TARNKAPPE

UND PAPPKAMERAD

 

Am Montag bringen wir den Brief zur Post. Wir sind völlig pleite. Zwei Euro Porto! Aber wir verdienen ja bald.

Papa macht Fotos von unserer Erfindung. »Einmalig«, sagt er, »einmalig!« Endlich hat er es kapiert.

Denkclub-Sitzung. »Zicke - Zacke - Bum.« Damit eröffnen wir die Sitzung. Danach denken wir. Wir haben darüber nachgedacht, wo meine Oma jetzt wohl ist. Die ist tot. Seit ein paar Wochen.

»Ich hab so ’n Gefühl, als wenn sie ganz nahe bei uns ist und ganz weit weg.«

Flo ist der Einzige, der mir das glaubt. Aber Flo sagt: »Beweisen kannst du das nicht.« Und das ist es. Das haben wir beide gesagt.

Wir Menschen wollen immer alles beweisen und fallen dann auf den Bauch. Denn es gibt so viele Dinge in der Welt, die man nicht beweisen kann. Und viele sagen: »Die gibt es gar nicht.«

»Wie unsere Träume«, sagt Flo. »Die sind da und trotzdem kannst du sie nicht beweisen.«

Wir glauben beide, Flo und ich, dass unsere Welt aus viel mehr besteht, als unser armes Hirn beweisen und denken kann. Flo klopft sich an seinen Kopf.

Ich will das Wort »Beweis« nachsehen in meinem Lexikon; aber da steht nichts. Wahrscheinlich, weil Kinder zu doof sind dafür. (Jugendlexikon!)

Da steht »Bettnässen«, »Beuteltier«, »Beuys« und »Bibel«. Aber »Beweis«, dafür sind unsere Gehirne noch nicht fähig. Kindergehirne, meine ich. »Beweis« ist nur was für kluge Erwachsene.

»Was ist eigentlich wichtiger: das Fragen oder das Antworten?«, frage ich Flo.

Hilfe, Mamaschritte auf der Treppe! Es war wieder zu still. Gefahr ist im Anzug. Wir könnten eine Tarnkappe brauchen. Noch andere Schritte. Ich mache die Ohren lang, drücke mich ganz nah an die Tür. Mama unterhält sich. Dann kann es sein, dass sie vorbeigeht. Ich klappe vorsichtshalber ein anderes Schild (Typ 2) aus:

 

 

Taschengeldauffrischungen sind immer willkommen. Aber es zahlt ja kein Schwein! Wenn ich doch eine Tarnkappe hätte. Und einen Pappkameraden. Das wäre überhaupt die Ideallösung!

Der Pappkamerad wäre eine genaue Nachbildung von uns in Pappe. Den würden wir auf einen Stuhl setzen vor den Schreibtisch. Mit stierem Blick ins Englischbuch. Vielleicht mit einem kleinen blitzenden Interesse in den Augen, das Eltern immer völlig in Verzückung bringt - und wir selbst würden eine Tarnkappe tragen und in meiner Erfinderecke sitzen und unsere Erfindungen weiterentwickeln.

Plötzlich geht die Alarmanlage los. Das war Flo.

Es klopft. Mama mit einer fremden Frau. Typ Tusse. »Entzückend«, schreit sie, »entzückend!« Flo und ich schauen uns bloß an.

»Nein, was ist der Junge doch gewachsen«, sagt die Tusse zu mir und streckt mir ihre rot lackierten Krallen entgegen.

Sprüche! Hört sich an wie bei einer Familienfeier mit alten Tanten. Ob den Erwachsenen wirklich nichts anderes einfällt?

»So ein entzückendes Zimmer«, gibt die Lackkralle von sich. Damit sind ihre Spruchweisheiten beendet. Jetzt haben wir absolute Ruhe. Mama und Kralle unten. Baby beim Kindermädchen.

Flo meint: »Du müsstest eine richtige Erfinderecke haben, noch mehr abgetrennt.« Er schaut sich um.

Mein Zimmer ist viereckig - wie fast alle Zimmer, hat einen Balkon und natürlich eine Tür, sonst müsste ich ja immer drinbleiben. (Ich würde übrigens lieber eine Höhle haben, aber Papa will mir das nicht erlauben im Garten.)

Wir stellen den Kleiderschrank in die Mitte, einfach mitten ins Zimmer. Wir schieben. Wir bleiben stecken. Mist! Flo sagt einen Zauberspruch. Wir schaffen es! Jetzt steht zwar mein Schreibtisch im Dunkeln, aber ich werde Mama klar machen, dass man Hausaufgaben viel konzentrierter macht, wenn man im Halbdunkel und abgeschirmt arbeitet.

Ich hab Mama im vorigen Sommer den Vorschlag gemacht, dass ich das Zimmer er-weiter. Aber, was machte sie? Meckermund. Doppelte Denkfalte wie Papa. Ich hatte obertolle Bretter gefunden, hatte sie schon oben, weil ich an Sperrmülltagen das Haus erst nach kräftigen Sicherheitsvorkehrungen betrete und sehr leise alles raufschleppe. Ich hab einen Balkon vor meinem Zimmer. Den wollte ich mit den Brettern abdichten und eine Bude oder meine Erfinderecke reinmachen.

Mama schnappte nur noch nach Luft, rief sofort bei Papa an. Der lachte so laut, dass man es aus dem Telefon hörte. Und sprach mit mir.

Er sagte mir, dass die Baubehörde das gar nicht erlaube. Man dürfe das Haus nicht nach außen hin verändern. Ich möchte gerne mal wissen, was eine Baubehörde mit meinem Zimmer zu tun hat! Und ich würde denen das doch gar nicht sagen.

 

Ob ich das schon erzählt hab, dass ich eine ältere Schwester hab, Tutti, die im Augenblick in Kanada studiert? In Toronto. Vielleicht soll ich sie mal besuchen. Aber ich glaube, Toronto ist mir zu groß. Fünf Millionen Einwohner!

 

Tralala, tralala! Torte: der Rest, den die Kralle übrig gelassen hat. Wir schleichen hinunter, nehmen mit den Fingern die Sahnetorte von der Platte. Es gibt nämlich drei Sachen, die Mama hasst:

 

1. Reste mit den Händen von der Platte nehmen. Alles auf einmal in den Mund schieben

2. Socken und Unterwäsche hinterm Bett

3. Unterhosen mit Löchern (»Was sollen die andern denken!« Beim Sport und so. Als ob wir in Unterhosen turnen!)

 

Meine Eltern sind knackalt. Das ist wohl der Fehler von allen Eltern - und je älter sie sind, desto meckriger sind sie. Flo meint, das Gehirn schrumpft, und sie leiden selber drunter.

Wir wollen Forschungen machen zu diesem Thema. Wir beobachten oft andere Familien mit dem Fernrohr.

 

Guten Abend und halli-hallo! Hier meldet sich das aktuelle Erfinderstudio. Durch die Sendung führt

niemand,

denn da geht das Telefon.

»Hat das Patentamt schon geantwortet?«, fragt Flo.

»Spinner«, sag ich. »Haben wir doch heute erst abgeschickt.«