Toby stolperte gegen die geschlossene Tür, zerrte an der Klinke. Vergeblich. Er war eingesperrt.

Schon beim ersten Anblick des Mannes hatte er begriffen, dass dies kein Streich war. So echt hatte keine der Monstermasken ausgesehen. Nicht einmal die Mumie in der Grabkammer. Und er hatte sich noch gefragt, wie sich wohl ein echtes Leichengesicht anfühlt!

Vielleicht würde er es bald erfahren. Denn der Mann kam näher.

Er bewegte sich aufrecht, mit gestrafftem Oberkörper, gefangen in einem altertümlichen, beinah militärischen Drill.

»Ich bin dein Direktor«, sagte die Kreatur. Sie zischte mehr, als dass sie sprach. Wahrscheinlich lag das an ihrer verkümmerten Zunge. »Das hier ist meine Schule. Du hast einem der Mädchen nachgehechelt. Dafür muss ich dich bestrafen.«

Und wieder klatschte der Rohrstock in die offene Hand.

»Bitte …«, begann Toby, doch dann versagte seine Stimme. Ihm wurde eiskalt vor Furcht.

Die Kreatur, die sich selbst Direktor nannte, streckte eine Hand nach Tobys Gesicht aus, tätschelte seine Wange – und ließ mit der anderen den Stock auf ihn herabsausen.

Toby kreischte auf, doch er spürte keinen Schmerz, als der Schlag seine Wange traf. Stattdessen löste sich der Waschraum um ihn in Nebel auf. An seiner Stelle erschien etwas anderes, ein Ort, der nicht in dieser Schule lag, auch wenn er beinahe danach aussah.

Es war ein Klassenzimmer. Das größte, das Toby jemals gesehen hatte.

Nach drei Seiten erstreckten sich endlose Reihen von Schulbänken, so weit, bis sie am Horizont in fernem Dunst verschwanden. Es sah aus, als bestünde die ganze Welt aus einem einzigen, gewaltigen Klassenraum, und wer immer hier lebte, verbrachte sein Dasein damit, bis zum Ende seines erbärmlichen Lebens zur Schule zu gehen. Jahr um Jahr um Jahr.

Neben Toby befand sich ein Lehrerpult, und dahinter stand der Direktor.

»Dreh dich um«, befahl er.

Toby tat, was das Wesen verlangte. Er stand unter Schock, war willenlos.

Er erkannte, dass er vor einer riesenhaften Schultafel stand. Sie dehnte sich als grauschwarzes Band nach rechts und links, um sich irgendwo in der Ferne in den Schwaden des Horizonts aufzulösen.

»Nimm die Kreide«, sagte der Direktor.

Toby streckte seine zitternde Hand aus und nahm aus der Ablage unter der Tafel ein Stück Kreide auf.

»Und jetzt schreib«, verlangte der Direktor, während seine gelben Augäpfel Toby anstarrten. »Schreib: Ich bin ein böses Kind!«

Toby wollte widersprechen. Er fand, dass er kein Kind mehr war. Und schon gar kein böses.

»Schreib«, forderte der Direktor erneut.

Toby setzte schaudernd die Kreide auf die Tafel. Ich, schrieb er mit bebenden Fingern. Es sah krakelig und unsauber aus, und die ganze Zeit über verursachte die Kreide ein hohes, schrilles Quietschen, das schmerzhaft in seinen Ohren widerhallte.

bin ein böses Kind, beendete er den Satz.

»Nochmal«, keifte der Direktor. »Und nochmal. Immer weiter und weiter. Die ganze Tafel voll.«

Toby blickte angstvoll an der endlosen Tafel entlang.

»Du wirst bis in alle Ewigkeit schreiben.« Der Direktor ließ den Rohrstock in seine Handfläche sausen. Toby zuckte bei dem Geräusch zusammen. »Nicht essen, nicht trinken. Keine Pausen. Nur Schreiben. Immer den gleichen Satz.«

Ich bin ein böses Kind, kritzelte Toby erneut. Vom Kreischen der Kreide wurde ihm schlecht.

Es gelang ihm, den Satz ganze zwanzig Mal an die Tafel zu schreiben, ehe ein Zitterkrampf seinen Körper schüttelte und er die Kreide aus den Fingern verlor.

Noch ehe er sich bücken konnte, war der Direktor über ihm.

»Strafe, Strafe, Strafe«, zischte er und hob den Rohrstock.