Spannung
Beim Mittagessen verhielt sich das Paar Cocki-Peter wie gewöhnlich. Peter sprang auf den Sessel im Nebenzimmer, um die Situation zunächst aus der Ferne zu sondieren. Er hatte gelernt, daß gerecht verteilt wurde und man ihn schon von selbst rief, wenn etwas vom Tisch abfiel.
Cocki hatte seinen Parkplatz, wie gewöhnlich, unter dem fahrbaren Serviertisch neben Frauchen und schimpfte von dort unterschiedslos auf die Mama, Mathilde, auf mich, kurz: auf jeden, der sich dem Tisch näherte und etwas von dem köstlichen Menschenfressen wegzuschnappen drohte, das ja eigentlich dem kleinen Löwen, als Vorspeise zu seinem eigenen, noch nicht verdrückten Mittagessen, gehörte.
Nur als Frauchen als letzte erschien und — leicht behindert durch den verletzten Finger — begann, die Suppe auszuteilen, verstummte er ehrerbietig und richtete sich gleich darauf an ihr hoch, die Augen schwärmerisch verdreht, die Zunge hechelnd zur Seite hängend.
Und Puck? Er war eingeschüchtert vor dem Servierwagen stehengeblieben, unter dem Cocki zuerst hervorbrüllte, hatte nur den Kopf schief gelegt und dann mit seinen stillen braunen Augen aufmerksam in der Runde herumgeschaut:
»Aha, so ist das! Cocki schimpft auf die Menschen, nicht auf mich!« Dann hatte er einen Moment den Kastenbart hochgeschoben, eine Prise Schweinebratenduft eingeatmet und sich dann unter dem Tisch um meine Füße gelegt.
Ich hob das Tischtuch an und sondierte die Unterwelt: meine Füße mit Pucki drauf, dort Mamas Füße, der große schwere Mittelfuß des Tisches, das Gewirr der Stuhlbeine und drüben, jetzt zu Frauchens Füßen, Cocki.
Cocki warf einen schnellen, besorgten Blick zu Puck hinüber und atmete hörbar auf, als er ihn halb schlafend und demnach ohne Konkurrenzgelüste fand. Ich sah wieder auf Pucki: sein Bart wackelte, als er zufrieden vor sich hin pustete. Ich ließ die Tischdecke fallen, kehrte wieder auf die Oberwelt der Teller, Bestecke und Familiengesichter zurück und verkündete laut: »Ein ruhiges, rührendes Tier!«
»Na, hoffentlich«, sagte Mama.
»Warum nicht?« sekundierte mir Frauchen und zu meiner Mutter: »Und bitte, Mami, füttere den Dicken nicht!«
Die Mama nahm schuldbewußt die Hand wieder auf den Tisch. Cocki schmatzte laut an dem, was vorher in dieser Hand gewesen war... »Er hat doch solchen Hunger«, erklärte sie.
Darauf Frauchen zu Mathilde: »Von morgen an bekommen die Hunde ihr Essen vorher!«
»Und wir fressen hinterher«, sagte ich. Da niemand das komisch fand, mußte ich allein lachen. Es klang ziemlich gekünstelt.
Inzwischen hatte Peter Cockis Schmatzen bis ins Nebenzimmer hinein gehört, sprang vom Sessel, dehnte sich, wobei er das eine Fliegenbein wie ein Hahn steif nach hinten streckte, stakste dann vorsichtig an den Tisch heran. Zunächst steuerte er, einen kühl forschenden Blick in den grellen Augen, auf Puck zu und beroch ihn, worauf der den Kopf aus dem Gewuschel seiner Pfoten hob und ihm einen kleinen flinken Kuß auf die schwarze Nase hauchte.
Peter wich überrascht und leicht gereizt zurück, setzte sich dann neben die Mama und machte Männchen. Puck stand auf, trottete hinter ihn und beroch ihn ausgiebig von oben bis unten. Peter blieb ruhig sitzen und sah sich mit verdrehtem Kopf über die Schulter nach ihm um, was sein Gleichgewicht ins Wanken brachte. »Stör mich nicht, du alberner Kerl!«
Aber Pucki nahm hiervon keine Notiz, setzte sich neben ihn und machte auch Männchen. Er erfand aber eine eigene Nuance, indem er die dicken Fellärmchen vorn zusammenlegte und bittend auf und ab bewegte. »Seht doch nur, wie süß«, rief die Mama aus, »er ringt die Hände...«
»So, nun kommt mal alle her«, rief Frauchen.
»Aha«, sagten die Mama und ich im Chor.
»Es ist ja nur heute«, erklärte Frauchen entschuldigend, »wo sie noch kein Fressen bekommen haben...«
Nach dem Mittagessen wurden auch die Hunde gefüttert, und dann hielten wir in der Halle Kriegsrat ab.
»Tja, da werd ich mal aufs Gäßchen gehen«, sagte ich am Ende, »glaubst du, daß man den kleinen Puck schon frei laufen lassen kann?«
»Du kannst ihn ja zunächst mal an die Leine nehmen«, riet Frauchen, »denn vielleicht kommt ihm die Idee, zu seinem alten Herrchen oder in den Zwinger zurücklaufen zu wollen oder...«
Das Weitere wurde nicht mehr gehört; bei dem Wort >Gäßchen< hatten Cocki und Peter ihren üblichen Kriegstanz begonnen. Cocki mit fliegenden Ohren und ausgebreiteten Tatzen in die Höhe springend, Peter pfeifend wie eine Ratte ihn umkreisend und nach seinen Ohren schnappend.
Der Jüngste hatte sich das einen Moment still mit angesehen und die Bedeutung dieser Pantomime studiert. Zwischendurch hatte er mir einmal einen ganz hellen, fragenden Blick zugeworfen.
Dann hatte er aber anscheinend schon begriffen, was los war, und nun begannen wir von dem Wesen, das ich noch vor wenigen Minuten mit dem Brustton der Überzeugung als >ruhiges Tier< bezeichnet hatte, zum ersten Male jene Laute zu hören, die der Anlaß waren, daß wir ihn von Puck in >Weffi< umtauften.
Er produzierte nämlich ein unentwegtes gellendes, blechernes, seelenloses Weff-Weff-Weff! Dabei stieg er ebenso seelenlos und unentwegt, wie ein Luftballon, bis zur Schulterhöhe an mir hoch. Er unterbrach diese Tätigkeit nur, um zwischendurch mal schnell zu Cocki und Peter hinzulaufen und ihnen ein >Weff< in die Ohren zu stoßen, das sie veranlaßte, sofort mit ihrem Kriegstanz aufzuhören und völlig erstarrt und verdattert stehenzubleiben.
Auch wir waren eine Weile wie gelähmt. Sein pausenloses, in der gleichen Stärke und Stimmlage fahrendes Gekläff ertötete jeden Gedanken und jede Aktion. Man fühlte sich von einer wirbelnden Geräuschkulisse zugedeckt, die das Haus bis zur Unerträglichkeit füllte: Weff-weff-weff...!
»So pack ihn doch endlich«, hörte ich Frauchens Stimme wie aus weiter Ferne, »es ist ja nicht mehr zu ertragen!«
Aber das war leicht gesagt! Man mußte ihn erst mal haben! Eher hätte man einen Knoten in einen mit Schmierseife eingeriebenen Aal schlagen können. Er federte seinen Körper immer genau fünf Zentimeter vor meinen Händen her, ohne auch nur für einen Moment seine akustischen Darbietungen zu unterbrechen. Im Gegenteil: er empfand meine Bemühungen als ungeheuren Jux, der sich bis zum Irrsinn steigerte, als ich mich auf alle viere niederließ, um ihn auf diese Weise vielleicht greifen zu können...
Cocki und Peter hatten sich derweil nebeneinander an die Tür gestellt und sahen nun schweigend auf die Klinke.
»Laß erst mal die beiden ‘raus!« schrie ich Frauchen zu. Und sie tat es. Dann kam mir eine Idee. Ich stellte mich wieder aufrecht hin, und sofort begann Weffi wieder an mir hochzuspringen. Da fing ich ihn, mitten in der Luft und hatte ihn nun endlich fest in meinen Händen. Ach, was für ein kleines, leichtes Bündel! Er war jetzt verstummt und hechelte nur: himmlische Ruhe!
Ich schüttelte ihn: »Du unmögliche Blechtrompete! Du Fellfloh, du ganz verflixter! Bist du nun endlich ruhig, man wird ja ganz verrückt!«
Als ich ihn nun an mich zog, leckte er mir das Gesicht, und dann begann er wild zu strampeln. Es gelang ihm, mir eine Hinterpfote in den Mund und die andere ins Jackenfutter zu stoßen, und erst nach längerem Ringkampf konnte ich ihn auf den Stuhl setzen und ihm die Leine an-legen. Dann stellte ich ihn auf die Erde, und sofort fing er nach echter Foxart an, sich in die Leine zu verbeißen und sie wild hin und her zu schütteln. Unter seinem Wolfsgebiß zeigten sich sehr bald bedenkliche Ausfransungen an der Leine. Aber wenigstens bellte er nicht, er machte nur »Rrr-rr-rrr-rrr!« und schüttelte dabei den Kopf so schnell, daß man sechs Ohren, sechs Augen und drei Schnauzen gleichzeitig sah. Er schleppte mich hinter sich her, rückwärts die drei Stufen in den Garten hinunter manövrierend, bis zur Tür. Ich sah die Straße hinunter. Cocki und Peter hatten zunächst den beiden Grey-Hündinnen Iris und Viola, im Garten gegenüber, ihre Aufwartung gemacht und trabten nun, Schulter an Schulter, der nächsten Ecke zu, wo auf der linken Seite Peters Feind Hasso, der unechte Cocker, und auf der rechten Seite ein seltsames Schäferhundpaar lebte. Dort trennten sie sich, Peter ging zu Hasso, Cocki blieb rechts. Eigentlich wohnte dort nur Nora, die Schäferhündin, eine höchst alberne hysterische Person, die dauernd mit gesträubtem Haar und eingezogenem Schwanz herumläuft, sich an die Beine ihrer Herrin anschmiegt und alle männlichen Hunde anschreit, als ob sie auf der Stelle von ihnen vergewaltigt würde. Trotzdem macht sie bei einem eine Ausnahme, dem offenbar ihr Herz gehört: es ist Alf, ein dunkler, schöner Schäferhundrüde. Er wohnt eigentlich am anderen Ende des Ortes, aber seine ganze Beziehung zu seinem Elternhaus besteht darin, daß er Herrchen am Morgen zur Bahn bringt und am Nachmittag von eben diesem Herrchen wieder abgeholt wird. Den ganzen übrigen Tag verbringt er im Garten seiner Freundin Nora. Dieser Garten ist in Wirklichkeit eine große verwilderte Wiese, von einem altersschwachen Zaun umgeben und mit drei Obstbäumen verziert, die sich hartnäckig weigern, mehr als ein halbes Dutzend verschrumpelter Äpfel pro Jahr zu tragen. Aber hier lebt das glückliche Paar Nora und Alf, und dort buddeln sie zusammen, stromern herum, fressen zusammen, kläffen zusammen, und oft habe ich sie beobachtet, wie sie sich in der rührendsten Weise gegenseitig das Fell lecken und auf die Schulter klopfen.
Cocki pflegt mit Alf das uralte Hundespiel >furchtbar böse< zu betreiben, wobei beide Parteien außerhalb und innerhalb des Zaunes auf und ab rasen und sich durch die Zaunpfähle ankläffen, die entblößten Gebisse zeigend, als ob sie sich im nächsten Moment zerreißen wollten. Cockis männlicher Kampfruf mischt sich dabei mit dem tiefen Baß Alfs und dem hysterischen Geschrei Noras zu einem Trio, das meiner Ansicht nach nur deshalb nicht zu Strafanzeigen der Umwohner führt, weil sie alle selbst, und zwar meist auch sehr temperamentvolle, Hunde haben.
Dieses war, wie gesagt, die Situation, als ich mit Weffi das erstemal die Straße betrat. Na, dachte ich mir, bei dem Gebrüll dort unten an der Ecke, wird er ja wahrscheinlich nicht ausrücken, sondern mitmachen. Ich zog das fletschende Etwas an der Leine nahe an mich heran und hakte es los. Das aber veranlaßte Weffi noch keineswegs, nun auch die Leine mit den Zähnen loszulassen. Ich mußte sie ihm mit List und Tücke aus den Zähnen winden und sofort in meine Tasche stecken, damit er sie aus den Augen hatte. Aber sofort ertönte wieder die Blechtrompete, und dann begann er einen anderen Sport, indem er nämlich zwischendurch kräftig in die Schuhe biß.
»Weffi«, schrie ich außer mir. »Hund, bist du denn ganz von Sinnen? Komm mal hierher!«
Das Kommando >Komm mal hierher!< erwies sich insofern als erfolgreich, als er daraufhin wegrannte und mich aus der Entfernung mit »Weff-weff-weff« bombardierte. In meiner Verzweiflung bückte ich mich nach einem Stückchen Koks, das vor meinen Füßen lag, und feuerte es in seine Richtung. Es war ein Zufallstreffer, der auf seinem Po landete. Er war einen Moment verdutzt und hörte auf zu bellen. Großartig! Ich klaubte nun eine Handvoll weiterer Koksstückchen auf. Sobald ich nur die Hand erhob, sauste er davon, das Hinterteil in Erwartung des Wurfes urkomisch einziehend, so daß er einen Katerbuckel bekam und ganz kurz wurde.
Seitdem ist das zur Standardpraxis des Ausgehens mit ihm geworden. Er wird unter dem Arm auf die Straße geschleppt, hingesetzt, während ich in der anderen Hand schon die Wurfgeschosse: Holzstückchen, Koks oder (im Herbst) auch Kastanien halte. Gleich nach dem Hinsetzen bekommt er eins aufs Fell gebrannt und schwirrt mit Katzenbuckel ab. Aber er kommt danach noch drei-, viermal wieder, um beschossen zu werden, denn die ganze Sache empfindet er als einen gewaltigen Ulk. Er besteht jedoch eisern darauf, daß ihm auch wirklich etwas um die Ohren fliegt, und sieht genau, ob ich tatsächlich ein Geschoß in der Hand halte oder nur markiere. In diesem Falle — oder wenn es mal zufällig an geeigneter Munition mangelt — ist er sofort heran und schnappt nach den Schuhen.
Heute hatte er nun das >Furchtbar-böse-Spielen< am Ende der Straße bemerkt. Sofort schaltete er den Kompressor ein und sauste dorthin, unentwegt seinen Kampfruf ausstoßend, der aber infolge der rasenden Körperbewegung zu einem atemlosen >We-we-we< verändert wurde. Jetzt war er bei Cocki angelangt, der sich mit zurückgelegten Ohren und fletschenden Zähnen mit Alf durch den Zaun duellierte. Und da nun geschah etwas Merkwürdiges! Es zeigte sich nämlich, daß Weffi diese hündische Situation nicht begriff oder nicht begreifen wollte. Er rannte zweimal mit Cocki auf und ab und bellte auch Alf an, aber dann konzentrierte er sich nur mehr auf Cocki! Er schrie sein gellendes »Weff-weff« in die Ohren und biß ihn kräftig in die Hinterkeulen. Cocki stoppte völlig erschüttert. Plötzlich war sein schönes Spiel zerstört. Um dem albernen Gezwicke zu entgehen, setzte er sich auf den Podex und sah mich, der ich inzwischen herangekommen war, gramvoll an:
»Was sagst du zu diesem kompletten Idioten?«
Alf, hinter dem Zaun, war auch zum Stehen gekommen und hörte auf zu bellen. Nora war an seiner Seite und schmiegte sich an seinen Hals. Die Situation stagnierte, Kurzschluß! Plötzliche Stille...
In diese Stille kam Peterchen. Er hatte Hasso nicht zum Kampf stellen können, da das Tor noch verschlossen war, und statt dessen einen Stock organisiert, den er mir nun vor die Füße warf. Ich hob ihn wie üblich auf, und er erwartete den Wurf, die hellen Affenaugen hervorquellend, das eine Fliegenbein hocherhoben, das linke Ohr in Anerkennung meiner freundlichen Spielbereitschaft vage in die Gegend geknuckelt. Der Stock flog, Peter floh in langen Sätzen nach, aber neben ihm war plötzlich Weffi. Peter machte die längeren Sätze, aber Weffi dafür die doppelte Anzahl in der gleichen Zeit, und so brachte er es fertig, sich unmittelbar an Peters Seite zu halten und ihm dabei noch sein >We-we-we-we< ins Ohr zu schreien. Als beide den Stock erreicht hatten, dachte ich: »Jetzt gibt’s eine Beißerei!« Aber wiederum ereignete sich etwas Eigentümliches: Weffi bewies überhaupt kein Interesse an dem Stock, er schoß mehrere Meter darüber hinaus und kam dann wieder zurückgerannt, ohne den Stock auch nur angesehen zu haben.
Peter nahm ihn auch nicht, der Spaß war ihm verdorben. Er ging traurig an Hassos Tür, hob das Bein, und dann trabten er und Cocki mit hängenden Köpfen dem Ende der Straße zu, wo das Feld beginnt.
Als Weffi und ich zu Hause ankamen, war Frauchen schon in die Stadt gefahren. Mathilde, das sah ich beim Vorbeigehen am Küchenfenster, wusch das Geschirr. Als wir durch die Halle gingen, knurrte es dumpf unter der Kommode. Dort lag unser kleiner Löwe schon wieder und sortierte seine Knochen. Auch Weffi stellte seine Knurre an und wurde ganz steif im Gang, blieb aber an meiner Seite. Ich sah ins Wohnzimmer: Dort lag Peterchen in seinem geliebten schwarzen Sessel und döste nach dem scharfen Galopp. Weffi ging ins Zimmer und richtete sich, unter eifrigem Gewedel seines Krummschwänzchens, an dem Sessel hoch und roch an Peters Füßen. Der zeigte ihm, ohne sich aufzurichten, schweigend einen Eckzahn.
»Komm, Weffi«, rief ich, »wir gehen nach oben.«
Während ich mich an den Schreibtisch setzte, das Papier ordnete und mir eine Zigarre anzündete, hatte Weffi die Couch geentert und es sich dort bequem gemacht. Das war eine umständliche Operation, denn das Kissen lag nicht richtig, jedenfalls nicht so, daß man mich, mit dem Kopf daraufliegend, jederzeit im Auge behalten konnte. Er arbeitete fieberhaft, kratzte mit der Pfote hin und her, schob mit der Nase nach, bis es so lag, daß er sich beruhigt drauflegen konnte.
Ich begann zu schreiben. Draußen nahm ein stiller Sonnentag seinen Gang, ab und zu raschelte ein Vogel im dichten Laub am Fenster. Zwischendurch sah ich zu Weffi hinüber, und jedesmal, wenn unsere Blicke sich trafen, hob er ein wenig das Köpfchen und schlug mit dem Schwanz einen kurzen Wirbel. Ich baumelte unter dem Tisch vergnügt mit den Beinen: endlich hatte auch ich einen Hund!
Es kratzte an der Tür. Ich stand auf, öffnete. Draußen standen sie beide: Cocki und Peter!
»Grüß Sie Gott, meine Herren«, sagte ich und machte die Tür weit auf, »welch unerwartete Ehre!«
Peter sah kaum hoch und trabte sofort, mit eingezogenem Schwanz, zur Couch, roch an den rosa Gummiballen von Weffis Steifbeinchen und sprang auf den Sessel. Der Dicke kam nicht ins Zimmer, sondern winkte mich ins Badezimmer, wo er sich neben die Wasserkanne stellte. Das hieß laut Vereinbarung: Gib mir was zu saufen! Ich tat es. Er schlapfte mit Getöse, bis sein Bauch aufgeschwollen war wie eine Pauke und rechts und links abstand. Dann watschelte er ächzend und spuckend zur Couch, während ich mich wieder hinter den Schreibtisch setzte. Auch Cocki blieb zunächst stehen und roch an Weffis Pfoten. Der blieb ruhig, mit der Grazie einer Primadonna, liegen, die langen Wimpern halb über die Augen gesenkt. Irgendwie hatte er in diesem Augenblick Ähnlichkeit mit Greta Garbo. Die Ohren ein wenig hochgestellt, sah sich Cocki nach mir um. Seine Stirn war tief gefurcht, und seine Flappe hing traurig nach unten: »Soll das jetzt mit diesem Kerl da so weitergehen?«
Dann sprang auch er auf die Couch und haute sich zunächst in die andere Ecke. Das blieb so fünf Minuten, dann erhob er sich und wollte ausgerechnet in Weffis Ecke. Der blieb ruhig liegen, drehte seine Knurre an und zog die Lippe ein wenig über den Zähnen nach oben... Cockis Augen blinzelten, und er zog tief Luft durch die wabbelnde Flappe. Ich riß schnell das Kissen unter meiner Sitzfläche hervor und feuerte es dazwischen. Peter, obwohl nicht getroffen, sauste wie der Blitz aus seinem Sessel und war wie ein Schatten in der Ecke an der Tür. Der Dicke sah verdutzt auf, und Weffi, den das Kissen verschüttet hatte, strampelte wild, um sich wieder frei zu machen.
Inzwischen war ich aufgestanden, nahm den Dicken beim Kragen, gab ihm einen Klaps und schob ihn wieder in seine ursprüngliche Couchecke. Weffi bekam, der Vollständigkeit halber, auch eins aufs Hinterteil: »Und du brummst auch nicht mehr, verstanden? Du bist hier der Jüngste und hast artig zu sein! Peterchen, komm, du warst ja gar nicht gemeint; mach hier hopp in deinen Sessel!« Aber der kratzte nur mit dem Fliegenbein an der Tür. Ich machte sie auf, und er zog traurig ab nach unten. Der Dicke richtete sich auf und sah ihm nach. Dann sprang er von der Couch, stand einen Augenblick überlegend im Zimmer und fläzte sich schließlich in den angewärmten Sessel, den Peter eben verlassen hatte. Er entspannte sich jedoch nicht, sondern legte den Kopf auf die Lehne, die Schnauze wie eine Kanone in Richtung Weffi haltend. Auch Weffi legte die Schnauze auf den oberen Rand seines Kissens. Beide starrten sich an, hielten sich mit den Augen umklammert, als wollten sie sich hypnotisieren.
Ich schrieb weiter. Nach einer Weile hörte ich einen leichten Hupf, gleich darauf arbeitete etwas an meinen Beinen herum, zwischen meinen Beinen erschien Weffis Kastenbärtchen, ich rückte den Stuhl zurück, und mit einem seiner federleichten, mühelosen Sprünge war er auf meinem Schoß und drückte sich an mich.
»Aber, aber«, sagte ich, »wie soll denn das weitergehen? Ich kann doch nicht mit dir auf dem Schoß schreiben...«
Als Antwort zitterte er nur mit den Vorderbeinen.
»Na schön«, sagte ich, drückte mir sein Köpfchen unters Kinn, langte mit den Armen um ihn herum und arbeitete weiter. Es war etwas mühseliger als vorher, aber es ging. Nach einer Weile plumpste Cocki vom Sessel und ging aus dem Zimmer. Weffi fixierte mich sofort, als wollte er sagen: »Nun sind wir allein!« Er gab mir einen Kuß aufs Kinn und sprang ebenfalls auf die Erde. Dann ging er auf seine Couch zurück und kringelte sich in seinem Eckchen zusammen. Ich sah auf ihn und empfand einen kleinen wehen Stich in meinem Herzen: meine beiden anderen kleinen Freunde hatte ich wohl verloren...
Spät am Nachmittag kam Frauchen zurück. Merkwürdigerweise war es Weffi, der als erster den Wagen vernahm, obwohl er ihn doch erst ein einziges Mal hatte abfahren hören. Als er von seinem Platz aufsprang, sich mit der Pfote die angelehnte Tür öffnete und tapp-tapp-tapp-tapp die Treppe hinunter in die Halle sauste, kamen auch die beiden Ältesten zum Vorschein: Cocki aus Mathildes Zimmer und Peter aus dem der Mama. (Am Nachmittag lag er gewöhnlich bei ihr und sah zu, wie sie Patience legte.) Mathilde öffnete. Die ganze Meute stürzte Frauchen entgegen, die, wie üblich, mit Tuten und Paketen für das Abendbrot bepackt war. Peter und Cocki widmeten, nach flüchtigen Handküssen, ihre Hauptaufmerksamkeit diesen Päckchen. Sie konnten sich jedoch nicht wie sonst in ihren Duft versenken, denn Weffi raste zwischen ihnen hin und her und bellte ihnen die Ohren voll. Er unterbrach diesen Sport nur, um Frauchen in die Schuhe zu zwicken. Die Bewegungen der beiden anderen erlahmten, ihre Augen erloschen. Sie machten auf der Hinterhand kehrt und trotteten traurig aus dem Garten auf die Straße. Ich beugte mich zu Weffi hinunter: »Nun sei doch mal einen Moment still und laß deine Brüderchen auch zu Wort kommen!«
Dabei gab ich ihm einen kleinen Klaps. Er knickte sofort wieder hinten zusammen und fiel mit dem Hinterteil sogar zur Seite, obwohl meine Berührung nur leicht gewesen war.
»Hast du das eben gesehen?« fragte ich Frauchen.
»Ja, das ist merkwürdig! Vielleicht haben sie ihn im Zwinger so mangelhaft ernährt?«
»Möglich, aber ich glaube es nicht. Werde morgen mal hinfahren.«
Erst zum Abendbrot erschienen Cocki und Peter wieder. Wir nahmen es, wie in den meisten Fällen, in meinem Zimmer vor dem Radioapparat ein. Cocki und Peter gruppierten sich rechts und links von Frauchen auf meiner Couch, Weffi saß, mit einem seiner blitzschnellen Sprünge, wieder auf meinem Schoß.
»Du, das geht aber nicht, mein Kleiner! Beim Essen mußt du dich auch ‘runtersetzen...«
Er sah mich mit schiefem Kopf aufmerksam an und federte dann mit einem Sprung ‘rüber auf den Schoß zur Mama, die, mit der inneren Unruhe alter Hausfrauen, wie gewöhnlich nur halb auf dem Stuhle saß. Sie steckte ihm ein Häppchen in die Schnauze, das er aber nicht, wie Cocki und Peter, spurlos einatmete oder mit einem Haps aus der Hand riß, sondern wieder mit ungeheurer Umständlichkeit kaute, als ob es ein Stück Vollgummi wäre.
»Weffi, sei brav wie die andern auch, geh von Mamas Schoß und setz dich auf die Erde!« befahl Frauchen.
Mama wehrte ab. »Er stört mich nicht, laß ihn, er ist doch sooo niedlich!«
»Nein, du hast sowieso keine Ruhe zum Essen. Runter da, los — hopp!«
Bei >Hopp< sprang Weffi auf die Couch und trat auf Peter. Der fuhr entsetzt hoch und biß, worauf er zwei blitzschnelle Gegenbisse von Weffi kassierte.
»Achtung, Cocki!« schrie ich. Er wollte hinter Frauchen vorbei seinem schwarzen Kumpan zu Hilfe kommen und konnte gerade noch von ihr eingeklemmt werden, indem sie sich mit dem Rücken zurückwarf. Er wurde wieder in seiner Ecke verstaut, Weffi zitterte, und Peter stand schon wieder mit hängendem Kopf und eingezogenem Schwanz an der Tür und wollte ‘raus.
»Nein«, sagte Frauchen, »das kommt nicht in Frage!«
Sie hob Weffi hoch und setzte ihn auf die Erde. »Komm, Peterchen!« Er kam angeschlichen, als habe man ihm das Kreuz gebrochen, warf einen scheelen, bösen Blick auf Weffi, als er ihn passierte, und sprang wieder auf die Couch an seinen alten Platz.
»Puh«, sagte ich, »ich glaube, das wird schwierig. Weffi paßt so gar nicht zu den beiden anderen.«
Als ich >Weffi< sagte, hatte ich ihn schon wieder auf dem Schoß. Er drückte sich an mich und zitterte. Die beiden anderen musterten ihn aufmerksam mit bösen Augen.
»Bleib schon hier heute«, sagte ich und aß über ihn hinweg. Ich streichelte leise über seinen Rücken. Die weiße Wildnis seiner Schnauze war dicht vor meinen Augen, die kleinen, rosa gefütterten Ohren, das eine noch blutverkrustet von der Beißerei mit Cocki, die braunen Augen, die mich in seltsamer Ruhe und forschend ansahen. Wenn ich einen Happen in den Mund steckte, kümmerte er sich gar nicht darum. Sein einziges Interesse und Glück schien zu sein, sich an mich zu schmiegen und meine Nähe zu fühlen.
»Mein Gott, ist er schön«, sagte Frauchen, »du müßtest dich mit ihm von hier aus sehen. Ein Bild direkt — ich meine den Hund natürlich!«
»Vielen Dank!« Ich sah ihn mir auch wieder aufmerksam an. »Ja, bildschön ist er, aber ein dekadentes kleines Nervenbündel. Die beiden anderen wirken gegen ihn direkt — ich weiß nicht, wie ich das richtig ausdrücken soll — dunkel, dumpf, fern.«
»Aber mir gefällt Peterchen besser«, sagte die Mama, »er ist unglaublich rührend, und man muß ihm einfach zur Seite stehen. Man muß sich bemühen, zu ihm heranzukommen, denn er verdient es! Dieser kleine Fellclown kommt von allein! Er nimmt es als ganz selbstverständlich an, daß er überall die Hauptrolle spielt...«
»Urteilt nicht so schnell und seid nicht so ungeduldig«, sagte Frauchen, »sie werden sich schon aneinander gewöhnen; schließlich ist er ja erst ein paar Stunden bei uns; was verlangt ihr eigentlich?«
»Merkwürdig ist ja«, wandte ich ein, »daß er gar nicht nach seinem Herrchen und Frauchen bangt und daß er gleich frißt und nicht trauert. Wißt ihr noch, als unser erster Puck zu uns kam — er hatte es doch bei seinem früheren Herrchen nicht allzu gut, aber drei Tage hat er um ihn geweint und nichts gefressen.«
»Du vergißt, daß Weffi ja die letzten drei Wochen im Zwinger und schon nicht mehr bei Herrchen und Frauchen lebte«, meinte die Mama.
Wir fanden, daß dies eine sehr plausible Erklärung sein könnte.
Vor dem Schlafengehen ging’s noch mal aufs Gäßchen. Cocki und Peter führten nicht ihren gewohnten Freudentanz auf, sondern standen still an der Haustür und ließen Weffis gellende Trompete über sich ergehen: Nur ‘raus! Da hatte ich einen Einfall: ich schlug mit der flachen Hand mehrmals auf den Sitz eines Stuhles, der in der Halle stand, und sagte: hopphopp! Weffi sprang sofort auf den Stuhl, saß dort und — hielt den Schnabel! Das verklemmte Gebell aber schlug gewissermaßen in seinen Körper zurück, denn er zitterte vor Aufregung so, daß er selbst mit dem Kopf wackelte und seine Zähne wie im Fieber aufeinanderschlugen. Sobald ich ihm den Rücken drehte, sprang er wieder hinunter und kläffte. Sobald ich mich umdrehte und hopp! sagte, saß er wieder auf dem Stuhl, zitterte und wartete. Beim dritten Male sprang er bereits von selbst hinauf. Von dort griff ich ihn mir, klemmte ihn unter den Arm und trug ihn durch den Garten auf die Straße. Dort bückte ich mich im Dunkeln und suchte einen Stein. Ich fand auch etwas, aber es war kein Stein, sondern etwas anderes, höchst Unerfreuliches. Gott sei Dank war es schon ziemlich trocken... Schließlich aber fand ich auch einen Stein, setzte Weffi hin, bewarf ihn damit, später noch mit zwei anderen, und er war endlich ruhig und jagte den älteren Brüdern in die Dunkelheit nach...
Beim Schlafengehen gab es dann noch mal eine Krise. Plötzlich wollten Peter und Cocki auch bei mir schlafen. Als man ihnen klarmachte, daß dies nicht ginge, schlich sich Peter traurig in die Küche. Cocki aber kroch unter Frauchens Bett und spielte Höhle. Mathilde und ich mußten das Bett hochheben, worauf er tiefgekränkt die Treppe ‘runterwatschelte und sofort unter der Kommode verschwand. Mathilde und ich hoben auch die Kommode hoch, während Frauchen und die Mama den Treppenaufgang blockierten — dann endlich mußte er in die Küche gehen. Dort schmiß er sich hin.
Als ich nach oben kam, hatte es sich Weffi inzwischen auf meinem Sessel bequem gemacht.
»Ich werde versuchen, ob ich mit ihm schlafen kann«, sagte ich, »hoffentlich schnarcht er nicht.«
Ich las noch eine Weile, löschte dann das Licht und horchte hinaus in die Nacht, die kühl und rein in die Fenster sah. Der Garten war verstummt, die Vögel waren zur Ruhe gegangen, Baum und Strauch war in Mondlicht gebadet und eine breite, milchige Bahn floß quer durch das Zimmer. Es war eine warme Nacht und so still, daß ich das Singen des Blutes in meinen Ohren hörte. Und dann nur noch die leisen Atemzüge meines Jüngsten aus dem Sessel. Ein kleines Wesen bei mir — dieses Vertrauen — aber da schon hatte ich die Schwelle überschritten und versank im Schlaf...
Plötzlich aber, mitten im Traum, kam ich wieder zu mir. Etwas trat mir ins Gesicht und begann dann an meiner Nase zu knabbern. Ich zog den Lichtkontakt und drehte mich um. Es war Weffi, er stand über mir und wedelte mich freundlich an. Ich sah auf die Uhr: 3 Uhr früh!
»Du, hör mal, du kleiner Fellfloh«, sagte ich, »das ist zwar sehr süß, was du dir da ausgedacht hast, aber das geht nicht. Herrchen muß morgen früh frisch sein, um Weffis Freßchen zu verdienen.«
Bei >Weffi< drehte er das Köpfchen schief, und dann begann er sich an den Pfoten zu knabbern. Er fand die Situation offenbar gemütlich. Was jetzt? Ich stand auf, nahm ihn unter den Arm. Er glaubte anscheinend, es ginge nun aufs Gäßchen, strampelte und wollte eine Arie an-stimmen. Ich hielt ihm die Schnauze zu, schlich mich leise mit ihm in Frauchens Büro und legte ihn dort auf die Couch, wo sonst der Besuch schläft. Er bettete sein Köpfchen aufs Kissen wie ein Mensch, ich deckte ihn zu, seine Augen verschleierten sich, er begann zufrieden zu schmatzen. Ich gab ihm noch einen Kuß auf seinen glatten Kopf: »Kleiner Gentleman«, flüsterte ich und drehte das Licht aus.
Am nächsten Morgen hörte ich schon unten eine Blechtrompete, als Mathilde ihn zum ersten Male ‘rausführte, und dazwischen ihre Schreckensrufe und ihr Schimpfen, wenn er ihr die Schuhbänder aufriß. Danach kam er sofort heraufgestürmt, warf sich mit solcher Wucht gegen meine Tür, daß sie auf sprang, flog auf mein Bett und fiel mir um den Hals.
Ich stand schnell auf, machte mich fertig, holte Muckel-chen aus der Garage, packte mir das weiße Bündel und fuhr mit ihm zum Zwinger. Der war kaum eine Viertelstunde entfernt, ein kleines Häuschen an der Landstraße mit einem verwilderten Garten dahinter. In dem Garten saß ein älteres Mädchen, und um sie herum tobten ein halbes Dutzend winziger Weffis, die an ihr hochkletterten und nach besten Kräften versuchten, ihr die Haare auszureißen, von denen sowieso nicht mehr allzu viele da waren. Sie stand mühsam auf, als sie meinen Wef-fi sah, und schlug die Hände zusammen: »Wer kommt denn da? Unser Allerschönster!«
Ich trug in geziemender Form mein Anliegen vor, während zwei Weffi-Miniaturausgaben sich bemühten, meine Schnürsenkel durchzukauen, und der Rest sich in Weffis Pfoten verbiß. Er sei so schwach, sagte ich, besonders auf der Hinterhand, das sei nicht normal, auch komme er so leicht außer Atem.
Ja, das sei schon möglich, daß er ein wenig geschwächt sei, entgegnete sie kummervoll und betrachtete ihre durchlöcherte Schürze: »Wissen Sie, als Dr. Nebelthau ihn uns zurückbrachte, hatten wir gerade alle Käfige voll und konnten ihm keinen eigenen geben. Da haben wir ihn mit einer Hündin zusammengesperrt und dachten, das wäre noch am besten. Das ist aber eine ausgesprochene Stänkerin: sie fraß ihm das Futter weg und biß ihn bei jeder Gelegenheit! Und er hat sich alles so rührend gefallen lassen, er ist ein richtiger, kleiner Kavalier!«
Ein merkwürdiges Gequieke unterbrach uns. Weffi hatte einen seiner spitzzahnigen Plagegeister erwischt und trug ihn wie eine Ratte in der Schnauze weg. Er biß aber nicht zu, sondern hielt ihn ganz vorsichtig, setzte ihn in einer entfernten Ecke hin, beroch und beleckte ihn.
»Ein so gutes Tier!« sagte die Wärterin.
»Ja«, sagte ich »weiß Gott. Und, vielen Dank!« Dann saßen wir wieder im Wagen, er neben mir auf dem Vordersitz, die Beinchen bebend, den Hals ganz langgestreckt, um über die Haube weg noch etwas zu sehen.
»Soso«, sprach ich ihn an, »also so war das, mein armer kleiner Junge! Erst verlierst du Herrchen und Frauchen, weil da so’n Menschenbaby ankommt und dann sperren sie dich zu so einem dummen Luder, das dich beißt und dir alles wegfrißt — und bist trotzdem so lieb und so zärtlich geblieben. Ich will dir aber dafür ein gutes Herrchen sein, meine kleine Radautüte, das verspreche ich dir!«
Er sah mich an, und seine Augen blieben eine ganze Weile auf mich gerichtet. Hatte er mich verstanden...?
Somit war unter uns alles in Ordnung! Aber zu Hause, da blieb es unerquicklich. Er fiel den beiden anderen weiterhin auf die Nerven! Sie litten unter ihm. Es kam nur selten zu Beißereien, aber es entstand eine Atmosphäre dauernder Spannung; und obwohl sich Peter und Cocki offensichtlich darauf geeinigt hatten, den Neuen als ausgesprochenen Clown und Menschenknecht mit Nichtachtung zu strafen, so verdichtete sich doch in mir die Ahnung, daß ein Ungewitter heraufziehe. Und