Elftes Kapitel
Tessy öffnete ein Auge. Der Vibrationsalarm ihres Handys rappelte zum dritten Mal. Sie fluchte leise, griff sich das Telefon und stellte die Verbindung her, blieb aber liegen. „Ja?“, brummelte sie.
„Tessy? Warum gehst du nicht an dein Handy?“
Was für eine bescheuerte Frage!
„Ich war verhindert“, erwiderte sie genervt. „So was kommt vor. Wer spricht überhaupt?“
„Jannick. Du erinnerst dich? Der nette Typ vom Tagesanzeiger.“
„Ach…“ Tessy gähnte und richtete sich langsam auf. „Ich hab dich nicht vergessen, du kriegst das versprochene Bier – allerdings nicht in aller Herrgottsfrühe.“
„Erstens geht es nicht um das zugesagte Bier oder nur am Rande, und zweitens verstehe ich unter Herrgottsfrühe was anderes, selbst wenn ich Nachtdienst hatte“, entgegnete Jannick. „Es ist zehn Uhr, und ich hab so richtig Ärger am Hals.“
„Tut mir leid für dich. Aber … deswegen rufst du mich an?“ Tessy stöhnte leise. „Was genau hab ich damit zu tun?“
„Eine ganze Menge. Die Sache mit deiner Meldung ist aufgeflogen.“
„Was? Das ist nicht wahr, oder?“
„Irgendeine Polizeitussi hat den Artikel überprüft und Alarm gemacht, als sich herausstellte, dass das eine Fantasymeldung war“, erklärte Jannick. „Der Chef hat mich auch aus dem Bett geklingelt. Ich weiß jedenfalls von nichts. Nur damit das klar ist. Ich will deswegen keinen Ärger.“
„Ja, das ist schon klar. Was für eine Polizeitussi war das denn?“, fragte Tessy verblüfft.
„Irgendwas mit … ja: Stein oder so.“
Ach du Scheiße. Tessy war plötzlich hellwach. „Ist in dem Zusammenhang mein Name gefallen?“
„Nein, ich verpfeif dich schon nicht, keine Sorge. Nur wenn der Chef so richtig Dampf macht und zum Beispiel die Anrufliste der letzten Tage und Nächte durchgeht, haben wir wohl beide ein Problem. Nur, damit du Bescheid weißt.“
„Verstehe.“
„Sag mal, haben die Bullen nichts anderes zu tun, als Zeitung zu lesen und Artikel zu prüfen?“ Jannick war ziemlich empört.
„Tja … mal gucken. Ich werde mich mal dahinter klemmen, sobald ich den ersten Liter Kaffee intus habe. Danke jedenfalls für den Hinweis.“
„Gerne. Und wegen des Biers …“
„Melde ich mich demnächst, versprochen.“
Tessy legte auf und starrte fünf Löcher in die Decke, bevor sie schließlich das Bett verließ, um zu duschen und Kaffee zu kochen. Nebenbei ließ sie ihren Laptop hochfahren. Noch mit der Zahnbürste im Mund entdeckte sie die Meldung über die gelungene Festnahme eines Mordverdächtigen in der Prostituiertenszene. Sie lächelte. Na bitte. Beim Frühstück informierte sie Oliver. „Sie haben das Schwein“, schrieb sie per SMS.
Die Antwort erhielt sie drei Minuten später. „Deine Idee war hervorragend. Man sieht sich mal, oder? O.“
Ich hoffe, dass die Idee wirklich hervorragend war und sich auch in Zukunft bewähren würde, wenn Brandner auf die Idee kam, über diesen oder jenen Aspekt noch einmal nachzudenken, grübelte Tessy. Er würde in Zukunft viel Zeit zum Nachdenken haben, und er war nicht der Typ, der die Dinge auf sich beruhen ließ.
Sie verbrachte den Tag mit Papier- und Buchhaltungskram. Es fiel ihr schwer, den Fall abzuhaken, zu den Akten zu legen und zum nächsten Tagesordnungspunkt überzugehen, zumal es den noch gar nicht gab. Die Geschichte hatte sie mehr mitgenommen, als sie bereit war zuzugeben, und sie hatte sich auf ein waghalsiges Spiel eingelassen, das durchaus hätte schiefgehen können. Dirk würde ihr … Aber Dirk war nicht mehr da. Und Gertrud, die auch nur noch mit ihrem Aufbruch beschäftigt war, mischte sich jobmäßig selten ein.
Als es kurz nach sechs an der Haustür klingelte, hatte sie gerade eine Pizza in den Ofen geschoben und beschlossen, den Vorabendkrimi im Zweiten zu genießen und es sich gut gehen zu lassen. Sie öffnete die Haustür, nachdem die Katzen die Flucht ergriffen hatten und blickte direkt in die dunklen Augen der Kommissarin. Ihr Herz machte einen beachtlichen Hüpfer.
„Ich habe noch ein paar Fragen, Frau Ritter“, sagte die Stein und sparte sich die Begrüßung.
Sie kommt bemerkenswert schnell zum Punkt, dachte Tessy und trat beiseite. Fragte sich, ob sie in allen Lebensbereichen derart forsch zu Werke ging… „Nur herein spaziert. Mögen Sie ein Stück Pizza?“
„Ja, warum nicht?“
Tessy blieb für einen Moment der Mund offenstehen. Dann folgte sie Carola Stein in die Wohnküche. „Haben Sie tatsächlich ja gesagt oder hat mir meine Fantasie einen Streich gespielt?“
Die Stein drehte sich um und lächelte. Tessy schluckte. Was für ein zauberhaftes Lächeln, das ihr Gesicht zum Strahlen brachte und die dunklen Augen wie Kohlestückchen auf dem Lagerfeuer aufglühen ließ. „Sie haben richtig gehört. Ich liebe Pizza und kann kaum widerstehen, wenn mir eine angeboten wird.“
Tessy schluckte erneut. „Verstehe.“ Hab ich was verpasst, fuhr es ihr durch den Kopf, oder ist sie einfach nur froh, den Fall gelöst zu haben, bei dem ich ihr wider Erwarten durchaus den einen oder anderen heißen und nützlichen Tipp geben konnte.
„Was beschäftigt Sie?“, fragte Carola, während sie am Esstisch Platz nahm, als hätte sie dort schon ein Dutzend Mal gesessen.
Tessy verteilte Teller und Weingläser. Ihre Hände war unruhig. Sie blickte auf. „Sind Sie so entspannt und freundlich, weil der Fall abgeschlossen ist? Oder hab ich was gut bei Ihnen? Oder beides? Bislang wirkten Sie nicht gerade begeistert, wenn wir uns begegneten …“
Carola stützte die Ellenbogen auf den Tisch. „Wissen Sie, ich kann private Schnüffler nicht ausstehen, private Schnüfflerinnen auch nicht – das betonte ich mehrfach. Und ich habe meine Gründe, aber manchmal lohnt sich die Zusammenarbeit doch, und ich muss meine Meinung revidieren.“ Wieder dieses zauberhafte Lächeln. „Wir konnten einen ziemlich miesen Typen dingfest machen. Dazu haben Sie beigetragen, das muss ich ohne Zweifel anerkennen.“
Tessy war verblüfft. Die Frau hatte Stil und war in der Lage, eine Einschätzung zu korrigieren. Wow. So was traf man nicht häufig. Sie holte die Pizza aus dem Ofen und schnitt sie in handliche Stücke. Die Kommissarin verzichtete auf ihr Besteck und griff beherzt zu. Tessy beobachtete hingerissen, wie sie mit Appetit aß.
„Außerdem habe ich, wie vorhin erwähnt, noch einige Fragen an Sie“, griff die Stein den Gesprächsfaden wieder auf.
Tessy goss Wein ein und sah sie auffordernd an. „So lange Sie nicht erwarten, dass ich meine Informanten preis gebe…“
Die Stein griff mit einer Hand in die Innentasche ihres Blazers und legte einen Zeitungsausschnitt auf den Tisch, bevor sie sich in aller Seelenruhe das nächste Stück Pizza vornahm. Tessy schluckte. Daher wehte der Wind. Sie blickte auf. Carola griente. „Sparen wir uns das ganze Theater – warum? Was sollte dieser Artikel? Was haben Sie damit bezweckt?“
Tessy hob die Hände. „Na schön. Ich war gezwungen, eine falsche Spur zu legen, um meinen Informanten zu schützen. Nur so konnte ich den Film weiterleiten.“
„Brandner sitzt in Untersuchungshaft.“
„Das spielt keine Rolle. Wenn er begreift, wer ihm die Grube gegraben hat, ist mein Informant nicht mehr sicher. Und ich auch nicht.“
„Und damit soll ich mich jetzt zufrieden geben?“
„Ja.“
„Ich bin Hauptkommissarin und kann nicht tatenlos zusehen, wie Sie sich Recht und Gesetz zurechtbiegen.“
„Hm, noch ein Stück Pizza? Oder etwas Wein?“
Carola schürzte die Lippen, während Tessy sie frech angrinste.
„Na schön, ich kann auch anders“, sagte die Stein leise. Ihre Augen glitzerten plötzlich.
„Das habe ich mir schon gedacht“, gab Tessy eben so leise zurück. „Nur zu.“
Carola stand auf und trat hinter Tessy. Mit einer Hand umfasste sie ihren Nacken mit zärtlich festem Griff, mit der anderen zog sie Tessy hoch. Sie standen so dicht voreinander, dass Tessy glaubte, Carolas Herzschlag zu hören. Dann spürte sie ihre Lippen auf ihrem Mund, und Carola zog sie mit festem Griff in ihre Arme. Sie roch betörend, und ihre Zunge war fest und forschend. Tessy spürte, dass ihre Knie weich wurden und ihr Schoß zu pulsieren begann.
„Bett, Sofa, Fußboden?“, fragte sie zwischen einem Kuss und dem nächsten. „Du hast die Wahl.“
Sie kamen nicht bis ins Bett und schafften es auch nicht bis aufs Sofa. Carla zog sie auf den Boden vor den Kamin – dort, wo Tessy sich noch vor kurzem mit Dirk geliebt hatte, aber das musste sie ihr ja nicht sagen –, und sie schlüpften eilig aus ihrer Kleidung. Carola ließ sich nicht drängen, sie bestand darauf, jeden Zentimeter von Tessys Körper zu erkunden, zu liebkosen, zu massieren. Schließlich legte sie sich auf Tessy, bettete Tessys Po auf einem Kissen und schob sich zwischen ihre Beine. Sie bewegte sich energisch, ihr Schambein rieb Tessys Knospe perfekt an der Stelle und mit einer Intensität, die Tessy kaum aushalten konnte. Tessy schlang ihre Beine um Carolas Taille und stöhnte entfesselt. Sie kamen fast gemeinsam.
Als die Erregung abebbte, stand Tessy auf und holte die Weingläser. „Lass uns anstoßen.“
Carola lächelte ihr zauberhaftes Lächeln. „Auf den Beginn einer wunderbaren Freundschaft?“
„Zum Beispiel.“
* * * Ende * * *
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