8.      ZEIGEN SIE KEIN MITLEID!

 

Ein jeder hat seine Art, unglücklich zu sein, und man sollte ihn dabei nicht stören.

Aristoteles

Wo gehört Mitleid hin? Überall dort, wo es wirklich gebraucht wird: In die Dritte Welt, in ausbeuterische Zustände, zu armen Menschen, die ohne Chancen vor sich hinvegetieren.

Aber wo gehört es nicht hin? Nun, in die alltägliche Konversation. Mitleid ist in der Zivilisation ein Luxus, den wir eigentlich nicht benötigen. Unsere Welt ist so gestrickt, dass wir in ihr gut zurechtkommen sollten. Dennoch hat es immer Hochkonjunktur. Es gibt regelrechte Mitleidsucher. Denn die Menschen lieben Mitleid. Hier geht es um das Mitleid, wenn jemand etwas nicht bekommt, was er möchte oder sich schlecht fühlt, obwohl er gesund ist.

Mitleid ist die schönste Form des Trosts und der Hilfe. Es fühlt sich immer gut und verdient an. Und noch schöner ist, dass man dafür nichts tun muss und es sich trotzdem so gut anfühlt. Meistens hat man sogar ein bisschen selbst Schuld an seiner Situation. Aber die Sache hat einen Haken: Mitleid löst aber nie etwas anderes aus als ein spontanes Wohlgefühl. Mitleid verändert nichts. Ja klar, das wissen wir alle. Nun fragen Sie sich mal, warum es so beliebt ist? Könnte es nicht sein, dass Menschen Mitleid so gerne annehmen, weil es sie davon freispricht, etwas zu tun? Mitleid ist immer angenehm im Angesicht des tragischen Zustandes und der Vorstellung, etwas tun zu müssen. Das Wort Mit-Leiden sollten wir uns genauer ansehen. Es beinhaltet Teilnahme und Übereinkunft: Sie, als Mitleider, gehören jetzt auch zum Clan der Leidenden. Von Veränderung hat keiner was gesagt. Aber das ist ja das perfide an Mitleid.

Je mehr man davon bekommt, umso mehr denkt man, dass man es verdient hat. Und wer sich etwas verdient hat, der kann sich schließlich zurücklehnen und erst mal nichts tun, nicht wahr?

Das ist das eigentliche Ziel der großen Mitleidssucher. Sie wollen bestätigt bekommen, dass sie sich in einer ganz und gar ausweglosen Situation befinden, aus der sie nicht herauskommen. Und dafür brauchen sie Sie!

Nun denken Sie: Ja, Mitleid kann ich ja mal spenden, aber noch etwas anderes setzt ein: Wer Mitleid spendet, spendet Mitleid und sonst erst mal nichts … Klingelt´s? Irgendwann setzt der Kater derer ein, denen Sie Mitleid gaben, denn geändert hat sich an ihrer Situation natürlich noch nichts.

Was also tun? Irgendjemand muss doch schuld sein an der ganzen Misere. Raten Sie mal, wer denen dann als Erstes einfällt? Und wieso fällt jetzt erst mal der erste Verdacht auf Sie? Sie haben den Mitleidsuchern bestätigt, dass Sie sich richtig verhalten. Damit haben Sie das uneinlösbare Versprechen gegeben, dass die Situation besser wird. Was aber natürlich nicht in Ihrer Macht liegt.

Leiden ist leichter als handeln. Das ist der ganze Sinn der Aktion, sobald Mitleidsucher jemanden gefunden haben, der ihnen ihre Situation bestätigt, sind Sie als vermeintlicher Rettungsengel nur noch Wasserträger und Alibi, um nichts an der Situation zu verändern.

Leiden kostet schließlich auch Kraft! Aber der Preis bleibt natürlich bestehen und am Ende wird man Sie dafür verantwortlich machen, dass Sie keinen Pusch gegeben haben, sondern nur süße Worte.

Wir danken denen, die uns fordern und strafen. Wir vergessen jene, die uns verstanden.

Kennen Sie das, wenn alte Leute an Lehrer zurückdenken und ihnen zuerst die einfallen, die am strengsten waren? Mit einem seligen Lächeln wird dann davon geschwärmt, was man alles bei diesen Quälgeistern gelernt habe. An die netten Lehrer erinnert sich niemand. Nur das, was verändert, bleibt in Erinnerung! Mitleid verändert nichts. Es bestätigt Qualen, die heute kaum einer haben muss.

Mitleid muss heute sehr sparsam und genau eingesetzt werden, wenn Sie damit helfen wollen. Denn wir lieben es, zu leiden. Es macht uns zu Königen der Aufmerksamkeit: Wir werden zu Drama Queens und haben einen Moment das Gefühl, wichtig zu sein. Und das Schönste ist ja, dass nur eines dem Leiden am nahesten ist: Der Stolz. Wer leidet, hat Stolz! Und mit nichts können Sie Menschen mehr Stolz nehmen, als wenn Sie kübelweise Mitleid ausschütten.

 

Böser Ratschlag Nr. 8: Lassen Sie Menschen leiden! Leiden ist leichter, als handeln. Leiden ist eine versteckte Form von Stolzdemonstration. Vergessen Sie das nie! Wer gerne leidet, scheut die Arbeit und liebt die Pose. Akzeptieren Sie das. Deshalb: Mitleid immer so wie Geld einsetzen. Gut überlegen, wem man es gibt und was dieser damit anstellt. Sie wollen schließlich nicht irgendwo hineingezogen werden!