Exportschlager

Strandkörbe

Anlässlich des G-8-Treffens schlug die Schweriner Projektgruppe Landesmarketing vor, die Region Mecklenburg-Vorpommern mit einem typisch deutschen Produkt made in Mecklenburg-Vorpommern zu bewerben: mit einem Strandkorb. Vorschlag angenommen, eine XXL-Version gefertigt, die acht mächtigen Staatschefs für ein gemeinsames Foto hineingesetzt und anschließend das typische made in Mecklenburg-Vorpommern Produkt on Bild versteigert. Mir stellte sich damals die Frage: Warum um Himmels willen wirbt mein Bundesland, wann immer es vom Licht der Weltpresse geblendet wird, mit Dingen wie Heringen und Strandkörben? Was ist an einem Strandkorb typisch Mecklenburg-Vorpommern? Dass man in Mecklenburg-Vorpommern bei kräftigen Brisen so lange mit dem Rücken zum Wind steht, bis er von ganz alleine wieder abflaut? Oder dass sich der Meck-Pommer, wie seine Leibspeise, die Kartoffel, im Schutz vor allzu viel (Weltpressen)Licht wohler fühlt?

Die Antwort, die ich mir gab: Viele Meck-Pommer haben einen Großteil ihres Lebens in einem Strandkorb verbracht. Womöglich rühren daher etliche ihrer Fähigkeiten. Zum Beispiel hat der Strandkorb einen ganz interessanten Scheuklappeneffekt, der dem Meck-Pommer in Fleisch und Blut übergegangen zu sein scheint. Sicht auf Stück für Stück. Jedes Stück wird lange und eindringlich inspiziert, bis sich der Wind dreht. Dann wird sich samt Strandstuhl auch gedreht, sodass man den Wind niemals von vorne hat. Noch heute überfordern mich größere Gesellschaften, weil ich die Sommer meiner Kindheit an einem klitzekleinen Tischchen verbracht habe, den es am Strandkorb auszuklappen gibt. Allein mit einem belegten Brot, einem Getränk und keinem Schnickschnack. Alles tischchenfertig, keine Wahl, Blick auf Wo-wir-herkommen. Nervtötende Möwen und Wespen, aber niemals ein Übermaß an Menschen. Typisch für den Strandkorb: Es passen für gewöhnlich nur zwei Leute hinein, also ist der Platz für Idioten stark begrenzt, wie einst ein Greifswalder Dozent den kleinen Rahmen seiner Vorlesung kommentierte.

Wahrscheinlich ist der Strandkorb an sich ein Symbol für den mittlerweile hinreichend bekannten meck-pommerschen Sturkopp. Schließlich gibt es ihn nur, weil eine renitente Mecklenburgerin ihrerzeit nicht einsehen wollte, dass ein Strandaufenthalt ihrem Rheuma nicht bekam. Zu viel Wind, zu viel Sonne. Die Warnemünder Dame wollte sich aber vom Rheuma nicht ihre geliebten Seeaufenthalte verbieten lassen, also marschierte sie 1882 zum Rostocker Hofkorbmacher Wilhelm Bartelmann und orderte etwas, dass ihr den lästigen Wind aus dem Rücken hielt. Sie bekam daraufhin einen als aufrecht stehenden Wäschekorb belächelten Strandstuhl gefertigt. (Selbstredend wurde damals von Herrn Bartelmann das Patent nicht angemeldet.) Spätestens in den Zwanzigerjahren eroberte dieses Ding endgültig die Küsten. Theodor Fontane nannte ihn Korbhütte, Tucholsky ein eigentümlich bergendes Sitzhäuschen.

Heute gibt es ihn tausendfach als Ostsee- (geschwungener) oder Nordsee- (kantiger) Modell, als Halblieger, als Ganzlieger, noch immer per Hand geflochten. Wo die Touristen herkommen, die darin sitzen, erkenne ich an der Art, wie sie im Strandkorb lungern. So sitzt beispielsweise der Ruhrpöttler (der neuerdings mit dem Billigflieger Germanwings in null Komma nix für fast null Komma nix von Köln nach Rostock fliegen kann) wie in seinem häuslichen Fernsehsessel, lagert seine Bierchen unter den Fußstützen, legt sich ein extra Handtuch hinein (Motiv Formel 1) und kickt seinem Sohn den Fußball entgegen. Der Berliner liegt ohne Extrahandtuch, trägt dafür eine extra große Sonnenbrille und blättert in einer Illustrierten. Auf Usedom werden die Strandkorbsitzer von Strandkorbmäxchen, mit richtigem Namen Klaus, versorgt: Wenn sich einer verletzt hat, betreu ich ihn, nich? Kriegt er Pflaster, die Kinder kriegen ein Bonbon von mir, und so geht das hier den ganzen Tag.

Amerika hat Florida, Österreich die Alpen. Deutschland hat Mecklenburg-Vorpommern. So schrieb Die Welt. Ja und was hätte Amerikas Florida vor allem ohne Mecklenburg-Vorpommern?, frage ich. Jedenfalls keine Strandkörbe. Mittlerweile wird das typische Mecklenburg-Vorpommern-Produkt weltweit geordert, ob Florida, Kalifornien (nimmt sich die Stralsunder Jugend daher das Recht, ihre Stadt mit dem Synonym Stralibu zu versehen?) oder österreichische Steiermark. Selbst die Gärten von Beckenbauer und Bohlen kommen ohne die umgedrehten Wäschekörbe nicht mehr aus. Dennoch hat das jährlich sechstausend Strandkörbe produzierende Unternehmen, dass die XXL-Version für die G 8 fertigte, Ende 2008 Insolvenz anmelden müssen.

 

Kann man sich mal anschauen, kann man aber auch mitmachen:

Traditionell am vierten Wochenende des Jahres eröffnet Usedom die Badesaison mit dem Winterstrandkorbfest, bei der unter anderem jedes Jahr der Sprintweltmeister im Strandkorbschleppen gesucht und gefunden wird.

Energie

Energie aus Mecklenburg-Vorpommern, werden sie sich skeptisch fragen, wenn Sie einen Landesvertreter in den Medien davon sprechen hören. Henry Tesch (Bildung, Wissenschaft und Kultur): Man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten oder, besser noch: Uta-Maria Kuder (Justiz): Zu Hause habe ich keinen Handyempfang, was ja manchmal auch Vorteile hat.

Und doch übernimmt Mecklenburg-Vorpommern eine Vorbildfunktion in Sachen Energie. Hier kommt sie vom Acker direkt, also fast direkt, in die Steckdose. Riesige Stilllegungsflächen werden für nachwachsende Rohstoffe genutzt. Raps, so weit das Auge reicht. Und am Horizont Windräder. Nicht nur was die erneuerbaren Energieressourcen wie Raps und Holz betrifft, auch bei der Erzeugung von Windenergie gehört Mecklenburg-Vorpommern zu den führenden Bundesländern. Eintausendzweihundert Windkraftanlagen speisen derzeit etwa 1250 Megawatt ins Netz. Und die Sonne, nirgends scheint sie öfter als in Mecklenburg-Vorpommern. Jährlich schickt sie zehntausendmal mehr Energie auf die Erde, als insgesamt verbraucht wird. Mehr als 30 Prozent der Haushalte werden in Mecklenburg-Vorpommern mit erneuerbarer Energie versorgt.

Um aufgebrauchte Energie wieder aufzuladen, empfiehlt sich ein Besuch im mecklenburgischen Stonehenge. Worum woanders in der Welt ein großer Zinnober veranstaltet wird, kann man auch im mecklenburgischen Buchenwald Boitins unter dem Namen Steintanz bekommen. Auch dort stehen große Steine im Kreis und sollen eine astronomische Bedeutung haben. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine ganze Reihe sogenannter Kraftorte, Plätze mit einer besonderen Ausstrahlung, die Ruhe und Energie schenken, an denen man Kontakt mit Gott und/oder der Erde knüpfen kann.

Auch im Ewersdorfer Forst in der Nähe von Grevesmühlen liegen viele große Steine (Megalithen) herum und bilden Hünengräber, auf die man sich wunderbar draufsetzen kann, um ein Butterbrot zu essen, einen Schluck Wein zu nehmen oder Kaffee aus der Thermoskanne zu trinken, bis die Batterie wieder voll ist.

KaDeWe

Liebe Berliner, wir möchten euch gerne mal was sagen: Euer ehrenwertes Kaufhaus des Westens, genannt KaDeWe, gehört uns! Ihr versteht sicherlich den forschen Ton, wenn ihr bedenkt, dass etliche von uns noch immer unter unklaren Besitzansprüchen zu leiden haben, nachdem ihre Vorfahren durch die Bodenreform entschädigungslos enteignet, ihre Hotels während der Aktion Rose verstaatlicht oder ihr Acker für die kollektive Idee der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) gebraucht wurden.

1881 eröffnete Rudolph Karstadt mit 1000 Talern Startkapital sein erstes Tuch-, Manufaktur- und Confectionsgeschäft in Wismar. Und auch Kaufhof gäbe es nicht ohne Mecklenburg-Vorpommern. Denn bei uns, in Stralsund, machte Leonhard Tietz 1879 ein Garn-, Knopf-, Posamentier- und Woll-Waren-Geschäft auf und legte damit den Grundstein für das erste deutsche Warenhaus mit nicht viel mehr als der Überzeugung, dass sich ausgezeichnete Qualität zu Fixpreisen und Barzahlung verkaufen lassen sollte.

Sowohl Tietz als auch Karstadt wurden im Nationalsozialismus aufgrund ihrer jüdischen Abstammung enteignet.

Durch Enteignungen infolge der Bodenreform, des Nationalsozialismus und der Aktion Rose begannen viele Menschen hier immer wieder von vorne. Und auch ihre traditionellen Berufe wie Landwirt, Handwerker und Fischer trugen nicht gerade dazu bei, dass hier Reichtum vermehrt und vererbt werden kann. Mecklenburg-Vorpommern ist ein Land der Neuanfänge.

Schiffsschrauben

Ohne Mecklenburg-Vorpommern käme die Queen nicht vom Fleck. Wir machen das Schnellste zum Schnellsten und bewegen das Größte vorwärts. Asien kann uns keine Angst einjagen. Nur wir sind in der Lage, die weltweit größte Schiffsschraube zu fertigen. Wir liefern nach Südkorea, China, Italien, Frankreich, Dänemark, Polen, Portugal, Kroatien, Brasilien, Indonesien, Indien und so weiter und so fort. Jede vierte große Schiffsschraube, die den Riesen auf den Weltmeeren Feuer unterm Hintern macht, so auch der Queen Mary II, stammt aus Mecklenburg-Vorpommern. In Waren an der Müritz, 21400 Einwohner, entstehen die modernsten, antriebsstärksten, schwersten und größten Schiffspropeller der Welt. Hochpräzise Propellerbohr- und Fräsmaschinen bearbeiten die Schiffsschrauben mit einer Genauigkeit von einigen Hundertstel Millimetern. Und doch ist kein Propeller perfekt ohne den Feinschliff durch eine erfahrene Meck-Pommer-Hand. Die Präzision und Gewissenhaftigkeit der Meck-Pommer werden auf allen Kontinenten und vor allem auf den Meeren dazwischen geschätzt. Jede Schraube ist ein Unikat, ganz wie ihre Erschaffer. Wenn das Schiff erst einmal im Wasser ist, also das Kind gewissermaßen in den Brunnen gefallen, lässt sich nichts mehr ein- oder verstellen, sagt der Chef der Mecklenburger Metallguss GmbH. Mit diesem Druck kommt der Meck-Pommer gut zurecht, schließlich lebt er von Kindesbeinen an à la Wat wech is, is wech.

Auch das ist Mecklenburg-Vorpommern! Da, wo man es in seiner ursprünglichsten Form erwartet, die dem Klischee entsprechend lethargisch und aussichtslos sein müsste, werden 120000 PS und 140 Tonnen in Form nur einer einzigen Schiffsschraube in die Welt hinausbefördert. Keinesfalls untypisch für das Land. Immer da, wo man ihm nichts zutraut, die Bedenken den Einwohnern gegenüber enorm ausgeprägt sind, an diesen Stellen bündelt Mecklenburg-Vorpommern seine Kraft und beweist Stärke, wie das Korn auf seinen Feldern.

Lange vor der offiziellen WM-Hymne von 2006 hatte man in Waren auch ohne Grönemeyer begriffen, dass es Zeit wurde, dass sich was dreht. Und dafür brauchte es in Mecklenburg-Vorpommern auch keine ganze Fußballnation, sondern nur im Schnitt zweihundert Mitarbeiter, die den Umsatz der Mecklenburger Metallguss GmbH (MMG) zwischen 1992 und 2008 von 2,5 Millionen auf 100 Millionen Euro steigern konnten. Als einziges nicht koreanisches Unternehmen konnte die MMG 2008 eine Medaille für herausragenden Service von seinem größten Kunden, der Samsung Werft (zweitgrößte Werft der Welt), entgegennehmen.

Damit nicht genug. In Waren ist zugleich der größte deutsche Binnenfischereibetrieb ansässig. Der Wellpappenweltmarktführer, der amerikanische Smurfit-Kappa-Konzern, produziert hier. Dänemark, Schweden, Norwegen und Mecklenburg-Vorpommern erhalten von hier Brot und knusprige Brötchen aus den Mecklenburger Backstuben. Kein Geringerer als Klausjürgen Wussow besuchte das Warener Gymnasium, nur einen Katzensprung entfernt von der Müritz, dem größten deutschen See, der gänzlich in der Bundesrepublik liegt.

Mecklenburg-Vorpommern sorgt nicht nur für den Antrieb der Queen auf dem Wasser, ohne Mecklenburg-Vorpommern gäbe es auch eine Queen nicht zu Lande. Queen Victorias Oma war Mecklenburgerin, die im 18. Jahrhundert an der Seite von König George III. das britische Empire regierte. Nebenbei bemerkt schwangen wir – vertreten durch die Rostocker Großfürstin Anna Leopoldowna (Elisabeth Katharina Christine von Mecklenburg-Schwerin) – im gleichen Jahrhundert auch über das Russische Reich das Zepter.

Rindviecher

540000 Rinder und 700000 Schweine, macht zusammen etwa 1,2 Millionen Rinder und Schweine, plus einen Haufen Schafe. Bei 1,7 Millionen Einwohnern bedeutet das, in Mecklenburg-Vorpommern herrscht ein gemütliches Miteinander von Mensch und Tier. Den Tieren gegenüber zollt der Meck-Pommer Respekt, indem er den Stierkopf im Wappen ehrt und das Schwein nicht für Schimpfwörter missbraucht. Anstelle von: Du dummes Schwein schimpft er: Du Dösbaddel.

Deshalb vielleicht kommen glückliche Kühe auch aus Mecklenburg-Vorpommern. Mecklenburg-Vorpommern ist zum Land der Biorinder geworden. Auf den mecklenburgischen und vorpommerschen Weiden wachsen und gedeihen sie frank und frei, jenseits industrieller Mast. Cowboys auf Westernpferden halten sie im Zaum. Zum Beispiel auf Gut Borken, zehn Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, wo ein Teil der fünfzehntausend Fleischrinder der Bioerzeugergemeinschaft Weidehof grast. Die Rinder prägen das landschaftliche Bild des Landes und enden glücklich zwischen den Brötchenhälften von McDonald’s oder in den Gläsern vom Babykosthersteller Hipp. So viel Ökorind und neuerdings auch Ökoschwein liefert kein anderes Bundesland. Mecklenburg-Vorpommerns Rindviecher und Schweine stehen für Fortschritt und Qualität.

Trotz der großen Anzahl an Biohöfen kauft der Einheimische seine Milch und sein Schweinekotelett bei Lidl und Netto. Das romantische Bild des Hofverkaufs in ländlicher Umgebung bleibt in Mecklenburg-Vorpommern leider nur allzu oft ein Klischee.

Glas

1786 schreibt Christoph Baron von Langermann: Das Salz nebst dem Glase sind vorizt die beyden einzigen künstlichen Produkte von einiger Wichtigkeit, deren wir uns rühmen können, man mag dabey auf einländischen oder auswärtigen Absatz sehen. Alles übrige, was durch Kunstfleiß im Lande hervorgebracht wird, ist nicht von dem Belang, daß es den Reichthum vermehren, oder in der Bilanz des Handels einen Ausschlag geben könnte.

Im 17. und 18. Jahrhundert gehörte Mecklenburg – heute unbekannterweise – zu den bedeutendsten Glashüttenlandschaften des Landes. Die beiden wichtigen Rohstoffe zur Glasherstellung Kies und Holz waren in Unmengen vorhanden.

Exportiert wurde das berühmte Mecklenburger Waldglas, das aufgrund eisenhaltigen Sandes (Quarzsand) beim Schmelzen grün wurde, nach Holland, England, Skandinavien und nach Nordamerika.