»Wir haben hier viele Kränze
gesehen,
aber keinen Kranz aus dem Nordwesten.«
Peking
1973–1976
1973–1976
Als ich Anfang 1973 nach China kam, fegte
ein kalter Winterwind durch Peking. Sandwolken aus der Wüste Gobi
verdunkelten den Himmel, und man konnte nicht einmal mehr die
Häuser auf der anderen Straßenseite sehen. Ich hatte das Land ein
halbes Jahr zuvor aus der Perspektive einer sommerlichen
Prominentenreise erlebt und merkte nun deutlich, dass ich als
ständiger Korrespondent unter ganz anderen Bedingungen würde
arbeiten müssen. Während ich in diesen ersten Tagen durch Peking
lief, konnte ich mir kaum vorstellen, was die Stadt in diesem
Jahrhundert alles erlebt und überstanden hatte: das Ende des
Kaiserreichs, den Bürgerkrieg, den Einmarsch der Japaner, noch
einmal Bürgerkrieg und Revolution und schließlich Maos »Großen
Sprung nach vorn«, der viele Millionen Menschen das Leben gekostet
hatte. Nach einer Atempause und dem Versuch eines geordneten
wirtschaftlichen Aufbaus war schließlich Mitte der sechziger Jahre
die »Große Proletarische Kulturrevolution« gefolgt, durch die so
viele Chinesen ihr Leben verloren hatten, dass darüber bis heute
keine zuverlässigen offiziellen Zahlen veröffentlicht werden. Je
nach Berechnungsgrundlage liegt die Opferzahl zwischen drei
Millionen und sechzig Millionen. Bevor ich nach China fuhr, kannte
ich nur einige begeisterte Beschreibungen von Mao-Fans, von denen
es zeitweise auch in Deutschland ziemlich viele gab. Nun sah ich
ein anderes China und merkte, dass Ausländer in der Millionenstadt
Peking noch isolierter waren, als ich es mir vorgestellt
hatte.
Ich wohnte im Minzu-Hotel, einem großen Gebäude
am Rande der Innenstadt, das im Moskauer Stil erbaut und mit
russischem Plüsch eingerichtet worden war. Hier hatte man für mich
eine Zweizimmersuite zum Wohnen und Arbeiten bereitgestellt. Das
war nicht unbequem, aber weit abgelegen vom belebteren Zentrum und
vom Viertel der ausländischen Botschaften am Stadtrand. Die wenigen
Ausländer, die für chinesische Stellen arbeiteten, waren in einem
eigenen Wohnheim isoliert. Im Minzu wohnten nur Ausländer aus dem
Westen oder der Dritten Welt, und von ihnen gab es nicht sehr
viele. Abends schloss das Restaurant bereits um neun Uhr, und der
große Hotelbau lag dann wie ausgestorben da.
Immerhin stand uns Gästen ein Büro für
Dienstleistungen zur Verfügung, das uns ein Ausländer-Taxi und
einen Englisch sprechenden Reiseführer bestellen konnte. So
klapperte ich die Büros der wenigen westlichen Kollegen ab, um mir
das Leben in Peking und die Arbeitsmöglichkeiten erklären zu
lassen. Da gab es zwei Franzosen, zwei Engländer und einen
Kanadier, der zwar für die New York Times
arbeitete, aber für eine Zeitung aus seinem Heimatland akkreditiert
war, weil zwischen Peking und Washington noch keine diplomatischen
Beziehungen bestanden. Dann war da eine Reihe japanischer
Korrespondenten, die anscheinend nur mit anderen Japanern Kontakt
hielten, und schließlich Pressevertreter aus der Sowjetunion und
den Ostblockstaaten, auch aus der DDR, die einerseits zu allen westlichen
Kollegen Distanz halten mussten, andererseits wegen der gespannten
Beziehungen zwischen Moskau und Peking vom chinesischen Leben
abgeschottet wurden. Als Korrespondenten aus der Bundesrepublik
Deutschland waren wir zu dritt: außer mir ein Kollege von der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der wenige
Wochen vor mir nach Peking gekommen war, dann Hans-Joachim Bargmann
von der Deutschen Presseagentur, der schon mehrere Jahre in
Hongkong und Peking gearbeitet hatte – ein erfahrener Kollege, der
gern mit Informationen und Erklärungen aushalf. Zu chinesischen
Journalisten entwickelten sich keine Kontakte. Die Mitarbeiter von
Rundfunk und Fernsehen waren nach einem ersten und einzigen
Begrüßungsessen unerreichbar, und auch die Verlagsgebäude der
Zeitungen blieben für mich gesperrt.
Von den ausländischen Botschaften war ebenfalls
kaum Hilfe zu erwarten. Die Briten und die Franzosen verfügten zwar
über große Kanzlei- und Wohngebäude, aber nachdem diese auf dem
Höhepunkt der Kulturrevolution von jungen Rotgardisten, fanatischen
Mao-Anhängern, eingeschlossen und zum Teil besetzt worden waren,
beschränkten sich die Mitarbeiter inzwischen nur noch auf
Routinetätigkeiten. Damals war eine ganze Anzahl von Botschaften
betroffen gewesen – darunter auch die Vertretungen von Indonesien
und der Mongolei, der Sowjetunion und anderer sozialistischer
Länder. Am schwersten hatte es die britische Botschaft getroffen:
Mindestens zehntausend Rotgardisten hatten die Diplomaten und ihre
Familien im August 1967 mehrere Tage lang eingeschlossen und dann
das Botschaftsgebäude erstürmt und in Brand gesetzt. Die
Eingeschlossenen wurden misshandelt, ehe sie mit zerrissener
Kleidung durch die Menge entkommen konnten. Damals hatte sie
Ministerpräsident Zhou Enlai retten lassen, indem er eine
Armeeeinheit zur »Rückeroberung« der Botschaft geschickt hatte. Für
einen englischen Kollegen, den Reuters-Korrespondenten Anthony
Grey, hatte der Ausbruch der kulturrevolutionären Raserei besonders
schlimme Konsequenzen. Er wurde von Rotgardisten im Keller seines
Hauses zwei Jahre eingesperrt. Sie strichen das einzige Fenster
schwarz und verhinderten, dass ihn Informationen aus der Außenwelt
erreichten. Seither blickten viele Ausländer in Peking besorgt über
die Schulter, wenn sie einer größeren Ansammlung von Chinesen
begegneten.
Nachdem 1972 diplomatische Beziehungen zwischen
der Bundesrepublik und China aufgenommen worden waren, gab es nun
auch eine bundesdeutsche Vertretung in Peking – mit einem
ambitionierten Botschafter, auslandserfahrenen Mitarbeitern und
mehreren guten Dolmetschern. Wir drei Korrespondenten stellten die
»deutsche Kolonie« dar, konnten unsere Post aus dem Ausland an die
Botschaftsadresse schicken lassen, mit den Diplomaten Informationen
austauschen und uns über die Entwicklungen in Deutschland auf dem
Laufenden halten. Die meisten anderen Botschaften waren kleiner und
nicht gerade mit Chinaexperten besetzt, nur die Australier machten
da eine Ausnahme: Für sie war China auf der gegenüberliegenden
Seite des Pazifiks fast so etwas wie ein Nachbar, dessen
Bevölkerung freilich siebzig Mal größer war. Statt eines
Karrierediplomaten hatten sie den Botschafterposten mit einem
unternehmungslustigen und neugierigen jungen Sinologie-Professor
besetzt. Er und viele seiner Mitarbeiter sprachen Chinesisch,
wussten gut über die Geschichte und den gegenwärtigen Zustand
Chinas Bescheid und waren ebenso auskunfts- wie diskussionsfreudig.
Die sowjetische Vertretung war bei weitem die größte und zugleich
die verschlossenste. Nach den Vorfällen während der
Kulturrevolution hatte man sie in eine Art Festung mit einer
starken Truppe von Sicherheitsleuten verwandelt, und anschließend
wurde sie von den chinesischen Behörden fast vollständig isoliert
und ignoriert. Pekings Stadtverwaltung hatte sogar den Namen der
Straße geändert, an dem die Enklave der Sowjetbotschaft lag. Die
Adresse hieß nun »Antirevisionismusstraße Nr. 1«. Revisionismus,
also das Abweichen vom wahren und revolutionären Kommunismus, war
der politische Hauptvorwurf der Chinesen gegen die Sowjetunion. Dem
mussten die Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft nun täglich ins
Auge sehen.
Die Diplomaten lebten in Peking in besonderen
Wohnblocks für Ausländer, nach Ost, West und Dritte Welt getrennt.
Es gab drei oder vier Restaurants mit mittelmäßiger Küche, die sie
manchmal besuchten, und mit einiger Regelmäßigkeit bekamen sie über
die chinesische Dienststelle für die Versorgung des diplomatischen
Korps Eintrittskarten für die Peking-Oper. Allerdings durften nur
noch die gleichen acht revolutionären Modellopern, etwa Das rote Frauenbataillon oder Die Legende der roten Laterne, aus der Werkstatt von
Maos Frau Jiang Qing aufgeführt werden. Die ersten Monate in
Peking, in der kargen Welt des halbleeren Minzu-Hotels, schienen
mir mithin von tödlicher Langeweile geprägt. Auch alle meine
Bemühungen, über die Presseabteilung des Außenministeriums und das
Versorgungsbüro für ausländische Diplomaten eine eigene Wohnung
zugeteilt zu bekommen, blieben erfolglos. Das bedeutete, dass ich
keine Mitarbeiter beschäftigen konnte. Ich hatte gehört, dass ein
neues sechsstöckiges Wohnhaus für Ausländer fertiggestellt worden
war und dass darin eine ganze Reihe Wohnungen leer stand. Zwei
junge Engländer, die täglich für ihre Botschaft einen
Informationsdienst mit Artikeln aus der chinesischen Presse
erstellten, waren neben einer englischsprachigen chinesischen
Tageszeitung die einzige Informationsquelle für uns Ausländer. Von
ihnen erfuhr ich, dass leer stehende Wohnungen in Reserve gehalten
würden, bis die USA eine
Botschaft in Peking eröffnen konnten. Aber niemand wusste, wann das
geschehen würde.
Was blieb mir anderes übrig, als die
Millionenstadt zu durchwandern und mit eigenen Augen zu erforschen?
Die wenigen ausländischen Besucher, die in dieser Zeit nach China
eingelassen wurden, neigten dazu, ihre Hoffnungen und Ängste auf
eine Wand von Millionen Menschen in gleich geschnittenen blauen
Anzügen zu projizieren. Die meisten von ihnen – Rechte wie Linke –
waren von China beeindruckt. Die einen bewunderten den
disziplinierten Nationalstaat, der eines Tages der Sowjetunion
entgegentreten würde, die anderen sahen in China den konsequenten
revolutionären Kommunismus, frei von Erscheinungen der sowjetischen
Verbürgerlichung. Je länger ich die Chinesen beobachtete, desto
deutlicher bemerkte ich jedoch Verhaltensweisen, die weder in das
Schema eines disziplinierten kommunistischen Kommandostaats passten
noch in eine Gesellschaft freier revolutionärer Initiative. Schon
am ganz alltäglichen Straßenleben war das abzulesen. Ich musste
dazu nur morgens früh aus meinem Hotel auf die breite
Changan-Avenue treten.
Gegen sechs Uhr rollte eine ganze Armee von
Radfahrern über die breite Avenue des Ewigen Friedens und drängelte
sich in Richtung Stadtzentrum. Ihnen kamen verschlafene Bauern
entgegen, die Ladungen frisches Gemüse in die Stadt geliefert
hatten. Sie nickten auf ihren Karren ein, während ihre Pferde
heimwärts trotteten. Für Pferdewagen und Traktoren war die
Innenstadt tagsüber Sperrgebiet, und die Verkehrspolizisten an den
großen Kreuzungen hatten mit ihnen wenig Geduld, weil sie das Bild
einer modernen sozialistischen Hauptstadt störten und den Verkehr
behinderten. Oft mussten die Bauern deshalb vom Wagen springen und
ihre Pferde im Dauerlauf durch die Masse der Radfahrer über die
Kreuzung ziehen. Dazu kamen die Lastwagen, die sich ihren Weg durch
das Heer der Radfahrer zu hupen versuchten, weil sie sich mit ihrem
motorisierten Fahrzeug als Vertreter eines neuen Zeitalters
fühlten, das nicht durch Karren, Fahrräder und Fußgänger
aufgehalten werden dürfe. Die Fahrer der wenigen schwarzen
Dienstwagen, die ihre Chefs zu Ministerien und Verwaltungen bringen
sollten, versuchten die »Massen« nicht zu verärgern. Schließlich
waren die Radfahrer fest davon überzeugt, dass sie als das Volk
stets Vorfahrt haben sollten und dass die Verkehrsampeln für sie
nichts bedeuteten. Da konnten die Polizisten durch Lautsprecher und
Megafone noch so viele Anweisungen brüllen. Gelang es ihnen doch
einmal, aus der Menge einen renitenten Radfahrer herauszugreifen,
dann zogen sie blitzschnell den Schlüssel aus dem Fahrradschloss am
Hinterrad, damit der Betreffende nicht das Weite suchen konnte.
Anschließend versuchten sie, ihm die Grundregeln des
Straßenverkehrs beizubringen. Meist jedoch gesellten sich andere
Radfahrer dazu, ergriffen Partei gegen die Verkehrspolizisten und
unterstützten lautstark die Proteste ihres Kameraden. Das
kommunistische China, so glaubten wir Ausländer, wenn wir in dem
Land ankamen, sei ein disziplinierter Polizeistaat, aber die
Polizisten konnten nicht einmal Strafzettel ausstellen und
Geldbußen kassieren. Im schlimmsten Fall meldeten sie einen
Radfahrer in seiner Fabrik oder an seinem Arbeitsplatz und
verlangten, dass er über korrektes Verhalten im Verkehr belehrt
werde. Doch das schienen die Zehntausende auf der Straße nicht zu
fürchten. Sie nahmen die Botschaft der Kulturrevolution ernst,
wonach das ganze Land den werktätigen Massen gehöre.
Nach dem wüsten Gedränge des morgendlichen
Berufsverkehrs fand ich die großen Straßen tagsüber recht still.
Vor den Häusern hockten alte Männer in der Sonne, rauchten ihre
langen Pfeifen, Großmütter schoben Bambuskinderwagen in die Parks,
vom Bahnhof strömten Besucher zum Tiananmen-Platz, um sich vor dem
Tor des Himmlischen Friedens, dem Eingang zum alten Kaiserpalast,
fotografieren zu lassen. Zehntausende wanderten durch die
Einkaufsstraßen und betrachteten die Auslagen in den Schaufenstern.
Manchmal wollten alle mitreden, die in kleiner Gruppe vor einem
Schaufenster standen: ob ein Teekessel Fehler habe, ob er zu teuer
sei, ob es anderswo nicht einen besseren gebe. Vor den Geschäften
in den kleinen Seitenstraßen drängte sich die Menge Schulter an
Schulter. Alle Läden waren staatseigen, aber deshalb keineswegs
gleich. In manchen bemühten sich die Angestellten, mit dem wenigen,
was es zu verkaufen gab, die Schaufenster nett und attraktiv zu
gestalten. Zahnbürsten, Seife und bunte Plastikbecher wurden zu
Blumen oder Lampions zusammengestellt, Zigarettenschachteln oder
Kuchenstücke wurden aufgebaut wie die Große Mauer. In der schmalen
Dashalan-Straße, wo vor dem Sieg der Kommunisten Seidenhändler
teure Ware feilgeboten hatten, gab es in den kleinen Läden längst
nur noch die blauen Baumwollstoffe, aus denen alle ihre Jacken und
Hosen schneiderten. Die Stoffe waren rationiert: zwei Meter pro
Käufer. Gegenüber konnte man Töpfe, Pfannen und Thermosflaschen
erstehen. In einem Schaufenster standen lauter Wecker mit
Pandabären auf den Zifferblättern, die mit den Augen rollten und
jede Sekunde mit dem Kopf abnickten. Es gab auch eine traditionelle
Apotheke, die einen Rehfötus in einem Glas ausstellte, dazu bizarre
Ginseng-Wurzeln und die fossilen Knochen längst ausgestorbener
Tiere, sogenannte Drachenknochen, die Gesundheit und Männlichkeit
fördern sollten. Spielzeugläden boten Puppen, kleine Gewehre und
billige Bambuskinderwagen an. In einem anderen Laden aber war die
moderne Zeit eingezogen. Hier fand man Transistorradios und ein
paar kleine Schwarzweißfernseher, die 300 Yuan kosteten, was etwa
sechs Monatslöhnen eines Industriearbeiters entsprach.
Zwischen den engen Straßen lagen ein paar große
Abstellplätze, wo ältere Frauen Radfahrer aufforderten, ihre
Fahrräder abzuschließen, und ihnen eine kleine hölzerne Plakette
mit einer Nummer in die Hand drückten. Dass es auch im neuen China
eine Menge Fahrraddiebe gab, hatte die Propaganda uns Ausländern
nicht erzählt. Neben einem unauffälligen zweistöckigen Gebäude
waren einige Dienstwagen geparkt: ältere schwarze Limousinen
russischen Fabrikats oder grüne Autos vom Typ »Shanghai«, dem
chinesischen Wagen für die Mittelklasse der Funktionäre. Gesetzte
Herren stiegen mit ihren Frauen und Töchtern aus, die wie alle
Chinesen vorschriftsmäßig in blaue Hosenanzüge gekleidet waren. Sie
gingen in ein unauffälliges Restaurant, von dem ich in alten
Reiseführern gelesen hatte. Dies war das einst berühmte und nach
wie vor beste Restaurant für Pekingente. Die meisten Passanten
sahen es von der Straße aus nicht, wären aber selbst dann nicht
eingelassen worden, wenn sie das nötige Geld dafür gehabt
hätten.
Nicht weit entfernt davon lag das
siebzehnstöckige Peking-Hotel. Dessen automatische Türen ließen
sich ohne Berührung öffnen und schließen. Das war eine Attraktion
für die Besucher vom Lande, die staunend auf der Straße
stehenblieben. In der Nähe des Hotels befand sich Pekings größtes
Kaufhaus. An den Theken im Erdgeschoss wurden Hunderte
verschiedener Süßigkeiten aus ganz China angeboten, daneben aber
auch in Aluminium verpackte Zigarren aus Kuba. Ich schaute zu, wie
Leute vom Lande einfache Artikel wie Kugelschreiber oder
Füllfederhalter bestaunten und wie sich an einem Ladentisch eine
Menschentraube bildete, als die Verkäuferin eine Schweizer
Armbanduhr aus einer Schatulle nahm. 800 Yuan sollte sie kosten –
anderthalb Jahresgehälter für einen Industriearbeiter und eine
unvorstellbare Summe für die Besucher aus den Dörfern.
Aus dem Verhalten der Menschen konnte
ich schließen, dass ganz verschiedene Elemente der chinesischen
Lebensweise trotz Revolution und Umerziehung überlebt hatten und
dass sich deshalb keineswegs einfach voraussagen ließ, welche
Entwicklung China nehmen würde. Immerhin gab es Anzeichen für eine
bevorstehende Lockerung des Verhältnisses zum Rest der Welt. Zu den
ersten derartigen Signalen gehörte die Einladung einer
westdeutschen Wirtschaftsdelegation nach Peking. Zwanzig Jahre
zuvor waren die Handelsbeziehungen wegen des Koreakriegs
abgebrochen worden. Nun kam im Mai 1973 eine Abordnung von
eindrucksvollem Kaliber, geleitet von Berthold Beitz, dem Chef von
Krupp, sowie Alfred Herrhausen von der Deutschen Bank, dazu
hochkarätige Vertreter der wichtigsten deutschen Handels- und
Industriezweige. Sie wurden bei diesem zwölftägigen Aufenthalt als
Gruppe durch die chinesische Hauptstadt geführt, besichtigten
Fabriken, zu denen ihnen nur schwer lobende Bemerkungen einfallen
konnten, hatten ein Gespräch in der Universität, in der es kaum
Studenten, aber viele Soldaten gab, und hörten in Volkskommunen im
landwirtschaftlichen Umland mehrfach den gleichen Vortrag über die
politischen Errungenschaften der Kulturrevolution und das hohe
ideologische Bewusstsein der Arbeiter.
Die Delegation war ebenfalls im Minzu
untergebracht. Zurück von Reisfeldern oder Werkshallen, brachten
die Dolmetscher sie an ihren reservierten Tisch im Restaurant und
wünschten allen eine angenehme Nachtruhe. Nach dem frühen
Abendessen lag das Hotel im Dunkeln. Kein Restaurant, keine Bar war
geöffnet. Einige der deutschen Gäste hatten sich deshalb etwas mit
aufs Zimmer genommen, aber im Hotel gab es nur den starken
chinesischen Schnaps und einen Whiskey, der nach schlechtem
Portwein schmeckte. So saßen die deutschen Wirtschaftsführer abends
stundenlang auf ihren Zimmern oder unterhielten sich in meinem
Büro. Meine Wohnverhältnisse kamen ihnen von Tag zu Tag
spartanischer vor, und einer bedauerte mich ausdrücklich dafür,
dass ich in diesen kärglich ausstaffierten Räumen nun Jahre
verbringen sollte.
Die Delegation wartete auf ein Gespräch mit dem
chinesischen Ministerpräsidenten Zhou Enlai, das schon seit einigen
Tagen auf dem Programm stand. Ich wusste, dass Zhou solche
Gespräche am liebsten spät in der Nacht oder in den ganz frühen
Morgenstunden führte. Aber wann er die deutsche Delegation zu sich
bitten würde, konnte niemand sagen. Am vierten Abend, eine halbe
Stunde nach Mitternacht, sah ich, dass alle Ampeln auf der
Changan-Avenue gleichzeitig auf Rot geschaltet wurden. Kein Auto,
nicht einmal ein Radfahrer waren zu sehen, als eine Reihe von
schwarzen Limousinen an unserem Hotel vorfuhr. Zhou Enlai ließ die
deutschen Gäste zur Großen Halle des Volkes abholen. Ich begleitete
die Gruppe und beobachtete, wie der Ministerpräsident höflich und
aufmerksam den Referaten der Deutschen zuhörte, die ihm die
Leistungsfähigkeit ihres Industriezweigs und die großen Chancen
eines deutsch-chinesischen Wirtschaftsaustausches schilderten. Ein
wenig verblüfft waren sie, als ihnen der Ministerpräsident eine
ganz einfache Frage stellte: »Die Bundesrepublik ist doch nun in
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Da gibt es doch alles,
was Sie brauchen. Warum sind Sie an Handelsbeziehungen mit China
interessiert?« Den deutschen Gästen war eine gewisse Enttäuschung
anzusehen: Selbst der Ministerpräsident, der als einer der
erfahrensten und bestinformierten Männer in China galt, hatte
offenbar keine Ahnung von internationalem Wirtschaftsaustausch.
Zhous Mitarbeiter schrieben unterdessen alles mit, was gesprochen
wurde. Es war die Zeit des Übergangs zu einer sachlicheren
Wirtschaftspolitik, und das akademische Seminar, das Berthold Beitz
und seine Delegation für den chinesischen Ministerpräsidenten zu
veranstalten schienen, sollte am Ende tatsächlich einen wichtigen
Anstoß für die Diskussion innerhalb der chinesischen Führung geben.
Es half, jene Kräfte zu stärken, die auf ein moderneres, an
Wirtschaftswachstum orientiertes China setzten. Aber an diesem
Abend konnte niemand ahnen, dass der deutsch-chinesische Handel
schon binnen weniger Jahre sprunghaft anwachsen würde.
Zhou Enlai führte in dieser Nacht, als die
Delegation bereits ins Hotel zurückfuhr, mit Berthold Beitz noch
ein ausführliches Gespräch unter vier Augen über Deutschland,
Europa und die Weltpolitik. Die chinesischen Funktionäre im
Außenministerium achteten deshalb von nun an sorgsam auf jede
Äußerung, die der deutsche Delegationschef gegenüber seinen
Mitreisenden machte. Und da es dabei nicht immer um die
Weltwirtschaft ging, registrierten sie auch, was er über meine
Hotelunterkunft und das aussichtslose Warten auf eine Wohnung
sagte. Berthold Beitz meinte, ich bräuchte mir eine solche
Behandlung nicht gefallen zu lassen. Wenn die Chinesen so wenig an
meiner Anwesenheit interessiert seien, dann solle ich meine Koffer
packen. Einem deutschen Reeder, der zur Delegation gehörte, rief er
unüberhörbar zu: »Ruges Möbel sollen nächste Woche auf Ihrem
Frachter ankommen. Rufen Sie den Kapitän an, er soll sie gar nicht
erst ausladen. Ruge fliegt mit uns zurück. Was soll er hier, wo man
ihn nicht einmal anständig unterbringt.« Ich hätte meine Zelte in
China trotz aller Unbequemlichkeiten natürlich nicht so schnell
abgebrochen, aber wie sich sehr bald zeigte, war das auch gar nicht
nötig. Schon am nächsten Vormittag besuchte mich ein älterer
Verwaltungsmann aus dem Büro für die Versorgung von Ausländern und
erklärte in gepflegtem Englisch, er könne mir eine Wohnung zeigen.
Da gab es nun in dem neuen Hochhaus, das eigentlich für die
Amerikaner reserviert war, eine angenehme Parterrewohnung: vier
Zimmer, eine große Küche, zwei Bäder und ein Büro für mich und den
Dolmetscher.
In den nächsten zwei Wochen ging es weiter mit
der Ausstattung meiner Korrespondentenexistenz: Das
Betreuungskomitee hatte bereits eine Liste mit zukünftigen
Mitarbeitern für mich vorbereitet. Diese Mannschaft schien mir
zunächst für einen Korrespondenten ungewöhnlich groß, eher passend
für die Vertretung eines kleineren Staats oder einer großen
Handelsorganisation. Aber alle Korrespondentenbüros waren personell
ähnlich üppig ausgestattet. Das erinnerte ein wenig an die
vorkommunistischen Jahre, als die Ausländer für wenig Geld viel
Personal anstellen konnten. Und in der Tat waren die Personalkosten
fast so niedrig wie in der kapitalistischen Zeit – auf
»Ausbeuterniveau«, so hätten es die Zeitungen der chinesischen
Kommunisten damals genannt. Die Kosten waren so festgesetzt, dass
auch kleinere Staaten der Dritten Welt und die ehemaligen
kommunistischen Bruderstaaten keinen Grund zur Beschwerde
hatten.
Als Erster kam Herr Liang, der Dolmetscher. Er
sorgte zunächst dafür, dass ich eine Putzfrau bekam, Frau Li. Dann
kamen Herr Yu, von allen »kleiner Yu« genannt, als Koch dazu und
der Fahrer, Herr Wang, der sich um meinen Dienstwagen kümmern
sollte, sobald dieser mit den Möbeln per Schiff aus Bremerhaven
eintreffen würde. Und schließlich war da noch die
Chinesischlehrerin, Frau Shu, die mich an jedem Wochentag zwei
Stunden lang unterrichtete. Das waren ziemlich viele Leute, die
sich täglich in meiner Wohnung aufhielten. Erst war ich darüber
etwas besorgt, aber sie alle hatten Erfahrungen mit überbelegten
Wohnungen und teilten sich die Arbeitsplätze in Küche und Büro auf,
ohne einander zu stören. Natürlich war die Distanz zu mir sehr groß
und, wie mir zunächst schien, bei der schüchternen Putzfrau fast
unüberwindlich. Aber gerade Frau Li erwies mir, ohne es zu wissen,
einen Gefallen. Vierzehn Tage nachdem sie bei mir zu arbeiten
angefangen hatte, musste sie bei der Leitung ihrer Organisation
einen ersten Bericht über Arbeitsplatz und Arbeitgeber abliefern,
und der fiel positiv aus. Ich hatte, ehe meine Möbel ankamen, in
einem chinesischen Geschäft einen Küchenstuhl gekauft, der mir als
billig und praktisch aufgefallen war. Auf ihm ruhte Frau Li sich
gelegentlich aus. Das berichtete sie ihren Vorgesetzten, worauf
diese offenbar zu dem Schluss kamen, ich sei kein hochnäsiger
ausländischer Ausbeuter, sondern ein Mann, der auch einfache
Chinesen mit Respekt behandle und das Proletariat nicht verachte.
Diese Einschätzung, von der ich erst Jahre später von meiner
Chinesischlehrerin erfuhr, ging in einen der vielen Berichte ein,
in denen regelmäßig Äußerungen von Ausländern zusammengefasst
wurden.
Herr Wang, der Chauffeur, war um die dreißig
Jahre alt, ein Fischersohn aus der Nähe von Tsingtao, ein bisschen
naiv, aber offen und freundlich. Er hatte seinen eigenen Kopf, aber
was für ein Dickschädel er wirklich war, erfuhr ich erst nach einem
Unfall mit unserem Dienstwagen. Auf einer Nebenstraße am Stadtrand
war ein Traktor mit unserem Wagen zusammengestoßen. Die Schäden am
Traktor waren nicht sehr groß, die Reparaturen an unserem Auto aber
würden teuer werden. Die Polizei hatte die Unfallstelle besichtigt
und ein Urteil gefällt: Schuld sei der Fahrer mit dem Wagen des
Ausländers. Das aber wollte Herr Wang nicht auf sich sitzenlassen.
Seiner Ansicht nach habe die Polizei nur deshalb so geurteilt,
damit der deutsche Korrespondent zahlt, während bei einer Schuld
des Traktorfahrers dessen Volkskommune die Reparaturkosten hätte
tragen müssen. Inzwischen hatte jedoch auch der Chef der
staatlichen Dienststelle, die Ausländern die Chauffeure stellte,
gegen meinen Fahrer entschieden. Das hieß, dass ich die Kosten
übernehmen und Herr Wang durch einen anderen Fahrer abgelöst werden
sollte. Das wollte er nicht hinnehmen. Jeden Morgen setzte er sich
in meinen Dienstwagen und schickte den Ersatzchauffeur wieder weg.
Nach drei Wochen warnte mich mein Dolmetscher: Wenn der Fahrer sich
weigere, einen anderen Posten anzunehmen, werde das langsam
gefährlich für mich. Auch meine Sprachlehrerin empfahl mir, ich
solle Herrn Wang sagen, dass ich den Streit beenden und die
Schadensrechnung begleichen würde. Der Fall, so sagte sie, habe
inzwischen Diskussionen ausgelöst, die uns beiden Schwierigkeiten
machen könnten. Also beklagte ich mich nicht mehr, und Herr Wang
war eines Tages verschwunden, ohne sich verabschiedet zu haben.
Später erfuhr ich von meinem Dolmetscher, er sei aus Protest nach
Hause auf seine Fischerinsel im Chinesischen Meer zurückgekehrt.
Einen Monat später aber hielt ein Auto auf der Hauptstraße mit
quietschenden Bremsen vor mir: Aus dem Wagen stieg Herr Wang, der
mich hocherfreut und respektvoll begrüßte, wie er es auch später
bei jedem Zusammentreffen tun würde. Er hatte gegen alle
Erwartungen der Kollegen seinen Job als Ausländerchauffeur
wiederbekommen, aber mit der Auflage, dass er bei mir nicht wieder
arbeiten dürfe. Nun war er Fahrer eines afrikanischen Botschafters.
»Zur Strafe«, kommentierte Herr Liang, ohne zu erklären, warum ihm
die Versetzung vom Steuer eines weißen Journalisten in den Wagen
eines schwarzen Diplomaten als Strafe erschien.
Zwischen den Mitarbeitern in meinem Büro gab es
offiziell keine Rang- oder Klassenunterschiede. In Situationen wie
der beim Chauffeurwechsel konnte ich gleichwohl erkennen, wie
verschieden sie waren. Genau erklären konnte ich es mir nicht, denn
es gehörte zu ihrem Selbstschutz, sich nicht zu sichtbar von den
anderen zu unterscheiden, und ich konnte nicht nachfragen, ohne sie
zu gefährden. Mir fiel auf, dass Herr Liang von anderen Chinesen
nicht als mein Dolmetscher, sondern als Sekretär unseres
Korrespondentenbüros bezeichnet wurde. Viele Jahre später hörte
ich, dass er tatsächlich kein einfacher Dolmetscher war, sondern
vor seiner Zeit bei mir eine Abteilung im Außenministerium geleitet
hatte, die Diplomaten auf die Botschaftsarbeit in
englischsprachigen Staaten vorbereitete. Man hatte ihn dann jedoch
aus Gründen, die ich nie erfuhr, wie viele andere zur Umerziehung
in ein ärmliches Dorf in Nordwestchina geschickt. Als er nach
Peking zurückkehrte, suchten Kollegen für ihn einen Arbeitsplatz,
der nicht so exponiert sein durfte wie der eines Abteilungsleiters
im Ministerium, bei dem aber seine Intelligenz und seine Kenntnisse
gewürdigt würden. So kam er zu mir und erwies sich auf seine
zurückhaltende, vorsichtige Art als ein ausgesprochen erfahrener
Helfer. Nach etwa anderthalb Jahren allerdings wurden die
maoistischen Kulturrevolutionäre wieder stärker, sie entfernten
Herrn Liang aus meinem Büro und schickten ihn ein zweites Mal zur
Umerziehung aufs Land. Als ich ihn dann Jahre später in Peking auf
der Straße wiedertraf, ging er mit zwei älteren Jungen spazieren,
und ich sagte ihm, ich hätte ihn mit den Kindern vor Jahren schon
einmal auf der Straße gesehen. Ich hätte ihnen zugewinkt, aber
zurückgewinkt habe er nicht. Ja, sagte er, damals habe man keinen
Ausländer begrüßen und schon gar nicht sagen dürfen, dass man
Kinder habe. Jedes private Gespräch hätte ein Grund sein können,
ihn zur Landarbeit zurückzuschicken.
Der Nachfolger von Herrn Liang war wieder ein
Mann, der eigentlich im chinesischen Außenministerium einen
besseren Platz auf der Aufstiegsleiter hatte. Natürlich hielt er
nach den Erfahrungen seines Vorgängers noch mehr Abstand zu mir,
aber er sprach ein gutes Deutsch, war ein geschickter Organisator
und eine große Hilfe für mich. Jahre später traf ich ihn in
Deutschland wieder, wo er den Umzug der chinesischen Botschaft von
Bonn nach Berlin organisierte.
Bei meiner Chinesischlehrerin Frau Shu spürte
ich von Anfang an, dass sie etwas Besonderes war. Ihre Kollegen
behandelten sie mit bemerkenswertem Respekt, wenn sie sich bei ihr
Ratschläge für alle Lebenslagen holten. Wenn ich mich mit ihr
unterhielt, lachte sie sehr viel, was zwischen Chinesen und
Ausländern sonst extrem selten vorkam. Bei mir und ausländischen
Kollegen ließ sie manchmal mit freundlicher Ironie erkennen, dass
wir von den Verwicklungen der aktuellen Politik so wenig Ahnung
hätten wie von Chinas klassischer Kultur. Einmal erwähnte sie, sie
habe zu einer Gruppe gehört, die Das Kleine
Rote Buch mit den Aussprüchen des Vorsitzenden Mao in
monatelanger Arbeit ins Deutsche übersetzte. Meine Frage, ob sie
verheiratet sei, bejahte sie, aber meinen Wunsch, ihren Mann einmal
kennenzulernen, wies sie ab. Der sei ein Naturwissenschaftler an
einer Pekinger Universität und dürfe wegen seiner wichtigen Arbeit
keinen privaten Kontakt mit Ausländern haben. Dabei blieb es dann.
Wir waren uns durchaus sympathisch, und manchmal gab sie mir am
Rande des Unterrichts kleine Hinweise, die es mir leichter machten,
die Bedeutung eines Leitartikels oder die Meldung einer
chinesischen Zeitung zu verstehen. Ohne dass eine engere Beziehung
entstand, kamen wir gut miteinander aus. Aber mehr über sie erfuhr
ich erst zwei Jahrzehnte später.
Der Mann von Frau Shu, so stellte sich heraus,
war gar kein Naturwissenschaftler, wie sie mir erzählt hatte. Er
war vielmehr bis Mitte der sechziger Jahre einer der beliebtesten
und berühmtesten Opernsänger Chinas gewesen. Dann jedoch war er in
Konflikt mit Maos Frau geraten, als diese das kulturelle Leben
Chinas zu revolutionieren versuchte und daranging, die klassischen
Opern – chinesische wie europäische – durch ihre eigenen
Schöpfungen zu ersetzen. Frau Shus Mann wurde auf Jahre hinaus vom
Kulturleben ausgeschlossen, sie wurde inhaftiert und zur Arbeit
aufs Land geschickt. Als ich Frau Shu nach zwanzig Jahren
wiedertraf, hatte sie gerade einen Roman aus dem Deutschen
übersetzt: Deutschstunde von Siegfried
Lenz. Der Roman erzählt von den Erfahrungen eines Malers in der
Nazizeit, von dem Malverbot, das ihn traf, und von Hitlers Versuch,
eine »entartete« Kunst zu zerstören. Die Parallelen zwischen
NS-Kulturpolitik und Chinas
Kulturrevolution konnten den chinesischen Lesern nicht
entgehen.
In allen Gesprächen musste man nach den
Zwischentönen suchen und an den fast unbeweglichen Gesichtern
ablesen, ob man auf Ablehnung oder ein bisschen Verständnis
gestoßen war. So ging es mir auch mit der stellvertretenden
Leiterin der Presseabteilung des Außenministeriums, über deren
Tisch alle Entscheidungen bezüglich der Arbeits- und
Reisemöglichkeiten ausländischer Journalisten gingen. Viele
westliche Diplomaten und die meisten meiner Kollegen nannten sie
eine böse alte Kommunistin. Manche Anfragen fegte sie unerbittlich
vom Tisch, und bisweilen dirigierte sie uns auf Reisen zu Fabriken
oder Volkskommunen in strengem Befehlston. Sie musste
fünfundfünfzig bis fünfundsechzig Jahre alt sein, und aus der
britischen Botschaft stammte das Gerücht, sie habe in ihrer Jugend
in Shanghai zu den revolutionären Studenten gehört und schon in den
dreißiger Jahren im Bürgerkrieg mit Zhou Enlai zusammengearbeitet.
Bei einigen ihrer Bemerkungen schien mir, dass sie und ihre beiden
engsten Mitarbeiter tatsächlich eher dem Premierminister Zhou und
seiner kontrollierten Modernisierung Chinas zuneigten und nicht
unbedingt Maos Frau Jiang Qing und ihren Kulturrevolutionären.
Jiang Qing hatte seit 1973 eine Kampagne gegen den klassischen
Philosophen Konfuzius geführt, die dann ein Jahr später erweitert
wurde durch Angriffe gegen den ehemaligen Armeechef Lin Biao, der
nach seinem Streit mit Mao bei einem Flugzeugabsturz 1971 auf
ungeklärte Weise ums Leben gekommen war. Mit den Kampagnen ging
auch – für Europäer schwer verständlich – eine Verurteilung
Beethovens und seiner Musik einher, die als antiproletarisch und
antirevolutionär geächtet wurde. Aus vorsichtigen Nebenbemerkungen
der beiden Männer aus der Presseabteilung schloss ich, dass sie
zumindest die Verurteilung Beethovens bedauerten. Ich lud sie und
ihre Chefin einige Male zum Abendessen zu mir ein, teils um ihnen
ganz offiziell über die Probleme der Korrespondentenarbeit zu
berichten und teils um mein Verständnis der chinesischen Politik zu
vergrößern. Wenn die drei vor der Tür standen, lief bereits eine
Schallplatte mit »Freude, schöner Götterfunken« aus Beethovens 9.
Sinfonie. Ich fragte nicht, ob ihnen die Musik gefalle, sie
sprachen wenig und hörten lieber zu. Als ich später bei einer
anderen Gelegenheit erneut ein Gespräch mit Beethoven untermalte,
waren sie wieder ganz still. Wir hatten etwas Gemeinsames gefunden,
und von da an spürte ich bei ihnen stets so etwas wie
unausgesprochenes Wohlwollen, wenn ich Informationen oder
Reisegenehmigungen zu bekommen versuchte.
So lebten wir Ausländer mit unseren
chinesischen Mitarbeitern durchaus freundlich nebeneinander, ohne
etwas Genaueres über das Leben der anderen zu wissen. Dazu kam eine
eigenartige Schwierigkeit: Die Antworten und Erklärungen, die ich
bei einem Besuch erhielt, konnten bei der nächsten Begegnung schon
völlig anders klingen und selbst mit zeitgeschichtlichen Fakten
konnte es einem so ergehen – als wäre die Erinnerung an unpassende
Ereignisse aus den Gehirnen wie weggewischt. So ist es mir bei
manchen Wiederbegegnungen auf Reisen durch die chinesische Provinz
ergangen, die ich in den folgenden zwei Jahrzehnten unternommen
habe.
Als ich 1976 das erste Mal das Dorf Hua Xi, 150
Kilometer nördlich von Shanghai, besuchte, war die politische und
militärische Erziehung der Stolz der Gemeinde. Die Bauernfamilien,
die hier lebten, kannten für Chinesen schwer auszusprechende Namen
wie Marx und Engels, Dühring und Lassalle und hatten gelernt, dass
Marx immer recht hatte. In den Regalen der kleinen Bibliothek
standen die Standardwerke von Lenin und Stalin neben den Schriften
Maos, dazu kleine Broschüren, die wie Comics illustriert waren,
aber über historische und aktuelle politische Ereignisse
berichteten. Es gab sieben Stunden politischen Unterricht in der
Woche und zusätzlich Vorträge während der Pausen bei der
Feldarbeit. Die Frauengruppen hatten darüber hinaus eigene Treffen
für politische Schulung und militärische Ausbildung. Neunundzwanzig
Kämpferinnen der Volksmiliz bauten sich für mich zu einer Kolonne
auf. Eine fünfundzwanzigjährige Frau befahl ihnen, über den Hof zu
marschieren und Nahkampf zu üben. »Der Klassenkampf ist nicht
vorbei«, sagte der stellvertretende Kommunenvorsitzende Wu. »Wir
müssen immer auf der Hut sein vor reaktionären,
konterrevolutionären und kapitalistischen Tendenzen.«
Als ich zweiundzwanzig Jahre später wieder nach
Hua Xi kam, sprach man immer noch von einem Dorf, aber mittlerweile
ragten viele Fabrikschornsteine auf. Die Neubauten sahen nicht nach
den üblichen Unterkünften chinesischer Bauern aus, und das Haus, in
dem man mich bei meinem ersten Besuch untergebracht hatte, war
nicht mehr das schönste, sondern eines der schäbigsten. Die
Bauernfamilie, bei der ich damals gewohnt hatte, war ausgezogen,
und nun diente das Haus als Unterkunft für Wanderarbeiter, die aus
anderen Provinzen Chinas nach Hua Xi gekommen waren. Siebentausend
Arbeiter, Techniker und Ingenieure arbeiteten in Fabriken und
Werkstätten, die sich im Gemeinschaftseigentum der Bauernfamilien
befanden. Frau Chao, die mich beim ersten Besuch als meine
Gastgeberin empfangen hatte, war inzwischen zur Direktorin einer
Fabrik für Stahlröhren aufgestiegen. Auch diese Fabrik gehörte zum
Gemeinschaftseigentum der Bauernkommune. Von dem neuen Haus, in dem
Frau Chaos Familie lebte, hätte bei meinem ersten Besuch niemand zu
träumen gewagt: 450 Quadratmeter Wohnraum, so viel, dass in einigen
der Räume gar keine Möbel standen. Auch Frau Chaos Mann hatte als
Chef des Hotelrestaurants einen guten Posten. Gut zwanzig Jahre
zuvor war das Essen viel einfacher gewesen als das, was Frau Chao
mir nun auf ihren Banketttisch im Esszimmer stellte. Wir Männer
tranken ein Gläschen Maotai-Schnaps und stießen dann gemeinsam mit
französischem Rotwein an. »Der Osten wird rot«, toastete Frau Chao.
Diesen Mao-Spruch vergesse sie nie. Das Dorf besaß nun ein Hotel,
zehnstöckig und in Form einer Pagode, ein Anziehungspunkt für
reiche Leute oder für verdiente Arbeiter aus den Industrievierteln
Shanghais. Mir hatte man die Präsidentensuite reserviert, 400
Quadratmeter groß und mit zwei hochmodernen Badezimmern
ausgestattet. Als alter Freund bekam ich sie zum Sonderpreis,
umgerechnet 50 Euro pro Nacht. So viel verdiente ein Facharbeiter
im Monat. Die Fabriken, die zum Gemeinschaftseigentum der
Dorfbewohner gehörten, produzierten jetzt Wollstoffe,
Aluminiumfenster, Schnaps, Zigaretten und Stahl. Im kleinen
Erholungspark des Ortes war für jede Familie des Kollektivs eine
Tafel errichtet, die den jeweiligen Besitz verzeichnete. Ich
schaute nach, was meinen Gastgebern, der Familie Chao, gehörte: ein
Sparguthaben von umgerechnet fast 100.000 Euro, zwei Fernseher,
eine Klimaanlage, vier Badezimmer, Telefon, Waschmaschine, Motorrad
und Fahrrad. »Jeder weiß, was jeder hat. Das ist Sozialismus«,
sagte Frau Chao. Mitte der siebziger Jahre hatte hier noch die
Devise gegolten, die drei Schätze, die ein Mann mit in die Ehe
bringen müsse, seien eine Armbanduhr, eine Nähmaschine und ein
Fahrrad. In den neunziger Jahren nannten Chinesen auf dem Lande
einen Farbfernseher mit Karaokeanlage, ein Motorrad und eine große
Schrankwand als die begehrten Schätze. Aber von so etwas redeten
die Leute von Hua Xi schon nicht mehr. Sie fühlten sich als
Kommunisten, freilich in einer anderen Kategorie als die Leute, die
für sie arbeiteten. Ebendas gehörte zu dem China, das ich bei jedem
Besuch anders erlebte, und jedes Mal wurden die Veränderungen uns
Ausländern als ganz normale Weiterentwicklung vorgestellt.
Zehntausend Besucher kamen in den sechziger und
siebziger Jahren täglich in das Dorf Shaoshan zu dem einstöckigen
Haus am Lotusteich, in dem Mao Tsetung geboren wurde. Wie in
Marschkolonnen zogen sie durch das Bauernhaus, das zum
Nationaldenkmal gemacht worden war. Bis heute besuchen
Touristengruppen diesen Ort, wobei sie die romantische Landschaft
genauso anzieht wie Maos Geburtshaus. Auch 1998, bei meinem letzten Besuch in Shaoshan,
knipsten die Menschen einander vor dem Lotusteich, doch inzwischen
erstarrten sie nicht mehr in Ehrfurcht, und der eine oder andere
trug ein T-Shirt mit dem Bild Maos, einfach weil er es schick fand.
Daran, was sich während der Kulturrevolution ereignet hatte,
erinnerten sich die meisten Besucher nur ungenau. Das sei ja vor
seiner Geburt gewesen, sagte mir einer, und seitdem sei es in China
besser geworden. Ein Student der Volkswirtschaft warf dagegen ein,
Maos Kulturrevolution sei eine Katastrophe für China gewesen und
habe Wirtschaft und Bildung um zehn Jahre zurückgeworfen. Gut, dass
das vorbei sei, meinte er und kaufte dann für sich und seine
Freundin zwei Mao-Abzeichen als Reiseandenken. Ein Mann wollte
seiner Frau Maos Geburtshaus zeigen und erzählte, wie die Chinesen
vierzig Jahre zuvor hierhermarschiert seien, um den großen Führer
anzubeten. Heute komme er wieder wegen der Erinnerung an seine
Jugend, sagte er. Die jungen Leute dagegen seien aus Neugierde
hier, nur zum Vergnügen, weil sie in der Nähe Urlaub machten. Ein
älterer Mann, ein Lokalpolitiker aus einer anderen Provinz, wollte
sich am liebsten nicht äußern. Er sei auf Reisen und wolle sich nur
einmal Maos Geburtshaus anschauen. »Das ist ein Stück Kulturgut,
das Geburtshaus des Vorsitzenden«, sagte er. »Die Kulturrevolution
hatte ihre guten und ihre schlechten Seiten.« Er hatte keine große
Lust, etwas über Maos historische Bedeutung für China zu sagen,
sondern meinte nur: »Für die politische Bewegung war die
Kulturrevolution gut.« Als ihm seine Frau widersprach, verbesserte
er sich: »Na ja, im Rückblick muss man sagen: Es war doch
übertrieben, wie sie damals die Parteifunktionäre totgeschlagen
haben. Es war doch ein Fehler, das muss man schon sagen.«
Jedenfalls ließ sich Maos Name noch immer
nutzen: Am Lotusteich gleich nebenan lag das
»Mao-Familienrestaurant«. Frau Tang, die das Restaurant aufgemacht
hatte, war zwar bloß eine angeheiratete Mao, aber sie hatte sich
erklären lassen, wie man die Lieblingsgerichte des Großen
Vorsitzenden kocht – lauter scharfe und fette Speisen. Frau Tang
ging es jetzt viel besser als zu Lebzeiten Maos, als sie noch eine
arme Bäuerin gewesen war. An der Wand hing ein Foto, das zu ihrem
Stammkapital gehört: Mao auf Besuch in seinem Heimatdorf bei seinen
Verwandten. Die Frau mit dem Kind auf dem Bild ist Frau Tang.
Tausende dieser Fotos hat sie in Umlauf gebracht, denn der tote
Vorsitzende, so fand sie, mache gute Reklame für ihre Kette von elf
Mao-Familienrestaurants. Die liefen so erfolgreich, dass sie
inzwischen stellvertretende Vorsitzende der Handelskammer von
Shaoshan war.
Das kleine Rote Buch
und andere Schriften Maos scheinen heute schon wieder fast
vergessen. Die Werke des Konfuzius, die in den Kampagnen der
Kulturrevolution verspottet und verurteilt wurden, lebten dagegen
in den neunziger Jahren wieder auf. Qufu, Geburtsstadt des
Konfuzius in der Provinz Shandong, war allerdings 1998 auch eher
ein Tourismuszentrum als ein Ort der Verehrung und des Nachdenkens.
Im Hotel konnte ich ein buntes Wägelchen in altchinesischem Stil
mieten, was ein paar Jahre zuvor noch verboten gewesen wäre. Der
Mann, mit dem ich dann durch die Stadt fuhr, hieß Herr Kong. Er war
ein Nachkomme des großen Philosophen und Sittenlehrers und stammte
in der 75. Generation von dem alten Meister ab. Die Europäer hatten
dessen Namen einst in »Konfuzius« verwandelt, nachdem deutsche und
französische Philosophen des 18. Jahrhunderts ihn als großen Denker
und Moralisten entdeckt hatten. In den Augen der meisten jüngeren
Chinesen war Konfuzius dann nur noch ein Reaktionär gewesen, der in
Maos Kulturrevolution bekämpft werden musste. Herr Kong fuhr mit
mir zur großen Tempelanlage, wo seine Ahnen schon vor
zweieinhalbtausend Jahren gelebt hatten. Seitdem waren die Tempel
von Qufu ein zentraler Ort der chinesischen Kultur und Zivilisation
gewesen, immer wieder erweitert, manchmal zerstört, schließlich
wieder aufgebaut, bis die Rotgardisten die Tempel besetzten und die
uralten Steintafeln zerschlugen. Sie wollten den Chinesen das
konfuzianische Denken austreiben und es durch die Lehren von Marx,
Engels, Lenin, Stalin und Mao ersetzen. Nun waren die
Konfuziustempel wieder geöffnet, aber Konfuzius’ Platz im
chinesischen Denken war immer noch unsicher: Weder kommunistische
Kulturrevolutionäre noch kapitalistische Industrielle konnten mit
seinen Lehren viel anfangen. Ich fragte Herrn Kong, was die
konfuzianischen Werte, von denen im Westen noch oft gesprochen
werde, für die neukapitalistischen Chinesen von heute bedeuten
könnten. »Die Ideen und Lehren des Konfuzius haben das Denken
unserer Gesellschaft zweieinhalbtausend Jahre beeinflusst. Deshalb
glauben auch jetzt viele Leute, besonders unter den jungen
Studenten, an die Lehren und Richtlinien des Konfuzius«, meinte
Herr Kong. In der Zeit der Kulturrevolution hatten nur seine
engsten Verwandten von seiner Herkunft wissen dürfen, aber nun
brauchte er sie nicht mehr zu verstecken. Der Wald der Familie
Kong, in dem alle männlichen Nachfahren seit zweieinhalbtausend
Jahren begraben wurden, war immer noch da, ebenso der runde Hügel,
unter dem der Meister Kong einstmals sein Grab gefunden hatte. Die
wilde Wut der proletarischen Kulturrevolution hatte das Grab für
einige Jahrzehnte verschüttet, aber nicht zerstört.
Ich sah die jungen Studenten, die nach dem
Examen ernst vor dem Tempel des Konfuzius standen, und fragte mich,
wie sie künftig wohl angesichts uralter chinesischer Tradition,
kommunistischer Lippenbekenntnisse und eines neuartigen
kapitalistischen Erfolgsstrebens ihr modernes China bauen
würden.
Wir Ausländer hatten Mitte der siebziger
Jahre so gut wie keinen Einblick in die innerparteilichen
Auseinandersetzungen, die meist in »Parteichinesisch« und anhand
scheinbar abgelegener Themen ausgetragen wurden – wie etwa Jiang
Qings Kampagne gegen die Sittenlehre des Konfuzius und die Musik
Beethovens. Auf welche Weise die inneren Machtkämpfe des Regimes
verlaufen waren, konnten wir meist erst dann genauer erkennen, wenn
die eine Seite gesiegt hatte und die angeblichen Verfehlungen der
anderen Seite verurteilte. Die Konfliktlinien waren keineswegs
eindeutig, aber im Kern ging es bei den Auseinandersetzungen stets
um die Gegensätze zwischen den sowjetisch-bürokratisch geprägten
Funktionären der Parteihierarchie, den von Mao angetriebenen, meist
jüngeren Kämpfern der Kulturrevolution und den Vertretern einer
reformorientierten Wirtschaftspolitik.
Wir konnten nur versuchen, das Kunstchinesisch
der kommunistischen Politiker zu übersetzen, das freilich in Zeiten
innerer Konflikte mehr der Tarnung als der Erklärung diente. Zwar
trafen wir uns in kleinen Kreisen befreundeter Journalisten und
Diplomaten und tauschten aus, was wir gehört hatten, aber die
Informationen und Erkenntnisse blieben bruchstückhaft und
widersprüchlich. Den normalen Chinesen erging es nicht viel anders,
wenn sie mehr über die großen Kampagnen erfahren wollten, die die
Lager in der Parteispitze gegeneinander führten und die zeitweise
in ihrer Schärfe fast einem verdeckten Bürgerkrieg glichen. Die
Menschen bemühten sich, aus Zeitungsartikeln und Schulungsmaterial
herauszulesen, ob gerade die radikale Fraktion mit Maos Frau die
Oberhand gewann oder ob die Funktionäre um Ministerpräsident Zhou
Enlai mit ihrem Modernisierungskurs wieder stärker dastanden. Ein
Echo dieser Machtkämpfe erreichte uns über Zeitungen aus anderen
Teilen des Landes, etwa aus Shanghai, wo stets schärfere
kulturrevolutionäre Töne angeschlagen wurden als in Peking oder in
anderen Provinzen.
Immer wenn sich der Konflikt zuspitzte,
verlagerte sich der Propagandakampf aus der offiziellen Presse in
die sogenannten Wandzeitungen. Sie hingen in der Regel zuerst in
den Höfen der Universität, wo sie auch die wenigen ausländischen
Studenten lasen. Denen war meist verboten, die Texte abzuschreiben,
damit sie nicht in die Hände von ausländischen Journalisten und
Botschaftsmitarbeitern gelangen konnten. Ausländische Dolmetscher,
die mit einer Delegation eine Fabrik besichtigten, brachten dennoch
manchmal den Text der Schlagzeilen von Wandzeitungen mit, die sie
in der Fabrik gesehen hatten. Steigerte sich der Konflikt im
kommunistischen Apparat weiter, tauchten die Wandzeitungen
schließlich auch außerhalb der Universitäten auf. Nun waren sie für
jeden sichtbar an den Außenwänden der Häuser angebracht.
Im Sommer 1974 begann mitten in Peking,
gegenüber der Stadtverwaltung, dem sogenannten Revolutionskomitee,
eine für uns Ausländer schwer verständliche Wandzeitungskampagne,
in der sich die innerparteilichen Konflikte zu spiegeln schienen.
Unterzeichnet von sechs Arbeitern aus sechs verschiedenen Fabriken,
behauptete die erste, plakatgroße Zeitung: »Es gibt schwarze,
konterrevolutionäre Gruppen in der Hauptstadt, und sie folgen einem
schwarzen Kurs. Sie sind bestrebt, die revolutionären Rebellen zu
unterdrücken und die Errungenschaften der Kulturrevolution
abzuschwächen.« Diese Wandzeitung war zwar am nächsten Tag
abgerissen worden, aber nun hing da eine andere, die von »zwei
Frauen aus der kommunistischen Partei« unterschrieben war und in
der zu lesen stand, die leitenden Genossen wollten die
Kulturrevolution rückgängig machen. Auf einem anderen Plakat
unterstützte ein Mann, der sich als altes Parteimitglied
bezeichnete, die beiden Frauen. Acht Arbeiter einer Pekinger
Baugesellschaft wiederum beklagten, in ihrem Betrieb würden die
führenden Anhänger der Revolution verfolgt und sie hätten überdies
ein Jahr lang keinen Lohn erhalten. Ein Arbeiter aus einer
Werkzeugmaschinenfabrik beschrieb, dass die Kulturrevolution in
seiner Fabrik nur noch formales Gerede sei und ihre Anhänger längst
unterdrückt würden. Die Leitung der Fabrik habe sie in mehr als
tausend Wandzeitungen kritisieren lassen und die Bewegung
abgewürgt, so dass in der Fabrik nur noch Stille und Einsamkeit
herrschten. Zwar meldeten sich hier vor dem Revolutionskomitee nur
Verfechter kulturrevolutionärer Errungenschaften zu Wort, aber mit
ihren Klagen zeigten sie doch, dass sie mancherorts in großen
Schwierigkeiten steckten und ihre Gegner stärker waren als
sie.
Auch Arbeiter aus anderen Provinzen klebten an
den Häusern nahe der Stadtverwaltung Wandzeitungen an. Manche ihrer
Beschwerden waren ziemlich persönlicher Art und gaben Einblicke in
Aspekte des chinesischen Lebens, die Fremden sonst verborgen
blieben. Sie erlaubten es uns Ausländern, gelegentlich einen Blick
auf die Spannungen und Auseinandersetzungen hinter den Kulissen der
politischen Reden und Leitartikel zu werfen. So protestierte eine
Frau aus Sichuan, man habe ihr verboten, ihre Klagen in der
Hauptstadt aufzuhängen. »Ich war 329 Stunden im Gefängnis Nr. 2
eingesperrt. Ich musste alle möglichen Beleidigungen, illegalen
Handlungen und Schläge ertragen. Ich musste mich bei einer
Untersuchung ganz ausziehen, und die Vertreter des Büros für
öffentliche Sicherheit untersuchten jeden Teil meines Körpers,
sogar meine Haare und meinen Hintern. Ich bin eine Bürgerin der
Volksrepublik China und gemäß der Verfassung habe ich das Recht,
die Abteilung für öffentliche Sicherheit anzuzeigen. Sie haben mein
Geld und meine Getreidecoupons beschlagnahmt, 22 Yuan und Marken
für vier Kilo Getreide. Sie haben versprochen, dass ich alles
zurückbekomme, aber ich habe nichts zurückerhalten. Ich musste
unterschreiben, dass sie alles zurückgegeben haben, sonst hätten
sie mich nicht freigelassen. Sie haben auch die Materialien
beschlagnahmt, mit denen ich unsere Klagen belegen wollte. Diese
Papiere waren der Beweis, dass es in der Provinz Sichuan Machthaber
gibt, die den Kapitalismus wiederherstellen wollen.«
Eine Woche lang waren die Hauswände in der Nähe
des Pekinger Revolutionskomitees voll von solchen Mitteilungen.
Einige von ihnen schienen zu politischem Widerstand gegen die
Regierung aufzurufen. Andere enthielten persönliche Beschwerden und
lasen sich wie Leserbriefe in westlichen Zeitungen. Manche hingen
einige Tage lang, andere wurden noch in der Nacht entfernt. Immer
standen Menschenmengen vor den Plakaten, aber sie kommentierten
vorsichtshalber eher die Qualität der Schriftzeichen als den
Inhalt. Die meisten Leser schwiegen zwar, aber es gab stets Leute,
die einzelne Textpassagen abschrieben, vielleicht um sie selbst für
Wandzeitungen in ihren Fabriken und Schulen zu verwenden. Die zwei
Frauen, die eine der ersten Zeitungen an die Wand geklebt hatten,
brachten schließlich eine Fortsetzung. »Gestern Mittag kamen wir
zwei Genossinnen hierher, um ein Plakat zur Unterstützung der
anderen Genossen aufzuhängen. Wir wollten sie an das Eisentor
gegenüber dem Gebäude des Revolutionskomitees kleben. Wir wussten
nicht, dass dieses Tor der Eingang zu einem Club ist, in dem einige
führende Genossen sich erholen und schwimmen gehen. Wir wussten
auch nicht, dass wir ihre Würde verletzten, aber man sagte uns,
dass wir die leitenden Genossen stören würden, und mehrere Männer
kamen heraus, um die Plakate abzureißen. Sie hatten den Befehl, uns
zwei Frauen zu schlagen. Sie verletzten uns an den Armen, die
Finger von einer von uns sind noch geschwollen. Dann öffneten sie
das Tor, brachten einen Schlauch und bespritzten uns mit Wasser.
Wir waren total nass und konnten kaum atmen.«
Was hinter dem Streit um die Wandzeitungen
steckte, ließ sich zwar meist nicht genau beurteilen, aber sie
vermittelten doch einen lebhaften Eindruck von den Konflikten
innerhalb der chinesischen Gesellschaft. Die Chinesen selbst
konnten die Zusammenhänge besser einordnen oder auch mit
vertrautesten Freunden oder Verwandten vorsichtig darüber sprechen.
Zuverlässige Schlüsse über den Stand der Auseinandersetzungen
innerhalb der kommunistischen Parteiführung konnten freilich auch
sie nicht ziehen.
Am 28. März 1976 entdeckte ein
englischer Diplomat aus dem Fenster seines Zuges auf dem Weg von
Shanghai nach Peking dicht neben den Gleisen ein großes Plakat. Es
war so aufgestellt worden, dass die Reisenden es nicht übersehen
konnten: »Ehret das Andenken der Revolutionsmärtyrerin Yang
Kaihui.« In dieser Zeit des Jahres waren Spruchbänder zum Andenken
an die Märtyrer von Revolution und Bürgerkrieg eigentlich nichts
Überraschendes, denn die Woche des Qingming-Festes stand bevor, in
der die Toten und besonders die Opfer des revolutionären Kampfes
geehrt wurden. Der Engländer war jedoch ein Kenner der chinesischen
Revolutionsgeschichte, und der Name auf dem Plakat elektrisierte
ihn. Yang Kaihui war die zweite Frau Mao Tsetungs gewesen, bevor
sie 1930 von Gegnern der chinesischen Kommunisten hingerichtet
worden war. In einem von Maos Gedichten findet sich eine bewegende
Huldigung an sie. Dann aber hatte man ihren Namen während der
Kulturrevolution aus den erklärenden Fußnoten zu Maos Gedichten
entfernt. Was bedeutete es nun, wenn Maos zweite Frau gerade in
einem Augenblick geehrt wurde, an dem seine derzeitige Frau Jiang
Qing an politischem Einfluss gewinnen wollte? War das ein Protest
gegen Jiang Qing und ihre Kulturrevolutionäre?
Der englische Diplomat, der das Plakat
sorgfältig studiert hatte, gab uns ausländischen Journalisten diese
Fragen weiter. So suchten wir nun nach Hinweisen und Anhaltspunkten
auf den Transparenten von Jungkommunisten oder bei Schulklassen,
die in der Woche des Qingming zum Platz des Himmlischen Friedens im
Zentrum Pekings marschierten. Hier geschah zunächst nichts
Ungewöhnliches: Die jungen Leute legten Kränze aus Papier und
Blumen zu Ehren der Opfer des revolutionären Kampfes am Fuß des
Märtyrerdenkmals nieder, sangen die »Internationale« und hörten mit
erhobener Faust zu, wie ihre Redner einen Ergebenheitsschwur an die
chinesische kommunistische Partei verlasen. Dann aber lehnte am 30.
März ein Kranz mit dem Bild des Ministerpräsidenten Zhou Enlai an
der Vorderseite des Denkmals. Das ließ uns aufmerken.
Zhou Enlai war drei Monate zuvor mit 77 Jahren
gestorben. Der geachtete und bewunderte Ministerpräsident hatte
jahrelang Stabilität und Kontinuität im revolutionären Prozess
garantiert und galt vielen Chinesen als der einzige Mann, der
Konflikte durch geduldige Verhandlungen zu lösen vermocht und
Verständnis für die Sorgen der Intellektuellen wie der einfachen
Leute bewiesen hatte. Für die meisten Chinesen umgab ihn eine Aura
intellektueller Eleganz, verbunden mit selbstloser Hingabe für den
revolutionären Fortschritt. Unmittelbar nach seinem Tod waren
Tausende von Menschen weinend und schluchzend auf dem
Tiananmen-Platz zusammengekommen. In der Stadt selbst aber waren
keine Trauerdekoration in Schaufenstern und keine Fahnen vor den
Häusern erlaubt. Nur vor dem Palast des Volkes, am Außenministerium
und an den wichtigsten Regierungsgebäuden durften Fahnen auf
halbmast gesetzt werden, und Studenten, die an der Universität die
chinesische Fahne aufgezogen hatten, wurden verwarnt. Manche
Pekinger schmückten Zhous Bilder zu Hause oder in den Büros mit
schwarzer Gaze und fügten handgeschriebene Bekenntnisse zum
Ministerpräsidenten an die Wand. Einige, so hörten wir, hätten
sogar Mao-Porträts abgehängt.
Nun schien die Woche des Qingming-Festes ohne
jede Ankündigung und propagandistische Vorbereitung zur Woche der
Ehrung Zhou Enlais zu werden. An der Südseite des Märtyrerdenkmals
versammelten sich am 30. März zunächst zwanzig oder dreißig junge
Leute und legten Kränze für den verstorbenen Ministerpräsidenten
nieder. Ein Mädchen verlas eine Lobrede, dann trat ein anderer
Student mit einer Ansprache vor. Mehrere Stunden lang priesen sie
den Ministerpräsidenten. Andere holten Notizbücher und Bleistifte
heraus, um festzuhalten, was am Fuß des Denkmals gesagt wurde –
vielleicht um es mit nach Hause zu nehmen oder in Schulen und
Fabriken bei Versammlungen zu verwenden. In einiger Entfernung vom
Denkmal kamen nach und nach auch Arbeiter zusammen. Ein älterer
Mann sprach ruhig, aber mit starkem Gefühl über Zhou Enlai: »Sein
Leben war selbstlos der Befreiung des chinesischen Volkes gewidmet.
Wenn sein Leben jetzt kritisiert werden soll, wie werden wir dann
weiterleben?« Ich spürte einen Ton des Trotzes in seiner Rede.
Dieser Ton fand sich auch in den Sprüchen und Gedichten wieder, die
Studenten am Fuß des Denkmals ablegten. Sie lasen die Texte laut
vor und erklärten die komplizierten Schriftzeichen. Deren Bedeutung
war für uns Ausländer kaum zu verstehen, doch es ließ sich erraten,
dass sie sich gegen die radikale Gruppe in der Parteiführung
richteten. Dann aber fand ich am Fuß des Denkmals zwischen den
vielen Plakaten und Zetteln einen Satz, dessen Sinn auch ich
entschlüsseln konnte: »Wir haben hier viele Kränze gesehen, aber
keinen Kranz aus dem Nordwesten.« Im Nordwesten des Platzes lag
Maos Haus.
Gerade weil keine offene und scharfe politische
Kritik gegen Mao und die Gruppe um seine Frau gerichtet wurde,
trauten sich die Menschen in den folgenden Tagen zu Tausenden auf
den Platz im Herzen Pekings und bekundeten ohne Worte ihren Respekt
für den toten Ministerpräsidenten. Die Stimmung schien entspannt,
ganze Familien kamen mit Großmüttern und Kleinkindern und bildeten
eine endlose Prozession durch die immer länger werdenden Reihen von
Kränzen und Plakaten. Ich merkte, dass die Menschen diesmal nichts
dagegen hatten, wenn sich Ausländer unter sie mischten. Sie halfen
uns sogar beim Übersetzen und Abschreiben der Texte, begannen
freundliche und neugierige Gespräche. Einige Tage später, am 2.
April, marschierte eine Gruppe von Mitgliedern der Akademie der
Wissenschaften feierlich auf den Platz. Junge Leute halfen ihnen,
einen Kranz mit einem Gedicht ganz oben auf das Märtyrerdenkmal zu
heben. Zuerst kam uns das Trauergedicht recht traditionell vor.
Aber als wir abends mit einigen Journalisten und Chinaexperten
zusammensaßen und die vielen Texte analysierten, begannen wir zu
verstehen, dass die Akademiker in diesem Gedicht durch eine sehr
subtile Veränderung einzelner Schriftzeichen Vorwürfe gegen Maos
Frau und ihre Verbündeten erhoben hatten.
Am 3. und 4. April, einem Samstag und einem
Sonntag, strömten insgesamt bis zu 100 000 Menschen auf den
Tiananmen-Platz. Der Protest war immer noch gewaltlos, doch
mittlerweile reagierten die Menschen gereizter auf die wiederholten
Versuche der Polizei und der Milizionäre in Zivil, sie zu
vertreiben. Die Lage spitzte sich zu, und es kam zu ersten
Schlägereien. Offenbar versuchten radikale Studenten oder
Rotgardisten, die Masse der ruhigen Demonstranten zu provozieren.
Am Sonntagabend waren südlich vom Denkmal plötzlich Sprechchöre zu
hören. Studenten riefen: »Wir sind für Ministerpräsident Zhou und
gegen Franco. Wir sind für Freiheit und Demokratie, gegen
Faschismus. Wir wollen keine schmutzige Kaiserin.« Die Aussagen
waren unmissverständlich, mit der Kaiserin konnte nur Maos Frau
gemeint sein. Als es zu dämmern begann, kamen weitere Plakate und
Sprechchöre hinzu, die offen Zhou Enlai ehrten und unverhohlen Maos
Frau attackierten. Noch um neun Uhr abends harrte eine große,
erregte Menge im trüben Licht der großen Laternen auf dem Platz
aus. Dann merkten wir, dass einige Chinesen in der Menge
aufeinander einschlugen. Ausländern gegenüber waren die Menschen zu
diesem Zeitpunkt noch immer freundlich gesinnt, aber nun war es uns
nicht mehr möglich, nahe genug an den Kern des Geschehens
heranzukommen. Gegen zehn Uhr entstanden auch am Rande des Platzes
einzelne Keilereien. Plötzlich waren viele Polizisten da, die
anfangs nur zuschauten. Sie zerrten einen Mann fort. Uns Ausländer
versuchten sie höflich, aber entschieden, zu vertreiben.
Am frühen Morgen des 5. April war der Platz
zunächst leer, von Stunde zu Stunde aber strömten immer mehr
Menschen herbei und sammelten sich um das Denkmal. Die
Milizangehörigen hielten sich zurück, während sich der Platz immer
weiter füllte. Die Stimmung wurde unruhiger und angespannter. Ich
stand um etwa 10 Uhr in der Menge an der Treppe zur Großen Halle
des Volkes, als mich einige ältere Männer misstrauisch betrachteten
und etwas zueinander sagten. Ich versuchte, langsam und möglichst
unbemerkt auf die andere Seite der Großen Halle zu gelangen. Doch
die Männer zeigten mit dem Finger auf mich und sprachen einige
Studenten an. Die Situation schien gefährlich zu werden, aber dann
sah es doch so aus, als würden sie mich gehen lassen. Am
Seiteneingang standen drei Soldaten in Uniform und mit
aufgepflanztem Bajonett vor einer Gruppe von jungen Männern, die
offenbar in das Gebäude eindringen wollten und sich Schritt für
Schritt die Treppe hochschoben. Die Soldaten verschwanden hinter
der Tür und kamen ohne ihre Waffen zurück. Als sie sich wieder
aufstellen wollten, schnappten sich vier Studenten einen von ihnen
und zogen seine Uniformjacke herunter. Die beiden anderen Soldaten
versuchten zu fliehen, wurden aber sofort umzingelt. Ich stand
dreißig Meter entfernt und überlegte, in welche Richtung ich am
besten entkommen könnte. Da deuteten die älteren Männer erneut auf
mich, und junge Studenten eilten auf mich zu. Ich versuchte so
schnell wie möglich in Richtung chinesische Staatsbank zu
verschwinden, deren Eingang stets von bewaffneten Polizisten
geschützt wurde. Aber wenige Meter vor meinem Ziel holte mich die
Studentengruppe ein und drückte mich an die Hauswand. Einer von
ihnen verlangte, dass ich den Fotoapparat hergab, doch ich konnte
mich in der drängenden Menge nicht rühren. Inzwischen hatten sich
vierzig bis fünfzig junge Leute angesammelt. Sie verstanden nicht,
was vor sich ging, und schoben sich aus Neugierde immer näher
heran. Schließlich gelang es mir, den Film aus der Kamera zu
ziehen. Die Männer, die am nächsten standen, streckten den
abgerollten Film als Siegeszeichen in die Luft. Eine halbe Minute
lang schwenkten sie ihn herum, ohne auf mich zu achten. Ich nutzte
den Moment der Unaufmerksamkeit und schob mich an der Wand entlang
und an den Wachposten vorbei in den Eingang der Bank. Zwei der
Angestellten schlossen die Tür hinter mir und brachten mir auf den
Schreck hin ein Glas Wasser.
Eine halbe Stunde später hatte sich die Menge
wieder verlaufen, und niemand kümmerte sich um mich, als ich zurück
auf den Tiananmen-Platz ging. Gegen Mittag stieg am Rande des
Platzes eine gelbliche Rauchwolke auf. Ein halbes Dutzend junger
Männer kam aus der Nähe eines brennenden Autos gerannt, sprang auf
einen Lastwagen und fuhr mit hoher Geschwindigkeit davon. Dann
kamen zwei Feuerwehrfahrzeuge, die zum Brandherd wollten. Die
Feuerwehrleute mussten sich regelrecht gegen die Menge verteidigen.
Halbwüchsige zogen an den Schläuchen, rissen an den Jacken der
Männer, warfen Helme in die Luft und kletterten auf dem Löschzug
herum. Nach einiger Zeit ließen die Feuerwehrleute den schwelenden
Wagen zurück, weil sie nichts ausrichten konnten, und wollten den
Platz verlassen, aber da wurden sie von einer Menschenmenge umringt
und angehalten. Nicht weit davon entfernt kippten die Menschen
einen Minibus um. Ein Trupp Soldaten kam vom Historischen Museum
angerannt und postierte sich zwischen dem Minibus und der
Polizeistation gegenüber. Die Menge zog sich zunächst eilig zurück;
als die Leute dann aber merkten, dass die Soldaten nur Stellung
bezogen hatten, näherten sie sich wieder dem Minibus. Unter den
Bäumen am Rande des Platzes gab es eine Explosion. Ein weiterer
Wagen ging in Flammen auf, dann brannte auch der umgestürzte
Minibus.
Gelegentlich wurden Ausländer umdrängt und
aufgefordert zu verschwinden. Ein Diplomat hob die Arme und rief:
»Ich ergebe mich.« Die Menschen lachten und schoben ihn fort.
Andere wurden von Polizisten in Zivil angehalten und nach ihrer
Nationalität gefragt. »Wir wollen hier keine Sozialimperialisten«,
sagte ein Polizist und meinte damit Bürger aus der Sowjetunion.
Wenn ein Ausländer erklärte, er sei kein Russe, durfte er
weitergehen. Ein sowjetischer Diplomat, der eine karierte Mütze
trug und wie ein altmodischer englischer Tourist aussah, wurde von
der johlenden Menge verjagt. Die meisten Chinesen kamen jedoch als
Zuschauer und ließen die Ausländer ebenfalls zuschauen.
Am Abend begannen schließlich Einheiten von
Militärpolizei und Arbeitermilizen aus den großen Fabriken, die
Straßen nördlich und westlich des Kaiserpalastes zu blockieren.
Soldaten trugen Maschinengewehre heran, andere patrouillierten auf
Motorrädern. Gegen 22 Uhr stürmten etwa tausend Milizionäre aus dem
Tor des Himmlischen Friedens, liefen über den Platz und bildeten
einen weiten Ring um das Märtyrerdenkmal. Ich zog mich an den Rand
des Platzes zurück, aber auch da drängten sich Soldaten und
Zivilisten. Die Menge am Denkmal wurde nur langsam kleiner, Reden
wurden aber nicht mehr gehalten.
Vom Rand beobachtete ich, wie Soldaten und
Milizionäre Pekings Hauptstraße auf beiden Seiten des Denkmals
abriegelten. Dann wurde es dunkel: Die Kandelaber wurden auf halbe
Leuchtstärke geschaltet, die kriegerische Musik aus den
Lautsprechern, die Soldaten wenige Stunden zuvor aufgestellt
hatten, wurde lauter gestellt. Von den Seiten rannten fast tausend
Soldaten und mehrere Tausend Arbeitermilizionäre mit großen
Holzknüppeln auf das Denkmal zu. Ich konnte nicht genau erkennen,
was dort geschah. Es sah aus, als würden jeweils Gruppen von
dreißig oder vierzig Menschen von der Menge abgetrennt und über den
Platz getrieben. Noch um ein Uhr nachts wurden Menschen abgeführt.
Einige ausländische Journalisten und Diplomaten versuchten noch
einmal, durch die Reihen der Soldaten zum Denkmal vorzudringen,
aber keiner schaffte es auf die Terrasse. In der Südostecke des
Platzes saßen viele Leute auf dem Boden, die nach und nach in
kleinen Gruppen auf Lastwagen abtransportiert wurden. Wir Ausländer
wurden mit eigenartiger chinesischer Höflichkeit behandelt. »Sie
sollten jetzt nach Hause gehen und sich ausruhen. Es ist hier
draußen zu kalt«, sagte eine Milizpatrouille zu mir. Als wir den
Platz verließen, konnten wir auf dem Pflaster einige große Flecken
erkennen, die wie Blut aussahen. Unter unseren Schuhen knirschte
das Glas zerschlagener Fahrradlampen. Auf dem höchsten Absatz des
Denkmals stand immer noch ein einzelner Kranz für Zhou Enlai.
Der Kranz war auch am nächsten Morgen noch da,
nachdem die Polizeiketten um den Platz schon abgerückt waren. Die
Szenerie sah eigentlich aus wie immer: Gegenüber dem Tor des
Himmlischen Friedens arbeiteten die Berufsfotografen wieder auf
ihren hölzernen Plattformen, und chinesische Hauptstadtbesucher
warteten geduldig in einer Schlange, um ein Erinnerungsfoto von
sich machen zu lassen. Auf dem Platz standen nur vereinzelt kleine
Gruppen von Männern und Frauen herum. Die Polizeistation lag
inzwischen leer und ausgebrannt da, und vor ihr sammelte sich eine
neugierige Menge. Vor dem Historischen Museum, das ein paar Hundert
Demonstranten tags zuvor hatten stürmen wollen, wurde ein neuer
transportabler Metallzaun errichtet. Soldaten forderten die
Menschen zum Weitergehen auf. Eine junge Frau kam aus dem
Ministerium und sprach beruhigend auf die Menge ein. Als sie
zurückging, wurde der Zaun umgestürzt, aber die Leute wussten nicht
mehr, was sie noch tun sollten. Einige sahen eine Gruppe von
Ausländern und liefen auf sie zu, woraufhin die Ausländer in ihren
Wagen sprangen und vorsichtig durch die Menge auf die Avenue
zurückfuhren. Irgendwann kamen Arbeiter mit einem Kranz und
versuchten vergeblich, ihn am Denkmal festzumachen. Viele Menschen
applaudierten. Auch andere wollten noch Wandzeitungen am Denkmal
anbringen, aber Polizisten in Zivil hinderten sie daran.
Am Morgen des 7. April war der Tiananmen-Platz
schließlich von so vielen Soldaten und Polizisten umgeben, dass
kein normaler Bürger mehr zum Denkmal gelangen konnte. Bald lag der
Platz still und menschenleer da. Eine Frauenbrigade erschien und
begann, das Pflaster zu scheuern. Es sah aus wie eine rituelle
Reinigung.
In den folgenden Wochen versuchten wir
ausländischen Journalisten gemeinsam mit Mitarbeitern der
Botschaften, unsere Informationen und Eindrücke zu sammeln und
auszutauschen. So viel schien uns klar: Dies war ein Protest gegen
jene Parteiführer gewesen, die mit den Waffen der Kulturrevolution
den innerparteilichen Konflikt für sich entscheiden wollten. Indem
die Demonstranten den toten Ministerpräsidenten Zhou Enlai als Mann
von Ordnung und Fortschritt ehrten, gaben sie sich als Gegner
weiterer revolutionärer Unruhe zu erkennen. Aber sie hatten sich
nicht durchsetzen können. Nach dem Ende des Protestes war
offenkundig, dass der ehemalige Vizepremier Deng Xiaoping, der
eigentlich als der Nachfolger Zhou Enlais gegolten hatte, den
Machtkampf in der Parteispitze verloren hatte. Tatsächlich musste
er nach den Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz alle seine Ämter
abgeben. Stattdessen führte der bis dahin wenig bekannte Hua
Guofeng die Regierung. Die radikalen Anhänger von Maos Frau hatten
mit Hilfe der Armee gewonnen und agitierten von nun an gegen den
Vorrang der wirtschaftlichen Modernisierung und für die
revolutionäre Umgestaltung. Peking lag wieder da, als sei nichts
geschehen.
Doch dann erschütterten am 28. Juli 1976
Erdstöße die Häuser in der Pekinger Innenstadt. An der Fassade der
Großen Halle des Volkes zogen sich auf beiden Seiten des riesigen
Mao-Porträts zwei breite Risse vom Boden bis zum Dach. Während die
Pekinger rätselten, ob dies ein Zeichen sei und was es bedeuten
könnte, bestätigten neue Gerüchte über das Erdbeben die schlimmsten
Befürchtungen. Bald sprach sich herum, dass 160 Kilometer von
Peking entfernt eines der größten Erdbeben des modernen China die
Industriestadt Tangshan regelrecht vernichtet hatte. 700 000
Menschen seien getötet worden, hieß es. Gleichzeitig ließen die
widersprüchlichen Reaktionen der Parteiführung auf die Katastrophe
erkennen, dass der Konflikt zwischen den beiden verfeindeten Lagern
erneut auf einen Höhepunkt zusteuerte. Zunächst hatten die Anhänger
Jiang Qings ein Komitee gegründet, dessen Zweck »die Bekämpfung des
Erdbebens und die Dezentralisation der Bevölkerung« sein sollte.
Die Wortwahl beunruhigte die Pekinger. Viele von ihnen hatten in
der kaum zerstörten Stadt ihre Wohnungen verlassen und in Tausende
von Zelten ziehen müssen. Nun fürchteten sie, die Radikalen könnten
dem Beispiel der von Jiang Qing oft gelobten Regierung von
Kambodscha folgen, welche die Bevölkerung der Hauptstadt auf
Provinzstädte und Landgebiete verteilt hatte. Dann änderten sich
plötzlich die Signale. Armeelastwagen mit Baumaterial rollten nach
Peking, und Soldaten reparierten beschädigte Häuser. Im Fernsehen
und in den Zeitungen tauchten Maos Frau und die Vertreter der
Radikalen nicht mehr auf, und man sah nun stattdessen den neuen
Ministerpräsidenten, der den Überlebenden von Tangshan den
Wiederaufbau ihrer Stadt versprach. Hua Guofeng hatte sich offenbar
von den Radikalen abgesetzt, und die Chinesen verstanden, dass er
Maos Nachfolger und damit der neue Führer des Landes werden
könnte.
Am 9. September 1976, um 15 Uhr, kündigten die chinesischen
Rundfunk- und Fernsehanstalten eine wichtige Verlautbarung an, die
eine Stunde später folgen werde. Eine ähnliche Mitteilung hatte es
acht Monate zuvor gegeben, als der Tod des Ministerpräsidenten Zhou
gemeldet worden war. So bildeten sich auf den Straßen von Peking
stille Gruppen von Menschen an den öffentlichen Lautsprechern und
um junge Männer herum, die ein Transistorradio hatten. Auf dem
Tiananmen-Platz hatten die Besucher vom Lande noch vor den
Fotografen Schlange gestanden, nun stellten sie sich im großen
Halbkreis gegenüber dem Fahnenmast auf. Punkt 16 Uhr setzten
Soldaten die chinesische Flagge auf halbmast. Die Soldaten standen
mit gebeugtem Kopf da, einige von ihnen weinten. Alte Männer
verneigten sich unter dem großen Porträt des Vorsitzenden Mao nach
traditioneller chinesischer Art, junge Mädchen hockten schluchzend
neben ihren Fahrrädern. Die Wachsoldaten holten schwarze Armbinden
aus ihren Taschen, als die Nachricht vom Tod Maos über die
Lautsprecher kam. Innerhalb von Stunden verwandelte sich Peking in
eine Stadt mit Trauerarmbinden und mit Papierblumen in Weiß, der
traditionellen chinesischen Trauerfarbe. Andererseits gab es bald
nur noch wenig sichtbare Schmerzausbrüche und nur wenige Menschen,
die auf der Straße weinten. Die Stimmung in der Stadt war düster
und irgendwie unheimlich – es schien, als versuche die Führung
bewusst, den Ausdruck allzu starker Emotionen zu verhindern.
Der offizielle Nachruf in den Zeitungen las
sich trocken wie ein parteipolitisches Schulungsdokument. Zwar
wurde Mao der größte Marxist der Gegenwart genannt, dennoch
vermittelte nichts das Gefühl eines so starken Verlustes, wie es
seiner historischen Bedeutung eigentlich gebührt hätte. Mao war ein
Meister des Wortes gewesen und hatte politische Ziele sogar in den
Metaphern der klassischen Dichtung ausdrücken können. Die dürren
und kühl berechneten Nachrufe dagegen ließen erkennen, dass die
verfeindeten Führer seinen Tod in erster Linie als Waffe in ihrem
Machtkampf nutzten. So gab es im Fernsehen zunächst nur Bilder ohne
Ton, die eine rituelle, disziplinierte und unemotionale Trauer
zeigten. Erst einige Tage später konnte man bei Wiederholungen im
Fernsehen auch das Schluchzen von Trauernden hören und sah Bilder
von weinenden Menschen, die den Glaskasten zu berühren versuchten,
in dem der Tote lag. Für mich war der Pressetermin, bei dem wir
Journalisten an dem Sarg vorbeigeführt wurden, das erste Mal, dass
ich Mao aus der Nähe sah. Unter meinen Kollegen kam es dabei zu
einem Streit: Ein sowjetischer Journalist bemerkte, Mao sehe schon
jetzt nicht mehr so gut aus, und ein Jugoslawe entgegnete, in
Moskau hätten sie ja auch schon den dritten Lenin im Mausoleum.
Wenn Chinesen in geordneten Reihen durch die Trauerhallen ihrer
Fabriken gingen, wo Maos Porträt inmitten von Kränzen stand, wurde
geweint und geschluchzt, aber wenn sich die Menge danach auf der
Straße auflöste, schwatzten die Menschen wieder miteinander, als
sei dieser eine Gefühlsausbruch erst mal genug. Am Tag der
offiziellen Trauerfeier marschierte eine halbe Million Menschen auf
den Platz des Himmlischen Friedens. Alle Gruppierungen warteten
stundenlang auf den Stellen, die für sie auf dem Pflaster markiert
worden waren. Die Fernsehübertragung begann um 15 Uhr mit der
Verlesung des Nachrufs. Um 15.31 Uhr zeigte das Fernsehen als
Schlussbilder der Trauerfeier, wie die Partei- und Staatsführung
die Tribüne verließ. Neunhundert Millionen Chinesen hatten die
Köpfe gebeugt und sich an den toten Vorsitzenden erinnert. Aber nur
eine Stunde später waren sie schon wieder an ihren Arbeitsplätzen
oder drängten zum Einkaufen in die Läden, in denen es keineswegs
stiller zuging als sonst.
Ich schrieb einen langen Artikel über Maos
Bedeutung für China, über die Trauerkundgebungen der Millionen, das
seltsam verhaltene Auftreten der Führungsgruppe und die Nachrufe,
die, so fand ich, in ihrer formellen Nüchternheit der Person Maos
und seiner geschichtlichen Rolle nicht gerecht wurden. Es sei zu
erkennen, dass die Erben sich nicht darüber einigen könnten, was
Mao ihnen hinterlassen habe: den Aufruf zu einer neuen
Kulturrevolution oder die Aufforderung zum Aufbau eines moderneren
China. Mein Artikel, in dem ich auch Spekulationen über die Zukunft
nach Maos Tod streifte, war ungefähr eine Zeitungsseite lang. Ich
übergab ihn den Beamtinnen im Zentralen Telegrafenamt zur
Übermittlung an die Welt-Redaktion in
Deutschland. Normalerweise kamen Fernschreiben auf diesem Weg nach
zwei Stunden unzensiert und unverändert in Hamburg an. Dieser
Artikel hingegen hatte die Redaktion auch am nächsten und
übernächsten Tag noch nicht erreicht. Ich sprach bei der
Presseabteilung des Außenministeriums vor, um wegen der Verzögerung
nachzufragen. Die stellvertretende Leiterin, die mir sonst stets so
etwas wie Sympathie entgegengebracht hatte, war ziemlich kurz
angebunden. Wenn man einen so langen Text versende, dann müsse man
schon damit rechnen, dass die Übermittlung lange dauern werde. Ich
dankte für diese Auskunft, verabschiedete mich und ging zur Tür.
Sie folgte mir und sagte noch: »Dieser lange Artikel war nicht
korrekt.« Und dann etwas leiser: »Aber intelligent. Auf
Wiedersehen.« Es war, wie ich später fand, das größte Kompliment,
das ich je in Peking bekommen hatte.
Der Artikel traf schließlich doch nach drei
Tagen in Hamburg ein. Da war die Stimmung in Peking freilich schon
umgeschlagen. Ein chinesischer Kollege, der uns Ausländer sonst
links liegenließ, sagte lächelnd zu mir: »Ich bin so glücklich.
Jetzt weiß ich, dass in China alles gut sein wird.« Ich hatte zuvor
öfter schon das Gefühl gehabt, dass ihm die radikale Politik von
Jiang Qing nicht gefiel, und versuchte zu raten: »Ist Madame etwas
zugestoßen?« Der chinesische Kollege lachte. »Bald werden Sie
wissen, warum ich glücklich bin. Ich weiß jetzt, dass China ein
großes modernes Land werden wird.« Zwei Tage darauf klebte eine
große Wandzeitung an einem Bekleidungsgeschäft in der Straße des
Östlichen Lichts und verkündete, die Partei habe die Herausgabe der
Werke Mao Tsetungs an den Ministerpräsidenten Hua übertragen. Am
Abend war die Wandzeitung wieder abgerissen. Also suchte ich mit
einem australischen Kollegen in dunklen Seitenstraßen und auf
Hinterhöfen mit der Taschenlampe nach weiteren Plakaten, und
tatsächlich fanden wir nun überall den gleichen Text, der Hua
Guofeng als Erben Maos zu benennen schien. Damit war klar, dass
Jiang Qing und die Radikalen den Kampf endgültig verloren hatten.
Tatsächlich wurden sie und ihre drei engsten Verbündeten nun als
die »Viererbande« geächtet und saßen bereits einen Monat nach Maos
Tod im Gefängnis.
Mein Korrespondentenvertrag war abgelaufen und
die Abreise aus China stand unmittelbar bevor. Angesichts der sich
abzeichnenden politischen Veränderungen fragte ich bei der
Presseabteilung im Außenministerium vorsichtig nach, ob es nicht
klüger sei, in Peking zu bleiben und genauer über die Ereignisse
der letzten Wochen zu berichten. »Nein«, sagte man mir, »jetzt ist
alles geregelt, und um zu verstehen, was geschehen ist, würden Sie
viele Monate brauchen.«