Erstes Kapitel

Alexander Jesus Guapa war schwarz wie die Sünde und Mädchen für alles. Es gab nichts, was er nicht besorgen konnte, das Unmöglichste war bei ihm selbstverständlich, und wenn es sein mußte, stahl er alles zusammen, was sein Herr brauchte, und präsentierte es dann mit breitem, glücklichem Lächeln. Aber heute, an diesem feuchtheißen Tag, wo der Urwald dampfte und die Sonne wie ein Ei in fader Milchsuppe schwamm, war selbst er verzweifelt.

»Es ist wie verhext, Señorita!« rief er und rang die Hände. »Das Gepäck ist verladen, das Boot kann fahren, aber wie ich gerade kontrolliere und die Kisten durchzähle, fehlt wieder eine. Die dritte, Señorita! Jetzt ist es die mit dem Küchenzelt. Hier muß jemand sein, der stiehlt wie ein Affe!« Er rollte wild mit den Augen, ballte die Fäuste und stieß einen Laut aus, der wie das Nachgrollen einer Baumtrommel klang.

Dr. Ellen Donhoven lächelte nachsichtig. »Zähl noch einmal nach, Alexander Jesus«, sagte sie. »Am besten bis zehn – dann fängst du wieder von vorne an!«

Guapa wackelte mit der Nase und lief beleidigt zurück zum Landesteg.

Der große tägliche Regen war über Tefé herniedergerauscht, und nun brannte die Sonne wieder über dem wassersatten Land mit seinen riesigen Flüssen und unermeßlichen Wäldern. Tefé ist eine Urwaldstadt am Amazonas, direkt am großen Strom gelegen, neben einem See, aus dem der Rio Tefé in die unbekannte Weite nach Süden fließt. Hier gibt es keine Straßen oder Pfade mehr, keine Siedlungen am Fluß, nicht einmal die elenden Hütten der Orchideenjäger oder Diamantensucher oder die Zelte der Glücksritter, die hinein in den Amazonas-Urwald ziehen und hoffen, auf irgend etwas zu stoßen, das ihr Leben verändert und sie reich werden läßt. Meistens enden sie unter den Giftpfeilen der Indianer, werden von Menschen erschlagen, deren Namen keiner kennt, die noch kein Weißer gesehen hat, zu denen noch kein Missionar gezogen ist und über die man nur durch andere Eingeborene erfährt, daß ihre Sitten grausam sind, ihr Pfeilgift unbedingt tödlich und ihr Haß gegen alle Eindringlinge so grenzenlos ist wie die Wälder und Flüsse.

Das ist das Land südlich des Sees Tefé, das riesige, auf allen Landkarten kahle Stückchen Erde, eine grüne, glühende, dampfende, fieberschwangere, feindliche, verfilzte, faulende, blühende Hölle. Ein Meer wogender Baumgipfel. Flüsse mit Alligatoren und dem Mörderfisch Piranha, lianenüberwucherte Ufer mit Schlangen, Seen und Tümpeln, an denen der Tod in Gestalt riesiger giftiger Spinnen lauert. Eine wirkliche Hölle auf Erden – und doch ein Land, das den Menschen immer wieder anzieht, das ihn hineinlockt in diese grüne Grenzenlosigkeit, erfüllt von dem Drang, seinen Geheimnissen nachzuspüren.

Dr. Ellen Donhoven war ein sportliches, schlankes Mädchen, mit kurzgeschnittenen blonden Haaren und einem schmalen, hübschen, aber energischen Gesicht. Ihre blauen Augen konnten verträumt blicken, aber ebenso plötzlich und unerwartet ganz gefährlich blitzen. Sie saß auf der Veranda des einzigen ›Hotels‹ von Tefé, einem elenden Holzbau mit fünf Zimmern, Eisenbetten und schadhaften Moskitonetzen darüber, hatte die Beine, die in hohen Schnürstiefeln steckten, auf die unterste Latte des Geländers gelegt und die Bluse ihres gelbgrünen Urwaldanzuges am Hals geöffnet.

Neben ihr saß Dr. Rudolf Forster und trank lauwarmes, englisches Büchsenbier.

Dr. Forster hatte eine ausgesprochen männliche Ausstrahlung. Groß, breitschultrig, mit schmalen Hüften, einem markanten, scharfgeschnittenen Gesicht und grauen Augen, war er zehn Tage lang zum Mittelpunkt für alle Frauen und Mädchen von Manaus geworden, seit er vor drei Wochen aus Deutschland herübergekommen war. Ellen hatte ihn auf dem Flugplatz der großen Urwaldstadt empfangen und gleich zur Begrüßung geseufzt: »Rudolf, Sie sind ein schrecklicher Mensch. Nun kommen Sie mir auch noch in den Urwald nach! Was wollen Sie hier?«

»Das wissen Sie, Ellen«, hatte Dr. Forster geantwortet. »Vielleicht bin ich ein unheilbarer Idiot – aber welcher verliebte Mann ist das nicht? Nein, nein, ich will nicht schon wieder anfangen! Keine Angst, Ellen. Kein Wort von Liebe, aber Sie glauben doch wohl nicht, daß ich Sie allein in die Grüne Hölle ziehen lasse? Wenn dieser Irrsinn schon geschehen soll, dann doppelt!«

»Und wer finanziert Ihr Unternehmen?«

»Ihr Vater.« Dr. Forster lächelte. »Ihm ist ein ganzes Gebirge vom Herzen gefallen, als er in mir den Verrückten gefunden hatte, der Sie begleiten will. Ich brauche Ihnen ja nicht zu sagen, wie Ihr Vater über Ihre Pläne denkt.«

»Nein, das weiß ich. Aber ich bin alt genug, und das Leben als reiche Tochter eines noch reicheren Vaters kotzt mich an. Ich bin nicht Ärztin und Bakteriologin geworden, um im Labor der väterlichen Fabrik Glaskolben und Reagenzgläser zu schwingen und Viren unter dem Mikroskop wimmeln zu sehen. Ich habe andere Pläne.«

»Ich weiß.« Dr. Forster hatte dann Ellen untergefaßt, und sie waren zu dem Jeep gegangen, der auf dem Flugfeld wartete. Dort saß Alexander Jesus Guapa am Steuer und grinste breit.

»Wer ist denn das?«

»Meine erste Neuerwerbung. Treu wie ein Hund und geschickt wie ein Fuchs!« Sie war stehengeblieben und hatte die Hände in die Seiten gestemmt: »Ich habe Sie also auf dem Hals?«

»Ja. Der Finanzier will es so. Väterchen ist glücklich, daß ich aufpasse.«

»Das wird eine Mordsarbeit werden, Rudolf.«

»Darüber bin ich mir im klaren. Einen schwarzen Panther zu dressieren ist wahrscheinlich wesentlich leichter. Aber Sie müssen doch einsehen, daß es für ein Mädchen einfach zu schwer ist, in den unbekannten Urwald zu ziehen, bis zu unerforschten Indianern vorzudringen und deren Pfeilgifte zu analysieren!«

»Warum? Sind Frauen etwa weniger mutig als Männer? Genau das Gegenteil will ich beweisen. Ihr Männer regt mich auf mit eurer antiquierten Fürsorge für das ›schwache Geschlecht‹! Wir sind nicht schwach – wir sind genauso zäh und widerstandsfähig wie ihr. Außerdem lassen sich aus diesen noch unbekannten Pfeilgiften bestimmt neue Medikamente destillieren, die vielleicht zu einer Revolution auf dem Gebiet der Arzneimittel führen könnten. Denken Sie nur an das Kurare – auch das war und ist schließlich ein indianisches Pfeilgift. Was aber wäre die heutige Anästhesie ohne dieses Kurare!«

Dr. Forster hatte es damals aufgegeben, Ellen zu widersprechen. Er dachte an die monatelangen Diskussionen in Stuttgart in der Villa des Millionärs Dr. Donhoven, dessen Arzneimittelwerke ›Don-Medical‹ zu den führenden Herstellern von Heilmitteln in Deutschland zählten, an die langen Abende in Ellens Zimmer und schließlich den Ausbruch des alten Donhoven: »Gut, dann fahr zu deinen Indianern! Laß aus dir einen Schrumpfkopf machen! Sie werden ihre Mühe haben bei solch einem Dickschädel! Du bist alt genug … und ich bin ja nur ein verkalkter Greis!« Es waren schreckliche Stunden gewesen, aber Ellen hatte sich durchgesetzt. Das war ihre stärkste Charaktereigenschaft: Was sie wollte, das boxte sie durch.

Nun saßen sie also auf der Veranda der Bruchbude am Ufer des Tefé-Sees, das Expeditionsboot, ein flaches, breites Motorboot, das auch im seichten und versumpften Urwaldwasser fahren konnte, war beladen, die Mannschaft war vollzählig, und nur Alexander Jesus rannte jammernd umher und klagte dem sonnenheißen, dampfenden Himmel sein Leid über die Schlechtigkeit der Menschen.

Die Kiste fehlte wirklich. Er hatte viermal gezählt – das Küchenzelt war gestohlen worden – samt den Töpfen und Pfannen.

***

Am Bootssteg und auf dem Boot war die gesamte Expeditionsmannschaft versammelt.

Da kontrollierte Fernando Paz, ein Brasilianer spanischer Abstammung, noch einmal seine Kisten. Er reiste als Laborant mit, war verantwortlich für die Mikroskope und den ganzen chemischen Betrieb, der mit hinaus in den Urwald schwamm. Ellen hatte Fernando Paz in Rio de Janeiro angeworben aus einem Labor für Arzneimittelforschung. Er war ein kleiner, wieselflinker Mensch mit tiefbraunen Kinderaugen, ein wenig dick, immer lustig und ein gewaltiger Raucher. Man sah ihn nie ohne Zigarette, und es wurde behauptet, daß er sich nachts den Wecker stelle und viermal für eine Zigarettenlänge Pause vom Schlaf mache.

Am Ufer saß auf einem Seesack Pietro Campofolio. Auch er war in Rio geboren, aber seine Urgroßeltern waren Italiener gewesen, die Großeltern hatten einen Schuß Indianerblut mitbekommen, seine Eltern wiederum waren italienisch-spanischer Mischung, er selbst dagegen fühlte sich ganz als Italiener, las italienische Zeitungen, schimpfte über die Politik seines Heimatlandes und sang Arien aus Opern von Puccini und Verdi. Er besaß eine gute Stimme, einen Heldentenor, aber er war Anthropologe geworden. Die Geschichte des Menschengeschlechtes hatte ihn von jeher fasziniert – kein Wunder, war er doch in einem Land geboren, das sich zu einem Schmelztigel der Rassen entwickelt hatte. So wurde Campofolio Wissenschaftler und erst im Zweitberuf Sänger. Der Expedition Ellens hatte er sich schon in Manaus angeschlossen, weil auch ihn die unbekannten Wilden am Rio Tefé und Rio Juma reizten. Durch Schädelmessungen wollte er das Alter dieser Menschenrasse bestimmen und darüber ein kluges Buch schreiben.

Der dritte auf dem Boot war Rafael Palma, ein Mulatte. Ihn hatte Ellen als Koch mitgenommen. Palma war ein Genie am Kochtopf. Aus alten Hammeln machte er die weichsten Braten, die Lenden wilder Schweine würzte er wie kein Koch im Riz von Paris, und seine Salate – nur Palma wußte, woraus sie gemacht waren – schmeckten wie konzentrierter Frühling in Essig und Öl. Für ihn war das Verschwinden des Küchenzeltes ein halber Weltuntergang. Er war, gleich nachdem Alexander Jesus den Diebstahl entdeckt hatte, in dem Drecknest Tefé herumgerannt und hatte neue Töpfe und Pfannen gekauft, Krüge und Schüsseln, Teller, Tassen und Bestecke, aber ein Zelt war nicht mehr aufzutreiben gewesen. Wer schläft schon in Tefé unter Leinwand!

»Es wird auch so gehen, Señorita!« rief Palma, als Ellen am Bootssteg erschien. »Bauen wir eben eine Blätterhütte, ganz nach Landessitte. Ist auch besser für das Kochen. Rauch zieht schneller ab. Der Satan hole den Dieb!«

Etwas abseits, auf einem Holzstamm am Ufer des Sees, saß der vierte Mann der Expedition, Gaio Moco.

Moco war ein merkwürdiger Fall. Er war ein reinrassiger Indio aus dem Gebiet von Juma und Itanhaua, also aus der Gegend, in die Ellens Vorstoß führen sollte. Eines Tages war er aus dem unbekannten Urwald aufgetaucht, den Körper voll Spuren der Kämpfe mit wilden Tieren. Er hatte nur einen Speer bei sich gehabt und um die Hüften einen Schurz aus großen Blättern. Als er aus dem dunstigen Halbdunkel des Waldes getreten war, hatte er seinen Speer auf den Boden gelegt, beide Hände zum Himmel erhoben und so die Zivilisation betreten. Das war drei Jahre her.

Der einzige Missionar in diesem Gebiet – er lebte auf der Insel Pananim, mitten im breiten Amazonas – hatte ihn aufgenommen, ihn in der portugiesischen Sprache unterrichtet, nach einem Jahr getauft und war dabei zu dem Resultat gekommen, nie einen besseren Menschen gesehen zu haben als Gaio Moco. Das war sein Name, wie er ihn selber angegeben hatte. Mehr wußte niemand von ihm.

Warum er aus den unergründlichen Tiefen seines Waldes hervorgekommen war, erzählt er nie. Er war still, immer höflich, aber er lebte gern allein, abseits von den anderen. Ein junger Mensch, der manchmal träumend hinüber zur Wand des Urwaldes blickte, als habe er Heimweh.

Gaio Moco war sofort bereit gewesen, als Dolmetscher mitzuziehen, als man in Tefé von der Expedition hörte. Der Missionar segnete ihn und gab ihm ein kleines silbernes Kreuz mit. Er ahnte, daß er Moco nicht wiedersehen würde. Gaio aber hängte sich das Kruzifix um den braunroten Hals.

»Wo ist José?« fragte Ellen und sah sich um. Moco zeigte irgendwohin in das Urwalddorf.

»Bei der Post, hat er gesagt, Señorita.« Er hatte eine tiefe, klangvolle Stimme. Sein Blick glitt über das Boot, und die schwarzen Augen glänzten dabei. »Fahren wir morgen?«

»Ja. Bei Sonnenaufgang, Moco. Ich glaube, du bist außer mir der einzige, der sich freut.«

»Ich werde Ynama wiedersehen«, sagte Moco sinnend.

»Wer ist Ynama?«

»Ein Mädchen.« Der Indio erhob sich und ging langsam am Ufer des Sees entlang. Ellen sah ihm nach und fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzgeschnittenen Haare. Ein Mädchen. Er träumt von einem Mädchen. Seit drei Jahren. Irgendwo dort in der grünen Weite lebt es … klein, braunhäutig, mit langen, schwarzen Haaren, nackt wie im Paradies. Warum war Moco aus dem Wald geflüchtet?

Sie ging zum Boot zurück, wo Alexander Jesus einen lauten Streit mit Rafael Palma hatte. Palma hatte einen Berg von Töpfen am Ufer liegen und verlangte Platz für seine Kücheneinrichtung. Das war unmöglich, denn das flache, breite Boot war bereits jetzt voll mit Kisten und Säcken. Wo die acht Menschen noch sitzen sollten, war für Ellen ein Rätsel. Der einzige, der sich keine Sorgen darüber machte, war Alexander Jesus.

Unterdessen stand José Cascal in dem kleinen Raum der Poststation und telefonierte mit jemandem in Manaus. Der Posthalter lag erschöpft in der Ecke, trank Eiswasser und rauchte eine dicke, grüne Zigarre. Seit vierzehn Jahren lebte er am Amazonas, aber die Schwüle nach dem täglichen Regen warf ihn jedesmal wieder um. Der Schweiß lief ihm aus den Poren wie Wasser aus einem Sieb. Mit trüben Augen blickte er José an, ohne auf das zu achten, was dieser ins Telefon schrie.

Von allen Expeditionsteilnehmern war José Cascal die merkwürdigste und geheimnisvollste Gestalt. Er war ein mittelgroßer, schlanker, drahtiger Mann mit jener gelblich-braunen Gesichtsfarbe, die man in Brasilien oft bei Mischlingen findet. Es ist eine Hautfarbe, gemischt aus vielen Völkern, ein Erbe, so bunt wie die Sumpfblumen im Dschungel. Auf der Oberlippe trug José Cascal ein kleines schwarzes Bärtchen, das er sehr pflegte. Die Haare lagen glatt, pomadisiert, um den schmalen Raubvogelkopf. In den braunen Augen lag ein ständiges Lauern und aufsaugendes Beobachten.

Ellen hatte ihn nicht angeheuert. Er war von allein gekommen; in amtlicher Eigenschaft. Der Gouverneur in Manaus hatte ihn geschickt. Ausweis, Befehl und ein Schreiben an Dr. Donhoven hatte Cascal mit unbewegter Miene vorgelegt. »Ich weiß, Señorita«, hatte er mit der Höflichkeit eines spanischen Granden gesagt, »daß meine Gegenwart nicht erwünscht ist, und ich bliebe auch lieber in Manaus bei den hübschen Mädchen – aber Befehl ist Befehl! Eine Expedition in den unbekannten Urwald muß von einem Regierungsbeamten begleitet werden.«

»Wozu? Das war bisher nicht üblich. Oh, ich ahne es – dahinter steckt mein Vater!« Sie stampfte mit dem Fuß auf, und Cascal, ein Kenner der Frauenschönheit, bewunderte die temperamentvolle deutsche Ärztin. Dann aber schüttelte er den Kopf:

»Ihr Vater hat gar nichts damit zu tun. Die Regierung kommandiert mich ab zu Ihrem Schutz.«

»Ein Mann soll mich vor den Wilden schützen? Das ist doch lächerlich! Glauben Sie, wenn Sie die Regierungsfahne wehen lassen, stehen alle Indianer stramm?«

»Bestimmt nicht, Señorita. Aber die Regierung ist dazu eingesetzt, überall, wo es möglich ist, ein Auge zu haben.«

»Aha, ich verstehe.« Ellen lächelte böse. »Ich könnte zum Beispiel den Häuptling der Jumas verführen und damit die Rasse zerstören. Oder ich könnte Goldadern finden und sie selbst ausbeuten. Oder man könnte mich zur weißen Göttin im Urwald machen, fruchtbar wie eine Bienenkönigin!« Sie lachte hart, und Cascal bewunderte wieder ihren herben Charme. »Keine Angst. Ich räume mir die Hindernisse allein weg!«

Aber die Diskussion war umsonst gewesen. José Cascal blieb als Regierungsbeobachter in Tefé, besorgte – und das war ein Vorteil – neben Jagdgewehren auch zwei Maschinenpistolen aus Militärbeständen und eine Kiste mit in Rollen verpacktem Sprengstoff.

»Eine solche Krachzigarre wirkt Wunder«, war sein Kommentar gewesen, als Ellen den Sprengstoff abweisend gemustert hatte. »Sie können unser Lebensretter sein. Für die Indios ist dieser Feuerball gleichbedeutend mit einem Herunterfallen der Sonne – das macht uns immer den Weg frei, wenn's nötig ist.«

José Cascal schielte zu dem schwitzenden Posthalter hinüber und beugte sich tiefer über die Sprechmuschel: »Es steht jetzt fest«, sagte er und betonte jedes Wort. Die Verständigung mit Manaus war saumäßig. Die Telefonleitungen hingen frei in den Bäumen entlang des Amazonasstromes; nur vor den einzelnen Poststationen gab es Maste. »Die Deutsche will in das Gebiet zwischen Rio Repartimento – Rio Juma und Rio Itanhaua. Es ist das Dreieck. Genau das! Ich habe versucht, die Expedition umzulenken zum Rio Coari. Ich habe ihr von den Indios erzählt, die dort wie im Paradies leben, von ihren Pfeilgiften, der Teufel hole sie … sie gibt ihren Plan nicht auf, diese Deutsche!«

Der Gesprächspartner in Manaus schien zu überlegen. Dann sagte er mit dunkler, harter Stimme: »José, Sie sind mir dafür verantwortlich, daß Dr. Donhoven nicht in das Flußdreieck kommt. Himmel noch mal – es gibt tausend Zuflüsse zum Amazonas, Millionen Quadratmeter unerforschten Urwaldes – warum muß es gerade dieses Eck sein?«

»Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, General.«

»Dann treiben Sie es ihr wieder aus!«

»Das geht nicht. Sie kennen die Deutsche nicht, General.«

»Ein Weib!«

»Ich würde das nicht so abfällig sagen.« Cascal ärgerte sich. Aus der Ferne, vom weichen Sessel aus, sieht alles anders und leichter aus. Komm hierher, General, dachte er. Beiß dir an Ellen die Zähne aus. Am Telefon brüllen kann jeder. »Ellen Donhoven ist ein Roboter voll Energie.«

»Dann brechen Sie einige Drähte heraus, und schon läuft Ihr Roboter anders!«

»Ich will es versuchen, General. Auf jeden Fall müssen wir erst eine Strecke den Rio Tefé hinunter, bevor sie etwas merkt.«

»Natürlich.« Der General in Manaus schien die Karte zu studieren. »Bleiben Sie immer am Fluß. Spätestens an der Mündung des Repartimento muß die Expedition zu Ende sein.«

»Das verspreche ich Ihnen, General.« Cascal legte auf, gab dem seufzenden Posthalter einen Klaps auf die Wange und verließ die Station.

Er hatte ein Versprechen abgegeben, das neben der Grünen Hölle noch das Tor in eine andere Hölle aufriß.

***

Im Morgengrauen legte das Boot vom Steg ab und tuckerte langsam über die noch nachtdunkle, glatte Fläche des Sees.

Was keiner für möglich gehalten hatte, Alexander Jesus machte es möglich: Für alle war Platz auf dem Boot, selbst die Töpfe und Kessel Rafael Palmas waren noch untergebracht worden. Allerdings lag das Boot bis zur Gefahrenmarkierung im Wasser, und die Alligatoren, die wie verfaulte, verkrustete Baumstämme herumschwammen, ragten mit ihren widerlichen flachen Schädeln über die Bordwand empor, wenn sie den Kopf hoben und neugierig auf das ratternde Gefährt starrten.

Ellen war bester Laune. Alles verlief planmäßig. In der Nacht war nichts mehr gestohlen worden, weil Palma und Guapa abwechselnd Wache gehalten hatten. Hinten, auf einem Platz zwischen den Kisten, saß Campofolio, der Anthropologe, und übte seinen zweiten Beruf aus. Er sang mit bestechend schöner Stimme italienische Seemannslieder. José Cascal und Dr. Forster hockten auf zwei Säcken mit Zeltplanen hinter Ellen und beobachteten das Aufziehen des Morgens über dem Urwald, dem sie entgegenfuhren. Am Steuer des Motorbootes stand Gaio Moco, der Indianer. Seine Augen leuchteten, als habe die Sonne sie schon getroffen.

In die Heimat, dachte er. Zurück zu Ynama. Zurück zu den runden Hütten im blühenden Tal. In drei Jahren wird man vergessen haben, was Gaio einmal getan hat. Denn Gaio wird das Wissen der Weißen mitbringen, und das wird wertvoller sein als alle Köpfe der Feinde.

Die Fahrt über den See verlief planmäßig schnell, aber als sie in die Mündung des Rio Tefé einfuhren, wurde die Reise langsamer. Der Urwald, Riesenbäume, verfilzt mit Lianen und meterhohen Farnen, drängte bis in das träge, grüne Wasser. Verfaulte Stämme trieben ihnen entgegen, Sandbänke mußten umfahren werden, manchmal knirschte der Boden des Bootes über den Flußgrund, so flach war er hier, um dann plötzlich wieder so tief zu werden, daß Alexander Jesus, der mit einer langen Stange die Tiefe maß, keinen Grund mehr fand.

Sie fuhren fünf Stunden fast immer in der Mitte des Rio Tefé, als Rafael Palma, der Küchenzauberer, Schokoladenpudding mit Paranüssen verteilte. Er hatte sich am Bootsende, von Kisten umgeben, eine Notküche eingerichtet und kochte auf zwei Gaskochern. »Am Abend gibt es Schweinelenden«, verkündete er und schnalzte mit der Zunge. »Dazu ein Gemüse aus Bambussprossen.«

»Eine ausgesprochene Luxusfahrt«, sagte Dr. Forster sarkastisch und löffelte seinen Pudding. »Man sollte sie einem deutschen Reisebüro empfehlen: Drei Monate unberührter Urwald mit voller Verpflegung, Lustfahrt auf dem Strom und die Möglichkeit, ein Schrumpfkopf zu werden. Zu empfehlen für lästige Ehefrauen und Schwiegermütter.«

José Cascal hatte es übernommen, Ellen die Landschaft zu erklären. Das war einfach, denn außer einer grünen Vegetationswand, einem trüben Fluß und einem blauen Himmel, der sich urplötzlich in ein graues, drückendes Dach verwandeln konnte, aus dem der Regen dann in Sturzbächen niederprasselte, war nichts zu sehen.

Nach sieben Stunden begann der große Regen. Moco, der Indianer, steuerte das Boot ans Ufer. Die anderen spannten die Zeltplanen auf und suchten eiligst Deckung. Wie aus Eimern prasselte es auf sie herunter, der sonst so träge Rio Tefé schäumte.

Moco war der einzige, der nicht in den Zelten Schutz suchte. Er blieb im vollen Regen hinter seinem Steuer stehen und beobachtete das nahe Ufer. Er sah mehr als die anderen. Viel mehr!

Da war eine verrostete Blechbüchse, sie hatte sich in den Luftwurzeln eines Baumes verfangen, die in den Fluß ragten. Da schaukelte ein Kistenbrett im seichten Wasser. Für Moco waren das alarmierende Zeichen: Kein Gegenstand schwimmt flußaufwärts. Wenn also Büchsen und Bretter hier am Ufer lagen, mußte weiter oben mindestens ein Weißer sein, vielleicht waren es sogar mehrere. Wo aber kamen sie her? In Tefé war nichts davon bekannt gewesen, daß etwa ein Boot den Fluß hinaufgefahren war. Die Expedition Ellens war absolut die erste, die in den Urwald hinter dem See eindrang.

Moco schwieg, als der Regenguß vorüber war und Palma Flaschen mit Tee anbot, die er im Wasser gekühlt hatte. Aber als sie weiterfuhren, sah er sich genau das Ufer an.

Nach acht Stunden Flußfahrt schlug José Cascal vor, für heute Schluß zu machen. Die feuchtheiße Hitze laugte sie alle aus, legte sich auf die Lungen, ließ das Herz flattern, umklammerte die Schläfen wie Eisen. Sie saßen zwischen den Kisten herum, schweißnaß, schlaff wie Fieberkranke. Und sie waren doch erst acht Stunden gefahren.

»Jetzt ein kühles Bad«, meinte Dr. Forster und sah verlangend in den Rio Tefé. »Ein Kopfsprung …«

»Dann würde das Wasser kurz kochen, und Sie wären in zehn Minuten ein Skelett«, lachte Cascal. »Piranhas – die fragen nicht danach, ob Sie Deutscher sind. Ihr Hunger ist international.«

Gaio Moco steuerte eine Sandbank im Fluß an und ließ das Boot langsam und vorsichtig mit dem Kiel auf den Sand gleiten. Vier Alligatoren kamen sofort herangeschwommen – es war offensichtlich, daß das ihre Sandbank war. Cascal löste die Auseinandersetzung auf Urwaldart. Er legte sein Gewehr an und traf zwei der häßlichen Echsen ins Auge. Sie drehten sich, peitschten mit den langen, hornigen Schwänzen das Wasser, Blut färbte den Fluß … und dann begann der Rio Tefé wirklich zu kochen, eine Flut von kleinen, blitzenden Leibern fiel über die sterbenden Alligatoren her, zerrissen sie, zerrten mit Mäulern, die nur aus spitzen Zahnreihen bestanden, ganze Fleischbrocken aus den zuckenden Körpern und verwandelten die Echsen in Sekundenschnelle in abgenagte Knochen und wegtreibende Hornschalen.

Mit aufgerissenen Augen starrte Ellen auf dieses grausame Schauspiel vom Sterben und Überleben in der Natur.

»So grausam ist alles um uns herum«, sagte Cascal finster. »Señorita – noch können wir umdrehen …«

»Warum?« Ellen sprang auf die Sandbank. Der Schock war bereits überwunden. »Weil zwei Krokodile gefressen wurden? Meine Herren …« Sie blickte die Männer an, die einzeln aus dem Boot auf die Sandbank kletterten. »Ich will von Ihnen nichts mehr darüber hören, wie gefährlich diese Reise ist. Wer Angst hat, kann umkehren. Ich jedenfalls fahre weiter, das steht fest.«

»Eine solche Frau zu heiraten, bedeutet Heldenmut«, sagte Fernando Paz, der Laborant, zu Campofolio und schleppte seinen Seesack an Land. »Und dabei sieht sie aus wie ein Engel auf dem Altarbild der Kirche von Santa Barbara.«

Auf der Sandbank bauten sie ihr erstes Lager auf. Da der Boden zu weich war, um den Zeltpflöcken Halt zu geben, verzichtete man auf die Zelte, baute aus Kisten kleine Zimmerchen, spannte die Zeltleinwand darüber und verkroch sich in sein Häuschen. Campofolio und Paz schliefen sofort ein, als die Abenddämmerung über Fluß und Urwald fiel, Palma kochte noch Tee für den nächsten Morgen und legte seine Flaschen wie Reusen in den Fluß, um sie zu kühlen. Alexander Jesus Guapa rannte von Kistenstapel zu Kistenstapel und fragte, ob alles in Ordnung sei – dann verdrückte er sich auf das Boot und rollte sich zwischen zwei Säcken zum Schlafen zusammen. Auch Cascal zog sich zurück. Beim Schein einer kleinen Taschenlampe maß er die Strecke auf der Karte nach, die sie heute gefahren waren. Die Geschwindigkeit, die das Boot gemacht hatte, ließ ihn leicht die Kilometer errechnen.

Die Müdigkeit, die alle überfallen hatte, war bleiern. Palmas saftige Schweinelendchen waren köstlich, wurden aber nicht gelobt – man war einfach zu müde dazu.

Dann war die Nacht da – eine zauberhafte Tropennacht mit einem Sternenhimmel wie im Märchen. Der Urwald roch jetzt nach Verführung, selbst das Wasser des Rio Tefé duftete stark nach Gewürzen. In der hohen, schwarzgrünen Wand raschelte und wisperte es, schossen Vögel mit langen Federschwänzen aus dem Dunkel und jagten über den Fluß. Irgendwo sang ein unbekannter Nachtvogel, schöner als die Nachtigall, langgezogen, süß, mit einer schwebenden Melodie.

Am nächsten Morgen, nach einem Frühstück, für das Palma wieder gelobt wurde, denn einen Koch muß man bei Laune halten, sonst hat der Magen darunter zu leiden, setzten sie die Flußfahrt fort. Cascal errechnete ungefähr siebzig Kilometer Entfernung vom Tefé-See, als Moco den Motor abstellte und zu den anderen herüberrief: »Der Tank ist leer! Ich muß wieder nachfüllen.«

Er legte seine Saugleitung zu den zehn großen Benzinfässern, die in der Mitte des Bootes standen, zapfte das erste Faß an und stellte die Saugpumpe an. Sie machte plopp, plopp und pumpte Luft in den Motortank.

Moco stellte die Pumpe ab und klopfte an das Faß. Dann wurde sein Gesicht zu einer starren Maske. Er riß die Leitung heraus, warf das Faß um und rollte es mit einem Fußtritt über Deck.

»Leer!« rief er dabei. »Leer!«

Er klopfte die anderen Fässer ab. Überall der hohle Klang.

»Alle leer!« schrie er und ballte die Fäuste. »Wir haben kein Benzin mehr!«

»Aber das ist doch unmöglich …«, stotterte Campofolio. »Das ist doch unmöglich. Was sollen wir ohne Benzin auf einem Boot?«

Alexander Jesus tanzte wie ein Irrer über das Deck. »Diebe!« kreischte er. »Überall Diebe! Die Fässer waren voll. Ich habe sie selbst mit an Bord gerollt! Jemand hat sie ausgepumpt, bevor wir abfuhren! Ich habe keine Schuld, ich habe keine Schuld …«

Ellen kam zu Moco. Er lehnte an dem stummen Motor, seine Augen waren schwarz und gefährlich. Die Wildheit seiner Urwaldheimat war in ihn zurückgekehrt.

»Weiße Männer nennen so etwas Sabotage«, sagte er dunkel. »Wir sollen nicht weiterkommen … Nur ein Faß war noch voll, und das habe ich verbraucht.«

José Cascal bahnte sich einen Weg durch das Gepäck. Er war wie die anderen aufgeregt und warf beide Arme hoch, als er vor Ellen stand.

»Das ist das Ende!« rief er. »Wir kommen nicht weiter. Ohne Benzin ist alles aus! Ich schlage vor, wir drehen um und lassen uns den Fluß hinabtreiben. In zwei Tagen werden wir wieder im See sein und können dann Leuchtzeichen geben.«

»Sie können umkehren, José!« sagte Ellen und schob den verblüfften Cascal zur Seite. »Wenn die Technik versagt, muß eben der Ur-Mensch wieder ran. Ich ziehe zu Fuß weiter.«

»Zu Fuß?« schrie Cascal. »Das ist Wahnsinn!«

»Überlassen Sie das mir, José.« Ellen blickte die Männer an, die vor ihr standen. »Wenn Sie alle umkehren wollen … bitte. Das Boot gehört Ihnen. Ich ziehe durch den Wald. Einer, das weiß ich, wird mich begleiten, Moco.«

»In alle vier Winde!« sagte der Indianer mit fester Stimme.

»Ich erlaube es nicht!« schrie Cascal.

»Hier im Urwald gibt es keine Regierungsgewalt mehr. Wollen Sie mir befehlen? Wollen Sie mich mit Gewalt zurückhalten?«

»Wenn nötig – ja!« Cascal zauberte plötzlich eine Pistole aus seiner Tropenjacke. »Dr. Donhoven, seien Sie vernünftig. Zu Fuß durch den Wald! Durch verfaulte Jahrhunderte … mit Schlangen und wilden Tieren, Indios, die nur das Töten kennen, Milliarden giftiger Mücken – ich lasse das nicht zu.«

»Moco«, sagte Ellen und drehte den Kopf zu ihm. »Er will uns zwingen.«

»Denken Sie an die Pirhanas, Señor!« sagte Moco dunkel. Es war eine Drohung, die jeder verstand. Cascal ließ die Pistole sinken.

»Wir müssen in aller Leidenschaftslosigkeit darüber sprechen und nachdenken«, meinte er. »Mut ist etwas Herrliches, aber allzuschnell ist die Grenze zum Blödsinn überschritten. Überlegen Sie eins: Wie wollen Sie im Urwald die Richtung einhalten? Mit dem Kompaß? Señorita – das hier ist keine Wanderung durch die Heide.«

»Moco wird uns führen.«

Cascal warf dem Indianer einen Blick zu, als wolle er ihn in die Hölle wünschen.

»Und das ist Ihnen sicher genug?«

»Ganz sicher. Ein Mann, der zu seinem Mädchen will, findet immer den Weg – auch durch den Urwald.«

»Die Frau«, Dr. Forster lächelte Ellen an. »Sehen Sie, jetzt hat die Frau aus Ihnen gesprochen. Cascal« – Er legte dem Brasilianer die Hand auf die Schulter. »Noch eine Veränderung der Lage: Ich ziehe auch mit! Ich bleibe bei Ellen, und wenn unser Weg durch drachenverseuchte Sümpfe führt.«

Cascal fuhr herum. Er suchte nach Worten und sagte schließlich nur mit Mühe: »Sind … sind noch mehr Idioten an Bord?«

»Alles Idioten, Señor.« Fernando Paz rieb sich die dicke Nase. »Wir lassen unsere Doktorin nicht allein! Soll ich mich später in jedem Spiegel anspucken?«

»Gut! Gut!« Cascal sank erschöpft auf eine Kiste. »Lauter Ehrenmänner! Lauter Selbstmörder! Señores … von uns kommt keiner mehr zurück, das sage ich Ihnen!«

»Doch. Sie!« Ellen machte eine alles umfassende Handbewegung. »Nehmen Sie das Boot und lassen Sie sich abtreiben. Moco, reicht das Benzin noch bis zum Ufer?«

»Ja, Señorita.«

Er ließ den Motor an und fuhr das Boot an das schlammige, stinkende Ufer. Alexander Jesus, der zuerst an Land sprang, sank bis zu den Knien in den fauligen Sumpf ein, aber nach wenigen Schritten hatte er festen Boden unter den Füßen und schüttelte den Schlamm von seinen Beinen. Er fing das Tau auf, das Moco ihm zuwarf, schlang es um einen Baumstamm und zog damit das Boot so nahe heran, daß man mit einem Sprung das feste Land erreichen konnte.

»Packen wir um«, sagte Dr. Forster, als alle ausgestiegen waren. »Nur das Nötigste, nur so viel, wie jeder leicht tragen kann. Keine Belastungen. Das Wichtigste sind Waffen, Munition, Medikamente, Streichhölzer, die Laboreinrichtung, die Fotokiste und Palmas Töpfe. Und natürlich die Moskitonetze.« Er stieß Cascal an, der mißmutig am Ufer stand und über den Fluß starrte. »Wenn Sie mit der anderen Ladung wieder in Tefé sind, lassen Sie sie im Schuppen hinter dem Hotel. Die Sachen waren teuer genug und sollen nicht umkommen.«

»Wieso ich?« Cascal fuhr herum. Sein Gesicht war aschgrau. Er hatte seinen Befehl, und er hatte sein Versprechen gegeben – für ihn gab es keine andere Wahl mehr: »Ich komme doch mit!«

»Sie? Auf einmal?«

»Ich bin kein Feigling! Aber ich hasse Idiotie.«

»Und trotzdem?«

»Ja. Aber nur, weil eine Frau dabei ist.«

Er wandte sich ab und packte die Kisten mit an, die Palma, Moco und Alexander Jesus vom Boot an Land hoben.

Und dann kam die Nacht … die erste Nacht unter dem turmhohen Blätterdach des Urwaldes, die Nacht vor der Wanderung in das Ungewisse.

Eine Nacht voller Warnungen …