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Zwei Musketiere

Dank Bob haben die Menschen ihre vorgefertigte Meinung über mich geändert, aber auch ich habe meine Einstellung anderen gegenüber überdacht. Ich hatte noch nie in meinem Leben Verantwortung übernehmen müssen. Als junger Mann in Australien hatte ich diverse Jobs, und in England spielte ich in einer Band. Dafür brauchte es nur wenig Teamgeist. Seit ich als Teenager von zu Hause auszog, war ich immer nur für mich selbst verantwortlich. Ich musste mich nie um jemand anderen kümmern, immer nur um mich. Und selbst das tat ich nur, weil niemand da war, der für mich sorgte. Was für ein selbstsüchtiges Leben ich bisher geführt hatte! Alle meine Gedanken drehten sich immer nur um meinen persönlichen Überlebenskampf.

Bob hatte mein Leben ganz schön umgekrempelt. Plötzlich war ich für ein anderes Lebewesen verantwortlich. Nur mit meiner Hilfe konnte er wieder gesund und glücklich werden. Ich wurde zum ersten Mal gebraucht.

Das war eine ziemliche Umstellung, aber ich habe es hingekriegt. Es hat mir Spaß gemacht und es hat mir gutgetan. Vielleicht klingt das seltsam, aber zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich mir vorstellen, wie es wäre, ein Kind zu versorgen. Bob war mein Baby, und es war eine befriedigende Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ihm nicht kalt war, dass er genug zu fressen hatte und dass es ihm gut ging. Aber es war auch beängstigend.

Dauernd machte ich mir Sorgen um ihn. Besonders, wenn wir in der Stadt unterwegs waren. Ob in Covent Garden oder sonst wo, immer hatte ich das Gefühl, Bob beschützen zu müssen. Bob hatte diesen Urinstinkt in mir ausgelöst, der mich zwang, ihn ständig im Auge zu behalten. Und ich hatte allen Grund dazu.

Obwohl alle Leute so nett waren, seit Bob bei mir war, blieb ich wachsam. In den Straßen von London sind nicht nur gutherzige Touristen und Katzenliebhaber unterwegs. Der Anblick eines Straßenmusikers mit Katze, die so ihr Geld verdienen, löst nicht bei jedem Freude aus. Mit Bob an meiner Seite wurde ich nicht mehr so oft beschimpft wie früher, aber es kam weiterhin vor. Meist waren es junge, betrunkene Burschen, die sich für etwas Besseres hielten, nur weil sie am Monatsende eine Gehaltsabrechnung bekamen.

»Steh auf und geh arbeiten, du langhaariger Penner«, war ein beliebter Satz. Und das war noch die harmloseste Version ihrer Pöbeleien.

Diese Beleidigungen prallten schon lange an mir ab. Ich war daran gewöhnt. Aber wenn jemand seine Aggressionen an Bob auslassen wollte, wurde ich zum Löwenvater, der sein Junges bis aufs Blut verteidigt.

Für manche Leute waren Bob und ich leichte Beute. Und wenn man auf der Straße sein Geld verdient, kommt man um solche Idioten einfach nicht herum. Sie machen abfällige Bemerkungen oder lachen über uns. Auch Drohungen sind keine Seltenheit.

Es war an einem Freitagabend, kurz nachdem Bob und ich angefangen hatten, gemeinsam aufzutreten. Ich spielte gerade Johnny Cash auf der James Street, als eine Gruppe von schwarzen Hooligans auf uns aufmerksam wurde.

Sie waren eine provokante Truppe und sichtlich auf der Suche nach einem Opfer. Als sie Bob neben mir entdeckten, versuchten zwei von ihnen, Bob mit »Wuff«- und »Miau«-Geräuschen zu erschrecken. Ihre Mitläufer-Kumpel fanden das sehr witzig.

Ich versuchte, ihr kindisches Gehabe zu ignorieren. Aber dann versetzte einer der Jungs dem Gitarrenkasten, in dem Bob saß, einen derben Fußtritt. Es war kein spielerischer kleiner Stupser, sondern ein brutaler Tritt. Der Kasten schlitterte – mit Bob! – den Gehweg entlang.

Bob erschrak ganz fürchterlich. Er stieß einen kehligen Schrei aus, der mir durch Mark und Bein ging, und sprang in Panik aus seinem sonst so sicheren Gitarrenkasten-Körbchen. Zum Glück hatte ich seine Leine daran festgebunden, sonst wäre er bestimmt in der Menschenmenge verschwunden, und ich hätte ihn nie wiedergefunden. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit empört aufgeplustertem Fell hinter meinem Rucksack zu verstecken.

»Hey, was soll das, verdammt noch mal!«, brüllte ich und baute mich so nah vor dem Übeltäter auf, dass kaum noch eine Handfläche zwischen uns gepasst hätte. Ich bin sehr groß, überragte ihn um einiges, aber er blieb unbeeindruckt.

»Ich wollte nur sehen, ob die Katze echt ist.« Er fand seine Antwort auch noch witzig und lachte sich schief. Ich dagegen kochte vor Wut.

»Du hältst dich wohl für sehr schlau, du verdammter Idiot«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Seine Kumpel begannen, uns einzukreisen. Einer rammte mir seine Schulter in die Rippen, ein anderer versuchte, mich mit einem Brustrempler zu beeindrucken. Aber ich blieb felsenfest stehen und knuffte zurück. Ein paar Sekunden lang standen wir da wie Kampfhähne vor dem Angriff. Dann deutete ich auf eine Überwachungskamera, die an der Ecke installiert und genau auf uns gerichtet war.

»Los, traut euch! Aber ihr werdet gefilmt. Mal sehen, wie schnell sie euch kriegen!«

Das wechselnde Mienenspiel auf ihren Gesichtern war ein Bild für Götter, das ich gern festgehalten hätte. Auf der Überwachungskamera oder sonst wie. Die Jungs waren echte Rowdies, denn sie hatten ganz offensichtlich schon schlechte Erfahrungen mit Überwachungskameras gemacht. Denen musste keiner mehr sagen, dass Gewaltanwendungen von unseren Gesetzeshütern scharf geahndet wurden, vor allem wenn man Beweise auf Video hatte. Mit einer Kopfbewegung pfiff der Witzbold seine Kumpanen zurück. Mir knurrte er mit hasserfülltem Blick zu: »Wir kriegen dich noch!«

Mit wüsten Beschimpfungen und beleidigenden Gesten zogen sie endlich ab. Aber das kümmerte mich wenig. Hauptsache, ich war sie los.

Trotzdem wollte ich nicht länger bleiben. Ich packte alles zusammen, nahm Bob auf den Arm, und wir machten uns auf den Heimweg. Ich kannte solche Typen. Die konnten mit Niederlagen nur schwer umgehen. Ich wollte nicht riskieren, ihnen an diesem Tag noch mal zu begegnen.

Aus diesem Zwischenfall habe ich zwei Dinge gelernt: Seitdem mache ich nur noch in der Nähe einer Überwachungskamera Musik. Als ich neu war, hat mir ein Kollege schon mal diesen Rat gegeben. »Da bist du sicherer«, meinte er. Aber damals wusste ich ja alles besser und habe diesen Tipp gleich wieder verworfen. Eine solche Überwachungskamera könnte ja auch beweisen, dass ich an verbotener Stelle Gitarre spielte. Erst mit der Zeit habe ich den Sicherheitsaspekt der Kameras schätzen gelernt, und der Vorfall mit den Hooligans hat mich endgültig überzeugt.

Und die zweite Erkenntnis aus diesem unangenehmen Erlebnis: Die Geschichte hat mir leider auch gezeigt, wie allein ich in solchen Fällen dastehe. In diesem Moment war kein Polizist, kein Covent Guardian und auch kein Mitarbeiter der U-Bahn in Reichweite. Und von den vielen Passanten hat sich auch keiner eingemischt, als mich die Jugendbande bedrängte. Ganz im Gegenteil, die Leute haben einen großen Bogen um uns gemacht und sich redlich bemüht, in eine andere Richtung zu sehen. Niemand wollte uns helfen. Daran hat sich leider nichts geändert. Nur, dass ich jetzt auch für Bob verantwortlich war.

Als wir an diesem Abend im Bus nach Tottenham saßen, rollte sich Bob auf meinem Schoß zusammen. »Du und ich gegen den Rest der Welt«, flüsterte ich ihm zu. »Wir sind die zwei Musketiere.« Er schmiegte sich noch enger an mich und schnurrte zustimmend.

London war nun mal voll von Spinnern, vor denen wir uns in Acht nehmen mussten. Dazu kam noch das Hundeproblem, seit ich mit Bob unterwegs war. Wir begegneten täglich vielen Hunden, und zu unserem Leidwesen zeigten fast alle großes Interesse an Bob. Die meisten Hundebesitzer merkten selbst, wenn ihr Liebling Bob zu nahe kam, und zogen ihr Tier weg, aber es gab auch die gedankenlosen und gehässigen Halter.

Generell störte sich Bob überhaupt nicht an vorbeilaufenden Hunden. Er ignorierte sie einfach. Wenn sie sich an ihn heranschnüffeln wollten, schenkte er ihnen seinen Sphinxblick und plusterte seine Nackenhaare auf. Für die meisten Hunde war das eine klare Ansage und reichte aus, um sie das Weite suchen zu lassen. Diese Coolness im Umgang mit dem sprichwörtlichen »Feind« war für mich ein weiteres Indiz für Bobs Vorleben als Straßenkatze. Nur dort kann er gelernt haben, mit Hunden umzugehen. Wie gut er das konnte, zeigte er mir eine Woche nach dem Zwischenfall mit den Halbstarken.

Es war an einem späten Nachmittag auf der Neal Street, als ein Mann mit einem Staffordshire Bullterrier auf uns zukam. Arschlöcher in London haben immer Bullterrier, und dieser Hundebesitzer sah aus wie ein echtes Arschloch: Kahl geschorener Schädel, Jogginganzug und Bierdose mit extrastarkem Lager in der Hand. Er torkelte sichtlich betrunken die Straße entlang, obwohl es gerade erst vier Uhr am Nachmittag war.

Als er auf unserer Höhe war, wurde er langsamer, weil sein Hund an der Leine zerrte. Er hatte Bob erspäht und wollte ihn nur friedlich beschnuppern. Genauer gesagt, ging es dem Bullterrier mehr um das Trockenfutter neben Bob. Voller Vorfreude auf einen unerwarteten Leckerbissen schnüffelte er sich näher.

Doch er hatte nicht mit Kampfkater Bob gerechnet. Der bot uns jetzt ein unglaubliches Schauspiel.

Ich habe Bob schon oft im Umgang mit Hunden beobachtet; normalerweise sieht er hoch erhobenen Hauptes an ihnen vorbei. Aber einen Angriff auf seine Brekkies wollte er nicht durchgehen lassen. Mein friedlich schlummerndes Fellbündel sah erst hoch, als sich der Bullterrier gierig schnüffelnd seinem Futter näherte. Er erhob sich im Zeitlupentempo und zog dem Hund dann blitzschnell mit der Pfote eins über die Nase. Muhammad Ali wäre stolz auf ihn gewesen. Der Hund machte einen entsetzten Satz nach hinten und robbte in Bauchlage rückwärts weg von Bob. Dabei sah er aus wie ein Lakai, der seinem König huldigt.

Zuerst war ich genauso überrumpelt wie der Kampfhund. Dann brach ich in Gelächter aus. Der Anblick war zu komisch. Der Hundebesitzer sah erst mich an und dann seinen Hund. Er war so betrunken, dass er gar nicht kapierte, was gerade geschehen war. Alles war so schnell gegangen. Trotzdem verpasste er seinem Hund einen harten Schlag auf den Kopf und zog ihn dann unsanft an der Leine mit sich fort. Es war ihm bestimmt peinlich, wie sein angsteinflößender Kampfhund von einer Katze zur Schnecke gemacht worden war.

Bob sah seinem Gegner, der als geprügelter Hund davonschlich, emotionslos hinterher. Ein paar Sekunden später schlief er schon wieder, als wäre nichts geschehen. Für ihn war es nur eine unbedeutende Pfotenbewegung gewesen, nicht spannender als das Verscheuchen einer Fliege. Für mich war es ein Moment der Offenbarung. Ich hatte wieder etwas Neues über meinen Freund und seine Vergangenheit gelernt. Er konnte sich verteidigen und sehr gut auf sich selbst aufpassen. Wahrscheinlich hatte er schon früh Umgang mit Hunden gehabt, die keine Schoßhündchen waren!

Und wieder beschäftigten mich die alten Fragen: Wo ist er aufgewachsen? Welche Abenteuer musste er bestehen, bevor er sich mir angeschlossen hat und einer der zwei Musketiere wurde?

Mein neues Leben mit Bob war voller Abwechslung und Spaß. Mit ihm wurde es nie langweilig, wie der kleine Zwischenfall mit dem Bullterrier bewiesen hatte. Er war so eine starke Persönlichkeit! Er hatte die seltsamsten Eigenarten, und ich entdeckte jeden Tag neue.

Inzwischen war ich überzeugt, dass er auf der Straße groß geworden war. Nicht nur wegen seiner ausgeklügelten Kampftechnik, sondern auch wegen seiner rauen Manieren, die so gar nicht zu einem gezähmten Stubentiger passten.

Obwohl er nun schon über einen Monat bei mir lebte, verweigerte er immer noch das Katzenklo. Er hasste es abgrundtief. Sobald ich es demonstrativ in seiner Nähe aufstellte, nahm er Reißaus. Lieber hielt er alles ein, bis ich die Wohnung verließ und er zu seinen Büschen flitzen konnte. Das ging mir mit der Zeit ziemlich auf die Nerven. Es war wirklich lästig, mehrmals täglich fünf Stockwerke rauf und runter zu rennen, nur weil Mr. Sturkopf auf sein Freiluftklo bestand. Ich sah nur noch einen Ausweg, Bob dazu zu bringen, das Kistchen in der Wohnung endlich anzunehmen. Ich musste ihn zwingen. Aber wie macht man das bei so einer eigenwilligen Katze? Mein Plan war, so hart das klingen mag, vierundzwanzig Stunden Stubenarrest. So lange hielt es auch der störrischste Kater nicht aus. Dachte ich. Aber ich hatte die Rechnung mal wieder ohne Bob gemacht. Er hat durchgehalten, ohne Mauzen, ohne an der Tür zu kratzen. Mit stoischer Ruhe wartete er, bis ich aufgeben musste, weil ich einen Termin hatte. Sobald die Tür aufging, flutschte er aus dem Türspalt und stürzte sich geradezu die Treppen hinunter, um nach draußen zu gelangen. Spiel, Satz und Sieg für Bob! Diesen Kampf würde ich wohl nie gewinnen.

Bob hatte auch eine wilde Seite. Natürlich war er ruhiger als vor der Kastration, aber zeitweise tobte er immer noch wie eine übermütige Wildkatze durch die Wohnung und spielte mit allem, was er zwischen die Pfoten bekam. Einmal konnte ich zusehen, wie er sich über eine Stunde lang mit einem Flaschendeckel amüsierte. Er scheuchte ihn durch alle Räume, warf ihn hoch, fing ihn auf dem Rücken liegend wieder auf, fegte ihn unter den Teppich und buddelte ihn mit viel theatralischem Getue wieder hervor. Ein anderes Mal belauerte er eine Hummel, die sich in unsere Wohnung verirrt hatte. Mit einem kaputten Flügel krabbelte sie auf dem Wohnzimmertisch herum. Manchmal fiel sie auf den Rücken und surrte laut bei ihren verzweifelten Versuchen, sich wieder umzudrehen. Dabei fiel sie manchmal vom Tisch auf den Teppich. Immer wenn das passierte, hob Bob die Hummel ganz vorsichtig mit seinem Mäulchen wieder auf und legte sie zurück auf den Couchtisch. Es war wirklich beeindruckend, wie feinfühlig er es fertigbrachte, einen Flügel der Hummel zwischen seine Zähne zu nehmen. Er wollte sie unversehrt auf die Glasfläche zurücklegen, nur um sie hoch konzentriert weiter zu beobachten. Es war einfach zu komisch. Er wollte ihr nichts tun, er wollte einfach nur spielen.

Auch beim Fressen konnte er seine Straßenmanieren, den dort aufgeschnappten Futterneid, nicht verleugnen. Nach jedem Besuch seines Freiluftklos machte er einen Abstecher zu den Müllcontainern hinter dem Haus. Leider waren die großen Müllkippen auf Rädern immer wieder offen. Manchmal lagen die schwarzen Plastiksäcke sogar neben den Containern. Diese wurden dann von streunenden Hunden oder Füchsen aufgerissen. Wie unter einem inneren Zwang trieb es Bob immer wieder dorthin. Es könnten ja Essensreste herumliegen, die man trotz Gourmet-Katzendinner nicht verkommen lassen durfte. Einmal erwischte ich ihn dabei, wie er einen Hühnerschenkel davonzerrte, den die vierbeinigen Straßenräuber übersehen hatten. Es ist eben schwer, alte Gewohnheiten abzulegen, dachte ich nachsichtig. Wer konnte das besser verstehen als ich!

Obwohl er von mir zu festen Zeiten gefüttert wurde, konnte er nicht aufhören zu schlingen. Sobald ich ihm die Schüssel hinstellte, verschwand sein Gesicht tief in seinem Napf, und er fraß, als wäre es seine letzte Mahlzeit für lange Zeit.

»Langsam, Bob, genieß dein Futter«, beschwor ich ihn jedes Mal mit ruhiger Stimme, aber es war sinnlos. Wahrscheinlich hatte er sich früher jede Mahlzeit schwer erkämpfen müssen und nie gewusst, wann und wo er die nächste finden würde. Er hatte noch nicht begriffen, dass ihm bei mir zwei Mahlzeiten täglich sicher waren. Auch dieses Gefühl konnte ich nachvollziehen. Schließlich habe ich selbst lange auf der Straße gelebt. Ich kannte diese Angst.

Bob und ich hatten sehr viel gemeinsam. Deshalb war unsere Bindung von Anfang an so innig – und sie wurde immer stärker.

Das Einzige, was mich wirklich an Bob störte, waren die Haare, die er überall in der Wohnung verlor. Das war ganz normal, denn wir hatten inzwischen Frühling und er verlor sein Winterfell. Leider büschelweise. Und weil er diesen Fellwechsel beschleunigen wollte, rieb er sich an allem, was ihm zu Hause Widerstand bot. Trotz täglichem Staubsaugen waren die Katzenhaare ständig überall. Auf meiner Kleidung, auf der Bettwäsche, der Couch, an Schränken, Tisch- und Stuhlbeinen und natürlich auf dem Teppich. Es machte mich wahnsinnig.

Dabei war es ein gutes Zeichen. Sein Fell war nachgewachsen, und auch körperlich ging es ihm gut. Er war immer noch sehr schlank, aber man spürte keine Rippen mehr, wenn man ihn streichelte. Sein Fell war von Natur aus dünn, wahrscheinlich, weil ihm als Jungtier auf der Straße wichtige Nährstoffe gefehlt hatten. Aber es gab keine kahlen Stellen mehr, und durch das Antibiotikum war seine Beinverletzung so gut verheilt, dass neues Fell darüber gewachsen war. Er strotzte vor Gesundheit, und nichts erinnerte mehr an das Häufchen Elend, dass ich mal gefunden hatte.

Er brauchte auch kein Bad, um sauber zu bleiben. Die sprichwörtliche Katzenwäsche ist absolut ausreichend, und Bob war ein Meister in dieser akrobatischen Disziplin. Ich sah ihm gerne zu bei diesem Ritual. Es hatte so etwas Friedliches, wenn er sich die Pfoten leckte, um sich dann damit das Gesicht zu waschen. Für die Ganzkörperwäsche nahm er sich alle Zeit der Welt, als gäbe es nichts Wichtigeres.

Ich fand die Katzenwäsche deshalb so faszinierend, weil es zeigte, wie stark die Hauskatze immer noch mit ihren wilden Vorfahren verbunden ist. Bobs Ahnen lebten in tropischem Klima, aber sie konnten nicht schwitzen. Durch das Ablecken wurde mehr Speichel produziert, und dieser verschaffte ihnen die notwendige Abkühlung. Gleichzeitig war dieser Speichelfilm auf ihrem Fell ein Geruchskiller. Ihr Tarnkleid, das sie unsichtbar machte.

Eigengeruch würde die Katze beim Jagen behindern. Sie überfallen ihre lebende Beute und müssen sich dafür so unauffällig wie möglich anpirschen können. Sie lecken sich deshalb so oft, weil ihr Speichel einen natürlichen Deodorantstoff enthält. Zoologen haben herausgefunden, dass Katzen, die sich regelmäßig ihren Geruch ablecken, länger überleben und mehr Nachkommen produzieren. Auf diese Weise entgehen sie auch ihren Feinden wie großen Schlangen, Waranen und anderen fleischfressenden Säugetieren.

Die Katzenwäsche erspart Bob und seinen Vorfahren auch den Katzendoktor. Sie hält sie gesund. Mit dem Ablecken verringern sie Parasitenbefall wie Läuse, Milben und Zecken, die eine Katze im schlimmsten Fall töten können. Der Speichel der Katze verhindert auch Infektionen in offenen Wunden, weil er ein Desinfektionsmittel enthält. Vielleicht nimmt es Bob mit seiner pingeligen Katzenwäsche auch deshalb so genau, weil er so krank war und weiß, dass er damit den Heilungsprozess beschleunigen kann.

Zu guter Letzt wäre da noch sein neues Laster, an dem ich nicht ganz unschuldig war: Er sah gerne fern. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass er Dinge beobachtete, die sich auf einem Bildschirm bewegten, als ich in einer Bibliothek am Computer saß. An meinen freien Tagen ging ich oft dorthin, und Bob war natürlich dabei, seit er mir überallhin folgte. Er saß auf meinem Schoß und starrte mit mir gemeinsam auf den Bildschirm. Wenn ich die Maus bewegte, versuchte er, den sich bewegenden Pfeil mit der Pfote einzufangen.

Das wollte ich genauer erkunden. Deshalb machte ich zu Hause den Fernseher an und ging ins Schlafzimmer. Als ich wiederkam, hatte sich Bob tatsächlich auf der Couch niedergelassen und beobachtete das Fernsehbild.

Ein Freund hat mir mal erzählt, sein Kater wäre ein Star-Trek-Fan. Er war ganz verrückt nach der Serie The Next Generation. Immer, wenn er die Titelmusik hörte – Dah-Dah Dah Dah Dah-Dah Dah Dah –, kam er angerannt, sprang auf die Couch und sah sich die ganze Folge an. Ich habe es selbst gesehen. Mehrmals. Kein Scherz, es war irre komisch.

Bob war schon nach kurzer Zeit ein Fernseh-Junkie. Sobald ihm irgendetwas auf der Mattscheibe auffiel, blieb er daran kleben. Ich fand es viel lustiger, Bob beim Fernsehen zuzusehen, als selbst in die Glotze zu starren. So fand ich beim Zappen zufällig heraus, dass Bob Pferderennen total spannend fand. Ich konnte mich köstlich darüber amüsieren, wie er die Rennen gebannt auf dem Bildschirm verfolgte.