mit Richard Richards passiert?«
»Er wollte sich auf andere Aufträge konzentrieren. Ich habe ihm ein Angebot gemacht. Er hat es angenommen. Jedenfalls haben sie es offensichtlich ohne mich nicht ausgehalten. Meine Küche ist viel origineller, und ich habe das ganze Lob eingeheimst. Da wurde er langsam neidisch. Es war nur eine Frage der Zeit. Ich habe gerade aus den Resten hier ein paar Cornish Pasties gebacken. Sie sind ein bisschen anders als nach dem normalen Rezept. Ich habe alles in die Füllung getan, was noch da war: Speck, Lauch, Zwiebeln, Hackfleisch, Champignons, Möhren, Eier …«
»Klingt ja toll!«
Das war ehrlich gemeint, aber wie würde diese Mischung schmecken?
»Hier.«
Er reichte ihr eine warme Pastete, die in zwei Papierservietten eingewickelt war.
»Ich garantiere, so etwas haben Sie noch nie gegessen.«
Genau das befürchtete Honey ja. Sie hoffte nur, dass er den Unterschied zwischen Champignons und Knollenblätterpilzen kannte. Wenn nicht, dann war sie geliefert.
Honey biss in die Pastete. Die Kruste war goldbraun. Sie sah gut aus, aber das hatte in der kulinarischen Welt von Ted Ryker nichts zu bedeuten.
Der Geschmack überraschte sie. Die Pastete war wirklich hervorragend.
»Lecker«, sagte sie, nickte und spuckte Krümel.
»Ich bin ziemlich geschickt mit dem Nudelholz.«
Sie schluckte. »Mir war gar nicht klar, dass Sie nicht Richard Richards waren. Sie haben ja auch nichts gesagt.«
»Warum sollte ich? Jedenfalls gehört jetzt alles mir.«
Er schaute zu dem Transparent hoch und strahlte.
Nachdem sie die Pastete verzehrt hatte, suchte sie Doherty. Der las gerade in einem Notizheft nach, in dem er sich die Abfolge der Ereignisse seit Ankunft des Filmteams aufgelistet hatte. Er schaute zu ihr auf.
»Ich muss dir was sagen.«
»Dass ich noch Krümel im Mundwinkel habe?«
»Damit kann ich leben. Ich hatte nur mit der Warze Probleme.«
»Also?«
»Ich habe Brett Coleridge verhaftet.«
»Der Typ ist eine Warze am Hintern der Welt.«
Doherty überging ihre Bemerkung. »Ich muss ihm einige Fragen stellen. Er ist in London. Ich fahre heute da hin. Wie wäre es, wenn du mitkämst und wir uns einen schönen Abend machten?«
»Da muss ich erst meinen Terminkalender befragen.« Sie dachte angestrengt nach. »Sieht gut aus, denke ich.«
Sie spazierten durch den Park zur Straße zurück. Ted Ryker schloss die Edelstahlgeräte in seinem Verpflegungswagen weg, ehe der abtransportiert wurde. Doherty hatte einen kleinen weißen Pappkarton dabei. Er war unterwegs beim Bäcker gewesen. In der Schachtel warteten zwei Puddingteilchen, die sie im Park essen würden. Es war kalt, und deswegen waren weder Touristen noch Büroangestellte zu sehen, sodass sie das Gelände beinahe für sich allein hatten. So hätten sie Zeit und Gelegenheit, alles noch einmal durchzugehen, was sie bisher herausgefunden hatten.
Honey wiederholte Ted Rykers Bericht darüber, wie er Richard Richards den Wagen abgekauft hatte.
»Seltsam, dass er seinen Namen nicht gleich von Anfang an genannt hat. Man würde beinahe denken, er wollte für Richard Richards gehalten werden.«
»Viele Leute wären lieber jemand anders.«
»Darum geht’s ja wohl beim Schauspielern, denke ich.«
»Also, ist jemand in Verkleidung in Martynas Wohnwagen gegangen?«
Doherty zuckte die Achseln. »Und wenn, dann wissen wir nicht, wer es war. So ist das nun mal mit Verkleidungen. Wenn sie gut sind, funktionieren sie.« Er sah Ryker. »Noch eine letzte Frage, Mr Ryker.«
Ryker richtete sich auf. Er war groß und kräftig gebaut.
»Können Sie mir genau sagen, wie viele Leute Sie in Martynas Wohnwagen gehen sahen, ehe sie ermordet aufgefunden wurde? Ich meine die präzise Zahl?«
»Kein Problem«, antwortete Ted Ryker. »Alle, die mich kennen, werden Ihnen bestätigen, wie viel mir an Perfektion liegt. Ich mache Sachen immer und immer wieder, bis sie hundertprozentig sind. Haben Sie schon mal eine von meinen Kokosnusspyramiden probiert?«
Doherty verneinte das. Er fügte noch hinzu, dass er gerade eine Diät machte. Die Puddingteilchen zählten nicht. Die hatte er ja noch nicht gegessen.
»Das akzeptiere ich«, meinte Ryker.
Es klang ein wenig gezwungen. Er wollte nichts akzeptieren, von niemandem, auch von keinem Bullen. Das dachte Honey sich. Er schien ihr der Typ Mann zu sein, der gern immer seinen Willen durchsetzte. Das kantige Kinn verstärkte diesen Eindruck noch. Gleichermaßen der eindrucksvolle Bizeps. Insgesamt wirkte Ted Ryker so, als hätte man ihn aus Eisen gegossen.
Er wandte sich ihr zu. »Und wie steht es mit der jungen Dame?«
»Im Dienst. Tut mir leid.«
»Ihr Pech«, sagte Ryker. Sein Lächeln war dünner und steifer geworden. »Die sind gerade fertig geworden. Können Sie sie nicht riechen?«
Er schloss die Augen, reckte seine Nase zum Himmel und schnüffelte wie ein hungriger Hund.
Es ist einfach nicht fair, rief Honey, wenn auch nicht laut. Sie versuchte ja ihr Möglichstes, aber ihre Geschmacksnerven machten ihr wieder einen Strich durch die Rechnung. Ganz egal, wie man das interpretieren würde, wenn es je rauskam. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Kokosnusspyramiden! Wie lange hatte sie schon kein solches mit Marmelade und Kokosnuss überzogenes pyramidenförmiges Stück Biskuit mehr gegessen! Wann es gewesen war, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern, an den Geschmack aber sehr wohl. Und ihre Geschmacksnerven erinnerten sich auch.
»Ihre Cornish Pasty war phantastisch«, flötete sie. Es klang wie ein Trost. Das war es auch. Sie durfte Doherty nicht enttäuschen und auf keinen Fall der Versuchung der Kokosnusspyramide erliegen.
Es war deutlich zu merken, dass Doherty in ernster Stimmung war. Er wollte Antworten.
»Können Sie mir schnell sagen, wen Sie alles vor Ms Manderleys Tod in den Wohnwagen gehen sahen?«, wiederholte er.
»Na klar.« Ted Ryker begann es an den Fingern abzuzählen. Es waren Wurstfinger. »Zuerst Boris.«
»Der Regisseur.«
»Der war ständig am Set unterwegs«, wandte Honey ein. »Ich bezweifle, dass er Zeit genug hatte, um einen oder beide Morde zu begehen.«
»Ein extrem beschäftigter Mann.« Ryker grinste selbstzufrieden. »Wir sind gute Kumpel. Er hat zu mir gesagt: ›Ted, wegen deiner köstlichen Fleischklopse, nenn mich einfach Boris.‹ Der lässt sich sonst nicht einfach von jedem mit dem Vornamen anreden.«
»Tolle Freundschaft«, murmelte Honey leise vor sich hin.
Doherty machte weiter. »Sie haben gesagt, er ist ein paarmal in den Wohnwagen rein- und wiederrausgegangen.«
»Drei, vier Mal.«
»Wer noch?«, fragte Doherty.
»Dann die Üblichen – die Mädels von der Maske, Garderobe, zweiter Regieassistent … Die könnten es natürlich alle gewesen sein.«
Honey überlegte. Sicherlich konnte es doch nur die letzte Person gewesen sein – oder die vorletzte, wenn man die mitrechnete, die den Leichnam gefunden hatte. »Wer ist zuletzt reingegangen?«
»Kann ich nicht sagen. Ich hatte ja zu tun, wissen Sie. Bei Martyna ging es zu wie im Taubenschlag. Die Leute sind einfach reingegangen und haben ihr Sachen hingelegt, wenn sie gerade mal ein Nickerchen machte. Sie hatte einen wirklich schicken Wohnwagen, sage ich Ihnen. Da war ein Bett drin, damit sie sich hinlegen konnte, wenn sie ein bisschen müde war. Ich wette, die hatte gerade den Kopf auf die spitzenbesetzten Kissen gelegt. Wunderschön! Tja, so leben die oberen Zehntausend, was?«
Sie wussten bereits, dass Martyna Manderley geschlafen hatte, während sich eine bunte Truppe die Klinke in die Hand gab. Sie war noch wach gewesen, als Courtney, die junge Frau von der Maske, ihr das Gesicht nachschminkte. Und auch noch, als Sheherezade kam. Sheherezade hatte sie als Letzte gesehen, war aber steif und fest bei ihrer Aussage geblieben, dass Martyna noch lebte, als sie den Wohnwagen verließ. Nun war sie auch tot, stand aber sogar jetzt noch unter Verdacht – was ja dem wirklichen Mörder vielleicht nicht ungelegen kam.
Doherty war derselben Meinung. Sobald die Unterredung beendet war, wollte er sich gleich noch einmal den Regisseur vorknöpfen.
»Überlegen Sie sorgfältig«, drängte er Ryker. »War sonst noch jemand drin, nach den Mädels von der Maske und dem Regisseur?«
Ryker drehte die Augen gen Himmel und blähte mit angehaltenem Atem die Backen auf.
»Ich hatte zu tun.«
Doherty bedankte sich bei Ryker für seine Hilfe. Ehe der sie gehen ließ, drückte er ihnen noch eine Tüte mit Kokosnusspyramiden in die Hand. Honey wollte ihre zum Tee essen – und mit allen teilen, die gerade da waren. Ein, zwei kleine Stückchen konnten doch ihrer Figur nicht schaden? Da erinnerte Doherty sie an die Puddingteilchen.
Es half alles nichts. Sie musste die Diät bis zum April verschieben.