GOTT UND ASTERIX

 

Dienstag. Der Brief wird ankommen!

Aber am Dienstag passiert etwas ganz Schlimmes: Meine liebe Lehrerin geht. Anne Blume. Dabei ist sie doch gerade erst gekommen. Es war eine Schwangerschaftsvertretung. Ich dachte immer, Schwangerschaften dauerten neun Monate. Das hat Mama mir mal erklärt. Ich schwör es bei den sieben Geistern der Unterwelt: Frau Schramm, das ist unsere echte, schwangere Lehrerin, Frau Schramm ist erst seit September weg. Das sind drei Monate. Vielleicht ist sie ein schneller Brüter.

Mama ist wütend geworden, als ich das von dem schnellen Brüter gesagt hab. Sie sagt, ich hätte keinen Respekt. Dabei hab ich heute Morgen beim Frühstück noch was von einem schnellen Brüter in der Zeitung gesehen. Ich schwör es. Aber Mama sagt, schnelle Brüter wären was ganz anderes, die hätten was mit Atomkraftwerken zu tun.

»Was denn?« Das interessiert mich. Aber immer, wenn ich so was wissen will, hat Mama gerade keine Zeit.

Ich habe ein schwarzes Handtuch gesucht und auf den Balkon gehängt an einen Stock. Und ich hab ein Gedicht geschrieben:

 

Für Anne Blume

Du warst nur acht Wochen bei uns,

schrumsschrums (ich stelle mir hier eine Gitarre vor).

Du hast so liebe Worte,

wir schenken dir eine Torte,

zum Abschied auch noch Blumen

und von der Torte die Krumen.

Die werd ich in mein Tagebuch kleben

und werd an dich denken mein ganzes Leben.

 

Ich hatte erst noch was mit den lieben Beinen drin. Mama fand das nicht so gut. Warum, weiß ich nicht.

 

Du hast so liebe Beine,

ich opfer vierzig Schweine.

 

Ich könnte ja vierzig Schweine malen und dann ein kleines Brandopfer machen.

»Nicht auf deinem Schreibtisch!«, ruft Mama.

»Nein, draußen, Ehrensache.«

Mama findet auch Schweine als Opfertiere nicht gut, aber auf Ziegen beispielsweise reimt sich doch nichts. Ziegen - lieben ist ein unreiner Reim, das sagt die Schramme. Aber ich will auch nicht so vom Lieben sprechen, das ist zu stark. Ich kann aber auch nicht sagen:

 

Ich opfer dir drei Ziegen

und möchte bei dir liegen.

 

Weil man das nicht tut mit einer Lehrerin. Das hab ich sofort in den Papierkorb geworfen. Da brauchte ich Mama erst gar nicht zu fragen.

Ich könnte auch Dichter werden, meine Gedichte kommen an. Das merke ich.

 

Flo ruft an. Ob der Brief wohl schon angekommen ist. Er meint, ja.

 

Wir waren übrigens mit der Schule in der Stadtbibliothek. Sturm auf die Aufklärungsbücher! Ich glaub, ich hab ein gutes ergattert. Flo und ich haben alles durchgemessen. Meiner war noch ziemlich klein. Will bei einer Zeitschrift mit Papas Briefpapier und unserer Schreibmaschine um Rat fragen, ob eine Vergrößerung mit irgendeiner gezielten Gymnastik möglich ist. »Gezielte Gymnastik« ist ein Spezialausdruck von Mama. Sie will immer gezielte Gymnastik, wenn ich am Tisch hänge.

 

Übrigens: Wir sind 28 Stück in der Klasse. Unsere Lehrerin stöhnt immer ziemlich, weil sie das viel findet. Ich finde das lustig, weil da verschiedene Typen sind und weil es schön laut ist. Nur die Mädchen finde ich fast alle blöd, weil die dauernd kichern und über jeden Scheiß lachen. Zwei finde ich gut. Aber die Namen verrat ich jetzt nicht. Auf jeden Fall nicht den von der einen.

 

Im Reliunterricht haben wir uns über Vorbilder unterhalten. Unsere Lehrerin fragte uns, wer unsere Vorbilder seien.

»Gott und Asterix, weil ich den einfach klasse finde«, hab ich gesagt.

»Wen?«, hat sie gefragt.

»Beide«, hab ich gesagt.

Unserer Lehrerin klappte der Unterkiefer runter. Diese Mundbewegung verrät immer, dass Erwachsene eigentlich »Nein!« schreien wollen, sich aber nicht trauen. Weil man das nicht tut. Gott und Asterix. Dabei finde ich die beide toll. Jetzt muss ich ein Referat halten über Asterix! Und was er mit Gott gemeinsam hat. Saugute Idee eigentlich: Mut und Witz haben die beide! Aber so richtig kenne ich mich nicht aus. Ob die beiden Erfindertypen sind?

Bei meinen Forschungen bin ich auf das Wort »Held« gestoßen. Asterix war ein Held. »Was ist ein Held?«, hab ich Mama gefragt. »Kann der alles? Macht er alles richtig? Macht er auch Fehler?«

Mama musste weg. Morgen will sie mit mir drüber sprechen.

 

Am Nachmittag haben wir wieder eine Sitzung unseres Denkclubs. »Zicke - Zacke -Bum.«

Hab Flo angesprochen auf das Wort »Held« und Gott und Asterix.

»Interessant.« Flo kratzt sich am Kopf. »Warum sprechen wir nicht in der Schule darüber?«, fragt er.

Wir denken zusammen nach, ob es einen gibt. Einen Gott, meine ich. Dass es Asterix nicht echt gibt, ist klar. Und wo er ist. Natürlich kein Ergebnis.

»Das Nachdenken ist schon ein Ergebnis«, sag ich.

»Muss es nicht etwas geben, was mehr ist als wir Menschen?«, fragt Flo.

 

Danach blättern wir in meinem Gedichtbuch. Gutes Gedicht gefunden von Josef Guggenmos:

 

Erde unser

Gibt’s einen Gott, war er es auch,

der ihn schuf, unsern schönen Planeten.

Wir machen ihn arm. Wir bringen ihn um.

Wie wagen wir noch zu beten?

 

»Zicke - Zacke - Bum, die zweite Sitzung ist um.« Diesmal hat Flo das Schlusswort gesagt.

 

Hokuspokus und halli-hallo!

Hier meldet sich das aktuelle Erfinderstudio »Ich und Flo« mit einer kleinen Zwischenerfindung.

Es handelt sich um eine Babysitter(müll)-tonne.

Kurzbeschreibung:

Mülltonne. Größe: Sie sollte dem zu betreuenden Kind bis unter die Arme reichen. Man öffne die Tonne, stelle das Kind hinein und platziere die Tonne so, dass Baby viel zu gucken hat. Baby steht sicher, kann nicht weglaufen, kann alle sehen, ist quietschvergnügt.

Konkreter Anlass der Erfindung:

Flo hatte ein Fußballspiel. Ich hatte versprochen zuzusehen. Doch Mama hatte mich zum Babysitten eingeplant.

Wir haben die Mülltonne mitgenommen, eine Flasche für Kitty, haben die Tonne hinterm Tor platziert. Insgesamt acht Tore. Kitty war friedlich, Kitty war begeistert. Kitty wollte gar nicht wieder weg. Sie brüllte, als wir sie aus der Tonne holten. Sie war auch ein bisschen schmutzig. Wir haben sie direkt vor der Waschmaschine ausgezogen. Aber das stört keinen echten Erfinder.

 

Zwischengedanke:

Ich glaube, echte Erfinder arbeiten gar nicht immer an ihren Erfindungen, sie machen Vorerfindungen, Nebenerfindungen, Randerfindungen und dann auf einmal ist es da! Peng!

 

Abends im Bett rechne ich aus, wie viel Stunden wir wohl noch warten müssen.

 

3 Tage = 72 Stunden

5 Tage = 120 Stunden

6 Tage = 144 Stunden

10 Tage = 240 Stunden

 

Grausam.

Ich mach eine Wette mit mir. Wenn ich morgen auf dem Weg zur Schule nicht auf den Strich trete (zwischen den Gehwegplatten), dann wird es was mit der Erfindung. Bis zur Schule sind es 1485 Schritte.