Problem: Wolfshybriden

Wölfe sind wild lebende, hoch soziale Beutegreifer, die an ein Gruppenleben in unterschiedlichen Habitaten angepasst sind. Sie sind Menschen gegenüber scheu und schreckhaft. Vor etwa 60.000 Jahren haben wir begonnen, sie zu uns ins Haus zu holen – als Hunde. Wir haben sie selektiv gezüchtet und unseren Bedürfnissen und Ansprüchen angepasst. Warum um alles in der Welt würde ein vernünftig denkender Mensch auf die Idee kommen wollen, diesen Schritt zurückzugehen, bloß, weil ihn Wölfe so faszinieren? Würden Sie sich ein Löwenbaby ins Haus holen in der Annahme, dass es sich als ausgewachsener Pascha noch wie eine Miezekatze verhält? Dennoch gibt es einen Trend, sich einen Wolf oder einen Wolfsmischling im Haus halten zu wollen. Abgesehen davon, dass die Haltung verboten ist und unvorhersehbare Gefahren birgt, so ist der Besitz und der Handel mit diesen Tieren eine traurige weitere Ausbeutung des Wildtieres Wolf.

»Hybriden« sind die Nachkommen von zwei Tieren (oder Pflanzen) verschiedener Spezies, Subspezies oder Varianten davon. Wolfshybriden sind Kreuzungen zwischen Wolf und Haushund. (Man unterscheidet heute nicht mehr zwischen dem Begriff Wolf-Hund-Mischling oder Hybriden.) Nachzuchtgenerationen werden als N1 oder N2 gekennzeichnet.

In der Natur verpaaren sich Wölfe und Hunde nur in extremen Ausnahmesituation, beispielsweise in der Hochranz und wenn kein anderer (wölfischer) Partner zu finden ist. Warum Menschen bewusst »Gott spielen« und derartige Kreaturen schaffen, mag dahingestellt bleiben. Mit Tierliebe hat es wenig zu tun, denn diese Tiere sind weder Fisch noch Fleisch und leiden ein Leben lang, da ihre Lebensbedingungen auch nicht im Entferntesten an ein artgerechtes Umfeld herankommen.

Genetisch sind Hunde auf ein Zusammenleben mit Menschen geprägt, Hybriden nicht. Ihr Verhalten ist nicht berechenbar oder vorhersehbar. Das äußere Erscheinungsbild hat damit nichts zu tun. Hybriden, die wie Hunde aussehen, müssen sich nicht so verhalten. Werden Wölfe in Haushundepopulationen eingekreuzt, erhalten wir Kaniden mit einem Verhalten, das sich weder in freier Wildbahn in Anpassung an die dortigen Begebenheiten bewährt und daher durchgesetzt hat, noch durch verantwortungsvolle Zuchtauslese gewachsen ist. Die Biologin Dorit Feddersen-Petersen, die am Institut für Haustierkunde in Kiel selbst jahrelang Pudel-Wolf-Mischlinge (Puwos) erforscht hat, bringt es auf den Punkt: »Hybridenzucht ist ethisch nicht vertretbar und bedeutet einen derben Rückschritt für jede Haushundezucht.«

 

Wie gefährlich sind Wolfshybriden?

Da wie bereits erwähnt, das Verhalten von Hybriden weder am äußeren Erscheinungsbild noch am genetischen Erbe auch nur halbwegs vorhersehbar ist, lässt sich auch keine Prognose stellen, wie ein individuelles Tier auf eine bestimmte Situation reagiert. Einige Verhaltensweisen sind jedoch typisch für die Wolfsmischlinge:

 

Scheu

Hybriden haben eine ausgeprägte Scheu vor allem Unbekannten, was sie unter extremen Stress setzt. Wildtiere müssen vorsichtig sein, um rechtzeitig auf Gefahren zu reagieren oder sie zu meiden. Sie haben eine angeborene Fluchtdistanz. Diese wird durch den Prozess der Sozialisation herausgezüchtet. Hunde sind also dem Menschen gegenüber deutlich weniger scheu als Wölfe. Das Verhalten der von Feddersen-Petersen gezüchteten Puwos hatte eine riesige Variabilität: Mit einigen konnten die Forscher spielen, andere ließen sich gerade noch streicheln und wieder andere ließen niemanden an sich heran.

 

Mangelnde Bindung zum Menschen / Trennungsangst

Um Vertrauen in den Menschen zu entwickel und ein normales soziales Leben mit ihm zu führen, ist Sozialisation notwendig. Diese ist domestikationsbedingt. Einzelne Hybriden können schnell sozialisierbar sein, aber ebenso schnell wieder umschlagen.

Aufgrund einer unsicheren Bindung zu ihrem Menschen leiden besonders viele junge Hybriden unter starken Trennungsängsten, was sich in Zerstörungswut und anderem problematischen Verhalten ausdrücken kann.

 

Territorialität

Hier beginnt es, für den Menschen (und andere Hunde) problematisch zu werden. Hybriden sind wesentlich territorialer als unsere Haushunde und greifen schneller Rudelfremde an – auch außerhalb ihres heimatlichen Reviers. Ihr evolutionsbedingtes Verhalten sieht das Leben in einer Gruppe vor, Außenstehende werden angegriffen. Dies gilt besonders für fremde Hunde, die auch getötet werden können.

 

Sozialverhalten / Rangordnung

Die meisten Hybriden ordnen sich Menschen nicht dauerhaft unter. Ihre Ausdrucksformen sind anders als die von Hunden. Menschen, die sich nicht im Verhalten von Wölfen gut auskennen, sind hier völlig überfordert, weil sie vom Verhalten eines Hundes ausgehen und entsprechend reagieren.

Richtig gefährlich wird es mit der Geschlechtsreife der Tiere (im Alter von zwei bis drei Jahren). Dann können sie Menschen gegenüber sehr aggressiv werden. Von 1982 bis 2010 wurden in den USA 19 Menschen von Hybriden getötet und 82 verletzt, die meisten davon Kinder. Damit steht der Hybride an vierter Stelle in der Beißstatistik nach Pitbull, Rottweiler und Husky. (In Deutschland gibt es keine Statistik, da die Haltung von Wolfsmischlingen wegen der besonderen Haltungsbedingungen meist im Untergrund beziehungsweise in der Illegalität stattfindet.)

Immer wieder berichten Hybridenhalter, dass sie nach der Geschlechtsreife von ihren Tieren aggressiv »herausgefordert« wurden. Besonders problematisch wird es, wenn Kinder im Haushalt sind. Die meisten tödlichen Beißunfälle geschehen bei Kleinkindern, die durch Schreien, Hinfallen und unkontrollierte Bewegungen den »Beutereflex« des Hybriden ausgelöst haben. Sie bewegten sich wie verletzte Beutetiere.

Die Geschichte der schweren und tödlichen Angriffe von Hybriden auf Kindern begann in den USA 1981 in Michigan, als der zweijährige Eric Turner als erstes Kind von einem Wolfsmischling getötet wurde. Das an einer Kette gehaltene Tier spielte mit Eric, dem Sohn von Freunden des Besitzers. Die Mutter hatte keine Bedenken. Die beiden hatten schon öfter miteinander gespielt. Kurze Zeit später sah sie, wie der Mischling etwas schüttelte. Er hatte ihrem Kind die Kehle durchgebissen. Das (vorerst) letzte Kind wurde im April 2003 in Boise, Idaho, von einem Hybriden getötet. Der 13 Monate alte Andre Angel Thomas wurde über 100 Mal gebissen und starb, als das Tier seine Schlagader zerriss. Der Junge hatte auf der Couch geschlafen und wurde erst gegen Morgen entdeckt. Die Mutter des Kindes hatte mit dem Besitzer des Wolf-Malamute-Mischlings die ganze Nacht hindurch getrunken und von dem Angriff nichts gemerkt.

Natürlich werden unzählige Kinder jährlich von ganz normalen Haushunden gebissen und einige von ihnen auch getötet. Dennoch ist es gerade die Mischung aus Hund und Wolf, die diese Tiere so gefährlich macht. Denn die Beißkraft eines Wolfes ist deutlich stärker als die eines Hundes und seine Reaktionen sehr viel schneller und unberechenbarer.

Jetzt werden zahlreiche Hybridenbesitzer behaupten, dass ihre Tiere wunderbar sind und keiner Fliege was zuleide tun. Ja, es mag Ausnahmen geben. Dennoch eignen sich Wölfe und Hybriden grundsätzlich NICHT als Haustiere. Die Verhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen bezeichnet sie als »Kunstprodukt« des Menschen und rät dringend von der Haltung ab: »Ein Verbot dieser Züchtungen ohne vernünftigen Grund ist überfällig: aus Tierschutzgründen und aus Gründen des Menschenschutzes.«

 

Gefahr: ausgesetzte Hybriden

Eine unbekannte Anzahl von Wolfshybriden wird jährlich in die Freiheit entlassen, weil die Besitzer mit ihnen nicht mehr klarkommen. Von diesen Tieren geht eine sehr viel größere Gefahr für den Menschen aus als von wilden Wölfen. Sie haben nie gelernt, selbstständig zu überleben, fürchten den Menschen weniger und sind in ihrem Verhalten sehr viel schwerer einzuschätzen. Äußerlich ähneln sie oft einem wilden Wolf. Zu beurteilen, ob es sich bei einem solchen Tier um einen »harmlosen«, neugierigen, wilden Wolf oder um einen Wolfsmischling handelt, ist schon für den Fachmann äußerst schwer und für den Laien völlig unmöglich. Bedauerlicherweise werden aber viele Vorfälle mit einem Wolfsmischling als »Wolfsangriff« klassifiziert und so sehr viel Aufklärungsarbeit zunichte gemacht.

In Sachsen paarte sich 2003 in Ermangelung eines geeigneten Geschlechtspartners (alle Wölfe im Gebiet waren mit ihr verwandt) eine Wölfin des Muskauer-Heide-Rudels mit einem Haushund und zog Hybridenwelpen auf. Von den anfänglich neun Welpen überlebten vier bis zum Winter 2003/2004. Zwei von ihnen wurden im Januar 2004 eingefangen und in einem Gehege untergebracht. Keines der Tiere überlebte die Gefangenschaft. Die anderen beiden Jungwölfe sind verschwunden und vermutlich tot.

Ein ausgesetzter Hybride oder ein ausgebrochener Zoowolf stellen auch eine Gefahr für den Bestand von wilden Wolfspopulationen dar, die durch Hundegene möglicherweise ihren Artenschutz verlieren könnten.

 

Gesetzeslage: Haltung von Wolfshybriden

Da sie unter Artenschutz stehen, wird die Haltung von Wölfen durch staatliche Behörden reguliert. Hierzu gehören nach dem Gesetz auch Hybriden. Für den gesetzlichen Schutz eines solchen Tieres ist es ausreichend, wenn ein Elternteil nach Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (WA) geschützt ist.

Nach deutschem Recht handelt es sich hierbei um besonders geschützte Tierarten im Sinne des § 20 e Bundesnaturschutzgesetz. Dabei ist der Anteil des Wolfsmischlings unbedeutend, da jeder Hybride ein »geschütztes Exemplar« darstellt. Laut Bundesamt für Naturschutz gilt der Hybride auch bei geringer werdendem Wolfsanteil nicht als »domestiziert«, da eine Domestikation erst über Hunderte von Generationen erreicht wird. Dementsprechend sind vom deutschen Gesetzgeber strenge Richtlinien erlassen worden. So braucht man für den Transport und den Verkauf von Hybriden ein Nachweisdokument in Form einer CITES-Bescheinigung. Die Haltung eines Mischlings muss gemäß § 10 Abs. 2 Bundesartenschutzverordnung gegenüber der zuständigen Landesbehörde angezeigt werden. Es werden strenge Auflagen gestellt, wie zum Beispiel größerer Raumbedarf, besondere Gehegeeinrichtungen, Ernährung etc.

Zuständig für die Überwachung ist die Untere Naturschutzbehörde, also jeder Landkreis. Das bedeutet, dass der jeweilige Amtsveterinär eines Landkreises über die Hybridenhaltung entscheidet. Wenn er es für nötig hält, kann er mit seinen Anforderungen an die Haltung auch weit über die Mindestanforderungen hinausgehen.

Nicht unter diese Schutzbestimmung fallen Hybriden ab der fünften Nachzuchtgeneration. Hierzu gehören auch die anerkannten Hunderassen wie Saarloos Wolfhund und Tschechoslowakischer Wolfhund, die beide – nach übereinstimmender Auffassung von Experten – nur in die Hände von (wolfs-)erfahrenen Besitzern kommen sollten.