7.   LACHEN SIE NICHT ÜBER WITZE!

 

An vielem Lachen erkennt man den Narren.

Sprichwort aus dem Mittelalter

Lachen ist gesund? Wer lacht, lebt länger? Ja, aber nur wie?

 

Wenn Sie lachen, können Sie nur verlieren. Lachen Sie nicht in unsicherer, unbekannter, wichtiger, kollegialer Gesellschaft. Lachen Sie nicht, wenn Sie sich gerade mit jemand Unbekanntem unterhalten, egal wie witzig er sein mag oder für, wie witzig Sie ihn halten mögen.

Lachen ist die höchste Form von Aufmerksamkeit – gehen Sie sparsam mit ihr um.

"Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter als durch das, was sie lächerlich finden”, ließ Goethe seine Charaktere in den Wahlverwandtschaften erkennen.

Goethe hatte recht mit dieser Erkenntnis. Glauben Sie nicht, man lacht mit Ihnen. „Wer lacht, der hat noch Ressourcen frei“, sagt man. Sie lächeln so, was verdrängen Sie?

Das Lachen gehört seit geraumer Zeit wie das Weinen in die intimste Privatsphäre oder eben ins Fernsehen. Das Lachen wurde professionalisiert. Wenn jemand lacht, denken wir, ein Komiker ist aufgetreten. Die Sicherheit, uns in heimischen Gefilden auf sicherem Grund zu befinden, ist weg.

Viel schlimmer: Mit dem Lachen zeigen Sie einen Blick in Ihr tiefstes Innerstes. Worüber Sie lachen, verrät Ihren Charakter, wie Sie lachen, verrät Ihre Konstitution, wann Sie lachen, verrät Ihre Ablenkbarkeit – Ihr eigentliches Desinteresse.

Lachen, das wird uns suggeriert, gehört in die Welt der Entspannung und der Freizeit. Und Lachen ist immer bezahlt: Wir lachen am liebsten da, wo wir bezahlen: im Comedyklub, im Fernsehen, im Internet, bei Büchern.

Wir müssen uns das Lachen verdienen. Im realen Leben wird nicht gelacht. Lachen verrät eine unangenehme Lockerheit. Am schlimmsten ist es, dass Sie mit dem Lachen Unabhängigkeit signalisieren, und dass Sie über den Dingen stehen. Den meisten Menschen um Sie herum fällt es schwer, sich an die Konventionen zu halten. Aber sie tun es. Gezwungenermaßen.

Wir wollen eigentlich alle lachen, aber weil Lachen eben Sicherheit und das Durchschauen der Dinge voraussetzt, haben die meisten keinen Mut, keine Kraft und keine Luft zum Lachen. Ihnen ist einfach nicht zum Lachen.

Eher wird das verkrampfte Lachen in der albernen Show gepflegt, dort wo es gesellschaftlich sanktioniert ist: Da kann man loslassen und auch mal lachen. Aber im Alltag, bitte nicht! Wenn Sie so ein Mensch sind, der sich an diesen Konventionen nicht stört, so ein Mensch, der bisher glaubte, Lachen sei ansteckend, so sei Ihnen hiermit gesagt:

 

Die Mehrheit denkt: Humor ist die Waffe der Nutzlosen.

 

Nicht ohne Grund existierte der Narr, der Schalk, der Clown, der Spaßmacher im Mittelalter und bis in die frühe Neuzeit hin als das personifizierte Lachen. Der Schelm war per se nutzlos. Er hatte keine gesellschaftliche Anerkennung, und so konnte er die Menschen zum Lachen bringen und lief natürlich lachend durch die Welt.

Der Schelm war ein Ausgestoßener, einer, der von Anfang an nicht dazugehörte und dem aus verschiedenen Gründen der Aufstieg oder sogar der Einstieg in die Gesellschaft verborgen blieb. Wenn Sie also lachen, zeigen Sie, dass Sie ein gesellschaftsfremder Schelm, ein Narr sind.

Narren sind zwar beliebt, aber niemand nimmt sie ernst. Deshalb dürfen sie ja auch alles sagen. Natürlich konnten die Narren damit nicht lange überleben und so sind sie abgewandert: ins Fernsehen, ins Netz, in den Film.

Comediens sind die Narren unser Zeit. Die Figur des Narren ist in der westlichen Kultur eine Figur mit langer Geschichte und Funktion. Das Lachen war immer Bestandteil der Gesellschaft, doch seine Urheber und seine Anlass waren immer verpönt.

An diesem Konflikt haben sich die Komiker von jeher abgearbeitet. Die Komödie kriegt nie den Oscar. Dieser Umstand ist immer einen Artikel wert, aber er ändert sich nie. Komisch nicht?

Dabei hat Lachen in der Kultur eine tiefe Tradition. Schon Aristoteles war es nicht fremd und er schrieb zwar in erster Linie über die Tragödie, aber er wollte auch über die Komödie schreiben. Tat er es? Viele Indizien legen es nah. Doch das Werk wurde nie gefunden. Möglicherweise wurde es vernichtet. Warum wird das das theoretische Buch eines Philosophen aus der Antike nie gefunden?

In Umberto Ecos Mittelalter-Roman Der Name der Rose wird dieses angebliche Buch gesucht. Und es wird fast zum Aufhänger für ein gigantisches Verbrechen im Namen der Kirche. So mächtig ist die Komik! Das Buch von Eco ist natürlich Fiktion und ob Aristoteles wirklich über die Komödie schrieb, werden wir vermutlich nie erfahren. Aber eines ist sicher:

Das Lachen ist ein Zeichen von Respektlosigkeit und Distanzlosigkeit. Das bedeutet:

Wer lacht, der gehört eigentlich nicht dazu.

 

Übertragen Sie diese Erkenntnis mal auf andere. Nicht dazu zugehören, das ist der Albtraum des Herdentiers Mensch.

Wenn Sie lachen, fordern Sie auf, sich zu beteiligen, weil es ja doch ansteckt. Sie werfen einen Handschuh, den man eigentlich nicht aufheben will.

Die mögliche Ausgrenzung ist den Spaß nicht wert. „Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang!“ Schiller formulierte hier den Albtraum aller Normalen. Natürlich in der Glocke.

Sie mögen sagen, das sei heute aber nicht mehr so … Wirklich?

Doch! Es ist ganz tief drinnen in den Menschen … der Mensch flüchtet und respektiert die Überlegenheit, doch wenn sie sich zu sicher ist und triumphiert, was das Lachen ausdrückt, hasst er sie.

Vereinzeltes Lachen ist der Ausdruck eines persönlichen Verstehenstriumph inmitten Ahnungsloser, inmitten Langsamer. Es zeigt an: Ich bin weiter als ihr und muss nun auf euch warten, da lach ich doch lieber. Da amüsiere ich mich ganz schön.

Alleiniges Lachen ist die Krönung des Durchschauens: Aber wer will schon jemanden, der im Nebel des Alltags ständig alles klar sieht?

Sie werden damit der Einäugige unter den Blinden! Mit dem Lachen werden Sie auch das Gefühl vermitteln, dass die Situation unernst sei, eher leicht und dass sie einem entspannten Tag vor dem Fernseher gleiche. Sie irritieren damit Menschen. Das funktioniert sogar in der Kneipe:

Ist Ihnen mal aufgefallen, wie die Menschen sich umgucken, wenn jemand an einem anderen Tisch lauthals lacht? Fremdes Lachen ist im Grunde vielen Menschen unangenehm.

Es deutet auf Kontrollverlust hin, auf Alleinstellung und auf Übersicht. Gehen Sie mal in einen Zoo und suchen Sie lachende Tiere. Tiere lachen nur in Gruppen, dies aber zu jeder Zeit.

Einer allein in der Gruppe lacht nie. Wir haben uns so daran gewöhnt, dass das Lachen kommerziell sanktioniert und gekauft ist. Das bedeutet, dass uns jemand schlicht Angst macht, der es ohne Showaufwand hinbekommt.

Wir lachen lieber in der Gruppe. Wenn einer allein lacht, fragt man sich: Ist er naiv, unkontrolliert oder vergisst er sich? Diese Fragen stellen sich Menschen unbewusst. Lachen ist ein zutiefst spontanes, überwältigendes Gefühl.

Die Menschen heute hassen Spontanität. Sie verunsichert sie.

 

Sie geht einfach zu oft nach hinten los. Spontan ist auch nur der, der wach, hell und voll Verstand ist. Wer das nicht hinbekommt, ist schnell auf Glatteis. Und irgendwie können wir das ja auch verstehen, oder?

 

Böser Ratschlag Nr. 7:

Wieder das Überlegenheitsargument: Denken Sie daran: Menschen spekulieren lieber, als zu wissen. Sie sehen lieber, als zu denken und sie urteilen lieber, als zu untersuchen. Der Muff des Alltags ist eine sorgsam gehütete Errungenschaft, die man nicht mit zu viel Lachen und Späßen zerstört. Dafür gibt es schließlich Komiker. Denken Sie auch an deren Arbeitsplätze.

 

Lachen Sie nur, wenn Sie mit wirklich guten Freunden zusammen sind. Die schönste Form der Menschlichkeit ist zu kostbar für jedermann.