6. KAPITEL

Zu diesem Spiel gehören immer noch zwei, dachte Kaylie, während sie sich den Rücken abtrocknete. Wenn Don vorhatte, sie mit seinem Charme verrückt zu machen, dann würde sie ihn eben auch umgarnen, bis er ihr so weit vertraute, daß er in seiner Wachsamkeit nachließ.

Dann könnte sie fliehen, und er würde hier sitzen und sich ärgern, daß sein Plan fehlgeschlagen war. Einerseits lechzte sie nach dieser Genugtuung, sie hatte es einfach satt, sich von ihm ihr Leben bestimmen zu lassen. Auf der anderen Seite mußte sie ihm zugute halten, daß er sich nur Sorgen um sie machte.

Ein kalter Windzug wehte durch das offene Fenster, und Kaylie erzitterte. Sie wickelte sich in das Badetuch und ging ins Schlafzimmer. Es war zwar eine Art Gefängnis, aber so schrecklich kam es ihr nicht mehr vor. Don ließ ihr einen gewissen Freiraum, und den wollte sie ausnutzen. Schließlich stand sie nicht ständig unter seiner Überwachung. Als sie den Schrank öffnete, dachte sie daran, daß er ihr schon einmal das Leben gerettet hatte.

Sie zog eine verwaschene Jeans und ein pfirsichfarbenes TShirt heraus.

“Das Frühstück ist fertig”, flüsterte Don in diesem Moment hinter ihr.

Vor Schreck wäre sie fast umgefallen. Krampfhaft hielt sie ihr Tuch fest und drehte sich um. Er stand im Türrahmen.

Anscheinend war sie so in ihren Gedanken versunken gewesen, daß sie ihn nicht gehört hatte. “Entschuldigst du mich?” bat sie förmlich. “Ich war gerade dabei, mich anzuziehen.”

“Laß dich nicht stören”, entgegnete er schmunzelnd.

“Treib es nicht zu weit”, warnte sie ihn.

Er hob die Handflächen. “Wir haben doch Waffenstillstand.”

“Ach, richtig. Da sollten wir uns noch auf ein paar Regeln einigen. Als erstes solltest du aufhören, hier herumzuschleichen und mich zu Tode zu erschrecken.” Sie zog das Tuch über ihren Brüsten zusammen. “Ich komme gleich. Und nächstes Mal klopfst du an, okay?”

Er rieb sich den Nacken und lächelte verschmitzt. “Aber dann bekomme ich dich nicht mehr so zu Gesicht” Er schüttelte den Kopf. “Tut mir leid. Wenn du allein sein willst, mußt du schon abschließen.” Damit schloß er die Tür hinter sich.

Rasch zog sie sich an und lief die Treppe hinunter. Der Duft von Kaffee und gebratenem Speck lag in der Luft. In der Küche war der Tisch für zwei gedeckt, und eine große Platte mit Spiegeleiern, Speckscheiben und heißem Toast stand auf der Anrichte.

Sobald sie saß, goß Don ihr eine Tasse Kaffee ein. “Ich bin gleich wieder da.”

“Wohin gehst du?” fragte sie, doch er war schon zur Tür hinaus.

Kurz darauf kam er mit einem kleinen Fernseher zurück. “Wo hast du den denn her?” wollte sie wissen.

Spöttisch zog er einen Mundwinkel hoch. “Glaubst du, ich verrate dir meine tiefsten Geheimnisse?”

“Ich dachte, wir hätten einen Waffenstillstand.”

Er schloß den Femseher an, schaltete ihn ein und drehte an der Antenne. “Das stimmt. Deshalb bin ich auch so unglaublich nett zu dir.”

“Deswegen also. Und ich fühlte mich schon geschmeichelt.”

“Aha!” stieß er aus, als die Anfangsmusik von West Coast Morning ertönte.

“Oh, nein”, sagte sie, und schlagartig verging ihr der Appetit, als Alan Bently in Großaufnahme in die Kamera sah.

“Da ist er. Dein Verlobter”, stellte Don gutgelaunt fest, doch Kaylie bemerkte, daß er nicht ganz entspannt war. “Was für ein Kerl! Sieh ihn dir an. Und sein Make-up ist wirklich perfekt.”

“Er ist nicht mein Verlobter”, widersprach sie genervt.

“Guten Morgen!” begrüßte Alan die Zuschauer. Seine braunen Augen blickten starr in die Kamera, und sein Lächeln wirkte leicht gezwungen. “Sicher ist Ihnen aufgefallen, daß Kaylie Mehlille heute nicht bei uns ist”, sagte er leicht bedauernd. “Und auch für den Rest der Woche wird sie nicht hier sein, weil sie leider aus persönlichen Gründen freinehmen mußte.”

“Was mußte ich?” regte Kaylie sich auf.

“Eine kranke Tante”, erklärte Don rasch und stellte das Bild etwas schärfer.

“Wie bitte?”

“Du mußt dich um deine Tante kümmern. Sie ist sehr krank.”

“Das gefällt mir gar nicht”, sagte sie und durchbohrte ihn förmlich mit ihrem Blick. “Ich habe gar keine Tante!”

Nachdenklich griff sie nach einer Scheibe Toast. “Dann mußt du Margot aber etwas anderes erzählt haben. Das mit der Tante hätte sie dir nicht abgekauft.”

“Stimmt. Deine Schwester fand es sehr romantisch, daß ich dich in ein abgelegenes Versteck entführe.”

“Dann hast du es ihr erzählt?!”

“Na klar.”

“Wenn ich die erst wiedersehe”, stieß sie zornig hervor. Ihre eigene Schwester beteiligte sich also an dieser Verschwörung!

Na, die würde was erleben!

“Margot wird mich bestimmt verteidigen”, überlegte Don laut. “Sie meinte, sie wünsche sich, daß sie auch von einem Prinzen in ein romantisches Versteck entführt werde.”

“Oh, bitte hör auf damit”, stöhnte Kaylie. Das klang wirklich stark nach ihrer Schwester. Während Kaylie in bezug auf Männer eher nüchtern war, von Don einmal abgesehen, verstieg ihre Schwester sich in romantischen Träumereien.

“Außerdem ist sie um deine Sicherheit besorgt, und sie hat mir noch verraten, daß sie Alan Bently nicht sonderlich mag.”

“Sie weiß genau, wie ich zu Alan stehe. Daran können auch irgendwelche Schmierblätter nichts ändern!”

Don widmete sich seinem Frühstück, und Kaylie

konzentrierte sich wieder auf die Sendung. Wußte Don denn nicht, daß Alan überhaupt nicht ihr Typ war? Selbst vor Jahren, als sie zusammen “Besessen” drehten und Alan Interesse an ihr zeigte, hatte Kaylie ihm unmißverständlich gesagt, er solle sie in Ruhe lassen. Damals war sie mit Don verheiratet und hatte nicht das geringste Interesse an einer Affäre. Über Alans schäbige Annäherungsversuche hatte sie nur lachen können. Alan hatte sie verstanden, und seitdem war viel Zeit vergangen.

“Der gute Alan wirkt ohne dich ganz zufrieden”, stellte Don fest und nahm einen Bissen von seinem Toast. “Er ist bestimmt selig, glaubst du nicht?”

“Hast du gehört, was er gerade gesagt hat?” erwiderte sie. “Er wird nicht alle geplanten Themen behandeln. Siehst du?”

Don hörte auf zu kauen. “Bei den Dreharbeiten zu ‘Besessen’

war er es doch, der mehr Werbung, ein höheres Gehalt und eine größere Garderobe verlangte.”

“Seit damals hat sich viel geändert.”

Dons Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Er schob seinen halbleer gegessenen Teller zur Seite. “Wenn es nicht Bently ist, wie heißt dann der Mann in deinem Leben?” Dabei berührte er ihre Fingerspitzen.

Hastig zog sie die Hand zurück. “Warum sagst du mir das nicht? Du weißt doch sonst alles über mich!” Wieso ließ er das Thema nicht einfach fallen? Sie wollte nicht zugeben, daß sie keine Beziehung hatte und daß es seit Don niemanden in ihrem Leben gegeben hatte. Die Affären, die ihr von der Presse angedichtet worden waren, hatten nie existiert. Kaylie hatte sich niemals auf einen dieser Männer eingelassen, doch das ging Don überhaupt nichts an. Vielmehr würde er seinen Gefühlen für sie noch mehr freien Lauf lassen, wenn er wußte, daß sie in keiner Weise gebunden war. Besser, er glaubte, daß sie einen Partner hatte.

“Ich muß dir etwas sagen, Kaylie”, gestand er und fuhr mit einem Finger den Rand seiner Tasse entlang.

Ihr Mund wurde trocken. “Was denn?”

Die Aufrichtigkeit, die in seinem Blick lag, war

unverkennbar. “Ich habe dich vermißt. Alles an dir habe ich vermißt.”

“Don, bitte…”

“Du wolltest die Wahrheit, oder? Jetzt weißt du es.”

Sie sah ihm zu, während er sich durchs Haar fuhr, aufstand und zum Fenster ging. Mit dem Rücken zu ihr sprach er weiter.

“Ich habe es vermißt, abends zu dir nach Hause zu kommen.

Dich in der Dusche zu hören, deine Unterwäsche im Bad, dein Duft in den Kissen, dein Haar, das nachts auf mein Gesicht fällt, die Art, wie du deine Schuhe in den Schrank schleuderst… Ich

…” Er drehte sich um und blickte sie eindringlich an. “Dich habe ich vermißt. Mit all deinen Eigenheiten.”

Sie brachte zunächst kein Wort heraus. Mühsam hielt sie die Tränen zurück, die ihr in den Augen standen. Er klang so offen, und sie wollte ihm glauben.

“Dann… hast du die Situation ausgenutzt. Habe ich recht?”

Ihre Stimme bebte, und ihre Finger schmerzten, so sehr umklammerte sie ihre Serviette.

Augenblicklich verkrampfte er sich. “Nein.” Ohne ein weiteres Wort ging er hinaus und warf die Tür hinter sich zu.

***

Kaylie versuchte, weiter zu essen, aber sie brachte kaum noch etwas hinunter. Verärgert schob sie den Teller von sich und bemühte sich, ruhig zu überlegen. Sie durfte Dons Ausstrahlung nicht wieder verfallen, aber die Wahrheit war, daß er ihr immer noch viel bedeutete. Vielleicht liebte sie ihn sogar.

“Du machst dich zum Vollidioten”, beschimpfte sie sich und drängte die Tränen zurück. Sie rannte in ihr Zimmer, schnappte sich eine Jacke aus dem Schrank und zog ein Paar Stiefel an, die ihr etwas zu klein waren. Dann lief sie wieder hinunter, stürmte aus der Vordertür und wäre beinahe über Franklin gefallen, der hochsprang und anfing zu kläffen.

“Angeblich magst du mich doch. Also reg dich nicht auf”, sagte sie, während sie um den Hund herumging.

Die Morgenluft war frisch. Tautropfen glitzerten auf dem Gras, und die Sonne schien warm durch die Bäume. Hinter dem Wald konnte Kaylie die hohen Berge sehen, und ein paar Wolken zogen über den strahlendblauen Himmel.

Hier ist es wirklich paradiesisch schön, gestand sie sich widerwillig ein und mußte an Dons Äußerung denken, als sie vergangene Nacht hier angekommen waren. Im Vergleich zu der Hektik in der Stadt und bei der Arbeit war die Ruhe himmlisch.

“Er hat dich verschleppt”, rief sie sich in Erinnerung. “Du pflegst eine kranke Tante!”

Sie blieb bei dem Jeep stehen und sah kurz nach, ob er verschlossen war. Alles war unverändert, und auch das Telefon konnte sie nicht entdecken. Alle Türen, auch die Heckklappe, waren verschlossen, und selbst die Fenster waren hochgekurbelt.

“Na, toll”, sagte sie und wischte sich die Hände an der Hose ab.

Sie ging um das Haus herum und einen Kiesweg zu einigen flachen Gebäuden entlang. Der erste der Schuppen war

verschlossen, und so balancierte sie über eine Holzplanke und stellte sich auf die Zehenspitzen, um durch eines der verstaubten Fenster zu sehen. Sie schirmte die Augen ab und spähte in die Dunkelheit. Anscheinend war dies ein Vorratslager. Ölfässer, Konservendosen und unzählige Werkzeuge konnte sie

entdecken. In der Spiegelung der Scheibe bemerkte sie eine Bewegung hinter sich.

“Na, irgend etwas Interessantes gefunden?” erkundigte Don sich und stellte einen Fuß auf die untere Planke eines Zauns.

Franklin kam hinter ihm hergetrottet und legte sich in den Schatten des Schuppens.

“Hier, vielleicht hilft dir das hier.” Don griff in seine Hosentasche, holte einen Schlüsselbund hervor und warf ihn ihr zu.

Kaylie fing ihn auf. Sie konnte nicht glauben, daß er ihr die Schlüssel gab. Wenn sie es jetzt bis zum Jeep schaffte …

Als könne er ihre Gedanken lesen, holte Don einen zweiten Schlüsselring hervor. “Hier sind die Wagenschlüssel dran”, sagte er und klimperte mit den Schlüsseln. Das Sonnenlicht ließ sie aufstrahlen. “Aber mit denen da”, er wies auf den Bund in ihrer Hand, “kommst du in die meisten Gebäude hier auf dem Grundstück. Du mußt aber immer wieder hinter dir

abschließen.”

Dieser Mann trieb sie noch zur Weißglut. “Aber natürlich, Meister”, regte sie sich auf. “Und wenn ich aus dem Zimmer gehe, werde ich mich tief vor Euch verbeugen.”

“Das wäre schön”, stimmte er lächelnd zu.

“Du bist unerträglich und so herrisch, daß mir schlecht werden könnte.”

Dons Lächeln verschwand. “Gehen wir”, sagte er, kam auf sie zu und faßte nach ihrem Handgelenk.

“Klingt gut. Ich wollte hier sowieso nicht her.”

“Dann wirst du dich nicht sträuben?”

“Ich mich sträuben? Deinem Willen widersetzen? Niemals!”

“Das wollte ich hören.”

Wie sollte sie das bloß aushalten! Doch sie wehrte sich nicht, als er sie am Arm mit sich zog. Sie mußte fast rennen, um mit ihm Schritt zu halten, doch sie beschwerte sich nicht, während sie auf den Schuppen zugingen, den sie bereits vom Haus aus gesehen hatte. Von außen war der Holzschuppen verwittert und das Wellblechdach schon angerostet, aber von drinnen war das Scharren und Schnauben von Tieren zu hören.

Don schob die große Tür auf, und sie traten ein. Innen war es dunkel, und es roch nach Pferden und frischem Heu.

“Hier herüber”, sagte Don und führte sie ins Hintere des Schuppens, wo zwei fertig gesattelte Pferde nebeneinander standen. “Ich dachte, wir könnten einen Ausritt unternehmen.”

Forschend blickte Kaylie ihn an. “Und woher weißt du, daß ich nicht fliehen werde?”

“Mit Henry hier?” Dabei wies er auf einen großen braunen Wallach. “Keine Chance. Er weiß genau, wann es Futter gibt, und egal, wo er ist, er beeilt sich, rechtzeitig wieder hier zu sein.”

Das Pferd sah gutmütig aus und blinzelte mit den großen braunen Augen, während er Kaylie gleichgültig ansah.

“Du kommst auf Henry keine vier Kilometer von hier weg, es sei denn, du hast inzwischen Reitunterricht genommen.” Er schmunzelte listig. “Außerdem werde ich dich, falls du es doch versuchen solltest, auf diesem hier spielend einholen.” Mit dem Daumen wies er über die Schulter auf den dunkelbraunen muskulösen Hengst. “Das ist ‘Majestät’.”

Kaylie blickte ihn gereizt an. “Also ich werde auf einem Pferd namens Henry reiten, während du auf Seiner Majestät sitzt, ja?”

“Genau so werden wir es machen.” Don öffnete die Gatter und führte die beiden Tiere aus dem Stall.

“Davon habe ich schon immer geträumt”, murmelte sie verdrießlich, während sie draußen auf die Pferde stiegen.

Kaylie und Don ritten an ein paar anderen Ställen vorbei, in denen noch weitere Pferde und auch ein paar Kühe

untergebracht waren. Zum Teil grasten die Tiere gerade draußen oder dösten im Schatten.

Ein paar unbeholfene Fohlen versteckten sich hinter ihren Müttern, und ein Kalb mit weißer Blesse muhte laut, als sie vorbeiritten. Don wirkte im Sattel vollkommen entspannt, und Kaylie, die in ihrem Leben nie viel geritten war, tat so, als sei es auch für sie das Natürlichste der Welt, auf einem Pferd zu sitzen.

“Wo reiten wir hin?” erkundigte sie sich und schirmte die Augen gegen das grelle Licht ab. Sie vermißte ihre Sonnenbrille.

“Auf den Berggipfel.”

“Warum?”

Er sah sich über die Schulter nach ihr um, und der Blick seiner grauen Augen ließ ihr Herz schneller schlagen. “Wegen der Aussicht.”

Don wollte auf den Berggipfel reiten, um ihr die Aussicht zu zeigen? Wenn ihr das jemand vor zwei Tagen erzählt hätte, wäre sie vor Lachen vom Stuhl gefallen. Doch dieser neue Zug an Don, dieses Ausspannen von der Alltagshektik, faszinierte sie.

Der Ritt dauerte fast zwei Stunden, während die Pferde vorsichtig einen fast zugewachsenen Pfad entlanggingen.

Kaylies Beine taten ihr allmählich weh, und ihre Augen brannten, weil sie wegen der Sonne ständig blinzeln mußte. Sie zog sich die Jacke aus und band sie sich um, während Henry ruhig hinter Majestät hertrottete.

Sie versuchte, Gefallen an den Wildblumen zu finden, oder am Ruf eines Falken, der über ihnen kreiste, doch ihr Blick wurde ständig zu Don zurück gezogen. Dagegen konnte sie sich nicht wehren. Sein dunkles Haar schimmerte in der Sonne und reichte bis über den Kragen. Das Hemd spannte sich über seinen breiten Schultern, und er hatte die Ärmel hochgekrempelt, so daß sie seine braunen Unterarme sehen konnte.

Eine männliche natürliche Ausstrahlung umgab ihn, und Kaylie fühlte sich davon gefangen. Ohne sich dagegen wehren zu können, musterte sie, wie sein Hemd über den Hosenbund bauschte und wie sich der Gürtel beim Reiten auf und ab bewegte.

Nur um diesen Mann, der vor ihr ritt, ihren Ex-Mann, drehten sich ihre Gedanken. Damals hatte sie ihn so sehr geliebt, daß sie sicher gewesen war, niemand könne seinen Platz in ihrem Leben einnehmen.

Vielleicht stimmte das.

Bei diesem Gedanken zog sie unwillkürlich die Zügel fester an. Henry trippelte unruhig zur Seite und schnaubte. Es wäre ein leichtes, sich wieder in Don zu verlieben. Möglicherweise liebte sie ihn bereits. “Nein!” schrie sie laut, und Henry bäumte sich auf.

Don wandte sich um. Sein Gesichtsausdruck war ernst. “Was ist los?”

“Nichts”, wiegelte sie rasch ab und fühlte, wie sie errötete, während sie das Pferd beruhigte. “Ich … ich habe nur für einen Moment die Kontrolle verloren.” Sie durfte sich nicht wieder in ihn verlieben! Das durfte sie nicht zulassen.

“Alles in Ordnung?” Er wirkte nicht überzeugt, und die Sorge in seinem Blick ließ sie wieder die tiefe Zuneigung zu ihm spüren.

“Alles bestens.” Leichter Spott schwang in ihrer Stimme mit.

“Gut. Wir sind gleich da.”

Der Weg machte eine scharfe Biegung nach Norden und

führte aus den hohen Kiefern heraus auf eine weite

grasbewachsene Wiese. Mitten hindurch führte ein kleiner Bach, der etwas tiefer in einen Bergsee mündete.

Kaylie stieg vom Pferd und konnte nicht anders, als

begeistert zu sein. “Es ist wunderschön”, stellte sie leise fest und blickte über das schmale Tal auf die anderen Berge, die zum Teil mit Wald bewachsen waren. Don versorgte die Pferde, und die beiden Tiere tranken aus dem Bach.

“Dort ist das Haus”, erklärte er und zeigte von hinten über ihre Schulter auf einen kleinen braunen Punkt im Wald. Sein Ärmel berührte Kaylie fast, und sie nahm deutlich seine Nähe und seinen Duft wahr.

“Weißt du, ich hätte nie gedacht, daß du so eine Abgeschiedenheit genießen könntest.”

Don blickte zu ihr hinab und preßte die Lippen hart

aufeinander. “Vor ein paar Jahren habe ich gelernt, daß es wichtigere Dinge als den Job gibt.”

Augenblicklich schlug ihr Herz schneller. “Wirklich?”

“Durch dich ist mir das klargeworden.” Sein Blick wurde wachsam, und sein Gesicht wirkte angespannt. “Als ich dich in der Nacht der Premiere mit Johnston gesehen habe, habe ich schlagartig begriffen, daß mir nichts wichtiger als deine Sicherheit ist. Doch damals war es schon zu spät.” Er schwieg einen kurzen Augenblick, dann schob er sich mit der flachen Hand das Haar zurück. “Doch du hast nie verstanden, daß ich dich nur beschützt habe, weil ich dich so sehr liebte und Angst hatte, dich zu verlieren. Dadurch habe ich dich vertrieben, und das bewirkt, wovor ich mich so gefürchtet hatte.”

Das Schweigen zwischen ihnen war mit einemmal

bedrückend. Nur das leise Plätschern des Bachs und das Gezwitscher der Vögel unterbrach die Stille. Kaylie kannte das Gefühl, Menschen zu verlieren, die man liebt. Als sie ihre Eltern verlor, war Don bei ihr gewesen, um sie aufzufangen.

Er beugte sich so dicht vor sie, daß sie die kleinen blauen Flecke in seinen grauen Augen erkennen konnte. “Dich zu verlieren, war das schlimmste Erlebnis meines Lebens.”

Mühsam drängte sie die Tränen zurück. Als Don ihren

Nacken umfaßte, wehrte sie sich nicht, sondern hob das Gesicht zu ihm empor.

Zärtlich strich er mit den Lippen über ihren Mund, und sie öffnete erwartungsvoll die Lippen.

Der Wind wehte durch die Bäume, und die Äste, die sich im Sonnenlicht bewegten, warfen Schatten auf Dons Gesicht, als er die Arme fester um Kaylie schlang.

Sie schloß die Augen und versuchte, sich alle Gründe dafür in Erinnerung zu rufen, ihn von sich zu stoßen. Doch der Druck seiner Lippen auf ihren und die innige Liebkosung seiner Zunge machten es ihr unmöglich, sich zu sträuben. Die Sonne schien ihr wärmend auf den Rücken, und Kaylie erwiderte die

Umarmung und schlang Don die Arme um den Nacken.

Verlangend preßte sie sich enger an ihn. Mit sanftem Druck zog er sie an sich und hielt sie so fest, daß sie kaum noch atmen konnte.

Sie verlor den Boden unter den Füßen, und Don trug sie unter einen Baum. Er legte sie auf den mit Kiefernnadeln bedeckten Boden nahe bei dem Bach. Dann streckte er sich neben ihr aus und küßte sie hungrig.

Er strich seitlich an ihrem Oberkörper entlang, bis er mit den Daumen die Rundung ihrer Brüste erreichte.

Leise stöhnte sie auf, als sich ihre Brustspitzen lustvoll verhärteten. Sie meinte, vor Verlange

n zu zerfließen, und

klammerte sich an Don. Mit zurückgelehntem Kopf gab sie sich den Empfindungen hin, die die Berührung seiner Zunge an ihrem Hals in ihr auslöste. Mit fahrigen Bewegungen zerrte er an ihrem T-Shirt, um mehr von ihrer nackten Haut zu spüren.

Ihre Brüste schmerzten fast, und ihr Körper sehnte sich zitternd nach Dons Liebkosungen.

Er rollte sich auf sie, und das Gewicht seines muskulösen Körpers ließ sie vor Begehren erbeben.

Ihr Verstand sagte ihr immer noch, daß sie es nicht zulassen durfte, doch Kaylie hörte nicht mehr auf ihre inneren Zweifel.

Sie fuhr ihm durchs Haar und strich über die Muskeln seines Nackens und die Schultern.

“Liebe mich, Kaylie”, flüsterte er an ihrem Ohr, und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der Pulsschlag pochte ihr in den Schläfen, und das Verlangen in ihr drängte nach Erfüllung.

Er strich ihr vorn über das T-Shirt und ließ die Hand ruhig über ihrem wie rasend schlagenden Herz liegen.

“Du sehnst dich nach mir.”

Schweigend blickte sie zu ihm auf. Sein Gesicht war

angespannt, und auf der Stirn schimmerte ein Anflug von Schweiß. Über ihm bewegten sich die Zweige vor einem

strahlendblauen Himmel.

“Du sehnst dich nach mir”, sagte er wieder.

“Ja”, antwortete sie kaum hörbar. Wie konnte sie leugnen, was so offensichtlich war? Sie verzehrte sich nach ihm. Ihr Körper brannte vor Lust, und sie konnte an nichts anderes denken, als mit Don zu schlafen.

“Auch ich begehre dich”, gab er mit heiserer Stimme zu.

Deutlich konnte Kaylie den Beweis dafür an ihrer Hüfte spüren. Sie half ihm, als er ihr das T-Shirt aus der Jeans zog.

Dann strich er ihr quälend langsam über die Brüste und die aufgerichteten Knospen.

“Oh, Don”, stieß sie atemlos hervor und preßte den Mund auf seine Lippen, als er sich aufreizend an ihr rieb.

Mit der Zunge strich er ihre Kehle hinab, über die Brüste und tiefer über ihren flachen Bauch.

“Don.” Aufseufzend ließ sie den Kopf nach hinten fallen.

Er unterdrückte ein Aufstöhnen, und sein Atem strich heiß über ihre nackte Haut. Don hob den Kopf und blickte ihr in die Augen. Sein Blick wirkte fast verzweifelt, als kämpfe er gegen einen übermächtigen Gegner.

Kaylie streckte die Arme aus und wollte seinen Kopf wieder zu sich herab ziehen, um ihn zu küssen, doch er hielt ihre Hände fest. “Nicht”, sagte er, schloß die Augen und holte tief Luft.

“Don?”

“Bitte nicht!” Er ließ ihre Hände los und richtete sich auf, Hilflos fluchte er.

“Ist etwas nicht in Ordnung?” fragte sie, als er sich zur Seite rollte und sich mit dem Rücken zu ihr hinsetzte.

“Nichts ist in Ordnung.”

“Ich verstehe nicht.”

“Wirklich nicht?” Er fuhr herum und sah sie an. “Ich hatte vor, dich zu verführen, Kaylie. Seit ich wußte, daß ich dich wiedersehen würde, habe ich das hier geplant.”

Sie konnte seinem Blick kaum standhalten.

“Aber das reicht nicht.”

“Was…”

“Körperliche Lust ist nicht genug”, erklärte er mit gepreßter Stimme.

“Da muß noch mehr sein.” Er schlug mit der Faust auf den harten Boden und fluchte leise.

“Aber, ich meine … Vielmehr, ich dachte, daß …”

“Ich weiß, was du dachtest. Und du hattest recht. Ich habe es geplant, dich hier zu verführen. Aber ich brauche mehr als leidenschaftlichen, heißen Sex mit dir hier im Wald!”

Kaylie schnappte nach Luft und errötete bis zu den

Haarwurzeln. “Ich verstehe dich nicht.”

“Natürlich tust du das. Ich will alles von dir.” Er zog sie dicht an sich. Sie preßte sich an seine feste muskulöse Brust, und sein Gesicht war jetzt wieder direkt vor ihr. “Laß uns gehen.”

“Aber…”

Don pfiff nach dem Hund und setzte sich auf sein Pferd.

Kaylie strich sich die Kleidung glatt. Sie war verwirrt und kam sich vollkommen lächerlich vor. Da hätte sie beinahe mit ihm geschlafen, und er lehnte sie ab!

Sie griff nach Henrys Zügeln, stieg auf und ritt los. Wie sollte sie bloß die nächsten Tage allein mit Don in dem Haus durchstehen?