Vorwort

 

GA­LA­XY (engl.) = Milch­stra­ße (Ga­la­xis), leuch­ten­des Band längs ei­nes Groß­krei­ses des Him­mels, stre­cken­wei­se in zwei Zwei­ge ge­spal­ten; wird er­zeugt durch das Licht zahl­lo­ser Ster­ne, die ein­zeln nicht sicht­bar sind. – Milch­stra­ßen­sys­tem, al­len Son­nen­sys­te­men über­ge­ord­ne­te und sie um­fas­sen­de kos­mi­sche Ein­heit. Hat dis­kus­fla­che Ge­stalt und spi­ra­li­ge Struk­tur. Längs­durch­mes­ser et­wa 100 000 Licht­jah­re, Kern­mäch­tig­keit 15 000 Licht­jah­re. Um­faßt rd. 100 Mil­li­ar­den Son­nen, so­wie in­ter­stel­la­re Ma­te­rie. Ro­tiert um ein Zen­trum. Um­lauf­zeit un­se­res Son­nen­sys­tems et­wa 240 Mil­lio­nen Jah­re.

DBG-Hand­le­xi­kon, 1964

 

GA­LA­XY – so heißt das auf dem Ge­biet der Science Fic­ti­on füh­ren­de ame­ri­ka­ni­sche Ma­ga­zin, aus dem die vor­lie­gen­de Aus­wahl stammt. Zu­gleich sym­bo­li­siert es die Art von Er­zäh­lung, die sich in dem fünf­zehn­jäh­ri­gen Be­ste­hen die­ses Ma­ga­zins her­aus­kris­tal­li­siert hat: »Das wis­sen­schaft­lich-phan­tas­ti­sche Aben­teu­er«. Es führt uns auf ei­nem Streif­zug durch die un­er­meß­li­chen, ge­heim­nis­vol­len Räu­me des Uni­ver­sums, läßt uns dem Fremd­ar­ti­gen und Nicht-mensch­li­chen be­geg­nen, hält Ein­kehr in das, was für den Ho­mo sa­pi­ens so ty­pisch ist – die ei­ge­ne Un­er­gründ­lich­keit, das Mys­te­ri­um sei­nes Da­seins.

1950 war es, da GA­LA­XY das Licht der Welt er­blick­te. Un­ter der her­vor­ra­gen­den Lei­tung von H. L. Gold schar­te es ei­ne Rei­he be­rühm­ter Science Fic­ti­on-Schrift­stel­ler um sich, wie Stur­ge­on, Korn­bluth, Lei­ber, Si­mak, Knight, Asi­mov, Pohl u. a., um den Kampf auf­zu­neh­men ge­gen die Über­macht von ei­ni­gen Dut­zen­den an­de­rer SF-Ma­ga­zi­ne. Mit al­ler Dy­na­mik, der es fä­hig war, mar­schier­te es durch die Jah­re, ließ vie­le sei­ner Kon­kur­ren­ten auf der Stre­cke, bis es zu­letzt Schul­ter an Schul­ter mit den an­de­ren großen Ma­ga­zi­nen eil­te, wie FAN­TA­SY & SCIENCE FIC­TI­ON, AS­TOUN­DING/ANA­LOG, IF und AMA­ZING. Es hat­te sich wa­cker ge­schla­gen, war sieg­reich ge­blie­ben, und wie es nach ei­nem lan­gen er­mü­den­den Kampf im­mer ist, nahm (En­de 1961) »Feld­herr« Gold Ab­schied und über­ließ sei­nem Ma­na­ging Edi­tor Fre­de­rik Pohl den Feld­herrn­stab. Und seit­her blüht es wei­ter.

GA­LA­XY hat sei­nen großen Na­men zu Recht. Ihm ver­dan­ken wir, die wir uns zu den Lieb­ha­bern der Science Fic­ti­on zäh­len, so her­vor­ra­gen­de Ro­ma­ne wie Asi­movs DER MANN VON DRÜ­BEN, Hein­leins WELT­RAUM­MOL­LUS­KEN ER­OBERN DIE ER­DE, Pohl/Korn­bluths GE­SCHÄF­TE MIT DER VE­NUS, Bes­ters DIE RA­CHE DES KOS­MO­NAU­TEN, etc., und ei­ne Fül­le erst­klas­si­ger Sto­ries, die in der deutsch­spra­chi­gen Ta­schen­buch­aus­ga­be GA­LA­XY er­schie­nen – und nach wie vor er­schei­nen. Es er­hielt mehr­mals den »Hu­go«, die größ­te Aus­zeich­nung auf dem Ge­biet der Science Fic­ti­on, und wur­de mit Hun­dert­tau­sen­der-Auf­la­ge in et­li­chen Län­dern pu­bli­ziert, in al­len mög­li­chen Spra­chen: Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch, Schwe­disch, Fin­nisch, etc., etc. …

1958 erst­mals in Deutsch, un­ter der Lei­tung des ver­stor­be­nen Lo­thar Hei­ne­cke. Fünf­zehn Aus­ga­ben wa­ren es, über­aus op­ti­mis­tisch, lie­be­voll zu­sam­men­ge­stellt. Aber das zu ei­ner Zeit, da die Sto­ry für den Le­ser Neu­land war, nicht nur auf dem Science Fic­ti­on-Sek­tor, in prak­tisch al­len an­de­ren Li­te­ra­turzwei­gen eben­falls. GA­LA­XIS – wie es da­mals hieß – muß­te ein­ge­stellt wer­den. Das war be­dau­er­lich, konn­te aber we­der Au­to­ren, Ver­la­ge, noch Agen­tu­ren ent­mu­ti­gen. Es galt nur ab­zu­war­ten, denn mit der stei­gen­den Nach­fra­ge für SF-Ro­ma­ne ver­kürz­te sich auch die Zeit, die der Le­ser brauch­te, um zu er­ken­nen, was al­les er ver­säum­te, wenn er auf die Sto­ry ver­zich­te­te.

Dann ka­men sie, die Kurz­ge­schich­ten. Zu­erst nur ver­ein­zelt, spä­ter in ei­ner wah­ren Sturz­flut. Die Kom­men­ta­re wa­ren po­si­tiv. Ja, es gab so­gar Kri­ti­ker, die nun ei­ne Sto­ry lob­ten, auch wenn sie sie vor Jah­ren noch ver­dammt hät­ten. Nicht die Kurz­ge­schich­ten, die Ge­schmacks­rich­tung hat­te sich ge­än­dert. Wie es vor­aus­zu­se­hen ge­we­sen war.

Und da­mit be­gann der Sie­ges­zug der SF-Sto­ry auch bei uns in Deutsch­land, in Ös­ter­reich und in der Schweiz. Es war an ers­ter Stel­le der Wil­helm Hey­ne Ver­lag, der sich der Sto­ry an­nahm. Der Ge­dan­ke, An­tho­lo­gi­en in der vor­lie­gen­den Form her­aus­zu­brin­gen, fand das bis­her po­si­tivs­te Echo al­ler kri­ti­schen SF-Le­ser. Es war auf ein­mal mög­lich, aus ei­nem Sam­mel­be­cken zu schöp­fen, das mehr als drei­ßig Jah­re un­un­ter­bro­che­ne Pro­duk­ti­on an Kurz­ge­schich­ten in sich auf­ge­nom­men hat­te: Tau­sen­de und Aber­tau­sen­de von Sto­ries. Die Per­len er­schei­nen in Bü­chern wie die­sem und in den Ta­schen­buch­aus­ga­ben.

Heu­te ist die Kurz­ge­schich­te bei vie­len Le­sern schon be­lieb­ter als der Ro­man. Das hat ver­schie­de­ne Grün­de. Die Hand­lung ei­ner Sto­ry muß kon­zen­trier­ter ver­packt, die Aus­sa­ge kla­rer um­ris­sen und stär­ker be­tont sein. Je­der SF-Au­tor wird be­stä­ti­gen, daß es viel schwie­ri­ger ist, ei­ne Kurz­ge­schich­te zu schrei­ben als einen Ro­man. Und schließ­lich, die Sto­ry läßt sich leich­ter le­sen. Das ist ihr Er­folgs­ge­heim­nis.

Es gibt Pes­si­mis­ten, die der SF-Sto­ry nur ei­ne kur­ze Le­bens­dau­er ein­räu­men. Sie ir­ren sich. Die Sto­ry stirbt ge­nau­so­we­nig aus wie der SF-Ro­man, wie der Wes­tern oder Kri­mi. Es wird im­mer Science Fic­ti­on-Sto­ries ge­ben, so­lan­ge der Mensch nach den Ster­nen greift, und selbst dann noch, wenn er sie er­obert hat – viel­leicht dann erst recht!

Der Vor­rat an SF-Sto­ries reicht noch für Jahr­zehn­te.

Und es gibt ge­nü­gend gu­te Au­to­ren, die neue Sto­ries schrei­ben – für GA­LA­XY, das nicht nur Flag­ge ist, un­ter der ein Ma­ga­zin läuft, nicht nur Sym­bol für ei­ne ge­wis­se Art von Sto­ry, son­dern auch Zu­kunft ist – wie über­haupt die Science Fic­ti­on!

 

Wal­ter Erns­ting und Hel­muth W. Mom­mers