7. KAPITEL
Sie konnte nicht einmal kochen. Shane hatte noch nie in seinem Leben jemanden kennengelernt, der mit einem Herd nicht mehr anzufangen wusste, als eine Dosensuppe darauf warm zu machen. Und selbst das stellte sich für Rebecca bereits als ein Projekt von enormen Ausmaßen dar.
Es machte ihm nichts aus, dass sie sich bei ihm einquartiert hatte.
Zumindest war es ihm gelungen, sich das einzureden. Er hatte sie gern um sich, und wenn sie eines Abends in seinem Bett landete, wäre er der Letzte, der Einwände dagegen erheben würde. Das Einzige, was ihn an der ganzen Angelegenheit extrem störte, waren die Gründe, weshalb sie hier war.
Überall standen ihre Geräte herum – in der Küche, im Wohnzimmer, im Gästezimmer. Er konnte nicht mehr durch sein eigenes Haus gehen, ohne sich mit einer Videokamera konfrontiert zu sehen.
Es erstaunte ihn, dass eine zweifellos intelligente junge Frau allen Ernstes glaubte, Videoaufzeichnungen von Gespenstern machen zu können.
Doch die Sache hatte auch ihre Vorteile. Da sie nicht kochen konnte, erklärte sie sich zum Ausgleich dafür nach den Mahlzeiten stets bereit, das Geschirr zu spülen. Deshalb war es nur noch halb so schlimm, vom Feld nach Hause zu kommen und sie in der Küche vorzufinden, wo sie so emsig, als hinge ihr Leben davon ab, auf ihrem kleinen Laptop herumtippte.
Sie hielt sich meistens in der Küche auf, weil sie sich dort, wie sie behauptete, am wohlsten fühlte.
Die erste Nacht hatte er mit Anstand überstanden, doch ganz einfach gewesen war es zugegebenermaßen nicht. Die Vorstellung, dass sie nur ein paar Zimmer weiter in ihrem Bett lag und schlief, hatte ihn so erregt, dass er nach vielen quälenden Stunden froh war, als endlich der Morgen graute.
Zum Frühstücken war sie nach unten gekommen, obwohl sie kaum etwas gegessen hatte. Aber sie trank Kaffee, teilte sich die Morgenzeitung mit ihm und stellte ihm einige Fragen. Und was sie alles wissen wollte!
Und doch gefiel es ihm, Gesellschaft zu haben. Er konnte sich nicht erinnern, dass eine Frau ihn jemals so beschäftigt hatte. Je länger er über diese Tatsache nachdachte, desto besorgniserregender fand er sie.
Shane MacKade lehnte es ab, sich über etwas Sorgen zu machen. Und sich über eine Frau den Kopf zu zerbrechen, die ihm allem Anschein nach nicht dieselbe Aufmerksamkeit entgegenbrachte wie er ihr, kam für ihn schon gar nicht infrage.
Es ist nur eine Sache der Einstellung, sagte er sich. Sie war Gast in seinem Haus, und ein anständiger Mann versuchte nicht, aus seinen Gästen einen Vorteil zu ziehen. Deshalb wollte er sie so schnell wie möglich wieder aus dem Haus haben.
Als es zum dritten Mal laut schepperte, weil er mit einem Topf gegen einen anderen stieß, schob sich Rebecca die Brille ein Stückchen tiefer und spähte über den Rand hinweg zu ihm hinüber. „Shane, ich möchte nicht, dass du dich verpflichtet fühlst, für mich zu kochen.”
„Da du ja nicht kochen kannst, wird mir nichts anderes übrig bleiben”, erwiderte er brummig.
„Ich weiß aber zum Beispiel, wie man ein Telefon bedient. Warum lassen wir uns nicht einfach irgendwas zu essen kommen? Das macht die Sache doch viel leichter.”
Er wandte sich zu ihr um. „Du bist hier nicht in New York, Schätzchen, ich glaube, das hast du vergessen. Hier gibt es niemanden, der dir was ins Haus bringt.”
„Oh.” Sie gab einen leisen Seufzer von sich und setzte die Brille ab.
Dann stand sie vom Tisch auf, stellte sich hinter ihn und begann, ihm die Schultern zu massieren. „Du hattest bestimmt einen harten Tag. Es muss sehr ermüdend sein, Stunden um Stunden auf dem Traktor zu sitzen und anschließend auch noch das Vieh zu versorgen.”
„Wenn man nachts gut schläft, ist es kein Problem”, gab er zähneknirschend zurück.
„Du bist wirklich schrecklich verspannt. Komm, setzt dich doch hin. Ich öffne eine Büchse Fleisch und mache uns ein paar Sandwiches.”
„Ich will keine Sandwiches.”
„Mehr habe ich dir leider nicht anzubieten.”
Er wirbelte herum und zog sie mit einem leisen Aufstöhnen in die Arme.
„Ich will dich!”
Ihr Herz machte einen Sprung. „Ich war der Meinung, dass wir uns geeinigt hätten. Du hast dich mit einer Art Arbeitsbeziehung einverstanden erklärt für die Zeit, in der ich hier wohne. Von einer Bettgeschichte war nicht die Rede.”
„Ich weiß selbst, womit ich mich einverstanden erklärt habe.” Sein Blick, dunkel und stürmisch plötzlich, schien sie zu durchbohren. „Deshalb muss es mir noch lange nicht gefallen.”
„Nein, das muss es nicht. Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass du deshalb verärgert sein könntest, weil ich nicht so auf dich reagiere, wie du gewohnt bist, dass Frauen im Al gemeinen auf dich reagieren?”
„Wir reden jetzt nicht über andere Frauen. Wir reden über dich. Über dich und mich. Hier und jetzt.”
„Wir reden über Sex”, erwiderte sie und drückte kurz seinen Arm, bevor sie einen Schritt zurücktrat. „Und ich denke darüber nach.”
„Du denkst darüber nach?” Er sah sie fassungslos an. „Du denkst darüber nach, so wie du darüber nachdenkst, ob du lieber Fisch oder Huhn zu Mittag essen würdest? Das kann ja wohl nicht wahr sein!”
„Es ist ein sensibles Thema. Damit umzugehen, meine ich.” Sie drehte ihm den Rücken zu, ging seelenruhig hinüber zum Tisch und setzte sich.
Damit umzugehen? Er kochte vor Wut. „Gedenkst du es mich wissen zu lassen, wenn du mit deinen Überlegungen zu einem Schluss gekommen bist?”
„Du bist der Erste, der es erfährt”, erwiderte sie ruhig und nippte an ihrem Glas.
Er versuchte, Haltung zu bewahren. Es war ein harter Kampf, sogar für einen MacKade. Sachliche Argumente, das war es, was sie verstand. Okay, das sollte sie auch bekommen. Dann würde er eben sachlich argumentieren.
„Weißt du, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, muss ich dir gestehen, dass ich dich eigentlich ein bisschen zu cool finde. Ich bevorzuge weichere, wärmere Frauen.”
„Desinteresse vorzuschützen ist ein guter Trick, Farmboy. Ich bin sicher, dass er in neun von zehn Fällen funktioniert.” Sie zwang sich, ihn anzulächeln. „Aber bei mir musst du dir schon ein bisschen mehr Mühe geben.”
„Ich werde mein Möglichstes tun.” Da ihm bewusst war, dass er im Moment die schlechteren Karten hatte, schlenderte er so lässig wie möglich zur Tür und ging hinaus. Er musste jetzt nur noch entscheiden, welcher von seinen Brüdern ihm als Zielscheibe für seine Aggressionen dienen sollte.
Rebecca stieß einen langen Seufzer aus und rieb sich die Augen. Woher hätte sie wissen sollen, dass diese kaum mehr gezügelte Wut, dieses heiße Begehren, diese angeborene Arroganz sie so erregten?
Fast wäre sie bereit gewesen, sich ihm hinzugeben. In dem Moment, in dem er herumgewirbelt war und sie an sich gezogen hatte, war sie geneigt gewesen, alle Bedenken in den Wind zu schlagen. Aber …
Ihr war klar gewesen, dass ihr die Kontrolle entglitten wäre. Er war im Augenblick einfach zu unberechenbar. Er hätte sie einfach genommen. Und so verlockend diese Vorstellung auch war, jagte sie ihr doch gleichzeitig eine Riesenangst ein.
Wenn er wüsste, dass sie lediglich die Absicht hatte abzuwarten, bis sie ruhiger geworden war und sichergehen konnte, dass auch er sich wieder unter Kontrolle hatte. Sie war überzeugt davon, dass Shane in ausgeglichener Gemütsverfassung ein zärtlicher und rücksichtsvoller Liebhaber sein würde. Doch aufgewühlt und voller Begehren wie im Moment, würde er wahrscheinlich ungeduldig und fordernd sein.
Also blieb ihnen beiden nichts als abzuwarten, bis der richtige Augenblick gekommen war.
Sie lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück und genoss die Stil e, die ihr wie die Ruhe nach dem Sturm erschien. Es fiel ihr so leicht, sich hier zu entspannen, sie fühlte sich so wohl in seiner Küche, in seinem Haus.
Der Geruch nach verbranntem Holz lag in der Luft, der Bratenduft sowie der Duft nach Zimt und Äpfeln. Und die brennenden Holzscheite im Herd knisterten anheimelnd. Al diese Dinge machten aus diesem Haus ein Zuhause. Obwohl …
Plötzlich fröstelte Rebecca, die Augen noch immer geschlossen, den Körper angespannt. Wie kam sie auf Bratenduft? In der Backröhre war kein Braten, wie konnte sie ihn dann riechen? Und im Herd brannte doch auch überhaupt kein Feuer, woher kam also das anheimelnde Knistern?
Langsam öffnete sie die Augen. Der Raum schwankte leicht und begann vor ihren Augen zu verschwimmen: ein gusseiserner Küchenherd, in dem ein Feuer lichterloh brannte, das Fenster war weit geöffnet, Sonnenstrahlen fielen herein, und auf dem Fensterbrett stand ein frisch gebackener Apfelkuchen zum Auskühlen.
Sie blinzelte, dann war das Bild verschwunden. Jetzt sah sie nur noch blitzende Kacheln und Holz, hörte das leise Summen des Kühlschranks.
Nur die Gerüche blieben. Wie ein Echo glaubte sie das leise Weinen eines Babys zu vernehmen.
„Okay, Rebecca”, flüsterte sie mit bebenden Lippen vor sich hin. „Du wolltest es so. Scheint so, als hättest du eben genau das bekommen, was du dir gewünscht hast.”
Sie stand auf und eilte ins Wohnzimmer, wo ihre Videokamera und zahlreiche andere Geräte zwischen den gemütlichen Sesseln, dem Schaukelstuhl und den Bücherregalen herumstanden. Einen Temperatursturz hatte ihr Messgerät nicht registriert, aber sie spürte die starke elektrische Aufladung der Atmosphäre. Dazu brauchte sie kein Messgerät. Ein Schauder überlief sie.
Sie war nicht allein.
Das Baby weinte. Eine Hand auf ihren Mund gepresst, starrte sie auf ihren Rekorder. Ob das leise Weinen hörbar sein würde, wenn sie das Band zurückspulte und es abspielte? Oben wurde eine der Schlafzimmertüren behutsam geschlossen. Dann hörte sie, wie die Wiege hin- und hergeschaukelt wurde. Das Weinen verstummte mit einem Mal.
Jemand wiegt das Baby in den Schlaf, dachte sie. Es wurde beschützt und geliebt. Beschützt und geliebt, wie auch sie sich hier in diesem Haus fühlte.
Erst nachdem alles wieder ruhig geworden war, ging sie an ihren Computer und begann, die Ereignisse sorgfältig zu protokollieren.
Es war fast Mitternacht, als Shane nach Hause kam und Rebecca genau dort vorfand, wo er sie verlassen hatte. Sein Zorn war verraucht.
Zwar hatte keiner seiner Brüder ihm den Gefallen getan, sich auf einen Boxkampf mit ihm einzulassen, doch Devin war es immerhin gelungen, ihm seine schlechte Laune zu nehmen.
Als er allerdings jetzt Rebecca mit zerzausten Haaren und halb von der Nase heruntergerutschter Brille vergnügt vor ihrem Laptop sitzen sah, hatte er die schlimmsten Befürchtungen, dass seine schlechte Laune zurückkehren könnte.
„Willst du nicht endlich Schluss machen? Es ist schon sehr spät.”
„Ich bin zwanghaft besessen. Hi.”
„Hi.” Als er auf ihre geröteten Wangen und das Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte, aufmerksam wurde, zog er die Augenbrauen zusammen. „Was treibst du denn?”
„Nichts. Ich habe nur ein bisschen mit den Geistern gespielt. Sie sind sehr nett.”
Er trat näher. Neben ihrem Computer stand eine fast leere Flasche Wein. Und ein halb volles Glas. Er schenkte ihr einen zweiten Blick und lachte dann laut heraus.
„Sie sind abgefüllt, Dr. Knight.”
„Falls du damit zum Ausdruck bringen willst, dass ich betrunken bin, kann ich nicht umhin, deiner Diagnose zuzustimmen. Ich bin sehr, sehr betrunken.”
Sie hob das Glas und schaffte es, daran zu nippen, ohne etwas zu verschütten. „Ich weiß auch nicht, was passiert ist. Vielleicht hab ich deshalb ein bisschen viel getrunken.”
Sie lächelte … beschwipst. Mehr als beschwipst. Die Tatsache, dass es ganz offensichtlich auch ihr nicht in jeder Situation gelang, die Kontrolle zu behalten und alles rein wissenschaftlich anzugehen, erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung.
„Genau das wollte ich.” Er legte ihr einen Finger unters Kinn und hob sanft ihren Kopf. „Hast du denn etwas gegessen?”
„Wie denn? Ich kann doch nicht kochen.” Das fand sie dermaßen lustig, dass sie sich ausschüttete vor Lachen.
Es war unmöglich, ihr böse zu sein. Sie sah so süß aus. Er nahm ihr die Brille ab und legte sie auf den Tisch. „Lass uns raufgehen, Baby.”
„Willst du mich denn vorher nicht wenigstens mal küssen?” Nach diesen Worten rutschte sie langsam vom Stuhl und sank zu Boden.
Shane fluchte leise und bückte sich, um sie aufzuheben. Auch wenn sie wesentlich mehr Alkohol intus hatte, als ihr guttat, konnte sie noch immer sehr gut zielen. Sie suchte und fand seine Lippen und küsste ihn.
„Hmm … schmeckst du gut.” Da sich in ihrem Kopf alles zu drehen begann, legte sie die Arme um seinen Nacken und klammerte sich an ihm fest. „Komm, leg dich neben mich, ja? Und küss mich noch mal. Davon wird mir so schön schwindlig, und mein Herz fängt an zu rasen. Willst du mal fühlen?” Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre Brust. „Spürst du’s?”
Oh ja, er spürte es. „Lass das jetzt.” Er setzte alles daran, nicht den Kopf zu verlieren. Schließlich war er ein Ehrenmann. Trotz alledem, und er hätte sich nie verziehen, wenn er die Situation ausnutzen würde. „Du bist indisponiert, Schätzchen.”
„Oh, ich fühle mich großartig. Hast du keine Lust?”
Wieder fluchte er. Er hob sie hoch, wobei es ihm nicht gelang, ihren Küssen auf seine Wange und seinen Hals auszuweichen.
„Hör jetzt sofort auf, Rebecca. Nimm dich zusammen.”
„Wozu? Ich habe mich mein ganzes Leben lang zusammengenommen.
Komm, zieh das aus.” Sie fummelte an seinen Hemdknöpfen herum. „Du gefällst mir im Unterhemd. Du hast so schöne Muskeln. Ich will sie spüren.”
Jetzt fluchte er wie ein Henkersknecht, während er sie aus der Küche trug. „Dafür wirst du büßen. Du wirst morgen einen Riesenkater haben.”
Sie kicherte, strampelte mit den Beinen und durchwühlte sein volles Haar. Obwohl sie leicht war wie eine Feder, begannen ihm die Arme zu zittern, und die Knie wurden ihm weich.
Als sie ihm zärtlich ins Ohrläppchen biss, hätte er fast aufgeschrien.
„Oh, ich liebe dieses wundervolle Haus. Ich liebe dich. Ich liebe alles.
Nehmen wir uns noch eine Flasche Wein mit ins Bett?”
„Nein, und du würdest besser daran tun …” Er beging den Fehler, den Kopf zu senken und auf sie hinunterzuschauen. Sie nützte die Gelegenheit, erneut seinen Mund zu erobern.
Ehrenmann hin oder her, er war noch immer ein Mann. Eine Hitzewelle durchlief ihn, verursachte ihm Qualen, führte ihn in Versuchung. Mit einem langen, verzweifelten Seufzer ließ er sich mit seiner Last auf der Treppe nieder und ergab sich diesen herrlichen, willfährigen Lippen.
„Rebecca”, flehte er, „du machst mich verrückt.”
„Ich hab gern mit Verrückten zu tun, schließlich bin ich ja Psychiaterin.”
Wieder schüttete sie sich aus vor Lachen, während sie sich eng an ihn schmiegte. Sie zerrte ihm das Unterhemd aus der Hose und streichelte seine glatte, mittlerweile mit einem feinen Schweißfilm überzogene, heiße Haut. „Küss mich noch mal, aber so richtig mit der Zunge. Ich find’s so herrlich, wenn du das machst.”
„Oh nein!” Er wiederholte diese Worte im Stillen wie ein Gebet, nachdem er aufgestanden war und während er sie über den Flur ins Gästezimmer trug. Er beabsichtigte lediglich, sie aufs Bett zu legen und sich dann so unauffällig und würdevoll wie möglich zurückzuziehen.
Aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Alkohol verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Als er sie hinlegte, zerrte sie derart an ihm, dass er das Gleichgewicht verlor und auf sie fiel. „Ah, wie herrlich.” Sie seufzte genießerisch. Dann bog sie sich ihm entgegen. „Oh Shane!”
Er stöhnte hilflos. Als er fühlte, wie sie ihre schmalen Hände auf seinen Po legte, war er mit seiner Beherrschung am Ende.
„Nein. Nein.” Er musste an sich halten, ihr nicht die Kleider vom Leib zu reißen.
„Doch”, rief Rebecca lachend. „Sobald wir dir diese Hose hier ausgezogen haben.”
Er versuchte sie daran zu hindern, seinen obersten Hosenknopf zu öffnen, sah in das herrlich verführerische Gesicht unter sich, um sich nur einen Moment später in einer wahrhaft titanischen Anstrengung daran zu erinnern, dass es Spielregeln gab, an die man sich halten musste.
„Du hörst jetzt sofort auf.” Nicht gerade sanft packte er sie an den Handgelenken und hielt sie fest. „Lass die Finger von mir, verdammt noch mal.”
Sie lächelte ihn an und begann sich in sinnlich träger Langsamkeit unter ihm hin und her zu bewegen. „Ich verspreche dir auch, dir nicht wehzutun.”
Wieder schüttete sie sich aus vor Lachen. „Du schaust so böse. Komm, küss mich.”
„Ich könnte dir den Hals umdrehen.” Aber er küsste sie, allerdings wohl eher aus Frust denn aus Verlangen. Der Kuss war grob und wild und fast schon ein wenig gemein. Als er sich schließlich von ihr zurückzog, sah er, dass ihre Lider schwer waren. Das verführerische Lächeln umspielte allerdings noch immer ihre Mundwinkel.
„Mmmehr …”
Sein Körper peinigte ihn, die Ader an seiner Schläfe pochte heftig.
„Wart’s ab, Rebecca”, sagte er grimmig. „Du bekommst mehr, aber dann wirst du stocknüchtern sein und dich dennoch nicht mal mehr an deinen eigenen Namen erinnern.”
„Okay”, murmelte sie zustimmend, während ihr die Augen schließlich ganz zufielen. „Okay.” Im nächsten Augenblick war sie eingeschlafen.
Shane blieb noch einen Moment auf ihr liegen und rang nach Atem. Er spürte, wie sich ihre Brüste unter ihm hoben und senkten.
„Ich will nicht, dass du mich morgen früh hasst, Baby”, flüsterte er, als er sich schließlich erhob.
Er zog die Decke sorgfältig über sie und überließ sie, vollständig bekleidet bis hin zu den Schuhen, ihrem Schicksal.
Als Rebecca am nächsten Morgen, etwas blass um die Nase, im Morgenrock am Frühstückstisch erschien, lächelte Shane schadenfroh.
„Wie geht’s, Doc?”
Vorsichtig räusperte sie sich. „Gut, danke.” Sie warf einen Blick auf den Tisch, auf dem noch immer die fast leere Weinflasche und ihr Glas als untrüglicher Beweis für ihren Absturz standen. „Mir scheint, ich habe gestern etwas zu viel getrunken.”
„Das ist milde ausgedrückt.” Er knallte die Tür vom Küchenschrank lauter zu als notwendig. Dass sie nicht im Mindesten zusammenzuckte, enttäuschte ihn etwas. „Genau gesagt warst du gestern Abend stockbetrunken.”
Jetzt zuckte sie zusammen. „Ich bin nicht daran gewöhnt, so viel Alkohol zu trinken. Vor allem war es ziemlich dumm, das auf nüchternen Magen zu tun. Ich möchte mich bei dir entschuldigen und mich bedanken, dass du mich ins Bett gebracht hast.”
Sein triumphierendes Lächeln verschwand. Für seinen Geschmack hatte sie sich schon wieder allzu gut in der Gewalt, dabei musste sie doch einen Riesenkater haben. „Was macht der Kopf?”
Sie lächelte, erfreut über sein Interesse an ihrem Befinden. „Dem geht’s auch gut.”
Er sah sie fassungslos an. Gab es denn überhaupt keine Gerechtigkeit auf der Welt? „Du hast keinen Kater?”
„Nein!”, entgegnete sie fröhlich. „Aber ich könnte jetzt ein bisschen Kaffee vertragen.”
Sie ging zur Kaffeemaschine. Mit sicherem Gang, wie Shane mit wachsender Verärgerung registrierte. Das grelle Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinfiel, schien sie nicht zu stören. Sie zuckte mit keiner Wimper.
Kein leiser Seufzer entfuhr ihr, kein verhaltenes Stöhnen.
„Du hast fast eine ganze Flasche Wein auf nüchternen Magen getrunken und fühlst dich trotzdem gut?”, vergewisserte er sich ein zweites Mal.
„Ja … Ich habe Hunger.” Sie lächelte ihn an, während sie sich Kaffee eingoss. „Ich muss mich wohl ziemlich idiotisch aufgeführt haben letzte Nacht. Danke für dein Verständnis.”
„Bitte, bitte. Keine Ursache.” Ihm war der Appetit vergangen.
Auf jeden Fall verdiente er neben der Entschuldigung auch noch eine Erklärung. „Es war doch nur, weil …” Wie sollte sie ihm von dem, was sie erlebt hatte, erzählen? „Ich … du bist wütend auf mich. Das ist dein gutes Recht. Ich habe mich wirklich schrecklich danebenbenommen.”
Sie trat auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Und du warst so rücksichtsvoll und süß.”
„Süß”, wiederholte er. „Kannst du dich erinnern, was passiert ist?”
„Natürlich”, erwiderte sie, ein bisschen überrascht. Sie lehnte sich gegen den Tresen und nippte an ihrem Kaffee. „Ich war … nun, ich war ziemlich aufdringlich … anders kann man es wohl nicht bezeichnen. Das ist normalerweise nicht mein Stil. Ich bin sehr erleichtert, dass du mein Verhalten dem Alkohol zuschreibst. Ich hätte dir keinen Vorwurf gemacht, wenn du mich einfach hier auf dem Fußboden hättest liegen lassen.”
Mehr amüsiert über sich selbst als beschämt, lächelte sie ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an. „Ich muss wirklich völlig beschwipst gewesen sein. Obwohl ich mir kaum vorstellen kann, dass eine so sturzbetrunkene Frau eine große Versuchung darstellt, finde ich dennoch, dass du dich sehr rücksichtsvoll mir gegenüber verhalten hast. Du warst sehr geduldig.”
Sie hatte nicht mal die Güte, sich gedemütigt zu fühlen. Er rauchte vor Zorn. Und, viel schlimmer noch, sie machte aus ihm auch noch einen Heiligen. „Du warst widerlich.”
„Ich weiß. Aber wie auch immer, es war eine Erfahrung. Ich war noch nie im Leben so betrunken, und ich glaube auch nicht, dass es jemals wieder so weit kommen wird. Glücklicherweise ist mir das nicht in der Öffentlichkeit passiert, und ich bin froh, dass du es warst, der sich um mich gekümmert hat. Kann ich ein Stück von diesem Schinken haben?”
Ganz cool bleiben, befahl er sich. Mit äußerster Konzentration gelang es ihm, seine Stimme ruhig zu halten. „Bist du jetzt nüchtern, Rebecca?”
„Wie ein Buchhalter.” Sie biss ein Stück von der Schinkenscheibe ab und kaute genüsslich. „Und ich beabsichtige, es für lange Zeit zu bleiben.”
Langsam nickte er, wobei er sie nicht aus den Augen ließ. „Klarer Kopf und alles im Griff?”
Sie setzte zu einer Erwiderung an, doch irgendetwas in seinem Tonfall ließ sie aufhorchen. Als sie ihn jetzt ansah, war sie auf der Hut. Der dunkle, gefährliche Ausdruck, der in seinen Augen lag, veranlasste sie, einen Schritt zurückzuweichen. „Shane …”
Er riss sie so überraschend in seine Arme, dass ihr vor Schreck die Kaffeetasse aus der Hand rutschte und auf den Kacheln zerschellte.
„So, so, süß bin ich also.” Außer sich vor Zorn und Frustration, presste er seinen Mund auf ihren, während er sie gegen den Kühlschrank drängte.
„Rücksichtsvoll. Geduldig.” Er löste sich gerade lange genug von ihren Lippen, um die Worte hervorstoßen zu können.
„Ja. Nein.” Wie sollte sie denken, wo ihr doch plötzlich ganz schwindlig wurde?
„Du hast mich fast um den Verstand gebracht.”
Er bog ihren Kopf in den Nacken und küsste sie verlangend, was in ihr ein nie gekanntes Feuer auflodern ließ. „Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich begehre, Rebecca? Machst du dir davon überhaupt einen Begriff?”
Er klärte sie auf, hart und schonungslos, mit seinen Lippen, seiner Zunge, seinen Händen, mit seinem heißen Körper, dessen Muskeln stählern waren vor Anspannung. Sie rang nach Atem und schmolz dahin, seinen aufreizenden Liebkosungen hilflos ausgeliefert.
„Verstehst du mich jetzt?”, stieß er rau hervor und hob sie dann hoch, ohne eine Reaktion oder Antwort abzuwarten.
In plötzlich aufkommender Panik versuchte sie sich freizumachen.
„Warte.”
„Einen Teufel werde ich tun. Du solltest besser nein sagen, Rebecca.
Laut und deutlich. Aber sag es rasch, ehe es zu spät ist. Wenn du mir begreiflich machst, dass du es nicht willst, dass du mich nicht willst, lass ich dich runter. Aber sag es klar und deutlich.”
Ihre Hand lag auf seiner Brust, deshalb konnte sie hören, wie sein Herz hämmerte. Ihre Hand zitterte. Vor Angst, wie sie im ersten Moment angenommen hatte. Doch es war nicht Angst, nein, es war al es andere als Angst. Es war Verlangen.
„Ich kann nicht.” Sie atmete heftig. „Es wäre eine Lüge.”
In ihm stieg ein Triumphgefühl auf. „Wusst ich’s doch.”