Zwei Jahre später

 


 

Frederic zügelte das Pferd und sprang mit einer erstaunlich fließenden Bewegung ab. Der Stallbursche führte das bebende und schwitzende Tier weg.

Frederic stieß die Tür auf und stapfte in die Halle. Hinter ihm schloss sich donnerte die Tür. Ludwig hatte dafür gesorgt, dass ein Kaminfeuer knisterte. Mit einem einzigen Sprung war Frederic oben auf der Empore. Niemand würde sehen, wie groß seine Kräfte waren, denn das Hauspersonal war schon längst entlassen worden und der Stallbursche lebte neben dem Stall in einer kleinen Wohnung. Frederic kümmerte sich nicht um Spinnweben und Staub. In seiner Welt existierten diese Belanglosigkeiten nicht.

Ludwig kam aus dem Salon. Auch er war nicht mehr derjenige, den er einst dargestellt hatte. Der Butleranzug war verbraucht, die Gestalt knöcherig, die Wangen eingefallen und das Haar zu lang.

»Ich habe eine Lösung!«, sagte Ludwig.

Frederic verhielt. »Mal wieder?«

»Ja, Sir! Wir müssen Regus finden.«

»Das ist ja ganz was neues, Ludwig ...«, seufzte Frederic.

Erinnerungen schnellten vor seinen Augen hoch.

Regus!

Der Vampir!

Frederic erinnerte sich daran, dem Vampir noch einmal begegnet zu sein, Monate, nachdem er von ihm gebissen worden war. Wieder wurde er geweckt, erneut stand der Schwarze in seinem Zimmer. Eine glühende Aura umfunkelte den düsteren Körper. »Ich bin dein Herr. Nenne mich Regus und warte auf meine Anweisungen!«

Frederic war hoch geschreckt, hatte geschrien: »Warum hast du mir das angetan?«

»Weil es sein musste, Frederic!«

»Und Caroline?«

»Ein Unfall.«

»Warum sie, in Gottes Namen?«

Regus lachte hart. »Nenne nicht diesen Namen, es sei denn, du verfluchst ihn - mein Jünger. Er schaut weg, wenn ich richte. Er ist nur ein Mythos, ich jedoch – ich bin real! Ich bin der Herr der Dunkelheit. Ich richte und ich räche. Und manchmal geschehen Dinge, die das Schicksal verlangt. Dazu gehört auch das Ableben deiner geliebten Frau.«

»Gott ist der Herr des Lichtes!«

»Ja? Und in welchem Licht befindet sich deine Frau? Ist sie etwa bei dir? Sieht sie, wie sehr du leidest? Erlebt sie, wie sehr du dich plagst? Wäre das so, würde sie dir zureden, würde dich überreden, endlich der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Du bist ein Bruder, einer, dem die Nacht gehört. Mit jedem Tag, jeder Woche, die du dich dagegen auflehnst, frisst dich die Qual immer mehr. Stattdessen würde sie dir sagen: Genieße zu sein, was du nun bist! Lebe den Traum der Menschen, lebe die Unsterblichkeit. Die Kraft, die du besitzt, die übermenschliche Aufnahmefähigkeit, die Sinne, die dir geschenkt wurden. Und falls du zu Beginn noch damit haderst, Menschen das Leben zu nehmen, ihr Blut zu trinken – nähre dich an Verbrechern, am Abschaum und gewöhne dich an das schwarze Licht, dem du folgen solltest.« Er atmete tief ein und aus. »Deine Caroline wäre klüger gewesen!«

»Warum gerade ich?«

»Weil es die Weissagung so will. Albert Asbury, der Besitzer dieses Hauses, war einer von uns. Er starb durch die Hand eines Jägers. Er hatte keine Zeit, sein neues Leben zu genießen. Er hinterließ dieses Haus, seinen Reichtum seiner Nichte, die den Fehler beging, sich mir in den Weg zu stellen. Albert Asbury war ein Großmeister. Er war Besitzer des Großen Buches. Er war es, der uns in Sitzungen, die nicht hier, sondern bei den Steinen von Stonehenge stattfanden, vorlas, dass eines Tages jener käme, der unsere Welt verändert. Er schilderte uns, wie er aussehe, wer er sei und er machte deutlich, wann und wo es geschehen sollte. Seit Alberts Tod wartete ich hier. Beobachtete und wartete. Wartete auf ... dich! Das Buch hatte dich geweissagt!«

»Carolines Onkel starb durch einen Jäger?«

»Mit einem Pflock im Herzen.«

»Wo ist dieser Jäger jetzt?«

»Unauffindbar!«

»Welche Position hast du nach Alberts Tod, Regus?«

»Ich bin der neue Großmeister. Albert hätte es so gewollt.«

Der Fensterladen schlug, kaltes Vollmondlicht warf harte Schatten.

»Ich werde an deiner Seite sein, Frederic, eine Unendlichkeit lang. Ich werde dann, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wenn du endlich reif genug bist, mit dir das Ritual der Öffnung exerzieren. Danach wirst du unsere Welt verändern.«

Es war eiskalt im Zimmer. Frederic hatte das Frieren verlernt. Mit einem Sprung war er bei Regus. Ihre Nasen berührten sich fast. Ihre Blicke bohrten sich ineinander. Der Vampir lächelte und seine Fangzähne glühten weiß. Er stieß ein atavistisches Knurren aus. Frederic spürte die Gefahr, die von diesem Wesen ausging. Noch war Regus viel stärker als er, konnte ihn, falls notwendig, mit einem Schlag töten.

So wie er vermutlich Albert getötet hatte?

»Du hast mir meine Frau genommen, du elende Kreatur ...«, flüsterte Frederic. Über seinen Rücken fuhren heiße Finger, in seinem Mund regte es sich und hinter seinen Augen loderten Feuer. »Egal, was dieses Buch über mich sagt, unwichtig, für was ich herhalten muss – eines Tages wirst du dafür bezahlen.«

Er wird mir nichts tun! Dafür bin ich zu wichtig für ihn!

»Eines Tages, mein Junge, wirst du endgültig zu uns gehören«, gab der Vampir seelenruhig zurück. »Dann wird deine Kraft größer sein, als du es dir vorstellen kannst. Du wirst endgültig den Schritt auf unsere Seite getan haben. Dann wird sich die Weissagung erfüllen. Und du wirst diese Menschenfrau ein für allemal vergessen!«

»Niemals!«, stieß Frederic hervor. »Niemals!«

Der Vampir lächelte milde. »Je mehr Menschlichkeit noch in dir ist, desto stärker wird später der Genuss der Stärke deine Eitelkeit befriedigen. Irgendwann wirst du Ihnen überlegen sein, ein Gott.«

»Und wenn es niemals so wird?«

»Es wird, Frederic, es wird! Manch einer benötigt eine besonders lange Lehrzeit, andere lernen schneller. Du wirst Alles sein, denn du bist wie ich – bist ein Vampir!«

»Weil es das Buch so will?«

»Ja!«

»Und was werde ich verändern? Was sagt das Buch darüber?«

»Alles zu seiner Zeit ...«

Geschwindigkeit hatte für Frederic keinen Belang mehr. Blitzartige Bewegungen nahm er auf, wie andere eine Zeitlupe empfinden mussten. Dennoch erstaunte es ihn, wie schnell Regus sich davonmachte. Er sprang auf die Fensterbank, spreizte die Arme, verringerte und verkleinerte und wurde zu einem Raben, der mit weiten Schwingen in den Vollmond flog.

Frederic schreckte aus seinen Erinnerungen hoch.

»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Sir?«, fragte Ludwig.

»Das wir Regus finden müssen?«

»Ja, Sir. Wir warten schon so lange auf ihn, wir verharren in Melancholie. Das muss ein Ende haben. Nur wenn wir handeln, werden wir das Rätsel lösen können.«

»Irgendwie kommt es mir vor, als höre ich das nicht zum ersten Mal, Ludwig!«

»Außerdem möchte ich, dass Sie sich endlich dazu entschließen.«

»Dazu

»Erinnern Sie sich!«

»Zu einer Seance?«

»Ja, Sir. Das wird die einzige Möglichkeit sein, sich zu überzeugen, ob es Caroline gut geht.«

»Um danach die Kraft zu haben ...«

»Kraft, um zu handeln, Sir! Ich sehe Ihre Mutlosigkeit, die mir nicht gefällt. Sie schicken sich an, Ihr Schicksal anzuerkennen. Es gibt nur eine Möglichkeit, diesen Fluch zu brechen: Finden wir Regus und töten ihn!«

»Was wäre dadurch gewonnen? Werde ich danach wieder ein Mensch sein?«

»Vermutlich nicht, Sir!«

»Warum also sollte ich gegen Regus kämpfen?«

»Das wissen Sie ...«

»Ja«, nickte Frederic. »Ich weiß es. Ich muss es tun, weil es meine Aufgabe ist.«

»Weil es ihre Aufgabe ist?«

Er zog ein flecklederiges Buch aus der Jacke. »Weil es hier geschrieben steht.«

»Was ist das, Sir?«

»Ein Tagebuch, Ludwig. Geschrieben von Albert Asbury. Und es gibt uns alle Antworten, die wir benötigen.«


 


 

Caroline webte ihre Körperlosigkeit um Frederic. Ja, Frederic hatte das Tagebuch gefunden. Gestern war es gewesen.

Ein schöner Herbsttag hatte stürmisch geendet. Regen prasselte gegen die Wände von Asburyhouse. Wind strich durch die Gänge und Flure. Das Dach ächzte schwer unter dem Wind.

Frederic war aus der Stadt zurückgekehrt. Dort befand er sich öfters. Er strich dann durch die Straßen Londons, wie so oft, wenn es dunkel war. Wenn er Antworten suchte. Wenn er in Whitechapel Ganoven beobachtete, die Schandtaten vollbrachten und überlegte, ob er sich an diesen gütlich tun sollte, zitternd vor Blutdurst hinter Mauern versteckt, im Zwiegespräch mit Ratten und Dämonen. Hungrig! Durstig! Einsam!

Ludwig war auf Besuch bei seiner Schwester.

Frederic feuerte den Kamin an, eine rituelle Geste, denn Kälte konnte ihm nichts mehr anhaben.

»Wo, verdammt noch mal, hast du es versteckt?«, brüllte er gegen den Wind, der die Schindeln klappern ließ. »Wo? Ich weiß, dass es hier sein muss! Regus, du Mistkerl! Dieses Haus bietet Antworten. Warum ich das weiß?« Frederic verzerrte das Gesicht. »Ich weiß es einfach, du verfluchte Kreatur!«

Caroline war voller Mitleid. Sie umhauchte ihn, legte sich über ihn, schloss die Augen und schmiegte sich an ihn.

Für einen Moment kam der Vampir zur Ruhe. Caroline zog sich zurück. Hatte er sie gespürt? Manchmal, wusste sie, konnte so etwas sein. Es gab zwei Hauskatzen, die sich mit schöner Regelmäßigkeit vor sie hinsetzten, sie anblickten und herzergreifend maunzten. Caroline war sich sicher: Die Katzen nahmen sie nicht nur als Schwingung wahr, sie konnten sie sehen.

Frederic fuhr sich mit der Hand über die Augen. Tränen glänzten in ihren Winkeln. »Du bist hier, nicht wahr?«

Caroline zuckte zusammen.

»Du bist hier, Liebste?«

Ja, rief sie. Ja, und ich möchte dir helfen.

Frederic schüttelte den Kopf und lachte hart. »Ein verrückter Kerl bin ich. Ludwig kann bald nicht mehr bei mir sein, wenn ich mich an Menschen besaufe. Caro werde ich vergessen. Ich werde einer von ihnen werden. Die Zeit läuft mir davon. Ich weiß es – die Lösung steckt irgendwo hier im Haus! Es ist nur ein Gefühl, aber es ist ein Gefühl, dem ich mich beugen muss!«

Frederic kauerte auf dem Fußboden. Er taste jede einzelne Fliese ab. Drückte sie, beugte seinen Rücken nieder, lauschte, rutschte etwas vorwärts, tastete.

Caroline sah ihm zu. Ihr war zum Heulen elend. In den letzten Monaten hatte sie ihren Mann derart oft in dieser Position gesehen, hatte ihn unzählige Male bei seinen Suchaktionen beobachtet. Er hatte eine fixe Idee, eine Vorstellung, die durch nichts bewiesen war. Er hatte eine Intuition, der er folgte. Eine Idee, die einen Menschen in den Wahnsinn treiben konnte.

Frederic schrie auf.

Er hämmerte mit dem Handballen auf etwas ein.

Nun ist er endgültig verrückt geworden!, durchfuhr es Caroline. Sie schoss durch die Flure und suchte Ludwig. Auch nach zwei Jahren kam sie noch immer in Versuchung, wie eine Lebende zu handeln. Selbst wenn sie Ludwig gefunden hätte – sie hätte sich ihm nicht bemerkbar machen können, außerdem war er ja auf Besuch.

Im Hintergrund änderte sich der Schrei und es wurde still. Dann scholl ein Lachen auf. Ein helles, fast schon irrsinniges Lachen, welches durch das Haus hallte wie der Ruf eines Verlorenen.

Caroline schwebte zurück und dann sah sie Frederic im Raum stehen. Hinter ihm hatte sich eine Klappe in der Wand geöffnet. Er hielt ein Buch an sich gedrückt. Er drehte sich um, klatschte das Buch auf den Schreibsekretär und öffnete es. Er schlug Seite nach Seite um, las, die nächste Seite, las. Dann schlug er mit der Faust auf die Tischplatte. Sein Kopf ruckte hoch. »Verdammt, Regus! Jetzt habe ich dich!«

Das Gesicht des Mannes hatte vor Hass geglüht. Das versetzte sie in eine Schwingung, die sie fast zerriss. Sie hatte Frederic sich selbst und seinem Fund überlassen.

Ludwig war erst spät in der Nacht von seinem Besuch zurückgekehrt. Da hatte Ludwig schon tief geschlafen, berauscht von seinem Erfolg und jeder Menge Schweineblut.


 


 

Sie war neben ihrem Mann. Ihre Hand lag auf seinem Rücken.

»Woher, um alles in der Welt, haben Sie das Tagebuch?« fragte Ludwig und hielt sich am Geländer fest.

»Wir beide waren stets der Meinung, die Antwort müsse sich hier im Haus befinden. Diese Idee war zwar unlogisch und barg nur eine winzige Erfolgsaussicht, aber wir waren uns einig, die Existenz, die Schwingung von etwas ... zu spüren. Ich habe das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Wir haben das erste Jahr damit verbracht, es zu suchen und wir haben es nicht gefunden. Wir haben es als eine Idee abgetan. Als ein Phantasiegebilde. Es gab unendlich viele Tage und Nächte, in denen ich nichts anderes tat, als jeden Stein umzudrehen. Und endlich fand ich es, endlich! Gestern fand ich es!«

Caroline schloss ihre Augen. Sie stellte sich vor, wie es sei, Frederic zu spüren. Nur einmal noch, einmal wollte sie sich an Frederic schmiegen. Nur einmal noch seine Lippen spüren. Ihm Trost spenden. Seine Tränen trocknen.

Ludwig streckte die Hände nach dem Buch aus. Frederic reichte es ihm. »Und du sagst, das Buch könne uns helfen?«

Frederic nickte. »Ja! Albert Ashbury, Carolines Onkel, war ein Gauner! Er strebte nach Unsterblichkeit. Und nach Macht. Zweifellos ein harter Bursche. Absolut kompromisslos! Er forderte die Gruppe der Vampire heraus. Er wollte gebissen werden. Er wollte ein Leben als Untoter führen. Er wusste, dass er die Vampire nur von innen heraus beherrschen würde, gäbe er ihnen, was sie sich wünschten. Sein Ziel war, ein Vampir zu sein, aber ein Mensch zu bleiben.«

Frederic öffnete die Tür.

Ludwig folgte ihm.

Er schüttete Ludwig einen Drink ein. Sich selber bediente er aus einer Flasche mit Blut.

»Er gab den Vampiren, was sie sich wünschten?«, fragte der Butler.

»Er schenkte ihnen einen Mythos! Ganz schön gerissen! Er schenkte ihnen das Große Buch! Noch gerissener! In seinem Tagebuch schreibt er, er habe einen Kaligraphen in der Londoner City damit beauftragt, das Buch geheimnisvoll und mythisch wirken zu lassen. Das Ergebnis scheint seinen Zweck erreicht zu haben. Ich vermute, es befindet sich jetzt im Besitz von Regus«, sagte Frederic und leerte das Glas. Er verzog angewidert das Gesicht. »Ein Sodawasser wäre mir lieber ...« Er fuhr fort: »Albert begab sich in ihre Hände, wurde einer von ihnen. Vampire halten sich für etwas Gott gleiches. Sie sind anfällig für Weissagungen und düstere Geheimnisse, um es ganz einfach auszudrücken. Onkel Albert konstruierte für diese Wesen eine neue Religion. Er schuf einen neuen Verkünder. Er stellte sich als dessen Prophet hin und man glaubte ihm, machte ihn zum Großmeister. Sein Geld – und darum ging es ihm - verdiente er durch den Einfluss seiner neuen Freunde. In vielen wirtschaftlichen Schlüsselpositionen finden sich Vampire. Wie wir inzwischen nur zu gut wissen, ist es ein Gerücht, dass Vampire bei Tageslicht nicht existieren können, nicht wahr?«

»Sie sagen es ...«, knurrte Ludwig.

»Innerlich blieb Albert stets ein Mensch. Er kontrollierte seine Gelüste bis zuletzt ... genauso wie ich es tue.«

»... bis man ihn tötete!«

»Ja!«, nickte Frederic. »Bis man ihn beiseite schaffte.«

»Regus?«

»Zweifellos! Regus hat Alberts Machenschaften schon lange skeptisch betrachtet. Er will die Herrschaft. Was ihm dazu fehlte, war das Buch. Ob er an das Buch glaubte oder nicht – er wusste, dass er dieses Artefakt benötigte, um seine Leute zu kontrollieren. Sie alle glauben an das Buch, verrückt, nicht wahr? Albert muss ein sehr beeindruckender Mann gewesen sein. Auch Regus hatte, wie alle anderen, nur daraus gehört. Nämlich das, was Albert vorlas. Er benötigt das Buch. Er tötete den Alten und nahm ihm das Große Buch ab, da bin ich mir sicher. Tagebuch und Großes Buch wurden getrennt voneinander aufgewahrt, wie Albert schreibt. Wusste Regus etwas von dem Tagebuch? Wir müssen davon ausgehen. Vermutlich war er auf der Suche danach, als er von Caroline überrascht wurde, damals, als sie die erste Nacht im Haus verbrachte.«

»Und du hast es gefunden ...!«

»Nach zwei Jahren Suche, Ludwig! Ein winziger Schnappmechanismus in einer Bodenfliese.«

Ludwig schüttelte den Kopf. «Du bist ein Teufelskerl, mein Junge.«

Frederic lächelte dankbar, auch über die persönliche Anrede, die der Butler nur selten gebrauchte: »Albert schrieb in sein Tagebuch, welche Pläne er hegte. Er schrieb, dass sein neues Dasein ihm völlig andere Welten eröffnete. Eines Tages bekam er Visionen.«

»Visionen?«

»Ja! Zuerst ging er strategisch vor. Er erfand eine Geschichte, erfand das Buch, erfand den Geweissagten. Und dann geschah etwas Seltsames: In Visionen wurde ihm der Geweissagte vorhergesagt. Albert war erschüttert, schien völlig durcheinander gewesen zu sein und schrieb, er begreife nicht, woher die Visionen kämen. Er halte sich nur noch für ein kleines Rädchen in einem großen Spiel. Er fragte sich, warum er auf diese ungeheuerliche Idee gekommen war, ein Vampir sein zu wollen. Und er erkannte, dass er nur ein Spielball einer höheren Macht gewesen war. Ich glaube, er hat geahnt, dass Regus ihn töten würde und er hat es nicht verhindert. Laut seines Tagebuches starb er als verbitterter und verzweifelter Mann. Er war eine Schachfigur in einem Spiel, das er nicht mehr kontrollieren konnte«, sagte Ludwig dumpf.

»Und dieser Geweissagte bin ich?«

»Ja ... Aber das ist noch nicht alles ...« Frederic blätterte und las:

»Und es werden sein derer Zwei, die dem Dunkel entgegentreten. Ihre Schwingen werden überdecken das Böse. Ihre Liebe wird zerreißen den Hass! Sie werden vernichten die Sphäre des Blutes und gewinnen des Menschen Seele«.

»Deren Zwei? Die dem Dunkel entgegentreten?«

»Die sich den ... Vampiren stellen. Sie vernichten!« flüsterte Frederic.

»Wer ist der Zweite?«

»Schau dir die beiden Buchstaben an. Zweifellos ein Zeichen, fast schon ein Wappen«, tippte Frederic mit dem Zeigefinger auf eine Zeichnung. »Das Zeichen könnte selbstverständlich genauso gut Football Club bedeuten.«

Ludwig biss sich auf die Unterlippe. »Zweifel sind Verräter, sie rauben uns, was wir gewinnen können, wenn wir nur einen Versuch wagen«

»Shakespeare?«

»Ja! Ich weiß aber nicht mehr, aus welchem Stück!«

»Der Meister hat recht! Das Schicksal liegt nicht in der Hand des Zufalls, es liegt in deiner Hand, du sollst nicht darauf warten, du sollst es bezwingen.« Frederic lachte. »Zitat erinnert, Stelle ebenfalls vergessen!«

»Angenommen, dieser Alptraum hat Substanz. Angenommen, wir beide sind noch halbwegs normal im Kopf. Wie also wird uns das Tagebuch helfen, Regus zur Strecke zu bringen?«

Frederic lachte bitter. »Zuerst müssen wir Caroline zu uns holen. Ich glaube, deine Idee, eine Seance zu veranstalten, ist gar nicht so übel.«

Ludwig nickte ruhig. »Also tun wir es.«