18.                    LOBEN SIE NICHT!

 

Lob macht schlechte Menschen noch schlechter und gute unerträglich.

Hermann Hesse

 

Sie kennen den plötzlichen Ausdruck der Freude, wenn Ihnen etwas gefällt? Sie wollen spontan Ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen und jemanden loben? Tun Sie es nicht. Mit dem Lob ist es wie mit dem Ratschlag. Ungefragt ist es stets unbeliebt. Wir sind es heute nicht mehr gewöhnt, gelobt zu werden. Ein Großteil der Depressionen entsteht aus dem Nichtanerkennen der Arbeit von Menschen. Menschen wollen nicht mehr Geld oder Zeit, sondern Anerkennung. Damit wären Sie mit dem Lob eigentlich an der richtigen Stelle. Aber probieren Sie es doch mal aus! Sie werden nicht Dankbarkeit, sondern schroffe Zurückweisung ernten.

Wir haben uns das Loben und Anerkennen schon längst abgewöhnt. Und wer es jetzt einsetzt, verunsichert Menschen zutiefst und macht ihnen ihr vorheriges Versagen nur bewusst. Das Lob muss sehr vorsichtig eingesetzt werden, und zwar da, wo es irgendwie sanktioniert ist: Bei einer Prüfung, bei einer Beförderung, bei einer offiziellen Angelegenheit, bei der das Loben Ausdruck von Belohnung ist. Aus dem Lob ist Belohnung geworden, und wenn Menschen ungefragt belohnt werden, fühlen sie sich schuldig.

Tief im Innersten muss Belohnung nämlich verdient werden. Wenn Sie also jetzt aus heiterem Himmel ein Lob in den Raum prusten, auch wenn es jemand verdient hat, dann kratzen Sie an seinem Selbstwertgefühl. Schließlich hat er nichts getan, um ein Lob (eine Belohnung) zu erlangen. Vermutlich hat er nur seine Arbeit getan. Möglicherweise nur das, was nötig war. Aber das reichte Ihnen schon aus, um loszuloben. Und jetzt dafür gelobt zu werden, hinterlässt einen ungewohnten Beigeschmack. Lob verunsichert Menschen. Sie werden aus ihrem natürlichen Verhalten herauskatapultiert und plötzlich in den Mittelpunkt geschleudert. Schlimmer noch: Lob ist nicht nur Belohnung, sondern auch Anforderung. Man möchte, dass sie so weitermachen. Weitermachen womit bloß?, fragt sich dann der Gelobte. Die wenigsten Menschen können das Lob abstrahieren und auf eine bestimmte Tätigkeit anwenden. Sie beziehen das Lob auf sich selbst. Sie fühlen sich als Mensch angesprochen. Und das tat man leider nur selten. Und das wird ihnen in diesem Augenblick bewusst. Wenn Sie loben, machen sie den Menschen ihre eigene unbedeutende Existenz klar. Dies schürt natürlich Abwehreflexe. Sie werden also nicht mit Lob Dank ernten, sondern Gegenwehr. „Hab nur meinen Job gemacht“, „Nicht dafür!“, heißt es dann oft, wenn man lobt.

Und mit einem Lob erregen Sie nicht nur die Aufmerksamkeit auf einen Menschen, sondern Sie lenken auch die Aufmerksamkeit auf sich. Wer sind Sie denn, dass Sie loben? Ein seltsames Korrektiv setzt ein. Statt zu danken, wird jetzt erst mal der Lobende infrage gestellt. Wenn er lobt, wer lobt mich dann? Ich will nicht von ihm gelobt werden! Ich will, dass mich der Chef lobt. Ein Lob aus dem Mund eines gleichgestellten Menschen ist nicht viel Wert. Sie denken vielleicht, das sei völlig egal, aber Sie unterschätzen die Obrigkeitshörigkeit der Menschen. Lob kennt nur eine Richtung. Nach unten, das haben sie schließlich seit ihrer Kindheit gelernt. Wenn Sie jetzt das Lob entfremden und inflationär einsetzen, entwerten Sie es. Sie helfen den Menschen nicht mehr, sondern Sie handicapen sie.

Wer das Lob verdient, der weiß es und ist stolz und legt darauf meist keinen großen Wert. Wie zum Beispiel diese Holzhauer:

Nur Platz! Nur Blöße!

Wir brauchen Räume,

Wir fällen Bäume,

Die krachend schlagen:

Und wenn wir tragen,

Dann gibt es Stöße.

Zu unserm Lobe

Bringt dies ins reine;

Denn wirkten Grobe

Nicht auch im Lande,

Wie kämen Feine

Für sich zustande,

So sehr sie witzten?

Des seid belehret;

Denn ihr erfröret,

Wenn wir nicht schwitzten.

 

Wer Lob verdient, hat meist mehr zu sagen, schweigt jedoch, denn was er sagt, kann andere nur treffen. Das obige Gedicht ist mal wieder von Goethe. Hätten Sie es gedacht?

Und wo wir schon mal bei Gedichten sind, kommen Sie jetzt nicht auf die Idee, statt mit Lob mit Selbstkritik punkten zu wollen.

Lassen Sie sich von Wilhelm Busch warnen:

Selbstkritik

Die Selbstkritik hat viel für sich.

Gesetzt den Fall, ich tadle mich;

So hab ich erstens den Gewinn,

dass ich so hübsch bescheiden bin;

zum zweiten denken sich die Leut,

der Mann ist lauter Redlichkeit;

auch schnapp ich drittens diesen Bissen

vorweg den andern Kritiküssen;

und viertens hoff`ich außerdem

auf Widerspruch, der mir genehm.

So kommt es dann zuletzt heraus,

dass ich ein ganz famoses Haus.

 

Denken Sie nicht, dass nur Sie das Gedicht kennen.

 

Böser Ratschlag Nr. 18: Seien Sie auch mal unfreundlich! Meiden Sie allzu freundliche Menschen! Loben Sie nicht. Sie werden genau das Gegenteil ernten, von dem was Sie wollen. Fragen Sie sich auch, warum Sie loben … Wollen Sie vielleicht selbst Lob? So bekommen Sie es nicht.