Ein Traum von Orient an Englands Küste
Brighton und sein Royal Pavilion
Brighton glänzt türkis und weiß in frischen Farben, und der Delphin, das Wappentier des Ortes, tummelt sich im Stadtbild frohgemut und frisch lackiert. Wenn sich Margaret Thatchers Verehrer je nach einem Denkmal ihrer Amtszeit sehnen sollten: Brighton wäre dafür wie geschaffen. Mochten in den Achtzigern auch die Probleme auf der Insel immer größer werden, mochte auch das morsche innere Gerüst der britischen Gesellschaft schon bedenklich knarren: Draußen wuchsen die Gerüste für den Boom. Und vor allem wuchsen sie in Brighton: Die ganze Küstenpromenade auf und ab, vom Kingsway zum Marina Drive, legten die Fassaden Optimismus auf. Jetzt strahlen die Gesamtkunstwerke der terraces und crescents mit den auf Wirkung angelegten Fronten wieder wie zur Zeit des Regency zu Anfang des 18. Jahrhunderts. Und ins nächste ging Englands Seebad Nummer eins nun immerhin geliftet.
Natürlich sind die Kleinen-Leute-Viertel mit den handtuchschmalen Reihenhäusern auf den Hügeln um den alten Viadukt der Eisenbahn noch da, verschwunden sind nur häufig die Bewohner: Ungezählt hängt an den Erkerfenstern die Parole rot und weiß: »For Sale«. Doch seit sich die A 27 als Stadtumgehung in die grünen Kreidehügel eingeschnitten hat, muss da niemand länger durch.
So ist die Stadt denn heute mehr denn je, was sie schon immer war: Londons Lunge – oder einfacher »London-on-Sea«. Bistros, Boutiquen und Designerläden hier wie dort, die großen Warenhäuser sind die gleichen wie an Londons Oxford Street, die roten Busse ebenso, und auch der trouble mit den Drogen ist derselbe, wenn er an der Schmugglerküste nicht noch größer ist.
Als Denkmal hätte Maggie Thatcher Brighton allerdings zu teilen mit dem, der »Everybody’s Town« den Briten einmal an ihr Herz gelegt und den ein Kritiker trotz allem doch wie folgt beschrieben hat: »Ein Libertin, der bis über beide Ohren in Schuld und Schande verstrickt ist, ein Mann, dem familiäre Verantwortung ein Gräuel ist, ein Kumpan der Demimonde, ein Mann, der über ein halbes Jahrhundert gelebt hat, ohne seinem Volk auch nur ein einziges Mal Anlass zur Dankbarkeit gegeben zu haben, ein Mann, der keinen einzigen Grund hat, den Respekt der Nachwelt einklagen zu wollen.«
Gemeint war immerhin ein König, George IV., als Thronfolger und Prinzregent ein fetter Prasser und flagranter Schuldenmacher, der erst mit siebenundfünfzig Jahren den Thron des Vaters wirklich übernahm. Nicht auszumalen, nebenbei, was aus »Prinny«, wie ihn seine Freunde im Milieu stets nannten, wohl geworden wäre, wenn es damals schon die Sun und überhaupt die ganze yellow press gegeben hätte, die sich heute mit Charles, Camilla oder Fergie zu begnügen hat.
Und doch: Im Teesalon des Royal Pavilion, jener unvergleichlichen baulichen Bizarrerie im Herzen der Stadt, hängt die Wiedergutmachung als allegorisches Gemälde an der Wand: Ein wohlgenährter Herr mit Römerkopf, Flügeln auf dem Rücken und Hosenbandorden am Po, beugt sich hinab zu einer hingestreckten bloßen Schönen, darunter klein der Hinweis: »Allegory. H. R. H. The Prince Regent awakening the Spirit of Brighton.« – Das ist, wenn auch nicht ernst gemeint, doch eine köstlich-königliche Pointe: Der Prinz als Putte, der den Geist von Brighton aus dem Schlummer holt. Es war der letzte Spaß des Engländers Rex Whistler, sein letztes Bild. Er fiel bei der Landung in der Normandie im Juni 1944.
Der Prinz of Wales war bald nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag, 1783, zum ersten Mal hierhergekommen. Da hatte Brighton auch schon einen Namen, wenn auch einen anderen: Brighthelmstone hieß das Fischernest, wurde auch mit diesem Namenswort als »Brighton« ausgesprochen und stand als Seebad schon dreißig Jahre in gutem Ruf. 1750 hatte Richard Russell, ein Doktor aus dem nahen Lewes, ein Loblied auf das segensreiche Meerwasser geschrieben, anfangs auf Latein, für die Kollegen. Wenig später folgte eine populäre Übersetzung (»Dissertation Concerning the Use of Sea Water in Diseases of the Glands«), und bald darauf zog Russell seiner eigenen Empfehlung hinterher, um an der See die Früchte seiner Arbeit selbst zu ernten. Seit 1755 füllte man »Brighthelmstone Water« auch in Flaschen und verkaufte es nach London.
Brighton wurde Englands erster großer Badeort. Das unvertraute Schwimmen überließ man lieber noch den Fischen, doch in fahrbaren bathing machines gab man sich im Flachen bald der Kunst, Erfahrung und Verschwiegenheit des bathers oder dippers hin: zum Besten der Gesundheit – und alles in »a proper distance from the shore«, wie ein Reiseführer von 1794 nebenbei bemerkt.
Das freilich tat man auch in Weymouth, Margate oder Worthing. Zu Brighton wurde Brighthelmstone erst durch seinen Prinzen. Der sah sich schon bei seinem zweiten Aufenthalt im Juli 1784 nach einer Bleibe um und wohnte bald im Marlborough House »on the steyne«, dem Dorfanger von einst, der noch heute als »Old Steine« das quirlige Zentrum der Stadt ist.
1784 war er noch von London im Galopp hierhergeritten – und gleich darauf zurück: beides in zehn Stunden. Gehorsam überlieferte die Presse seine Eskapaden: »On Monday, June 27, His Royal Highness amused himself on the Steyne for some time …« Ihm war an diesem Tag nach Taubenjagd, so schreibt die Zeitung weiter, »but with what result we have not heard«. Sicher wusste die Presse nur, dass His Royal Highness eine Reihe Schornsteine am Haus des Ehrenwerten Mister Windham demolierte.
Der Prinz war so vernarrt in seine Sommerfrische, dass er sich in seinem Schlafzimmer mit Spiegeln noch vom Treiben auf der Straße überzeugen wollte. Dafür zeigte man sich draußen interessiert an seinem Schlafzimmer: 1785 ging er heimlich eine skandalöse Ehe ein mit einer jungen Katholikin und zweifachen Witwe, Mrs. Mary Fitzherbert, zehn Jahre später heiratete er abermals, diesmal standesgemäß die Cousine, und unvergessen ist sein Wort, als er sie erstmals sah: »I am not well, pray get me a glass of brandy.« Auch die Hochzeit stand er nur im Alkoholrausch durch; sie brachte ihm Erleichterung von seinen Schulden, die sich auf sechshunderttausend Pfund Sterling beliefen, ehe er sich bald darauf als Vater einer Tochter wiederum vom Ehejoch befreite und nach allerlei Affären Mrs. Fitzherbert aufs Neue zu sich nahm.
Seit 1787 hatte George ein Haus in Brighton: Marine Pavilion, den schnörkellosen Vorgänger des späteren Palastes. Der vermochte auch nach Erweiterungen nicht mehr lange, ihm zu genügen – zumal seit 1804 die Royal Stables und die Riding School des Baumeisters William Porden ein neues Zeichen gesetzt hatten: Indien war angesagt als neuer Traum vom Lebensraum. England war in jenen Jahren abgeriegelt von Napoleon, die Tradition der »Continental Tour« des Adels unterbrochen, jetzt kam man selten weiter als bis Brighton, das damals wegen seiner guten Postkutschenverbindung mit der Hauptstadt Englands Hauptfährhafen war. Und eben hier, zur selben Zeit, da Coleridge im Rausch den Orient beschwor, entstand nach Plänen von Repton und Nash das Lust- und Luftschloss des Prinzregenten. Es wurde die Geburt der Chinoiserie aus dem Zeitgeist der Klaustrophobie, standesgemäß, aber teuer.
Nur weil sein Vater schon in geistiger Umnachtung lebte, fand der vierte George als Prinzregent den Zugang zu den Mitteln, dass am Ende auch der Dichter Byron reimte: »Shut up – no, not the King but the Pavilion,/ Or else twill cost us all another million«. George saß schon auf dem Königsthron, als seine Fliehburg schließlich fertig war, so heißt sie noch heute The Royal Pavilion, und sieht auch heute noch so aus wie bei der Fertigstellung 1822 – in manchem wie das Schloss von Kubla Khan in Xanadu aus Coleridges Gedicht: »The shadow of the dome of pleasure/ Floated midway on the waves«. Zwar grünt in Brighton alles rings um den Palast, doch ein kleines Becken zwischen den Rabatten macht es möglich: Wenn man sich nur tief genug hinunterbeugt, sieht man die ganze bengalische Muselmanie mit ihren Schornsteinminaretten und Zwiebeltürmen kopfunter im zitternden Wasser. Der König weinte, als er seinen Traum zum ersten Mal betrat.
Viel Glück war ihm indessen nicht beschieden. Verfettet und von Gicht und Wassersucht geplagt, blieben ihm keine vier Jahre in seinem Maharadscha Pavillon am Ärmelkanal, am 6. März 1827 verbrachte er dort seine letzte Nacht, 1828 stellte man ihm gegenüber noch ein Denkmal auf, 1830 starb er auf Windsor Castle. Sein Bruder, der ihm als William IV. auf den Thron folgte, da die Tochter schon zuvor gestorben war, hatte andere Vergnügungen im Sinn als Brighton. Nur die gusseisernen Sockel der Straßenlaternen rund um den Palast erinnern heute noch an ihn mit ihren Initialen: WR IV. Dafür steht Victoria verdrossen auf dem Denkmalsockel jenseits der Straße im Grün der Victoria Gardens. Sie zeigte nur wenig Geduld mit dem goldenen Käfig des Onkels, 1845 hatte sie genug vom »Pöbel, der bis in die Gemächer stiert und den ganzen Ort in ein Gefängnis verwandelt« und reiste fortan auf die Isle of Wight. 1850 ging der ramponierte Palast für eben mal ein Zehntel seines Preises an die Stadt: fünfzigtausend Pfund. Und auch dabei nur mit einer Stimme Mehrheit, wie es heißt.
Mochte »Prinny« auch ein Makel für die englische Geschichte sein: Für Brighton brachte er den Durchbruch. In den etwa vierzig Jahren seines Wirkens oder Wirbelns wuchs die Stadt von dreitausendsechshundert Einwohnern (1780) auf 21.429 (1821). Heute hat sie, vereint mit dem Nachbarort Hove, rund eine Viertelmillion, doch immer noch dasselbe Herzstück: den spleenigen Serail des Prinzregenten. Nach einer Brandstiftung im Jahre 1975 war er gerade wiederhergestellt, als der Jahrhundertorkan vom 16. Oktober 1987 eines der Minarette durch das Dach warf und für neuen ungeahnten Schaden sorgte. Noch einmal waren mehr als tausendundein Arbeitstag vonnöten, um den Traum von tausendundeiner Nacht abermals zum Leben zu erwecken.
Drinnen schreiben wir den 15. Januar 1817: So steht es auf der Speisekarte in der Küche. Schweinehälften hängen an der Wand, Geflügel steckt am Spieß, Fasane, Gänse, Schwäne liegen da, bereit, gerupft zu werden, auch die Pfannen, Töpfe und Tiegel für die sechsunddreißig Vorspeisen stehen griffbereit. Nebenan im Bankettsaal ist schon der Tisch gedeckt, hier ragt eine üppige Bananenstaude, halb nur gemalt und halb aus Kupfer getrieben, hinauf in die Kuppel des gläsernen Himmels; ein Drache, der die Lüster und die Blütenampeln hält, Schnitzereien, Vorhänge und Wandverkleidungen und zweiundzwanzigtausend glitzernde Kristalle komplettieren diese Dschungelfantasie. Hier ist Natur zu Farbe und zu Eisenguss erstarrt – vom Krokodilsfuß im Salon bis hin zum Blätterwald im Korridor und von der Palme bis zum Bambus der Geländer. Das ganze morgenländische Palais liegt im Dornröschenschlaf, sogar die Kerzenflammen scheinen wie im Schlummer: Sie leuchten, doch sie flackern nicht. Ein profitabler Hang zur Chinoiserie beherrscht sogar den Souvenirshop ganz am Ende der Visite: Die Zwiebeltürme sind jetzt Pfeffermühlen; und häufig trägt der königliche Kitsch den Nachweis »Made in Hongkong«.
Das Jahr von Georges Abschied war das Wendejahr für Brighton. Als sich der gönnerhafte Genius der Stadt aus dem gewachsenen Gewühl zurückzog, 1827, rückten seine Untertanen nach und richteten sich trefflich ein. 1827 schrieb Fürst Pückler auf der Reise lobend seiner Frau, dass die Stadt »mit ihren breiten Straßen den neuesten Quartieren Londons ähnlich« sei. John Constable, der Maler, vermisste um dieselbe Zeit schon Brightons eigentümliche Motive: »The beach is only Piccadilly by the seaside.« Und sah zuletzt, so höhnte ein Satiriker, nicht auch der Königliche Pavillon so aus, als hätte die berühmte Kuppel von St. Paul’s am Meer bloß einen Haufen Junge geheckt?
Im September 1841 kam die Eisenbahn von London, Brighton wurde vollends, was es schon im Vers von 1813 war, »The Queen of Watering Places«, auf einem Tagesausflug zu erreichen, am Wochenende sowieso: Der schwüle Dunst der vielzitierten dirty weekends gab dem frischen Küstenklima seinen unverwechselbaren Beigeschmack. Und ein Satz aus Thackerays Roman »Die Newcomes« verlieh dem allen um dieselbe Zeit sein Motto: »Kind, cheerful, merry Dr. Brighton«.
Man amüsierte sich auf seinen Piers, von denen nur der älteste, der Chain Pier von 1823, tatsächlich eine Schiffsanlegestelle war; man flanierte wie Fürst Pückler meilenweit am Meer entlang, besuchte das Aquarium von 1872 oder reiste zitternd mit der unerhörten Eisenbahn des Magnus Volk von 1883 längs des Strandes, nach 1896 gar bis an das hübsche Dörfchen Rottingdean heran, das letzte Stück auf über sieben Meter hohen Stelzen durch das Wasser: »Daddy Long Legs« hieß die Linie, sie wurde schon vier Jahre später wieder aufgegeben. Die Gunst des Zufalls hatte Mister Volk indes mit Cleverness genutzt: Seine Bahn trug vorneweg die königlichen Initialen, als führe sie tatsächlich »by Appointment to Her Majesty the Queen«. Indes ein Schuft, wer Schlechtes dabei denkt: Gemeint war nicht »Victoria Regina«, sondern bloß »Volk’s Railway«.
Beharrlich ließ Victoria die Stadt ihr Leben lang links liegen, und doch ist Brighton heute auf den ersten Blick eine viktorianische Erscheinung. 1901, beim Tod der Königin, zählte es schon hundertzwanzigtausend Einwohner. Der Schriftsteller Sir Osbert Sitwell nannte Brighton gar das »Opfer einer viktorianischen Elephantiasis«.
Heute ist hier alles beieinander, postmodern: The Lanes, ein quirliges Gewirr von Gassen, aus dem die Stadt erwachsen ist, wirkt wie ein raffiniert getarntes Shoppingcenter für alles, was das Leben schöner macht; was man für den Alltag eher nötig hat, das gibt es an der Western Road bei Boots und Marks Spencer und McDonald’s. Die terraces und crescents aus der Gründerzeit des Regency liegen in der Stadt verstreut. Und fern im Osten schließt sich die Marina an, Europas größter Hafen, der von Menschenhand angelegt wurde, mit Raum für zweitausend Jachten, ganz neu, ganz teuer und doch noch nicht ganz integriert ins Bild der Stadt. Denn das zeigt lieber längs der Uferpromenade die vielen lieb gewonnenen und wohlverwahrten Victoriana. Da ist das große Metropole Hotel von 1889, noch immer eins der feinsten Häuser in der Stadt, doch lange mit dem Ruf des hässlichsten behaftet, der roten Ziegelsteine wegen: Sein Architekt hieß Alfred Waterhouse, so taufte man ihn kurz entschlossen um der Rache und des Reimes willen »Slaughterhouse«. Daneben gleich das Grand von 1864, wo sich die Diener immer noch im Gehrock und Zylinder um die Fahrzeuge der Gäste kümmern. 1984 richtete die IRA bei einer Konferenz der Tories hier mit einem Bombenattentat ein Blutbad an. Heute strahlt das Grand in neuem Glanz, und der Süden ist true blue wie zu Maggie Thatchers bester Zeit.
Und da sind zuletzt die Piers, auch sie zwei Wahrzeichen der Stadt, die mehr als diese beiden hat, und beide miteinander wohl auch Brightons Sinnbild: Der einstmals elegante West Pier aus dem Jahre 1866, nah am Grand gelegen und für die feineren Vergnügungen bestimmt, ist seit 1975 ruinös und jedem Publikum verschlossen. Dann schlug der Sturm von 1987 das Wrack auch noch in Stücke, und so steht es halb verfallen da, eingehüllt in Stacheldraht und Rost, und warnt mit »Danger!«-Schildern vor sich selber: Alles bloß Vergangenheit auf Stelzen, die auch mit genügend Geld nicht noch einmal in Zukunft zu verwandeln wäre.
Denn die Zukunft sähe wohl so aus wie auf dem Palace Pier die Gegenwart. Als der Chain Pier 1896, ebenfalls im Sturm, zertrümmert wurde, wuchs nebenan schon Brightons dritter Pier. Ein Hauch von billigem Vergnügen und Erfolg gehört zu ihm seit 1899: »Welcome to the World famous Palace Pier«, heißt es über dem Portal: »Admission free«. Drinnen auch am Mittag Dämmerlicht und Automatenlärm, Geschiebe zwischen Monitoren mit Fußball, slot machines und Wechselautomaten. Hier ist Soho-on-Sea, das Reich der »Pinball Wizards« aus dem Song von The Who von 1969: »Ever since I was a young boy/ I played the silver ball,/ from Soho down to Brighton/ I must have played them all …«. Doch typischer noch als die Flipper sind die schillernden Schneewittchensärge, in denen breite Schieber Berge von Zehnpennystücken über eine Kante drücken, dem entgegen, der sie füttert. Alles, was jetzt in den Silberschacht hinunterfiele, käme an den glücklichen Gewinner, aber meistens schiebt es sich nur ineinander, durcheinander, aufeinander, türmt sich hoch und lockt aufs neue.
Dem West Pier hatte Graham Greene noch 1938 ein literarisches Denkmal gesetzt: »Brighton Rock« hieß sein Roman, »Am Abgrund des Lebens« auf Deutsch. Da hatten Ort und Titel gleichermaßen allegorische Bedeutung, denn »Brighton Rock« meint eine steile Kreideklippe vor der Stadt wie jene Sorte dicker, billigbunter Zuckerstangen, die an jedem Kiosk feilgeboten werden: Verführung und Gefahr in einem – wie der Pier. Und ist denn nicht der Palace Pier mit seinem schrillen Angebot ein Sinnbild für die Thatcherzeit: Der Traum vom schnellen Geld auf unsicherem Grund?