Alles wird gut
Mir wurden viele
Versprechungen gemacht. So wie dir auch. Liebe war keine
davonbesser finde ich: Liebe
zählte nicht dazu. oder: Liebe war nicht
darunter..
Meine Mutter sagte, in Hannover würde alles
besser werden, ich würde ein eigenes Zimmer haben, einen kürzeren
Schulweg und ich würde neue Freunde finden. Wir würden häufiger in
der den Urlaub fahren.
Auf dem Rastplatz, als sie gerade auf der
Toilette war, sagte Ingo: - Du, deine
Mutter, die liebe ich. Aber du bist eigentlich nicht
erwünscht."würde man das so sagen,
ist das nicht zu förmlich? Mir käme vor, passender wäre so etwas
wie: Aber auf dich hätte ich auch gut verzichten können.
Auf dich hätte ich gut
verzichten können.
Ich war dreizehn. Warum sagte er mir das? Warum
behielt er es nicht einfach für sich?
Mitten im Halbjahr in eine neue Klasse kommen,
keinen Anschluss finden. Ich fing an, meiner Mutter und Ingo
Zigaretten zu klauen, und als es so viele wurden, dass es ihnen
langsam schon auffiel besser: als es ihnen aufzufallen begann, nahm
ich mir lieber Geld aus Ingos Brieftasche. Er hatte keinen
Überblicküber seine Münzen und kleinen Scheine.beide Elemente – neue Klasse, keinen Anschluss finden
einerseits, die Diebstähle andererseits – finde ich eines zu viel,
das geht mir zu glatt: armer Außenseiter, deshalb
Zigarettendiebstahl und Gelddiebstahl. Nach meinem Dafürhalten wäre
es gut, das zweite Element zu streichen.
Dann kam Marc in die Klasse. Von einer anderen
Schule geflogen, Vater Arzt, Mutter Trinkerin. Wir freundeten uns
auf dem Gang an, wir waren nacheinander aus dem Unterricht
geflogen. Danach Von da an waren wir
zusammen, jahrelang. Zigaretten, Konsolenspiele, Alkohol, Joints,
Alkohol, für einen Film zahlen und vier Filme
sehen.
Ich hatte ein eigenes Zimmer, aber ich war nie
daheim, nach der Schule ging ich direkt zu Marc. Seine Mutter hatte
mittags meistens schon eine halbe Flasche intus, nur die edlen
Marken. Sie merkte nie, wenn wir uns was abzwackten. Sie merkte
auch sonst nicht viel.
Aber meine Mutter und Ingo merkten was. Sie
versprachen schworen versprachen mir, das würde ein Nachspiel
haben, als sie die Bong und den Beutel Gras im meinem
Kleiderschrank fanden. Ich hätte geleugnet, wenn es möglich möglich
ist Leugnen ja immer – besser gefiele mir: wenn es nicht lächerlich
gewesen wäre zu leugnen nicht lächerlich gewesen wäre zu leugnen
. So wie du auch. Aber so blieb nur der
Angriff. Wo sie denn die letzten drei Jahre gewesen seien, dass sie
das ja früh merkten, dass es sie bisher einen Scheiß kümmerte
gekümmert habe, was ich so trieb, und dass ich ja immerhin fast mit
der Schule fertig war, so schlimm könnte es ja dann nicht
sein.
Ich war ja nicht auf den Kopf
gefallen, und ich strengte mich an, ich
wollte da raus. Als Ich fand bekam eine
Lehrstelle als Chemielaborant und als ich genug Geld hatte, um die
Kaution zu bezahlen, zog ich aus. Erste
eigene Wohnung, e Ein Zimmer, Kochnische und Bad, ich brauchte die
Bong nicht mehr zu verstecken, ich habe trank und kiffte noch mehr
getrunken und gekifft und Marc fing an, Rezeptblöcke von seinem
Vater zu klauen. Wir nahmen alles, was auf -am endete, Lorazepam,
Diazepam, Tetrazepam, Alprazolam.
Pillen auf -am, das entspannte, das war, als
würdest du dich in ein Bett aus Watte legen, was das jemand
vorgewärmt hatte. Zwischen dir mir und Welt war diese Watte und du
ich brauchte st dich mich vor nichts mehr zu fürchten. Alle
Versprechungen wurden dir mir egal, sogar die, die nie gemacht
worden waren. ab hier fände ich es
besser, auf Ich-Form zu ändern: zwischen mir und Welt war diese
Watte und ich brauchte ...
Ich wollte das, was ich immer vermisst hatte.
So wie du auch. I Und i ch war nicht auf
den Kopf gefallen, dachte ich. So wie du auch.ob man das nicht streichen sollte, zumindest die
ersten beiden Sätze? Man will ja immer, was man vermisst,
nicht? Heroin habe ich nie
angerührt. Auch nicht als Marc damit anfing. Sein Vater kam
schnell dahinter und Marc musste in ein Internat.
Erst als es dann keine Rezeptblöcke merh mehr
gab, wurde mir klar, was für eine Sucht ich mir eingehandelt hatte.
Schlaflosigkeit, Panikattacken, Gliederschmerzen, Zittern, da kam
kein Gras und kein Alkohol gegen an. Und arbeiten musste ich ja
auch noch. Ein Arzt half mir abzudosieren. Ein Arzt, irgendeiner,
nicht etwas Marcs Vater, der mich nie wieder sehen wollte, weil er
glaubte, ich hätte Marc auf Heroin gebracht.
Als ich endlich ohne Pillen schlafen konnte,
lernte ich sie kennen. Wir landeten gleich in der ersten Nach
gleich bei mir, aber ich sah es schöner fände ich es hier
konkreter, wäre spannender: aber die Schrift sah ich erst, als wir
aufwachten. die Wörter sah ich erst, als
wir aufwachten. Sie wachte stand auf. Alexandra. Genau so. Darauf
bestand sie. Nicht Alex oder Lexa, nicht Andra oder Alexa, nicht
Lexa oder Andra. Sie stand auf an diesem ersten Morgen auf und ging
ins Bad, und ich sah den tätowierten Schriftzug auf ihrem Rücken,
ein geschwungener Bogen in Schreibschrift von ihrem linken
Schulterblatt zum rechten : Alles wird gut.
Ich machte eine Faust. Raus von zu Hause, Freiheiten ausgelebt,
Benzosucht zugelegt und wieder gekickt. Erstes Ausbildungsjahr rum.
Es sah alles so gut aus. Auf den die Rückseiten ihrer Beine hatte
sie die Naht einer altmodischen Nylonstrumpfhose
tätowiert.
Die Welt sah aus wirkte, als würde sie ein
Schmetterling im Flug träumen. vielleicht auch: wie von einem
Schmetterling im Flug geträumt Nach drei Wochen sagte Alexandra
schon, dass sie bei mir bleiben würde. Das hat dir auch schon mal
jemand gesagt und du hast es geglaubt. Du hast auch schon geglaubt,
dass die Zukunft gut wird, dass du nun das Steuer in der Hand hast
hältst und nicht ohne Geld in einem Taxi sitzt, dessen Fahrer deine
Sprache nicht versteht.
Und Alexandra ist ja auch geblieben. Aber sie
hat schon bald das Sperma eines anderes anderen mitgebracht. In
meine Wohnung. Ich habe es bemerkt, als ich ihr beim Küssen in den
Slip fasste. Es war, als würde ich wieder mitten in Deutschland auf
einem dem Rastplatz stehen. Wieso ist sie nicht vorher nach Hause
gegangen und hat geduscht?
Alles wird gut, habe ich gelesen, gewünscht,
gedacht, gehofft, als Alexandra später tränenverschmiert besser:
mit tränenverschmiertem Gesicht (es ist ja nicht die ganze
Alexandra tränenverschmiert – hoffentlich) auf dem Bett kniete und
ich hinter ihr stand. Alles wird gut.
Als sie heraus gefunden hat fand, dass auch ich
sie betrogen habe, danach, habe ich wieder gelesen, gewünscht,
gedacht, gehofft, geweint.
Manchmal mache ich betrunken Sachen, für die
ich mich hinterher schäme. So wie du auch. Und dann trinke ich noch
mehr, um die Scham zu vergessen. Es hätte nicht ihre Freundin sein
müssen.
Drei Monate später sind wir zusammen gezogen.
Morgens gemeinsam aus dem Haus, sie in die Drogerie, ich in den
Betrieb und jeden Abend gemeinsam essen und dann gemütlich einen
rauchen. Wir waren zusammen. Es war immer jemand da. Das kannten
wir beide nicht. korrekter wäre: Das hatten wir beide noch nicht gekannt.
(jetzt kennen sies ja) war für uns beide neu.
Wie oft habe ich später noch die Worte auf
ihrem Rücken gelesen. Es war nicht einfach nur eine Tätowierung,
die ich mit der Zeit nicht mehr wahr genommen habe, sondern. Es
waren Worte, die ich immer innerlich immer wiederholte habe. Die
untere linke Ecke vom A war nicht ganz sauber gestochen und sie hat
sich immer wieder vorgenommen, sie mal nachstechen zu lassen, aber
mir gefiel es so. würde ich streichen – er sagt ja, er hat sie nicht mehr
wahrgenommen Alles wird gut. Als sie damit gedroht haben, mich aus
der Ausbildung zu schmeißen einfacher wäre: Als mein Chef mir
gedroht hat, mich rauszuschmeißen, weil ich eine Woche
unentschuldigt gefehlt habe. Marc war aus dem Internet abgehauen,
sein e Vater und die Bullen waren bei uns gewesen, um nach ihm zu
suchen. Eine Woche war ich fast Tag und Nacht mit Marc zusammen,
wie früher zu Schulzeiten. Der einzige Freund, den ich hatte. Was
war das auch für eine Welt, in der Arbeit wichtiger war als
Freundschaft?
Alles wird gut. Als Marc ein halbes Jahr später
tot war. Man kann niemandem helfen, der sich nicht selbst helfen
möchte. Die Aber die Wahrheit hilft
nicht, wenn man sich schuldig fühlt. Sie
klingt nur wie ein Klischee. Und ich
fühlte mich schuldig. So wie du auch, wenn dein Freund sich
umbringt. Ich hatte einen Rückfall. Ich kam billig an 250
Lorazepam. Ich wolle nicht alle 250
Lorazepam in einem Monat nehmen, ich habe gedacht, der Vorrat
reicht für die nächsten zwei Jahre.
Aber ich konnte ein wenig Entspannung
gebrauchen nach diesem Gefühl völlig versagt zu haben ev. streichen
– ist klar weshalb, muss nicht explizit gesagt werden Ich wollte
nicht 250 Lorazepam in einem Monat nehmen. Ich habe gedacht der
Vorrat reicht für die nächsten zwei Jahre. Klar war es dumm, so viel zu kaufen, aber ich kann nicht
nein sagen, wenn das Angebot so gut ist. So wie du
auch.
Alles wird gut. Nach dem zweiten Entzug, der
viel härter war als der erste und der mich dann meinen
Ausbildungsplatz kostete.
Alles wird gut. Als
Alexandra das erste Kind verlor. In der neunten Woche. Alles wird
gut. Als ich einen neuen Ausbildungsplatz als Bauzeichner bekam.
Alles wird gut. Als Alexandras Mutter das Bein amputiert wurde,
wegen eines Abzesses.
Ich stand oder kniete in den letzten Jahren so
oft hinter Alexandra und las diese Worte. Alles wird gut. Wenn dein
Chef dich wieder mit Koksresten an der Nase würde ich streichen,
ist zu viel vor allen zur Sau macht. Alles wird gut, wenn deine Mutter sich plötzlich bei dir
ausheult, weil sie nach zehn Jahren endlich mal merkt, dass der
Mann nicht gehalten hat, was er versprach versprochen
hatte.
Das Leben ist nicht besonders gut oder schön
oder glorreich glorreich ist hier ein sehr großes Wort; dass das
Leben gut und schön ist, erwartet man sich vielleicht (solange man
es nicht besser weiß ...), aber wer erwartet ein glorreiches Leben?
vielleicht besser: spektakulär spektakulär. Nur Versprechungen gibt
es umsonst. Für alles andere musst du zahlen. Auf jede Minute, die
es dir gut geht, kommen drei von den anderen Tagen. Es reicht
nicht, diese Worte lesen können. Nie.
Wie oft habe ich sie gelesen, drei Worte, zwölf
Buchstaben, eine leere Versprechung, wie die andere mit den drei
Worten, die mir nicht mal Alexandra gemacht hat. Für sie klinge es
immer wie eine Lüge, hat sie gesagt ..
Wie oft habe ich verzweifelt die Hüften bewegt
und mich an eine Zukunft geklammert, die nie kam. Wie oft sind mir
die mir Dinge mir entglitten wie ein Glas beim Spülen, und wie oft
habe ich mich auch noch an den Scherben geschnitten. Wie oft habe
ich n mir die Worte auf Alexandras Rücken mir geholfen weiter zu
machen, und wie oft haben sie sich als hohl erwiesen. So wie bei
dir auch.
Es wird nicht nie gut. Nie. Seit dem Rastplatz
eigentlich schon besser (denn gut ist es nie geworden – aber seit
dem Rastplatz weiß er es): Das weiß ich seit dem Rastplatz. Das
weiß ich schon seit dem Rastplatz. Es
ist wie in einem Laufrad. Nur der, der was drauf hat, rennt. Rennt
immer weiter. Denn wenn du stehen bleibst, dann fällst du erst
richtig auf die Fresse. Dann geht es dorthin, wo Marc jetzt
ist.
Alles ist schon gut. Das wäre kein guter
Spruch. Man könnte es nicht glauben. Aber irgendwie stimmt es ja.
Es ist alles schon gut. Denn besser geht es gerade einfach
nicht. Alles wird gut, das verschiebt
dein Glück nur in die Zukunft. Dabei ist es schon da. Direkt vor
deiner Nase.
Alternatives
Ende:
Aber es wäre seltsam, wenn Alexandra sich jetzt
das jetzt stechen lassen würde. Alles
wird gut Dass alles gut wird Alles wird gut, hat schon genug
geschmerzt und geblutet, sagt sie immer.