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Die längste Nacht

Der Frühling 2009 war überfällig. Die Abende waren immer noch dunkel und trist. Wenn ich gegen sieben meine Arbeit als Big-Issue-Verkäufer beendete, brach bereits die Abenddämmerung herein, die Straßenlaternen blitzten auf und die Gehwege füllten sich.

In den ersten Monaten des Jahres waren die Straßen nicht so überfüllt wie sonst, weil in dieser Zeit kaum Touristen unterwegs waren. Aber sobald es wärmer wurde, erwachte die Gegend um die Angel Station aus ihrem Winterschlaf. Die Pendler und Touristen waren wieder da, und in der U-Bahn-Halle summte es wie in einem Bienenstock.

Offenbar hatte es sich herumgesprochen, dass in dieser Gegend gut situierte Leute unterwegs waren. Jedenfalls hatte der Jahreswechsel – unglücklicherweise – auch ein paar unangenehme Leute an unseren Standort gelockt.

Wenn man das Leben auf den Straßen von London so gut kennt wie ich, entwickelt man ein Gespür für Menschen, die man unbedingt meiden sollte. Eines frühen Abends, so zwischen 18.30 und 19 Uhr, also genau in der Zeit, in der ich immer viel zu tun hatte, tauchte so ein Typ auf. Er war mir schon öfter unangenehm aufgefallen.

Er sah sehr heruntergekommen aus. Ich gehöre auch nicht zu den bestangezogenen Männern dieser Stadt, aber dieser Kerl war dürr und verwahrlost. Er machte dem Begriff »Penner« alle Ehre. Seine Haut war rot und fleckig, die Klamotten standen vor Dreck. Trotzdem wäre er mir ohne seinen Hund wohl gar nicht aufgefallen. Er hatte einen riesigen schwarzen Rottweiler mit braunen Flecken. Mir war sofort klar, dass dieser Hund aggressiv war. Der Anblick der beiden erinnerte mich an eine alte Zeichnung von Bill Sikes und seinem Hund »Bull’s Eye« aus Oliver Twist. Sie waren Querulanten, allzeit bereit, sich mit dem Rest der Welt anzulegen.

Auch an diesem Abend hatte er den Hund dabei. Er setzte sich zu ein paar zwielichtigen Gestalten, die seit über einer Stunde neben dem U-Bahn-Ausgang saßen und Bier tranken. Sie waren mir allesamt nicht geheuer.

Der Rottweiler hatte Bob sofort entdeckt und zerrte an seiner Leine. Seine Lefzen trieften vor Gier nach meinem Kater. Sein Besitzer hielt den Hund zwar kurz, aber wie lange noch? Quatschen und sich die Birne zusaufen schien jedenfalls wichtiger, als auf seinen Hund aufzupassen.

Aber ich wollte sowieso gerade Schluss machen. Wegen der bereits fröhlich grölenden Säufer beeilte ich mich mit dem Zusammenpacken meiner Zeitschriften. Sie – und vor allem der Hund – machten mich nervös. Ich wollte Bob und mich möglichst schnell in Sicherheit bringen.

Ich war gerade dabei, meine Zeitschriften aufzuheben, als mich ein lautes, hysterisches Bellen erschreckte. Der Rest lief wie in Zeitlupe ab. Eine schlechte Actionszene aus einem ganz schlechten Actionfilm.

Als ich mich umdrehte, zischte ein schwarzbrauner Pfeil auf uns zu. Sein Besitzer, der Idiot, hatte die Leine nicht richtig festgebunden. Der Rottweiler war frei. Ich wollte Bob schützen und stellte mich instinktiv dem Hund in den Weg, aber das Riesenvieh rannte mich einfach um. Im Fallen schaffte ich es, meine Arme um seinen Bauch zu schlingen. Ich riss ihn mit zu Boden, aber der Rottweiler drehte und wand sich, um sich aus meiner Umklammerung zu befreien. Brüllend und fluchend versuchte ich, das wütende Tier am Kopf zu packen, damit es nicht zubeißen konnte, aber der Hund war einfach zu stark.

Rottweiler sind Kraftpakete, und hätte unser Kampf nur wenige Sekunden länger gedauert, hätte ich bestimmt den Kürzeren gezogen. Ich will gar nicht daran denken, wie schwer mich das Biest hätte verletzen können. Zum Glück hörte ich umgehend eine Stimme, die den Hund anbrüllte, und ich spürte, wie er von mir weggerissen wurde.

»Hierher, du verdammtes ***«, schrie der Besitzer und zog den Hund mit aller Kraft aus der Gefahrenzone. Dann zog er ihm etwas Hartes über den Schädel. Ich weiß nicht, was es war, aber das Geräusch drehte mir fast den Magen um. Unter anderen Umständen hätte ich mir um das arme Tier Sorgen gemacht, aber in diesem Moment dachte ich nur an Bob. Er hatte sich bestimmt zu Tode erschreckt. Ich drehte mich nach ihm um – aber sein Platz war leer. Ich drehte mich im Kreis, um zu sehen, ob ihn vielleicht jemand hochgehoben hatte, um ihn zu beschützen. Aber ich konnte ihn nirgends entdecken. Er war weg.

Erst jetzt begriff ich, was passiert war. Ich hatte noch einen Packen Zeitschriften holen wollen, den ich unter einer Bank neben uns abgelegt hatte. Bobs Leine war für die Entfernung aber nicht lang genug. Weil ich so in Eile war, von hier wegzukommen, hatte ich die Leine von meinem Gürtel losgemacht, um kurz zu der Bank hinüberzulaufen. Wie blöd war das denn? Der Rottweiler musste mich beobachtet haben. Deshalb hatte er sich genau in dem Moment, als ich ihm den Rücken zukehrte, losgerissen, um auf Bob loszugehen.

Ich bekam es mit der Angst zu tun.

Ein paar Leute hatten sich um mich versammelt und fragten, ob es mir gut ginge.

»Mir geht es gut«, wehrte ich ab. »Aber hat irgendjemand Bob gesehen?«

Dabei ging es mir miserabel. Ich hatte mir wehgetan, als mich der Rottweiler umrannte, und ich blutete aus mehreren Bisswunden an den Händen.

In dem Moment tauchte eine Stammkundin auf, die immer etwas Leckeres für Bob dabei hatte. »Ich habe Bob gesehen, er ist in Richtung Camden Passage gelaufen«, rief sie aufgeregt. »Ich habe versucht, seine Leine zu erwischen, aber er war zu schnell.«

»Vielen Dank«, antwortete ich, während ich meinen Rucksack schnappte und losrannte. Mein Herz pochte laut vor Angst.

Ich dachte an seine panische Flucht am Piccadilly Circus. Damals hatte ihn ein kostümierter Mann erschreckt, aber diesmal war es ein wirklich bedrohlicher Angriff gewesen. Wenn ich mich nicht dazwischengeworfen hätte, hätte ihn der Rottweiler sicherlich gepackt. Wer weiß, was dieser Hundeangriff bei ihm ausgelöst hatte. Vielleicht hat es ihn an ein Erlebnis aus seiner Vergangenheit erinnert. Ich hatte keine Ahnung, wie es ihm gerade ging, aber wahrscheinlich war er genauso verstört und verängstigt wie ich.

So schnell ich konnte, rannte ich zur Camden Passage. Es war ein Hindernislauf, denn ich musste mich durch einen nicht enden wollenden Wust aus gemütlich dahinschlendernden Spaziergängern drängeln, die rund um die Pubs, Restaurants und Bars unterwegs waren.

»Bob, Bob!«, rief ich dabei unentwegt und handelte mir empörte Blicke der Passanten ein. »Hat jemand einen roten Kater gesehen, der seine Leine hinter sich herzog?«, fragte ich eine Gruppe von Leuten, die vor dem größten Pub in der Passage herumstanden.

Aber sie zuckten nur mit den Schultern und schüttelten die Köpfe.

Ich hatte gehofft, Bob würde sich wieder Schutz in einer der Boutiquen suchen, wie damals am Piccadilly Circus. Aber die meisten hatten bereits geschlossen. Nur die Bars, Restaurants und Kaffeehäuser waren geöffnet. Ich arbeitete mich systematisch durch alle Lokale in der Passage und fragte herum, aber niemand hatte Bob gesehen. Wäre er an der Passage vorbeigelaufen und weiter in Richtung Norden, dann wäre er an der Essex Road herausgekommen, der Hauptstraße, die weiterführte nach Dalston und darüber hinaus. Einen Teil dieser Route kannte Bob, aber nicht bei Nacht und nicht allein.

Ich war schon völlig verzweifelt, als ich am anderen Ende der Passage, kurz vor dem Ausgang, der nach Islington Green führte, eine Frau traf, die mir Auskunft geben konnte. Auf meine Frage antwortete sie: »Ja, ich habe eine Katze gesehen. Sie ist in diese Richtung gelaufen.« Dabei zeigte sie auf die Straße hinaus. »Sie ist an mir vorbeigeschossen wie eine Rakete. Draußen ist sie in Richtung Hauptstraße abgedreht, und es sah aus, als wollte sie über die Straße.«

Ich lief sofort hinterher und sah mich draußen um. Bob liebte Islington Green mit seinen umliegenden Grünflächen. In dieser Ecke parkte donnerstags auch immer der Bus vom Blue Cross mit der Tierambulanz. Hier könnte er sich versteckt haben. Ich überquerte die Straße und betrat die kleine umzäunte Grünanlage. Es gab ein paar Büsche, unter denen er immer gern herumwühlte. Ich ging vor jedem einzelnen in die Knie, um darunter nachsehen zu können. Inzwischen war es dunkel geworden, und ich sah kaum noch die Hand vor den Augen. Entgegen aller Vernunft hoffte ich dennoch, unter einem der Büsche würde mich ein grün blitzendes Augenpaar anstarren.

»Bob, bist du da, Bob?«, fragte ich vor jedem Busch. Aber ich bekam keine Antwort. Ich ging bis ans andere Ende der kleinen Anlage und rief weiter nach ihm. Aber außer dem Gegröle von ein paar Betrunkenen auf einer Parkbank war nur der penetrante Lärm des Straßenverkehrs zu hören, der um die kleine grüne Oase tobte.

Völlig verzagt lief ich weiter, bis ich plötzlich vor der großen Waterstone-Buchhandlung in Islington stand. Bob und ich waren oft dort drin und die Angestellten mochten ihn sehr. Ich griff nach jedem Strohhalm … vielleicht hatte er dort Zuflucht gefunden.

Drinnen war nicht viel los. Nur ein paar Mitarbeiter bereiteten schon alles für den Ladenschluss vor. Nur wenige Kunden stöberten noch in den Bücherregalen. Ich erkannte eine der Damen hinter der Kasse. Ich war total verschwitzt, atmete schwer und sah wahrscheinlich ziemlich verstört aus.

»Alles okay mit Ihnen?«, fragte sie mich.

»Bob ist weg. Ein Hund hat uns angegriffen, und Bob ist davongelaufen. Ist er vielleicht hier?«

»Oh, leider nicht.« Sie sah ehrlich besorgt aus. »Ich war die ganze Zeit da, aber ich habe ihn nicht gesehen. Soll ich oben nachfragen?« Sie griff nach dem Telefon und wählte.

»Habt ihr bei euch oben eine rote Katze gesehen?« Noch während der Kollege am anderen Ende sprach, schüttelte sie bedauernd den Kopf. »Es tut mir so leid«, wandte sie sich beim Auflegen wieder an mich. »Aber wenn er auftaucht, behalten wir ihn auf jeden Fall hier«, versicherte sie mir.

»Danke«, brachte ich mühsam hervor.

Als ich wieder auf der Straße stand, versetzte mir ein Gedanke einen Keulenschlag in den Magen: Ich hatte ihn verloren.

Ich war völlig fertig. Benommen schlurfte ich die Essex Street hinunter. Aber ich hatte es aufgegeben, weiter nach ihm zu suchen.

Es war der Weg, den wir jeden Tag gemeinsam zur Arbeit und auch zurück nach Hause gingen. Als ich das Busschild mit der Aufschrift »Tottenham« sah, kam mir eine Idee. Er würde doch nicht …? Oder doch?

An der Haltestelle stand ein Ticketkontrolleur, und ich fragte ihn: »Entschuldigung, haben Sie vielleicht eine rote Katze gesehen, die in einen Bus gesprungen ist?« Ich hätte es Bob zugetraut, aber der Mann starrte mich an, als hätte ich ihn gefragt, ob ein Außerirdischer den Bus Nr. 73 bestiegen hätte. Er schüttelte den Kopf und drehte sich weg.

Ich wusste, dass Katzen einen hervorragenden Orientierungssinn haben. Es gab viele Geschichten, wie Katzen über große Entfernungen wieder nach Hause gefunden hatten. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Bob nach Tottenham zurückfinden würde. Das waren über fünf Kilometer durch die unwegsamsten Bezirke von London. Wir hatten die Strecke noch nie zu Fuß zurückgelegt, sondern immer mit dem Bus. Diese Möglichkeit kam nicht in Betracht.

Die nächste halbe Stunde war eine Achterbahn der Gefühle. Ich schwankte zwischen Hoffnung und Resignation. Zuerst war ich überzeugt, dass er bald von jemandem gefunden und erkannt werden würde. Viele Leute aus der Gegend, in der er entlaufen war, kannten ihn. Aber auch, wenn er einem Fremden zulaufen wäre, standen die Chancen gut. Hauptsache, der Finder hatte schon mal von Mikrochips für Haustiere gehört. Jeder Tierarzt kann die Daten von gechippten Tieren über die Datenbank-Zentrale abfragen.

Aber sobald ich mich damit getröstet hatte, stürzten mich wilde Horrorszenarien in tiefe Verzweiflung. Was, wenn genau so etwas vor drei Jahren passiert war? Was, wenn ein solcher Zwischenfall dazu geführt hatte, dass Bob sich damals ein neues Zuhause gesucht hatte, als ich ihn auf der Fußmatte in meinem Mietshaus fand? Ich war total hin und her gerissen.

Mein Verstand sagte: »Es geht ihm gut und du kriegst ihn wieder!« Aber da war auch diese unbeschreibliche Angst, eine monotone Stimme, die in meinem Kopf dröhnte: »Er ist weg. Du wirst ihn nie wiedersehen!«

Über eine Stunde rannte ich die Essex Road rauf und runter. Inzwischen war es stockdunkel geworden, und die Autoschlange des Feierabendverkehrs hatte sich bis hinunter zur Islington High Street festgefahren.

Ich war ratlos und völlig hilflos. Ohne wirklich darüber nachzudenken, schleppte ich mich in Richtung Dalston. Meine Freundin Belle wohnte dort in der Nähe. Warum sollte ich nicht zu ihr gehen, ein anderes Ziel hatte ich momentan nicht mehr.

In einer Seitengasse sah ich die Umrisse eines Katzenschwanzes. Schwarz und dünn, ganz anders als der von Bob, aber ich war so verzweifelt, dass ich mir einredete, es könnte Bob sein.

»Bob«, brüllte ich und hechtete um die dunkle Ecke, aber da war nichts. Ich hörte ein Miauen, aber es klang nicht wie Bob. Trotzdem lauschte ich angestrengt in die Dunkelheit. Erst nach ein paar Minuten gespenstischer Stille ging ich weiter.

Inzwischen hatte sich der Stau aufgelöst. Es war ungewohnt still. Der Himmel war voller Sterne. Kein Vergleich mit dem australischen Nachthimmel, aber doch ziemlich beeindruckend. Noch ein paar Wochen zuvor hatte ich glücklich unter dem Sternenzelt von Tasmanien gesessen. Ich hatte dort allen erzählt, dass ich nach London zurück müsste, weil ich für Bob Verantwortung übernommen hatte. Das hast du wirklich gut hingekriegt, schimpfte und fluchte ich.

Vielleicht hätte ich nicht nach Australien fliegen sollen. Konnte es sein, dass meine sechswöchige Abwesenheit die starke Bindung zwischen Bob und mir zerstört hatte? Vielleicht hatte ich in seinen Augen meine Aufsichtspflicht vernachlässigt, und er hatte sein Vertrauen in mich verloren? Hatte er in dem Moment, als der Rottweiler angriff, entschieden, dass er sich auf mich nicht mehr verlassen konnte? Ich hätte schreien können vor Wut und Verzweiflung.

Belles Wohnung war bereits in Sicht, und mir war immer noch zum Heulen zumute. Wie sollte ich nur ohne Bob klarkommen? Einen Freund wie ihn würde ich nie wieder finden. Und plötzlich war da noch etwas: Die altbekannte Gier nach einem Schuss, die ich seit Jahren nicht mehr gespürt hatte.

Sofort versuchte ich, diesen Gedanken zu verdrängen, aber mein Unterbewusstsein kämpfte dagegen. Mein Leben hatte keinen Sinn mehr ohne Bob. Um die Trauer und den Schmerz zu ertragen, die mich jetzt schon übermannten, würde ich mich betäuben müssen.

Belle war, genau wie ich, ebenfalls seit Jahren clean. Aber ich wusste, dass ihre Mitbewohnerin Drogen nahm. Je näher ich der Straße kam, in der Belle wohnte, desto unbezähmbarer wurde mein Wunsch nach Betäubung.

Als ich vor Belles Wohnhaus stand, war es fast 22 Uhr. Ich war stundenlang durch die Straßen geirrt. Das durchdringende Heulen von Sirenen zerstörte die Stille. Die Polizei war unterwegs zu einer Schlägerei oder Messerstecherei in irgendeinem Pub. Egal – alles war nur noch egal.

Ich ging auf den schwach beleuchteten Hauseingang zu. Im Schatten neben dem Gebäude nahm ich eine dunkle Silhouette wahr. Eindeutig die Umrisse einer Katze, aber ich hatte schon aufgegeben und nahm an, es wäre ein Streuner, der vor der Kälte Zuflucht suchte.

Als er den Kopf drehte, sah ich sein Gesicht. Dieses einzigartige, wunderbare Gesicht.

»Bob!«

Er antwortete sofort mit einem anklagenden Miau. Genau wie damals, vor drei Jahren im Hausflur bei unserer ersten Begegnung. Es hieß: »Wo warst du denn? Ich warte schon ewig auf dich!«

Ich hob ihn hoch und drückte ihn überglücklich an mich.

»Ich bin fast gestorben vor Angst um dich. Du wirst mich noch umbringen, wenn du immer wegläufst!«, murmelte ich in sein Fell und wischte mir gleichzeitig die Freudentränen ab. Er kam mit seiner kalten Nase ganz dicht an mein Gesicht und leckte mir die letzten nassen Spuren mit federleichten Berührungen von der Wange. Währenddessen zermarterte ich mir den Kopf, wie er wohl zu Belles Wohnung gefunden haben könnte.

Im Nachhinein gesehen, war es das Nächstliegende. Warum hatte ich nicht gleich daran gedacht? Wir hatten Belle oft gemeinsam besucht und er war während meiner Australienreise sechs Wochen hier gewesen. Er hatte das einzig Richtige getan. Aber wie nur? Die Wohnung lag etwa drei Kilometer entfernt von unserem Platz an der Angel Station. Hat er den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt? Und wie lange wartete er hier schon?

Es war nicht mehr wichtig. Ich streichelte, kraulte und knutschte ihn, während er mir mit seiner rauen, trockenen Zunge die Hand ableckte, sein Gesicht an meinem rieb und seinen Schwanz um meinen Arm wickelte.

Nach einer Weile drückte ich auf Belles Klingel, und sie öffnete. Meine Weltuntergangsstimmung war einem unbeschreiblichen Glücksgefühl gewichen. Ich schwebte auf Wolke Sieben.

Belles Mitbewohnerin war auch da. »Na, brauchst du was zum Feiern?«, fragte sie mich und lächelte verführerisch.

»Nein, danke, kein Bedarf«, antwortete ich grinsend. Bob kratzte spielerisch an meiner Hand, und ich zog ihn liebevoll am Nackenfell. Ich strahlte Belle an und sagte: »Ein Bier wäre jetzt klasse!«

Bob brauchte keine Drogen, um die Nacht zu überstehen. Er brauchte nur seinen Freund, und das war ich. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich auch nichts anderes brauchte. Nur Bob. Nicht nur heute Abend, sondern solange ich die Ehre hatte, ihn bei mir zu haben.