Drittes Kapitel

 

Gertrud war in der Werkstatt und schraubte emsig an einer alten Harley Davidson. Die Musikanlage war aufgedreht – Adele sang sich die Seele aus dem Leib, und Gertrud trällerte begeistert mit. Sie trug ihr weizenblondes Haar nach wie vor sehr kurz, und ihre Augen schimmerten in einem rätselhaften Blau-Grau. Die tiefe Bariton-Stimme jagte Tessy stets Schauer über den Rücken – nicht nur ihr. Gertrud ließ, genau wie Tessy, nichts anbrennen, war jedoch im Gegensatz zu Tessy zumindest sexuell nicht an Männern interessiert.

 

Tessy hatte im Büro zwei Tassen Kaffee besorgt und reichte ihrer Geliebten eine davon. Die legte nun den Schraubenschlüssel beiseite und stellte die Musik leiser, nachdem der Hit verklungen war.

 

Die Annahme, dass die Motorradbranche in der kalten Jahreszeit im Winterschlaf versinken würde, war nur auf den ersten Blick naheliegend und ansonsten völlig falsch. Gertrud brauchte in der Regel allein zwei Monate, um liegen gebliebenen Papierkram und ihre Buchhaltung zu erledigen, und ansonsten hatte sie mehr Reparatur- und Wartungsanfragen, als sie annehmen konnte. Dazu kam die Vorbereitung auf die neue Saison.

 

Die beiden Frauen setzten sich auf ein zerschlissenes Sofa an der Rückwand der Werkstatt und tauschten eine Weile Belanglosigkeiten aus. Gertrud schlürfte ihren Kaffee, während Tessy von ihrem neuen Auftrag erzählte – ohne Namen zu nennen und allzu sehr in die Tiefe zu gehen.

 

„Dem geht der Arsch auf Grundeis“, erläuterte sie Brandners Situation. „Das Video war nicht ohne.“ Tessy lachte und schilderte nun doch einige pikante Details. Dabei lehnte sie sich an Gertruds Schulter. Die legte den Arm um sie, beugte sich hinunter und gab ihr einen langen Kuss, der ein wenig nach Motoröl und Schmierfett schmeckte, doch ansonsten sofort Wirkung zeigte.

 

„Hm“, murmelte Tessy versonnen, während Gertruds Zunge in ihren Mund vordrang und das Kribbeln in ihrem Schoß stärker wurde. „Haben wir eigentlich je auf diesem Sofa…“

 

„Ich glaub schon, aber ich kann mich nicht mehr so genau erinnern“, entgegnete Gertrud mit leise vibrierender Stimme und öffnete Tessys Jacke.

 

Tessys Nippel wurden hart, als Gertruds Hand unter ihren Pullover fuhr und ihre Brüste zu massieren begann. „Mit oder ohne?“, flüsterte die Motorradlady, während Tessy sich auf dem Sofa ausstreckte.

 

„Was?“

 

„Mit oder ohne Spielzeug?“ Gertrud öffnete Tessys Hose und beugte sich über ihren Bauchnabel. Ihre Zunge umspielte die kleine runde Öffnung, und Tessys Atem beschleunigte sich. Gertrud war perfekt im Dildospiel und konnte hart stoßen wie ein Kerl und deutlich ausdauernder, aber manchmal sollte es einfach nur ihre Zunge sein.

 

„Ich will sie spüren – nur sie“, flüsterte Tessy, und Gertrud streifte ihr Hose und Höschen herunter.

 

„Wie du willst, mein Schatz.“ Ihr heißer Atem benetzte Tessys Lippen, und plötzlich strich Gertruds Zungenspitze über ihre Knospe, umspielte, neckte sie. Gleichzeitig drang sie mit zwei Fingern in ihre Möse. Tessy atmete scharf ein – ihr Saft begann zu laufen, und sie fing an zu zittern, als ihre Gespielin mit der anderen Hand auf raffinierte Weise ihr Poloch massierte. Dann zog Gertrud die beiden Finger aus Tessys Möse zurück und ließ stattdessen ihre Zunge spielen – tief, vorwitzig stoßend, gleitend. Tessy krallte sich in den Sofabezug und stöhnte immer lauter, während sie ihre Beine weit spreizte, um Gertruds Zunge so tief wie nur irgend möglich in sich aufnehmen zu können.

 

Tessy kam schnell und mit einem lauten, lang anhaltenden Schrei. Als ihr Atem sich beruhigt hatte, richtete Tessy sich lächelnd auf und strich sich eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wunderbar, meine Liebe, ganz ausgezeichnet sogar. Wie darf ich mich revanchieren?“

 

Gertrud zögerte und gab ihr dann einen zarten, fast unschuldig anmutenden Kuss auf den Mund. „Später vielleicht, ich …“

 

Tessy hob die Augenbrauen. „Ach du liebe Güte – du willst nicht sofort zum Zug kommen? Was ist denn jetzt los?“

 

Gertrud lachte kurz auf. „Nun ja, ich …“ Sie brach ab.

 

Tessy schüttelte verwirrt den Kopf. „Hab ich was falsch gemacht?“

 

„Um Gottes willen, nein! Hör zu, ich hab neue Pläne, über die ich unbedingt mit dir sprechen möchte, aber es fällt mir nicht ganz leicht und...“ Sie stand abrupt auf und strich sich über das kurze Haar. „Ich hol noch mal Kaffee, ja?“

 

Tessy starrte ihr einen Moment verblüfft hinterher, dann stand sie ebenfalls auf und zog sich rasch wieder an. Die süße Erregung war schnell erkaltet, viel zu schnell. Gertrud servierte kurz darauf frischen Kaffee sowie einen Teller mit Pralinen und setzte sich wieder. Sie schlug ein Bein über das andere.

 

„Ich verlasse Berlin“, meinte sie plötzlich.

 

Das darf doch nicht wahr sein, dachte Tessy, die einen Augenblick den Atem anhielt. Das ist irgendein bescheuertes Déjà vu.

 

„Ich habe, wie du weißt, im letzten Urlaub einige interessante Frauen kennengelernt. Wir verstehen uns sehr gut, in jeder Hinsicht – kurzum: Wir wollen gemeinsam einen Motorrad- und Rollerladen aufziehen“, erläuterte Gertrud schnell. „In Hamburg.“

 

„Hamburg?“

 

„Ja. Die Branche läuft da sehr gut. Außerdem gibt es bereits ein Geschäftshaus in allerbester Lage und zu richtig guten Konditionen. Ich wäre dumm gewesen, diese Chance auszuschlagen.“

 

„Verstehe“, kommentierte Tessy etwas lahm. „Mein Onkel ist endgültig nach Bayern umgesiedelt, der Kommissar versucht’s mal mit Niedersachsen, und dich zieht es nach Hamburg – wow! Eine ganze Menge Veränderungen innerhalb weniger Tage.“

 

Gertrud lächelte verlegen, was selten vorkam und ihr ganz ausgezeichnet stand. „Du bist jederzeit herzlich eingeladen. Das weißt du, oder?“

 

„Danke“, seufzte Tessy. „Du auch. Wann ist es denn soweit?“

 

„Ich habe schon angefangen, meinen Laden abzuwickeln. Ich schätze, in ein, spätestens zwei Monaten bin ich auf dem Weg in den Norden.“

 

Tessy spürte, dass Gertrud sich auf den Neubeginn freute und ihr zugleich den Abschied nicht allzu schwer machen wollte. Tessy gab sich einen Ruck und lächelte die Motorradlady herzlich an. Was soll das melancholische Theater? Wir waren schließlich nie ein im klassischen Sinne eng miteinander verbundenes Paar, dachte sie. Sex und Erotik hatten stets im Mittelpunkt gestanden. Dabei könnte es doch eigentlich bleiben. Und warum sollte sie nicht hin und wieder einen zünftigen Ausflug nach Hamburg unternehmen? Schöne Stadt, mal was anderes.

 

Wenig später verabschiedete sie sich von Gertrud. Als Tessy zu Hause eintraf, warteten Pepper und Chili am Gartentor auf sie. Wenigstens etwas, dachte Tessy und schob einen ganzen Sack voll erstaunlich unguter Gefühle rasch beiseite. Sie nahm sich fest vor, nach Abwicklung des Brandner Auftrages neue Kontakte zu knüpfen. Trübsal blasen war nicht ihr Ding, und sie hatte nicht vor, es je zu ihrem Ding zu machen. Und was das Blasen anging, sollte es so wenig wie irgend möglich mit Trübsal in einen Zusammenhang gebracht werden.

 

 

 

Hugo Brandner rief am nächsten Vormittag an, um die letzten Details zu besprechen. Tessy schlug vor, dass sie mit Auto und verstautem Bike – um zur Sicherheit auch auf diese Fluchtvariante vorbereitet zu sein – in der Nähe des Autosalons wartete, bis Brandner sich meldete, um ihr mitzuteilen, welchen Treffpunkt der Erpresser angegeben hatte. Alles Weitere hing dann von ihrem Geschick und ein wenig vom Glück ab.

 

Tessy verbrachte den Rest des Tages damit, Einkäufe zu erledigen und sich zu entspannen. Gedanken an Gertrud und Dirk verbannte sie aus ihrem Kopf, sobald sie sich dort festzusetzen drohten, sie nahm stattdessen die Einladung zum Kaffeeklatsch bei ihrer alten Freundin Kerstin an. Kerstin war vor knapp einem Jahr ihre erste Auftraggeberin gewesen. Seinerzeit hatte Tessy zur Aufklärung des Mordes an Kerstins Mann Patrick entscheidend beigetragen.

 

Nach zwei Stunden Kinder-Familien-Idyll hatte Tessy allerdings die Nase gestrichen voll. Kerstins neuer Freund hatte ebenfalls zwei kleine Kinder, und Tessys Begeisterung für das Projekt Großfamilie hielt sich in Grenzen. Sie war froh, als sie in die Stille ihres Häuschens zurückgekehrt war und lediglich zwei hungrige Katzenmäuler zu stopfen hatte.

 

 

 

* * *

 

 

 

Honeys letzter Freier hatte eine Autonummer schieben wollen. Der Typ war Ende fünfzig, fuhr einen kleinen Transporter von einer Wäschefirma und fing schon an zu sabbern, als er ihr erklärte, dass er sie hinten im Ladebereich auf einer Kiste ficken wollte. Ja, meinetwegen mit Gummi. Der Mann war ihr nicht sympathisch, aber er diskutierte nicht über den Preis, und eine Nummer im Auto war in der Regel schnell und unkompliziert verdientes Geld. Außerdem hatte Honey keine Wahl. Bei der Kälte ging das Geschäft mies.

 

Der Typ, der Keule genannt werden wollte und diesen Spitznamen ungeheuer komisch fand, fuhr in eine Nebenstraße. Dort schloss er die Schiebetür auf und bugsierte Honey in den Rückraum.

 

„Höschen runter!“, befahl er in rüdem Ton und öffnete Gürtel und Reißverschluss. „Den Rest von deinem Nuttenzeug kannst du anbehalten. Is ja arschkalt. Nicht, dass du dir was abfrierst!“ Er brüllte vor Lachen. Humor war definitiv nicht sein zweiter Vorname.

 

Es war dunkel in dem Wagen, nur eine sparsame Notbeleuchtung ließ den Innenraum erahnen – zwei Regale, in denen Honey Wäschestapel vermutete. Dazwischen stand eine Kiste.

 

„Leg dich drüber“, sagte Keule mit schwammiger Stimme.

 

„Erst das Geld.“

 

„Blöde Nutte!“

 

„Die blöde Nutte will erst Geld sehen – oder willst du dich mit meinem Zuhälter anlegen?“, parierte Honey selbstsicher. Sie hatte zurzeit keinen Zuhälter, aber die meisten notgeilen Typen waren nicht scharf darauf, herauszufinden, ob sie log.

 

„Schon gut.“ Er nestelte zwei Scheine aus der Hose, die Honey sorgsam wegsteckte. Dann beugte sie sich über die Kiste, und er trat hinter sie und schob ihre Beine auseinander.

 

Keule hatte einen mickrigen Schwanz, soviel spürte Honey sofort, und er brauchte lange, um mit seinen Ministößen in Fahrt zu kommen. Sie seufzte unterdrückt und begann ihren Hintern zu bewegen. „Geil“, flüsterte sie mit rauer Stimme. Das war eine fette Lüge, die fetteste an diesem Tag, vielleicht sogar in dieser Woche oder in diesem Monat, der an Lügen nicht knapp gewesen war, aber Keule freute sich und legte einen Zahn zu. Es würde schneller gehen, wenn sie ihn anfeuerte.

 

„Was für ein harter Rammler du bist“, fuhr sie leise fort. „Mach es mir, ja! Schneller! Tiefer! Gleich bin ich soweit!“

 

Während Keule grunzend in einen vergleichsweise fast schon stürmisch zu nennenden Rhythmus wechselte und für Momente in der Illusion schwelgte, ein wunderbarer und strammer Liebhaber zu sein, blickte Honey gelangweilt auf den Boden und überlegte, was sie sich nachher kochen würde. Sie hatte noch Nudeln vom Vortag und Champignons. Kross in der Pfanne angebraten und mit einem Ei garniert keine schlechte Mahlzeit. Dazu ein Glas Rotwein und einen schnuckeligen Liebesfilm gucken. Was wollte sie mehr? Das Leben konnte richtig nett sein. Man musste nur was draus machen.

 

Mittlerweile hatten sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt. Direkt vor ihrem Gesicht lag eine Zeitung auf dem Boden. Sie runzelte die Stirn, während Keule lauter grunzte und die Kiste zu ruckeln begann. Ein Foto erregte ihre Aufmerksamkeit. Das Gesicht der Frau kam ihr irgendwie bekannt vor.

 

Wenige Minuten später stand sie wieder in der Kälte. Der Transporter bog um die Ecke. Im Licht eines Feuerzeugs betrachtete Honey das Foto in der Zeitung, die Keule ihr wortlos zugesteckt hatte, als sie ihn danach fragte. Ihr Atem stockte. Der Deal, dachte sie dumpf. Vielleicht hat sie sich nicht an den Deal gehalten.