2

Massensuggestionen,

Krankheitsplanung, Glaubensepidemien

und mentale »Schutzimpfungen«

gegen Verzweiflung

Fortsetzung der Sitzung 805, Montag, den 16. Mai 1977

(Pause um 22.15 Uhr.) Zweites Kapitel: »Massensuggestionen«.

(Einminütige Pause). »Krankheitsplanung, Glaubensepidemien und mentale ›Schutzimpfungen‹ gegen Verzweiflung.«

(Nach langer Pause um 22.20 Uhr:) Indem ich in diesem Buch einige der verhängnisvollen Erfahrungsbereiche des Individuums und der Massen näher beleuchten werde, möchte ich zugleich auch einige praktische Lösungsvorschläge machen - unter dem Motto »Worauf man sich konzentriert, das bekommt man!«* Eure bildhaften

* Als Seth durchkam mit: »Worauf man sich konzentriert, das bekommt man!«, fiel mir ein, daß er diesen Ausspruch vor Jahren schon einmal getan hatte und daß ich diese Worte auf einen Merkzettel geschrieben und in unserer Wohnung, die wir in Elmira damals innehatten, an die Wand geheftet hatte. Ich wußte, daß dieser Merkzettel uns ein paar Jahre später bei unserem Umzug in das Hügelhaus begleitet hatte, in dem wir jetzt wohnen. Nach der Sitzung von heute abend fand ich ihn wieder - datiert 26. Februar 1972. Das Zitat stammt aus einer persönlichen Sitzung, die Jane während unseres Ferienaufenthalts in Marathon, Florida, abgehalten hatte.

Es war eine ungeplante Sitzung an unserem letzten Abend in Marathon gewesen. Wir hatten uns allerlei Sorgen wegen unserer Lebensziele gemacht und uns gefragt, welche Rolle das Seth-Material für uns noch spielen würde.

Wir fühlten uns zu dem Leben in Marathon, wo ganzjährlich ein vorzügliches Klima herrscht und der Wohnwagen als Bleibe zum Lebensstil gehört, sehr hingezogen. Es erschien uns als ein offeneres, einfacheres und angenehmeres Leben; andererseits glaubten wir nicht, es uns leisten zu können. Das »Seth-Material« war Mitte 1970 veröffentlicht worden, aber es verkaufte sich nur langsam; und die »Gespräche mit Seth« waren noch nicht erschienen; wir waren gerade erst mit den Fahnenkorrekturen fertig geworden. Ich hatte vor den Ferien meinen Job in einer Werbeagentur aufgegeben und hatte noch keine festen Pläne in bezug auf meine weitere Arbeit außer der Absicht, Jane so viel wie möglich zu helfen. Zu Hause warteten viele Verpflichtungen auf uns.

Obwohl Janes Vater wie auch der meine im Vorjahr gestorben waren, lebten unsere Mütter noch; Janes Mutter in einem Pflegeheim im nördlichen New York und meine auf dem Familienbesitz der Butts in Sayre Pennsylvanien, das nur achtzehn Meilen von Elmira entfernt liegt. Zu einem Leben im Wohnwagen überzuwechseln hätte bedeutet, dem größten Teil unserer Habe wie Bildern, Möbeln, Akten, Büchern zu entsagen, was wir kaum über uns gebracht hätten, und all unsere Freunde zu verlassen; und wie umständlich würde es sein, mit einem Verlag zusammenzuarbeiten, der sich weit weg im Norden in New Jersey befand! Jane war dazu noch eher bereit als ich, aber im Grunde wußten wir, daß unsere Idee des Fortgehens eher so etwas wie ein gemeinsamer Traum war oder eine wahrscheinliche Wirklichkeit, die wir in diesem Leben nicht zu erproben gedachten. Janes Mutter sollte drei Monate nach unserer Rückkehr sterben, die meine etwas mehr als ein Jahr später.

Seths Hinweise an jenem letzten Abend in Marathon halfen uns, unsere Sicherheit wiederzufinden. im folgenden ein Auszug aus dem Sitzungsprotokoll:

»Ihr beide lebt in einer Beziehung, die nicht nur einzigartig, sondern auch ein Sprungbrett für schöpferisches Handeln ist. Ihr habt Gaben, die euch Befriedigung gewähren, die ihr aber unbekümmert für gegeben nehmt. Sie sind so sehr Teil eurer Existenz, daß ihr sie nicht einmal bewußt wahrnehmt.

Diese besondere Konstellation solltet ihr mit keiner anderen vergleichen.

Sie ist einmalig, und weil sie es ist, enthält sie schier unerschöpfliche Möglichkeiten. Gilt euer Augenmerk vor allem euren Beschränkungen, so baut ihr euch euer eigenes Gefängnis. Erfreut ihr euch aber der Freiheiten, die euch zu Gebote stehen, dann vergrößern sie sich ganz von selbst. Ihr befindet euch im Augenblick in einer klar vorgezeichneten Situation. Ihr könnt nicht eine Zeit purer Glückseligkeit erwarten, die von Problemen nichts weiß. Das liegt nicht in der Natur des Lebens oder der Existenz.

Die Probleme, die sich euch stellen, sind denkbar schöpferischer Natur.

Es sind Herausforderungen, die große Potentiale freisetzen können. Eure volle Arbeitskraft und eure schöpferischen Impulse werden aktiviert und kommen im gleichen Maße zum Zuge, in dem ihr eure Probleme in kreativer Weise bewältigt und versteht. Aber ihr solltet euch nicht auf sie konzentrieren und eure Augen nicht vor den Freuden und Freiheiten, die ihr habt, verschließen.

Worauf man sich konzentriert, das bekommt man! Das ist die einzige

Grundregel. « (Der Schlußsatz wurde von mir, Robert Butts, hervorgehoben.) Vorstellungen verwirklichen sich selbst. Das ist an sich nichts Neues, aber ihr müßt verstehen, wie eure Massenkommunikationssysteme sowohl die »positiven« wie auch die »negativen« Tendenzen verstärken.

Zunächst werde ich euch also vor Augen führen, wie ihr als einzelne Individuen und insgesamt als Träger eurer Zivilisation euer Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit untergraben habt; doch werde ich euch auch Wege zeigen, um euch in diesen grundlegenden und lebensnotwendigen Empfindungen biologischer Unversehrtheit und in euren Fähigkeiten spiritueller Einsicht zu bestärken, wodurch eine gewaltige Steigerung eurer geistigen und körperlichen Existenz möglich wird.

Eure Glaubensüberzeugungen haben Gefühle des Unwerts erzeugt.

Indem ihr euch künstlich der Natur entfremdet habt, habt ihr das Vertrauen in sie verloren, erfahrt ihr sie oft als feindlich. Eure Religionen gestanden dem Menschen eine Seele zu und sprachen sie den anderen Arten ab. Eure Körper gehörten somit der Natur an und eure Seelen Gott, der unberührt von seinen Schöpfungen für sich blieb.

Eure wissenschaftlichen Lehrmeinungen sagen euch, daß eure ganze Welt rein zufällig entstanden sei. Eure Religionen sagen euch, daß der Mensch sündhaft sei: Dem Körper darf man nicht trauen, die Sinne können euch vom rechten Weg abbringen. In diesem Labyrinth von Glaubenssätzen ist euch der Sinn für euren eigenen Wert und das Gefühl für die Sinnhaftigkeit eures Lebens weitgehend abhanden gekommen. Ein Klima der Angst und des allgemeinen Mißtrauens wird erzeugt, und nur zu oft ist das Leben bar aller heroischen Möglichkeiten. Der Körper kann nicht auf ein Gefühl genereller Gefährdung reagieren. Unter solchen Gegebenheiten wird er fortwährend unter Druck gesetzt und versucht, die Gefahr dingfest zu machen. Seiner Veranlagung nach sucht er euch handelnd zu beschützen. Darum sammelt er eine Menge Streß an, so daß oftmals spezifische Krankheiten oder bedrohliche Situationen geradezu »

fabriziert« werden, um den Körper von Spannungen zu befreien, die unerträglich geworden sind.

Sicher haben viele von euch persönliche Erfahrungen mit intensiver geistiger Konzentration, bei der die Aufmerksamkeit auf einen ganz bestimmten Wahrnehmungsbereich gerichtet wird. Es gibt da viele Methoden und Schulen; immer aber entsteht eine hochsuggestible psychische Verfassung, in der spirituelle, mentale und materielle Ziele verfolgt werden. Es ist unmöglich, sich ohne Absicht geistig zu konzentrieren und zu meditieren; das Vorhaben selbst ist schon sein eigenes Ziel. Unseligerweise liefern euch aber viele Programme eures Gesundheitswesens und die Werbeeinschaltungen in den Massenmedien Massensuggestionen der abträglichsten Sorte. Ich spreche beispielsweise von TV-Sendungen, in denen spezifische Krankheitssymptome gezeigt und ausführlich erörtert werden und in denen zudem die Zuschauer aufgefordert werden, ihren Körper nach derartigen, geistig vorweggenommenen Symptomen abzusuchen. Ich beziehe mich auch auf all die Warnungen, durch die in ebenso bedauerlicher Weise auf Krankheiten aufmerksam gemacht wird, von denen die einzelne Person zwar keinerlei Symptome an sich entdeckt, die aber, wie man ihr warnend vorhält, als verheerende Vorgänge im Körperinnern auftreten können, auch wenn die Person sich vollkommen gesund fühlt. So führen die von religiösen, wissenschaftlichen und kulturellen Glaubenssätzen ausgehenden Suggestionen zu generalisierten Ängsten und Befürchtungen und wirken wie Blaupausen für Krankheiten, die vom Einzelmenschen gewissermaßen gebrauchsfertig übernommen werden können. Er kann dann sagen: »Natürlich fühle ich mich kraft- und lustlos oder voller Angst, da ich diese oder jene Krankheit habe.«

Die Appelle zu Vorsorgeuntersuchungen im Hinblick auf Brustkrebs, verbunden mit der Aufforderung zu Selbstuntersuchungen, haben mehr Krebsfälle verursacht, als (sehr, sehr nachdrücklich) durch irgendwelche Behandlungsmethoden geheilt wurden. Sie bewirken eine intensive geistige Konzentration auf den Körper in Verbindung mit negativen Bildvorstellungen, welche die Körperzellen angreifen.*

* Jane meinte dazu: »Wir sind überzeugt, daß negative Suggestionen eine ebenso reale Gefahr sind wie eine Überdosis Röntgenstrahlen. Sicherlich haben etliche Frauen bei sich Krebs durch Eigenuntersuchungen entdeckt und dadurch vielleicht ihr Leben gerettet. Doch gibt es keine Möglichkeit herauszufinden, welche Rolle negative Suggestionen bei der Entstehung ihrer Krankheit gespielt haben.

Bei manchen Frauen ruft das Unterlassen von Eigenuntersuchungen ebenso viel Angst hervor wie die Untersuchungen selbst - und da diese Frauen die offiziellen medizinischen Glaubenssätze übernommen haben, ist es besser für sie, diese Untersuchungen durchzuführen. Bei dieser wie bei allen Fragen, die die Gesundheit betreffen, sollte jede Frau für sich alles Für und Wider abwägen, ihre Glaubensvorstellungen sorgfältig überprüfen und dann ihre eigenen Entscheidungen treffen.«

Ich möchte Sie daran erinnern, was Seth uns in der Sitzung 804, insbesondere durch seine Ausführungen auf Seite 62, wissen ließ; lesen Sie das bitte noch einmal. Jane und ich finden es äußerst interessant, daß die Medien gerade letzte Woche ausführlich berichteten über die schon zwei Jahre währende Kontroverse von Krebsspezialisten bezüglich der Frage, ob bei Frauen, besonders den unter fünfzigjährigen, routinemäßig Mammogramme (Röntgenbefunde) gemacht werden sollten, um Brustkrebs schon im Frühstadium zu erkennen.

An der Debatte beteiligten sich die in der Krebsforschung führenden Organisationen der USA. Für Aufsehen sorgten zum Beispiel mehrere wissenschaftliche Berater am regierungseigenen National Cancer Institute, das ausgedehnte Untersuchungen an vielen tausend Frauen verschiedener Altersstufen durchführt: Diese haben den routinemäßigen Durchleuchtungen jüngerer Frauen Einhalt geboten. Es liegen Äußerungen dieser Wissenschaftler vor, denen zufolge solche Bestrahlungen möglicherweise mehr Krebs verursachen als heilen. Viele Millionen Dollar und viel Zeit und Mühe werden immer noch auf solche Forschungsprogramme verwandt. Derartige Studienprogramme abzuändern dürfte sich wegen der tiefverwurzelten Glaubenssysteme als schwierig erweisen. Auch ökonomische Faktoren spielen da mit hinein. Ganz abgesehen von den großen Summen, die beispielsweise mit den »offiziellen« Programmen verknüpft sind, haben auch viele private Radiologen Mammographien als recht lukrative Sache erkannt.

Nun sind viele Frauen sehr unsicher hinsichtlich der Frage, ob man Mammogramme machen lassen müsse. Das Verfahren ist leider nicht unfehlbar; auch haben Fehlinterpretationen eine Reihe von krebsfreien Frauen bewogen, sich Operationen, oft radikalen Mastektomien, zu unterziehen. Mehr noch: Jede dieser Frauen muß in dem Glauben leben, daß sie Krebs hatte und muß fortwährend auf Anzeichen eines Wiederauftretens achten - Zeichen, die sie nicht findet. Außerdem werden sie in regelmäßigen Abständen weiteren Röntgenuntersuchungen unterzogen. Sie können sich auch, wie das manche ältere Krebspatienten erfahren mußten, Probleme mit dem Arbeitgeber oder mit der Versicherung einhandeln.

Eine besondere Kontroverse in diesem Zusammenhang, die aber viel weniger publik geworden ist, betrifft die »prophylaktische subkutane Mastektomie«, das heißt das Entfernen der Brüste, bevor die betreffenden Frauen überhaupt Brustkrebs entwickelt haben. Diesen Frauen wurde gesagt, daß sie laut Statistik »mit hoher Wahrscheinlichkeit« an Krebs erkranken würden. Hier spielen neue diagnostische Verfahren mit hinein: die Erforschung der Familiengeschichte der »Patientin«, die Erforschung der Dichte und der Struktur des Gewebes ihrer Brust aufgrund der Muster von Mammogrammen und das Ausfindigmachen von möglicherweise prämalignen Zellveränderungen.

Bei dieser präventiven Operation läßt der Chirurg die Brustwarzen und die Haut der Brüste übrig und füllt sie mit einer Plastik- oder Silikoneinlage auf.

Zur Zeit gibt es mehr Ärzte, die die Notwendigkeit prophylaktischer Mastektomien ablehnen als solche, die sie befürworten. Diejenigen, die gegen die Prozedur sind, führen die Fehler ins Feld, die in der Diagnose möglich sind, die Fehlinterpretation mammographischer Muster mitinbegriffen. Auf jeden Fall aber sind dabei negative Suggestionen, die in die Zukunft projiziert werden, im Spiel insofern, als das Individuum gesagt bekommt, daß es seinen eigenen unberechenbaren Körpervorgängen, die jeden Augenblick außer Kontrolle geraten können, auf Gnade und Ungnade ausgeliefert ist.

Auch als letzten Ausweg bieten prophylaktische Mastektomien offensichtlich keinen zuverlässigen Schutz, nachdem einige Frauen danach Krebs im Bereich der Brustwarzen entwickelt haben. Jane und ich fragen uns jedoch, wie viele »statistisch gefährdete« Frauen sich Operationen unterzogen haben, die sie gar nicht nötig gehabt hätten, denn sicher hätte eine signifikante Anzahl von ihnen keinen Krebs entwickelt. Natürlich lassen sie sich nicht prozentual ermitteln. Wenn bewiesen werden könnte, daß die meisten der Frauen mit »hohem Risiko« tatsächlich an Krebs erkranken, dann würde sich die Streitfrage, ob solche Mastektomien von allgemeinem Wert sind oder nicht, erübrigen; so jedoch, wie jetzt die Dinge liegen, sind die Frauen am Ende nur einmal mehr verwirrt hinsichtlich der Frage, wer denn nun recht habe und was zu tun sei. Es sind großangelegte Untersuchungen geplant, an denen sich auch das National Cancer Institute beteiligen wird, um die ganze Frage der prophylaktischen Mastektomien zu erforschen. Untersucht werden heutzutage auch die Zusammenhänge zwischen dem Gefühlsleben und der Krebsentstehung.

Jane und ich sind uns der Errungenschaften und Verdienste der medizinischen Wissenschaft bewußt; ihr weltweiter Beitrag ist aus unserer Zivilisation nicht wegzudenken. Demgegenüber verweisen wir auf die Seth-Kundgaben der Sitzung 804. Dort werden nicht nur die Abwehrmechanismen des Körpers und wie er »sich selbst immun macht« erörtert, sondern auch die negativen Glaubenssätze unserer Zivilisation hinsichtlich Körper und Krankheit herausgestellt. Wir finden, das Material sei so gut, daß es mehr als einmal gelesen zu werden verdient.

(Noch nachdrücklicher:) TV-Durchsagen des öffentlichen Gesundheitsdienstes über erhöhten Blutdruck erhöhen ihrerseits den Blutdruck von Millionen Fernsehzuschauern.

Eure gängigen Vorstellungen über den Sinn der Präventivmedizin erzeugen also genau jene Art von Angst, die krank macht. Sie untergraben das dem Individuum eigene Gefühl körperlicher Sicherheit und mehren den Streß, während sie dem Körper einen spezifischen, detaillierten Krankheitsplan anbieten; vor allem aber geht ihr Einfluß dahin, das Gefühl der Entfremdung des Individuums vom eigenen Körper zu verstärken und ein Gefühl der Ohnmacht und Gespaltenheit zu nähren.

Macht Pause.

(Nach einer Pause von 22.45 Uhr bis 23.09 Uhr:) Eure Arzneimittelwerbung ist nicht minder krankheitsfördernd. Viele Veröffentlichungen, die euch Erleichterung durch ein bestimmtes Medikament versprechen, leisten in Wahrheit der Krankheit Vorschub durch das, was sie euch suggerieren, und begründen überdies eine Abhängigkeit von dem betreffenden Medikament. Ein klassisches Beispiel hierfür liefern die Kopfschmerztabletten. Nirgends erwähnen die Veröffentlichungen privater Arzneimittelfirmen oder des öffentlichen Gesundheitsdienstes die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers, seine Integrität, Vitalität und Kraft. Nie werden in euren Presseberichten, in Fernseh- oder Rundfunkprogrammen die Gesunden hervorgehoben. Die medizinischen Statistiken befassen sich mit den Kranken. über die Gesunden werden Untersuchungen kaum angestellt.

Mehr und mehr Nahrungsmittel, Medikamente und

Umweltbedingungen werden auf die Liste der krankmachenden Faktoren gesetzt. Milchprodukte, Fleisch, Kaffee, Tee, Eier und Fette kamen auf die schwarze Liste. Und doch haben es Generationen vor euch fertiggebracht, von solchen Nahrungsmitteln zu leben, die damals sogar als gesundheitsfördernd galten. Wahrhaftig, selbst seiner eigenen natürlichen Umwelt gegenüber scheint der Mensch allergisch geworden zu sein, ein Opfer schon bloßer Witterungsverhältnisse.

Es stimmt, daß eure Umwelt chemische Schadstoffe enthält, die früher nicht vorhanden waren. Doch ist der Mensch innerhalb vernünftiger Grenzen biologisch imstande, solche Materialien zu assimilieren und bestimmte Chemikalien sogar zu seinem Vorteil zu verwenden. Fühlt sich der Mensch jedoch ohnmächtig und in einem Zustand generalisierter Angst befangen, dann kann er selbst die natürlichsten und ursprünglichsten Bestandteile seiner Nahrung in Gift verkehren. Eure Medien, insbesondere das Fernsehen, wie auch eure Künste und Wissenschaften überschwemmen euch mit Suggestionsinhalten der Massen. Eure Literaten liefern euch Romane, in denen Antihelden porträtiert werden, und oft genug zeichnen sie das individuelle Dasein als sinnlos, bar jeder Möglichkeit, der persönlichen Verwirrung und Angst handelnd entgegenzutreten.

Viele - wiewohl nicht alle - Romane oder Filme ohne eigentliche Handlung verdanken sich diesem Glauben an die Ohnmacht des Menschen. In solchem Zusammenhang ist Handlung niemals heroisch, und der Mensch ist überall Opfer einer fremden und feindlichen Welt.

Auf der anderen Seite haben eure so gewöhnlichen, literarisch wertlosen, jedoch gewalttätigen Fernsehdramen tatsächlich eine soziale Funktion, indem sie nämlich dem Gefühl generalisierter Angst in einer speziellen Situation konkreten Ausdruck verleihen, um sie dann dramatisch aufzulösen. Was zählt, ist die individuelle Aktion. Die Handlung mag stereotyp und die Darstellung schauderhaft sein, in altbewährter Weise siegt jedoch der »Gute«.

(23.30 Uhr.) In solchen Sendungen zeichnen sich tatsächlich die generalisierten Ängste der Nation ab. Zudem aber handelt es sich bei ihnen um - von der Intelligentsia verachtete - Volksdramen, in denen der Mann der Straße heroische Züge entwickeln, auf ein klares Ziel hinsteuern und als Sieger triumphieren kann.

Oft überzeichnen solche Filme die Welt eurer Kultur, und freilich kommt die Lösung meistens durch Gewalt zustande. Aber die zugrunde liegenden Glaubenssätze eurer höheren Bildung führen euch in eine noch trostlosere Szenerie, wo jegliches Handeln, auch die gewaltsamste Aktion von Menschen, die sich zum äußersten getrieben fühlen, sinnlos ist. Der einzelne Mensch braucht aber das Gefühl, daß seine Handlungen zählen.

Er fühlt sich zur Gewalttätigkeit nur als zu seiner letzten Zuflucht gedrängt - und Krankheit ist oft diese letzte Zuflucht. (Lange Pause.) Eure Fernsehdramen, die Räuber-und-Gendarm-Spiele, die Spionagefilme sind primitiv, aber sie lösen Spannungen, was man von den TV-Veröffentlichungen des Gesundheitsdienstes nicht eben behaupten kann. Der Zuschauer eines Krimis kann sagen: »Natürlich fühle ich mich nicht sicher, natürlich habe ich Angst, da ich in einer solchen Welt der Gewalt lebe!« Das unbestimmte Angstgefühl findet so einen Grund zu seiner Rechtfertigung. Doch solche Sendungen bieten wenigstens eine dramatisch angelegte Lösung, während die Durchsagen des öffentlichen Gesundheitsdienstes nur fortschwärendes Unbehagen erzeugen. Derartige Konzentrationsübungen der Massen verschlimmern lediglich eine Situation, die an und für sich schon schlimm genug ist.

Im großen ganzen also haben Filme mit gewalttätiger Handlung eine Funktion zu erfüllen insofern, als sie den einzelnen Menschen in dem Gefühl bestärken, daß ihm Macht gegeben sei, in eine gegebene Situation handelnd einzugreifen. Der Gesundheitsdienst bringt bestenfalls den Arzt als Vermittler ins Spiel. Es wird erwartet, daß ihr euren Körper zu einem Arzt bringt, gerade so wie ihr euer Auto zu einer Werkstatt bringt, damit die reparaturbedürftigen Teile ausgebessert werden. Euer Körper wird wie ein außer Kontrolle geratenes Fahrzeug betrachtet, das dauernd überprüft werden muß.

Der Arzt ist so etwas wie ein biologischer Mechaniker, der euren Körper viel besser kennt als ihr selbst. Diese die Medizin und deren Vertreter betreffenden Glaubensüberzeugungen sind nun in die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen eurer Kultur eingebettet; insofern kann man nicht allein den Medizinern oder ihrem Berufsstand die Schuld zuschieben. Euer wirtschaftliches Gedeihen ist ebenfalls Teil eurer persönlichen Realität. Viele wahrhaft ihrem Beruf verpflichtete Ärzte wenden die medizinische Technologie durchaus mit spirituellem Verständnis an, doch sind auch sie Opfer der von ihnen gehegten Glaubensüberzeugungen.

Wenn ihr keine Kopfschmerzmittel mehr kauft, könnte es passieren, daß euer Onkel oder ein Nachbar seine Arbeit verliert und seine Familie nicht mehr ernähren kann und daher auch nicht mehr über die Mittel verfügt, die Waren zu kaufen, die ihr verkauft. Man kann einen Lebensbereich vom anderen nicht trennen. Eure persönlichen Glaubensüberzeugungen, die ihr mit den Massen teilt, bilden eure kulturelle Wirklichkeit. Eure Gesellschaft ist nicht eine Sache für sich, die außerhalb eurer selbst existiert; vielmehr ist sie das Ergebnis der individuell gehegten Glaubensüberzeugungen jedes ihrer einzelnen Mitglieder. Es gibt keine Gesellschaftsschicht, die ihr nicht auf die eine oder andere Weise mitbeeinflußt. Eure Religionen stellen die Sünde in den Vordergrund, eure Mediziner stellen die Krankheit in den Vordergrund. Eure etablierten Wissenschaften stellen Theorien in den Vordergrund, denen zufolge die Welt aus Chaos und Zufall entstanden sei. Eure Psychologen stellen den Menschen als Opfer seiner sozialen Umwelt und Geschichte in den Vordergrund. Eure fortgeschrittensten Denker stellen die Schändung des Planeten in den Vordergrund, oder sie konzentrieren sich auf die der Welt bevorstehende Katastrophe, oder sie sehen die Menschen wieder einmal als Opfer der Gestirne.

Viele eurer neu zum Leben erweckten okkulten Schulen sprechen von einer erstrebenswerten Abtötung allen Wünschens und Wollens, von der wünschenswerten Vernichtung des Ego, von der Transmutation stofflich-materieller Elemente in subtilere Seinsformen des Geistes. Und allemal leidet darunter die klare spirituelle und biologische Unversehrtheit des Individuums, und die kostbare Unmittelbarkeit des Momentanen geht euch weitgehend verloren.

Das Erdenleben gilt dann als dunkle, trübe Übersetzung einer grandioseren Existenz und nicht als die einzigartige, schöpferische und lebendige Erfahrung eurer Existenz, die es doch sein sollte. Der Körper wird sabotiert und desorientiert. Die klaren Kommunikationswege zwischen Geist und Körper werden verschüttet; Krankheiten und Leiden, individuell und en masse, sind die notwendige Folge, damit ihr zu anderen Einsichten gelangt.

(Unvermittelt:) Ende der Sitzung.

(»Sehr gutes Material!«)

Meine herzlichsten Grüße.

(»Gute Nacht, Seth«, sagte ich um 23.59 Uhr. Ich hatte eigentlich angenommen, daß er noch eine Weile länger durchkommen würde.) Sitzung 8o6, Samstag, den 30. Juli 1977

(Dies ist die erste Sitzung für »Individuum und Massenschicksal« nach elf Wochen Pause. Und was haben Jane und ich während all dieser Zeit gemacht - im Verlauf dieses fast vollen Vierteljahres unserer körperlichen Existenz?

Nach Abschluß der Sitzung 805 legten wir eine sechswöchige Pause ein. Das war nicht geplant; es ergab sich einfach so, bis uns schließlich klar wurde, daß Jane einfach eine Veränderung ihrer Arbeitsroutine brauchte. Wir hatten eine Menge anderer Dinge zu tun.

Ich war immer noch tagtäglich damit beschäftigt, Anmerkungen und Nachträge für Band 2 der »›Unknown‹ Reality« zu schreiben. Jane erhielt am 4. Juni die Druckfahnen für »Cézanne« und machte sich an deren Korrektur. Am 14. Juni begann »unser« Bauunternehmer die Hälfte unserer Garage in ein Arbeitszimmer für Jane umzubauen und eine große rückwärtige Veranda anzufügen. Dieser Umbau war viel geräuschvoller und störender als die frühere Arbeit an der vorderen Veranda und nötigte uns zu einigen Änderungen unserer Tagesarbeit.

Vermehrte Nachtarbeit mußte uns um diese Störungen herummanövrieren.

Am 9. Juli erhielten wir von der Prentice-Hall unsere ersten Belegexemplare von Band 1 der »›Unknown‹ Reality«. Das war für uns wirklich eine Freude, denn es bedeutete die erste Veröffentlichung eines Seth-Buches nach dreijähriger Pause [»Die Natur der persönlichen Realität« war 1974 herausgekommen]. Mitte Juli begann unsere Freundin Sue Watkins* die letzten Passagen des endgültigen Manuskripts der »Natur der Psyche« in die Maschine zu tippen. Jane hatte mit bei der Vorbereitung der ersten fünf Kapitel geholfen; aber da wir beide so beschäftigt waren, baten wir Sue um ihre Mithilfe für den Rest. Als es dann zu dieser 806ten Sitzung kam, hatte Jane den ersten handschriftlichen Entwurf zu »James« praktisch abgeschlossen. Sie hat auch schon die Einleitung dafür zu schreiben begonnen.

Um noch einmal auf das Ende unseres »Urlaubs zu Hause«

zurückzukommen: Am 25. Juni begann Jane mit einer Serie von zehn Sitzungen, die wir zur Abwechslung Montag und Samstag abends (statt in unserer gewohnten Montag-Mittwoch-Routine) abhielten. Wir beschlossen dann, diese Sitzungen als privat einzustufen oder jedenfalls nicht als Arbeit an dem vorliegenden Buch »Individuum und Massenschicksal«. Dieses Material ist zu einem Teil ausgesprochen privater Natur, zum anderen von allgemeinem Interesse, das heißt, seine Veröffentlichung könnte eine Hilfe für andere Menschen bedeuten. Diese unsere Feststellung führte zu Fragen, die uns schon früher beschäftigt haben: Welche Sitzungen beziehen sich auf ein spezielles Buchprojekt, welche nicht? Und was, wenn sie indirekt dazugehören, von Seth aber

* Sue Watkins ist in einer Reihe von Janes Büchern erwähnt und gelegentlich auch zitiert worden, erstmals im »Seth-Material«. Jane begann ihre ASW-Kurse im September 1967. Wir lernten Sue im September 1968 kennen. Einen Monat später trat sie dem Kurs bei und wohnte ihm mehr oder minder regelmäßig bei bis zum Ende der Kurse im Februar 1975. Zur Zeit arbeitet Sue an einem Roman, und sie ist Mitherausgeberin einer Wochenzeitung in einer kleinen Stadt fünfzig Meilen nördlich von Elmira, N.Y.

nicht als Buchdiktat bezeichnet werden? In den betreffenden Augenblicken ist mir vielleicht nicht klar, daß ich ihn deswegen fragen sollte; oder ich fange erst später an, Mutmaßungen über die Verwendung des einen oder anderen Materials anzustellen. So wissen wir zum Beispiel, daß Seth eine bestimmte Zahl von Sitzungen als ausdrücklich für dieses Buch bestimmt kennzeichnen wird, doch behalten wir uns vor, weiteres Material als Ergänzung in Betracht zu ziehen.

Die Sitzung 806 ist ein solches Beispiel. Strenggenommen ist es kein Diktat für das Buch, doch geben wir hier Auszüge davon wieder; denn Seth erörterte die Begriffe »Geschehnis« und »Erinnerung« mit anderer Akzentuierung und streifte Aspekte der Reinkarnation* alles

* Jane verwandte vor meinem Geburtstag (ich wurde am 20. Juli 58 Jahre alt) eine Menge Zeit auf die Herstellung eines Skizzenbuches mit Gedichten und Farbzeichnungen als Geschenk für mich. In ihrer überaus originellen Lyrik und Graphik berührte sie mancherlei Themen. Über Reinkarnation schrieb sie: Für Rob

Wurdest du einst im Winter geboren,

in Europas Eis und Schnee,

wo Dörfer ins nächtliche Dunkel sich kauern und Wölfe die Hügelschluchten durchstreiften?

Oder zerriß, braunhäutiges Saugkind, dein Schrei Ägyptens frühe Morgendämmerung?

Wie viele Wiegenfeste kamen und gingen,

Wie viele Lande schon waren dir Heimat?

Wie vieler Liebender Flüstern verwob sich

den Mustern deines Gemüts?

Wie viele Söhne und Töchter entsprangen

deinen Lenden oder deinem Schoß?

Wie viele Stimmen flüstern in meiner

glückwünschend mit an deinem Geburtstag,

und welche Lieben richten dir

in deinen Vergangenheiten

ein Festmahl mit Kuchen und Wein?

Und in »modernerer« Version:

Für Rob

Wir haben hier heute geparkt,

und die grüne Welt wirbelte

dschungelgeschwind

im Geschäftsviertel über dem Fluß,

und wie ein Großstadtbuschmann war ich im Einklang, in Gedankenwipfeln mich wiegend,

beim Stocken und Weiterfließen des Verkehrs, präzis wie Rituale der Tierwelt,

nahezuförmlich; Motoren donnernd,

dann summend, pausierende Räder,

Scheinwerfer hypnotisiert in der Sonne.

Du bist auf die Bank gegangen

zu einem Tauschhandel, so urtümlich wie Stammestänze.

Themen, die mit jener unfaßlichen, wahrhaft undefinierbaren Qualität zusammenhängen, die er simultane Zeit nennt. Ich bitte Sie, stets der Tatsache eingedenk zu bleiben, daß Seths »Zeit«, ganz gleich, welches Thema von welchem Gesichtspunkt aus immer er gerade erörtert, all dem zugrunde liegt, was unsere Sinne in lineare, konkrete Erfahrung und Realität übersetzen. Ich mache mir auch folgendes immer wieder klar: Seth, wie er sich selbst definiert, ist ein »Energiepersönlichkeitskern« und allem Anschein nach nicht so sehr in den Zeitablauf eingebunden wie wir; doch früher einmal in der Sitzung 14 vom 8. Januar 1964, wies er darauf hin, daß Zeit »noch eine gewisse Art von Wirklichkeit« für ihn darstelle. Ich werde daher in Fußnoten auf alle möglichen Arten von »

Zeit« eingehen.)

(21.23 Uhr:) Guten Abend.

(»Guten Abend, Seth.«)

Erster Teil der Sitzung.

Da Geschehnisse nicht in den konkreten, ein für allemal abgeschlossenen Versionen, als die ihr sie zu sehen gelernt habt, ihr Bewenden finden, muß es auch mit dem Gedächtnis eine andere Bewandtnis haben.

Ihr müßt eurer Kreativität und der unabgeschlossenen Natur aller Geschehnisse eingedenk bleiben; denn sogar in ein und demselben Leben stellt eine bestimmte Erinnerung selten die »wahre Version« eines vergangenen Vorkommnisses dar. Das ursprüngliche Geschehen wird von jeder der beteiligten Personen natürlich aus einer anderen Perspektive erlebt, so daß sich die Implikationen und grundlegenden Bedeutungen des Geschehens entsprechend dem Blickwinkel jedes daran Beteiligten voneinander unterscheiden. Ein bestimmtes Geschehnis, das nach euren Begriffen zum erstenmal stattfindet, beginnt auf die Teilnehmer »

einzuwirken«. Jeder bringt seinen persönlichen Hintergrund, sein besonderes Temperament und buchstäblich tausend verschiedene Farbnuancen mit ein - so daß es für jeden der Teilnehmer an einem Geschehen eine nur ihm eigentümliche Version dieses Geschehens gibt.

Im gleichen Augenblick, da es stattfindet, beginnt es sich schon zu wandeln, indem es durch neu hinzukommende »Ingredienzien« gefiltert wird; und es wird darüber hinaus durch jedes darauffolgende Geschehen unmerklich weiter verändert. Die Erinnerung an ein Vorkommnis ist demnach ebensosehr von der Gegenwart wie von der Vergangenheit gefärbt. Gedankenverbindungen lösen Erinnerungen aus und bringen erinnerte Geschehnisse in neue Zusammenhänge, wodurch diese Geschehnisse wiederum neue Formung und Färbung erfahren.

Ihr seid an eine Zeitenfolge gewöhnt, so daß ihr euch an etwas erinnert, das zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit geschah.

Gewöhnlich könnt ihr Geschehnisse auf diese Weise einordnen. Es gibt sozusagen neurologische Nischen, so daß der Körper, indem er Aktivität registriert, Geschehnisse biologisch einordnen kann. Diese neurologischen Impulse sind auf die biologische Welt, wie ihr sie kennt, eingestellt.

Nach diesen Kriterien bleiben demgegenüber Erinnerungen aus vergangenen oder zukünftigen Leben schattenhaft. Im großen ganzen ist es notwendig, daß die unmittelbare Körperreaktion auf diejenige Zeitperiode eingestellt ist, die ihr wahrnehmt. Andere Lebenserinnerungen werden sozusagen unterhalb jener stärkeren Impulse mitgeschwemmt - wobei sie in gewissem Sinne nie zur Ruhe kommen, so daß man sie genauer betrachten könnte; vielmehr bilden sie gewissermaßen die Unterströmung, die von den Ereignissen eures gegenwärtigen Lebens überlagert wird.

Wenn solche Erinnerungen aus anderen Leben an die Oberfläche steigen, dann sind sie natürlich von ihm gefärbt, und ihre Rhythmen stimmen nicht überein. Sie sind nicht so präzis in euer Nervensystem eingebunden wie eure regulären Erinnerungen. Eure Gegenwart verdankt ihre Empfindung von Tiefe eurer Vergangenheit, so wie ihr sie versteht.

In gewisser Weise bildet aber auch die Zukunft eine Art Tiefenperspektive zu den gegenwärtigen Geschehnissen. Eine Wurzel dringt in alle Richtungen vor, Geschehnisse ebenso. Aber die Wurzeln von Geschehnissen reichen durch eure Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Ihr könnt, indem ihr eure Denkprozesse zu verlangsamen oder in spielerischer Weise zu beschleunigen sucht, Erinnerungen aus anderen Leben - vergangenen oder zukünftigen - wahrnehmen. Bis zu einem gewissen Grade erlaubt ihr euren neurologischen Impulsen, sich bemerkbar zu machen. Das mag oft mit einem Gefühl von Vagheit einhergehen, denn ihr habt ja kein vorgefertigtes Schema von Zeit und Ort, mit dem ihr solche Erinnerungen strukturieren könntet. Solche Übungen bringen auch die Gegebenheiten eures eigenen Gegenwartslebens mit ins Spiel, denn ihr folgt automatisch Wahrscheinlichkeiten aus der Sicht eures eigenen Blickwinkels.

Es wäre äußerst schwierig in eurem Wirklichkeitsbereich zu operieren ohne die - wenngleich fiktive - Voraussetzung konkreter, abgeschlossener Ereignisse. Ihr gestaltet aber eure vergangenen Leben in diesem Leben so sicher, wie ihr auch eure zukünftigen Leben schon jetzt gestaltet.

Gleichzeitig weilt jedes eurer vergangenen und zukünftigen Selbst eben jetzt in seinem je eigenen Sosein; und das soeben Gesagte gilt auch für sie. Es ist theoretisch möglich, ein tieferes Verständnis hierfür durch ein vertieftes aufmerksames Eingehen auf die Geschehnisse eures eigenen Lebens zu gewinnen. Indem ihr eine ganze Anzahl für selbstverständlich genommener Annahmen über Bord werft, mag es euch gelingen, eine Erinnerung zu erhaschen. Aber nun unterlaßt es, sie zu strukturieren -

eine äußerst schwierige Aufgabe, denn solches Strukturieren erfolgt inzwischen mit nahezu automatischer Sicherheit.

(22.01 Uhr.) Die Erinnerung wird, wenn man nicht eingreift, nicht strukturiert; sie wird schimmern, beben, immer andere Formen annehmen und sich vor eurem inneren Auge verwandeln, so daß ihre Gestalt wie ein psychologisches Kaleidoskop erscheint, durch dessen Brennpunkt auch die anderen Ereignisse eures Lebens hindurchschimmern und sich wandeln werden. Durch eine solche Erinnerungsübung kann man auch Erinnerungen aus anderen Leben heraufrufen. Ränder, Ecken und Spiegelungen werden aufscheinen, vielleicht als Überlagerungen von Erinnerungen, die ihr als diesem Leben zugehörig erkennt.

Eure Erinnerungen dienen der Organisation eurer Erfahrungen und folgen wiederum bekannten neurologischen Sequenzen. Erinnerungen aus anderen Leben, aus Zukunft und Vergangenheit, prallen oft von diesen Sequenzen mit einer zu raschen Bewegung ab, als daß ihr ihnen zu folgen vermöchtet.

Vielleicht erinnert ihr euch in einem stillen Augenblick, unvorbereitet, an ein Vorkommnis aus diesem Leben, das jedoch mit einem sonderbaren Gefühl verbunden ist, als ob irgend etwas daran, irgendeine Empfindung nicht in die Zeitnische paßt, in die das betreffende Ereignis gehört. In solchen Fällen ist die Erinnerung von einer anderen gefärbt; eine Erinnerung aus einem künftigen oder vergangenen Leben wirft ihren Schatten auf das erinnerte Vorkommnis.

Der Erinnerung haftet teilweise etwas traumartig Fließendes an.

Das geschieht öfter, als ihr es euch eingesteht; denn im allgemeinen weist ihr das befremdliche Gefühl einfach von der Hand und laßt denjenigen Teil der Erinnerung fallen, der sich nicht einfügen läßt.

Solche Momente bilden jedoch echte Durchsinterungen. Ihr könnt, indem ihr wachsam seid und solche Gefühle abfangt, lernen, den wie fließenden, gleitenden Teil der im übrigen deutlichen Erinnerung als Sammellinse zu nutzen. Durch Assoziationen kann diese Sammellinse dann weitere Erinnerungen aus Vergangenheit oder Zukunft auslösen. Auch im Traumzustand tauchen Hinweise auf, und zwar mit größerer Häufigkeit, weil euch dort jene fließende, gleitende Empfindung, in welcher der Ablauf der Geschehnisse sich nach eigenen Gesetzmäßigkeiten zu vollziehen scheint, wohlvertraut ist.

Träume, in denen Vergangenheit und Gegenwart ineinander verwoben sind, bilden dafür ein Beispiel, ebenso Träume, in denen Zukunft und Vergangenheit ineinanderfließen, und Träume, in denen Zeit als wandelbares Element erscheint.

Macht jetzt eure Pause.

(Nach einer Pause von 22.14 bis 22.44 Uhr:) Nun: In gewissem Sinne sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in komprimierter Form in jedem, Moment eurer Erfahrung enthalten.

Jeder dieser Augenblicke ist daher ein Durchlaß zu eurer Gesamtexistenz. Die Geschehnisse, die in eurer Wahrnehmung eben jetzt stattfinden, sind einfach spezifisch, aber das geringste Element in der Erfahrung jedes einzelnen Augenblicks steht auch symbolisch für andere Zeiten und Ereignisse. So ist jeder Augenblick wie ein Mosaik, nur folgt ihr in eurer gegenwärtigen Lebensgeschichte lediglich einer Farbe oder einem Muster und laßt die anderen außer acht.

Wie ich [in anderen Büchern] erwähnt habe, könnt ihr tatsächlich die Gegenwart einigermaßen verändern, indem ihr ganz bewußt ein im Gedächtnis gespeichertes Vorkommnis abändert. Eine Synthese dieser Art kann bei vielen Gelegenheiten in bezug auf andere Menschen von Nutzen sein.

Eine solche Übung ist nicht etwa irgendeine theoretisch ausgeklügelte oder nicht praktikable esoterische Methode; vielmehr ist sie ein höchst präzises, geschwindes und dynamisches Verfahren, dem in der Gegenwart beheimateten Selbst durch Auflösung der Ängste eines vergangenen Selbst wirksam zu helfen. Jenes vergangene Selbst ist auch keineswegs etwa hypothetisch, sondern es existiert noch immer, ist erreichbar und vermag seine Reaktionen zu ändern. Ihr braucht keine Zeitmaschine, um die Vergangenheit oder die Zukunft zu verändern.

Eine solche Technik ist außerordentlich wertvoll. Nicht nur sind Erinnerungen nicht »tot«, sie verändern sich auch fortwährend. Viele von ihnen verändern sich nahezu vollständig, ohne daß ihr dessen gewahr werdet. In seiner Lehrzeit als Romanschriftsteller beschrieb Ruburt (Jane) eine bestimmte Episode mit einem Priester aus seiner Jugendzeit in zwei oder drei unterschiedlichen (unveröffentlichten) Versionen. Jede dieser Versionen stellte zur Zeit ihrer Niederschrift seine getreue Erinnerung an das Vorkommnis dar. Während sich die bloßen Fakten mehr oder minder gleichblieben, waren die Unterschiede hinsichtlich Bedeutung und Interpretation von einer Version zur anderen so drastisch verschieden, daß die Verschiedenheiten die Übereinstimmungen bei weitem überwogen.

Da die besagte Episode bei zwei oder drei verschiedenen Gelegenheiten Verwendung fand, konnte Ruburt sehen, wie sein Gedächtnis sich veränderte. Meistens jedoch nehmen die Menschen gar nicht wahr, daß ihre Erinnerung sich derartig wandelt oder daß sich die Geschehnisse, deren sie sich zu erinnern glauben, von Mal zu Mal stark unterscheiden.

Das aber liegt daran, daß vergangene Geschehnisse weiterwachsen.

Sie sind nicht in sich abgeschlossen. Wenn ihr euch das klarmacht, versteht ihr auch, daß zukünftige Leben, von eurem Bezugsrahmen, her gesehen, sehr schwer zu erklären sind. Ein nach euren Begriffen abgeschlossenes Leben ist so wenig abgeschlossen oder erledigt wie jedes andere Geschehnis. Da ist lediglich ein Punkt, wo euch in eurem Bezugsrahmen etwas außer Sicht gerät, aber das ist im Grunde so artifiziell wie Perspektive in einem Gemälde.

Nicht daß das innere Selbst nicht um all dies wüßte; doch hat es sich bereits einen Bezugsrahmen oder bestimmten Daseinsmodus erwählt, in dem bestimmte Weisen des Erlebens vor anderen zur Geltung kommen.

(23.05 Uhr. Jetzt ging Seth zu dem persönlicheren zweiten Teil der Sitzung über, in dem er in bezug auf Jane erklärte, wie sie in diesem Leben ihrem vergangenen Selbst ihr gegenwärtiges Wissen vermitteln konnte, so daß sie dank der daraus entstehenden »psychologischen Synthese« besser gerüstet war, mit bestimmten Herausforderungen fertigzuwerden. - Ende um 23.44 Uhr.)

Sitzung 814, Samstag, den 8. Oktober 1977

(Mit einer Ausnahme, auf die ich später zurückkommen werde, hat es eine weitere lange Periode - neun Wochen - ohne Sitzungen für das Buch gegeben. Jane war dennoch während dieser Zeit sehr aktiv, denn Seth kam mit einer Sonderserie von siebzehn Sitzungen durch, die nicht dem Buch gewidmet, sondern persönlicher Art waren, und doch berühren sie eine große Anzahl von Themen allgemeiner Natur.

In den letzten zwanzig Wochen kamen tatsächlich nur in einer Sitzung Seth-Kundgaben für dieses Buch und in achtundzwanzig Sitzungen andere Themen durch. »Vielleicht hat er das Buch schon längst beendet und bloß vergessen, uns Bescheid zu sagen«, neckte ich Jane. »

Vielleicht wird dieses das bis anhin kürzeste Buch.« »Ständiges Buchdiktat kann aber auch ganz schön einengend sein«, meinte sie und erinnerte mich daran, daß die Sitzungen nur wenige Wochen nach Abschluß der »Natur der Psyche« in jenen für »Individuum und Massenschicksal« ihre Fortsetzung gefunden hatten. »Es ist einfach so: Infolge der Konzentration auf den Stoff der Bücher kommt eine Menge anderer Themen zu kurz... Unterbrechungen im Buchdiktat geben uns wenigstens Gelegenheit zu Abstechern in andere Richtungen - die Sitzungen sind so abwechslungsreicher.«

Das erfordert seitens Jane eine größere Flexibilität und stellt für uns auch eine Herausforderung dar, denn aufgrund der Fülle des Materials, das wir während der Unterbrechung des Diktats für dieses Buch angesammelt haben, sehen wir uns genötigt, nach Möglichkeiten zu suchen, wenigstens einziges davon zu veröffentlichen, damit auch andere Nutzen daraus ziehen können. Die Herausforderung besteht darin, unsererseits Zeit für die notwendige redaktionelle Arbeit nebst Anmerkungen zu finden, um ein solches Manuskript publikationsreif zu machen: Dafür brauchten wir wohl gut ein Jahr. Jane und ich haben überlegt, ob wir dieses hypothetische Buch mit dem hier erarbeiteten kombinieren sollten, aber wir konnten uns ausrechnen, daß dabei höchstwahrscheinlich ein viel zu umfangreiches Buch herauskommen würde, noch umfangreicher als Band 2 der »›Unknown‹ Reality«, der unseres Erachtens schon reichlich umfangreich ist. Auch bestehen zwischen den erwähnten unterschiedlichen Materialien gewisse subtile Unterschiede, wenn man auch sagen muß, daß jedes Thema, das Seth behandelt, auf die eine oder andere Weise einen Teil seiner Gesamtschau bildet. Anders gesagt: Während der Unterbrechung des Diktats für dieses Buch wurde eigentlich soviel Stoff produziert, daß dieser ein weiteres Buch füllen könnte - um das wir uns, vorläufig wenigstens, nicht kümmern können.*

* Es drängen sich mir einige Kommentare über das Schreiben und das Malen auf, die ich schon immer machen wollte, da ich mich täglich mit beidem beschäftige.

Während ich die Materialfülle sortierte, die Seth-Jane in den letzten Wochen produziert hat, wurde ich wieder einmal von Staunen ergriffen angesichts der Herausforderungen, die der Kunst des Schreibens innewohnen.

Das gemalte Bild kann in jedem Moment seiner Entstehung mit einem Blick erfaßt werden, die Wahrnehmung des geschriebenen Wortes jedoch erfordert viel mehr Zeit, ganz gleich, wie schnell man zu lesen und zu verstehen vermag.

Mit einem einzigen Blick hat der bildende Künstler einen unmittelbaren Zugriff auf das gesamte in Arbeit befindliche Werk; er kann sagen, was er getan und noch zu tun hat, was er vielleicht noch abändern oder »in Ordnung bringen«

muß, selbst wenn es ihm nicht gelingt. Nicht so der Schriftsteller, der sich, während er liest, des bildenden Künstlers simultaner Wahrnehmung zugunsten linearer Wahrnehmung begeben muß, während er eine Vielzahl von Entscheidungen trifft im Hinblick auf die Satzstruktur, auf das, was er verwenden und was er auslassen will, und so weiter.

Manchmal kommt der Maler in mir dem Schriftsteller visuell zu Hilfe, indem ich Seiten mit Material und Notizen nebeneinander auf ein bis zwei Tischen auslege. Dann kann ich sehen, was ich als Ganzes zu machen versuche, und kann teils intuitiv, teils verstandesmäßig Entscheidungen treffen hinsichtlich der Anordnung von Passagen, die mir Schwierigkeiten bereiten. Bei diesem Vorgehen fühle ich mich allemal sowohl angeregt als auch herausgefordert. Es scheint immer zu funktionieren, obwohl ich manchmal noch ziemlich viel Zeit brauche. Diese Methode ist auch sehr hilfreich, um jener anfänglichen Ungeduld des Malers in mir zu begegnen, wenn sich der Schriftsteller in mir einer komplizierten Situation gegenübersieht.

Natürlich kenne ich die derzeitigen Theorien der Wissenschaft über die mutmaßliche unterschiedliche Funktion der beiden Gehirnhälften: für logische Aktivitäten wie auch das Schreiben soll die linke Hälfte zuständig sein, für intuitive künstlerische Fähigkeiten die rechte. Mag sein - aber schließlich kann Schreiben ebenfalls auf Intuition beruhen und Kunst demgegenüber auf logische Weise produziert werden. Wenigstens muß dem Gehirn als Ganzem (seine beiden Hälften sind im Innersten durch das Corpus callosum miteinander verbunden) ein grundlegendes schöpferisches Vermögen innewohnen. Die beiden Hemisphären dürften viel stärker zusammenwirken, als gemeinhin angenommen wird. Es gibt so vieles, was wir über das Gehirn noch nicht wissen (von Geist und Seele ganz zu schweigen). Vermutlich verstellen uns Glaubenssätze hinsichtlich solcher Abgrenzungen den Blick auf das wunderbare ganzheitliche Funktionieren unseres Gehirns.

»Aber Seth liefert allem Anschein nach sein Material verbal, und das ist alles«, schrieb Jane, nachdem sie diese Fußnote gelesen hatte. »Selbst in einem langen Buch geht er nicht durch diese kognitiven Prozesse, die Rob erwähnt.

Ich tue das, wenn ich schreibe oder meine Arbeit korrigiere. Falls ich irgend etwas von jener Arbeit als Seth tue, dann geschieht das so unbewußt und rasch, daß ich dessen nicht gewahr bin. Und Seths Texte erfordern fast keinerlei Abänderungen.«

* Ich möchte Sie daran erinnern, daß Jane bereits Inspiration und Material für zwei Bücher aus ihrem erstaunlich schöpferischen Traumzustand empfangen hat: für » The Education of Oversoul Seven« und »James«. Für »Seven« kamen ihr zum Beispiel zwei ganze Kapitel, während sie träumte.

Jane hatte den ganzen September hindurch an »James« gearbeitet, danach schrieb sie eine Zusammenfassung des Buches, so daß ihr Herausgeber, Tam Mossman, es seinem Verlag, der Prentice-Hall, empfehlen konnte. Am 12. September hatte Jane einen sehr lebhaften Traum, der, wie sie glaubt, seinen Ursprung in einem ihrer vergangenen Leben in der Türkei hat. In ihrem Traum kam ein Knabe vor, Prinz Emir

*, der in einer taufrischen Welt lebte, in der es noch keinen Tod gab. Drei Tage später schlug Tam gelegentlich eines Telefongesprächs vor, Jane solle auf der Grundlage ihres Traums von Emir ein Kinderbuch »für Leser jeden Alters« schreiben. Am nächsten Tage rief er nochmals an, diesmal, um ihr die überaus erfreuliche Mitteilung zu machen, daß der Verlag »James« Veröffentlichung angenommen hatte.

Dann kam in einer persönlichen Sitzung am Abend des 17.

September 1977 Seth mit einem faszinierenden Konzept durch: »

Bezugssystem 1 und Bezugssystem 2«. Jane und ich waren von den praktischen, weitreichenden Folgen, die sich aus diesem Konzept ergeben, so beeindruckt, daß wir nun beide bestrebt sind, unser Alltagsleben danach auszurichten. Kurz und sehr vereinfacht gesagt, ist Seth zufolge das Bezugssystem 2 oder die innere Wirklichkeit der schöpferische Ursprung, aus dem heraus wir alle Geschehnisse gestalten, und durch die Konzentration unserer Aufmerksamkeit können wir daraus alles beziehen, was wir für ein konstruktives, positives Leben im Bezugssystem 1 oder in der Welt unserer körperlich-stofflichen Wirklichkeit brauchen. Wir haben Seth bereits gebeten, in diesem Buch ausführlicher auf die beiden Bezugssysteme einzugehen, zumal die Grundidee direkten Bezug auf die individuellen und kollektiven Erfahrungen eines jeden Menschen nimmt.*

Nun zu der »einen Ausnahme« die ich zu Beginn dieser Anmerkungen erwähnte. Es ist die Sitzung 812 vom 1. Oktober 1977, von deren Erörterungen zumindest einiges auch Buchdiktat ist. Anlaß dafür war ein Besuch den wir kürzlich von einem Leser, der offenbar unter Verfolgungswahn leidet, erhielten. Seth gab auf diese Begegnung hin Jane wichtige Kundgaben über Paranoia durch (nicht für den Betreffenden selbst, dem Jane jedoch später schrieb) und bat uns dann, das Sitzungsprotokoll beiseite zu legen; es wurde einem späteren Kapitel von »Individuum und Massenschicksal« eingefügt werden.

Unmittelbar vor der Sitzung heute abend sagte Jane, sie glaube, daß nun weiteres Buchdiktat folge. -21.43 Uhr) Nun, guten Abend -

(»Guten Abend, Seth.«)

- und, wie Ruburt schon vermutet hat, Diktat, in Fortführung unserer letzten offiziellen Sitzung für das Buch (806). Ordentlich von Anfang an - die Passagen über Paranoia (aus der Sitzung 812) werden später folgen. Als Ruburt vor ein paar Tagen an einem seiner Bücher schrieb, hörte er eine Durchsage des öffentlichen Gesundheitsdienstes.

Der Sprecher ließ alle Rundfunkhörer von Amts wegen wissen, daß nun die Grippesaison begonnen hatte. In bestimmtem Ton gab er ihnen zu verstehen, daß ältere Personen und Personen mit diesen und jenen Krankheiten sich unverzüglich einer Schutzimpfung unterziehen sollten.

Nebenbei erwähnte der Sprecher, daß es keine eindeutigen Beweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen früheren Grippeimpfungen und dem Auftreten dieser eigentümlichen Krankheit gebe, von der auch einige der früher Geimpften befallen worden waren.*

* Ich sollte auch anmerken, daß Seth einen einzigen kurzen, ziemlich mysteriösen Hinweis auf ein Bestehen von System 3 und 4 gegeben hat. Zwei Tage, nachdem er zum erstenmal über sein Konzept von System 1 und System 2

gesprochen hatte, kam er in einer anderen persönlichen Sitzung mit folgender Aussage durch (Jane und ich müssen ihn noch bitten, das weiter auszuführen): »

Es gibt übrigens gemäß unserer Definition ein System 3 und ein System 4 -

doch alle derartigen Bezeichnungen dienen, um es noch einmal zu sagen, nur der Verdeutlichung. Die Wirklichkeiten verfließen miteinander.«

Alles in allem war das eine ziemlich aufschlußreiche Durchsage, die einige Rückschlüsse auf Biologie, Wissenschaft und Religion zuläßt. »

Die Grippesaison« ist in gewisser Weise ein Beispiel für ein psychologisch vorfabriziertes Muster, das unter Umständen eine vorfabrizierte Epidemie auslösen kann.

Hinter solchen Durchsagen steht die Autorität des medizinischen Berufsstandes, und die Autorität eurer Kommunikationssysteme obendrein. Ihr könnt die Stimme, die über das Radio kommt, nicht in Frage stellen. Sie ist körperlos und »weiß Bescheid«.

Wieder einmal wurden besonders die älteren Menschen erwähnt.

Offenbar versteht es sich von selbst, daß sie besonders anfällig für Krankheiten sein müssen. Diese Anfälligkeit ist ein Faktum medizinischer Erfahrung. Sie ist allerdings ein Faktum ohne Grundlage in der biologischen Realität des Menschen. Es handelt sich um ein bloß suggeriertes Faktum. Die Ärzte sehen die Auswirkungen dieser Suggestion auf den Körper, die deutlich genug sind, um als Beweis für eben jene Anfälligkeit gewertet werden zu können.

Noch heute bleiben in manchen isolierten Bergregionen der Erde die Alten von Krankheit verschont, und ihre Vitalität ist ungebrochen. Sie erfreuen sich bester Gesundheit, bis sie sterben. Die Glaubenssysteme dieser Menschen entsprechen, das müßt ihr einsehen, der Praxis ihres Lebens. Sie haben auch keinen Ärztestand im Hintergrund. Wir werden später noch einmal auf dieses Thema zurückkommen.

Hierzulande jedoch habt ihr etwas, das fast schon auf ein soziales Programm zum Krankwerden hinausläuft - die »Grippesaison« oder auch die »Grippewelle«. Als Gedankenprojektion der Massen hat sie einen medizinischen und ökonomischen Hintergrund. Natürlich ist der Ärztestand an der Suggestion beteiligt. Im Spiel sind weiters wirtschaftliche Interessen, die von den größten Apotheken bis zu den

* Seth bezog sich auf das Guillain-Barre-Syndrorn, Lähmungserscheinungen, die bei einer kleinen Zahl von 1976 im Zuge des Programms zur Bekämpfung der Schweinegrippe Geimpften auftraten. Aus verschiedenen Gründen brach die Regierung das sehr kostspielige und umstrittene Programm im vergangenen Dezember plötzlich ab. Dann äußerte sich im Mai dieses Jahres eine Reihe sowohl innerhalb als außerhalb der Regierung tätiger Wissenschaftler übereinstimmend dahingehend, daß die Grippeimpfungen das Guillain-Barre-Syndrom ausgelöst haben, der Grund für diese bei einigen Personen aufgetretene Reaktion jedoch nicht bekannt sei. Jane und ich hatten uns nicht impfen lassen.

kleinsten Drogerien, von den Supermärkten bis zu den Krämerläden um die Ecke reichen.

Pillen, Tropfen und Injektionen zur Bekämpfung der Grippe füllen die Schaufensterauslagen, um auch diejenigen, die sie sonst vielleicht nicht beachtet hätten, an die bevorstehenden Schwierigkeiten zu erinnern.

Das Werbefernsehen setzt eine neue Lawine in Gang, so daß ihr (amüsiert) nahtlos den Übergang von der Heuschnupfensaison zur Grippesaison vollziehen könnt, ohne irgendwelche medikamentösen Verabreichungen zu versäumen.

Ein Husten im Juli wird vermutlich nicht weiter tragisch genommen und ist rasch vergessen. Ein Husten in der Grippesaison jedoch ist entschieden verdächtig - und unter solchen Umständen, vor allem mitten in einer unerquicklichen Arbeitswoche, kommt leicht der Gedanke auf: Sollte ich morgen nicht besser zu Hause bleiben? Es wird buchstäblich von euch erwartet, daß ihr die Grippe kriegt. Sie bietet eine willkommene Gelegenheit, allen möglichen Problemen auszuweichen.

Manche Aufgeweckte spüren unterschwellig sehr wohl, was da eigentlich läuft. Sie haben weiter nichts zu tun, als den Einflüsterrungen der Gesellschaft, die ihnen auf Schritt und Tritt folgen, Gehör zu schenken.

Und tatsächlich: die Temperatur steigt! Vor lauter Besorgnis wird die Kehle trocken. Latente Viren - die bisher keinen Schaden gestiftet hatten

- werden aktiviert.

(22.10 Uhr.) Auch die Hersteller von Mänteln, Stiefeln und Handschuhen preisen ihre Erzeugnisse an. Doch herrscht in jenen Sparten mehr Vernunft insofern, als in ihrer Werbung der Akzent auf der Gesundheit liegt; so, wenn sie beispielsweise den vergnügten Skifahrer oder den wetterharten Seefahrer abbilden. Doch auch sie behaupten bisweilen, daß ihre Erzeugnisse euch vor Grippe und Erkältungen, kurz, vor der Anfälligkeit eurer Natur beschützen.

Die gelobten Schutzimpfungen sind im großen und ganzen von geringem Nutzen; doch sind sie potentiell gefährlich, besonders wenn sie verordnet werden, um einer Epidemie vorzubeugen, die noch gar nicht aufgetreten ist. Sie mögen in Einzelfällen nützlich sein, doch insgesamt richten sie Schaden an, indem sie eure Körperfunktionen durcheinanderbringen und biologische Reaktionen auslösen, die sonst vielleicht gar nicht aufgetreten wären.*

Die Grippesaison überschneidet sich nun auch noch mit der

* Früheres Material über Impfungen findet sich in Kapitel 1, Sitzungen 801 und 802.

Weihnachtszeit, da den Christen gesagt wird, daß sie frohgemut sein sollen, daß sie ihren Mitmenschen eine selige Rückkehr in die natürliche Wunderwelt der Kindheit wünschen und Gott im Kind Ehre erweisen sollen. Doch leider ist die christliche Weihnachtslegende für den heutigen Menschen verwirrend und mangels inneren Zusammenhangs kaum noch tragfähig. Der religiöse Glaube hat die Verbindung zum täglichen Leben verloren. Viele Menschen vermögen nicht mehr, die unterschiedlichen Inhalte ihres Glaubens und ihres Denkens und Fühlens miteinander zu vereinbaren, und zu Weihnachten kommt ihnen deutlicher als sonst die riesige Kluft zwischen ihren wissenschaftlichen Glaubensüberzeugungen und ihren religiösen Glaubenssätzen zu Bewußtsein. Sie fühlen sich außerstande, mit einem derartigen mentalen und spirituellen Dilemma fertigzuwerden. So kommt es gerade zur Zeit des »Freuet euch!« oft zu Depressionen, die noch verstärkt werden durch die Weihnachtsmusik und die Schaufensterauslagen, durch die religiösen Hinweise darauf, daß der Mensch als Ebenbild Gottes erschaffen wurde, und durch wieder andere Hinweise darauf, daß dieser gottgegebene Körper - allem Anschein nach außerstande, für sich selbst zu sorgen - von Natur aus dazu bestimmt ist, ein Opfer von Unheil und Krankheit zu werden.

So ist die Weihnachtszeit in eurer Gesellschaft Ausdruck der Hoffnungen des Menschen, während die Grippesaison seine Ängste widerspiegelt und die Kluft zwischen beiden zum Vorschein bringt.

Der Arzt ist ja auch Privatperson; hier spreche ich von ihm nur in seiner professionellen Eigenschaft: Für gewöhnlich tut er sein Bestes innerhalb des Systems der Glaubensüberzeugungen, die er mit seinen Mitmenschen teilt. Diese Glaubensüberzeugungen existieren nicht isoliert für sich, sondern sie stellen natürlich eine Verquickung von Glaubenssätzen wissenschaftlicher und religiöser Art dar, wie sehr sich diese auch voneinander unterscheiden mögen.

Die christliche Tradition deutet Krankheit als Strafe Gottes oder zumindest als gottgesandte Prüfung, die es standhaft zu ertragen gilt; sie betrachtet den Menschen als sündige Kreatur, behaftet mit dem Makel der Erbsünde und gezwungen, im Schweiße seines Angesichts zu arbeiten.

Das wissenschaftliche Weltbild zeigte den Menschen als Zufallsprodukt eines gleichgültigen Universums, als eine Kreatur ohne jede tiefere Bedeutung, deren Bewußtsein Produkt eines bloß zufällig entstandenen physiologischen Mechanismus der Evolution ist, außerhalb dessen ihm keine Wirklichkeit eignet. Die Wissenschaft ist in dieser Hinsicht wenigstens konsequent. Das Christentum jedoch fordert die zum Leiden geborenen Geschöpfe ex officio dazu auf, sich zu freuen, und die Sünder, zu kindlicher Unschuld zurückzufinden; es fordert sie auf, einen Gott zu lieben, der eines Tages die Welt zerstören und sie in die Hölle verdammen wird, wenn sie ihm nicht Ehre erweisen.

Aufgerieben zwischen zwei derart widersprüchlichen Glaubenssystemen werden viele Menschen gerade in der Weihnachtszeit körperlich krank. Kirchen und Spitäler sind meistens die größten Gebäude einer Stadt, wie auch die einzigen, die den Menschen ohne amtliche Bewilligung auch am Sonntag offenstehen. Ihr könnt eure Gesundheit nicht von eurem persönlichen Wertsystem trennen, und häufig genug profitieren die Spitäler von den Schuldgefühlen, welche die Religionen ihren Bekennern eingeflößt haben.

Ich spreche jetzt von Formen der Religion, die derart mit dem gesellschaftlichen Leben verquickt sind, daß jeder Sinn für die grundlegende religiöse Integrität verlorengeht. Der Mensch ist von Natur aus religiös.

Macht Pause. (22.40 bis 23.10 Uhr.)

Diktat: Das religiöse Empfinden ist eine der grundlegenden Eigenschaften des Menschen. Es ist der am meisten außer acht gelassene Bereich der menschlichen Psyche. Es gibt ein natürliches religiöses Wissen, mit dem wir geboren werden. Ruburts Buch » The Afterdeath Journal of an American Philosopher: The World View Of William James

« erläutert dieses Gefühl sehr anschaulich. Es ist eine in verbale Begriffe übersetzte biologische Spiritualität, die da spricht: »Das Leben ist ein Geschenk. Ich bin ein einzigartiges, der Achtung wertes Geschöpf in der natürlichen Welt, die mich umgibt, mir meinen Lebensunterhalt gewährt und mich an die größere Quelle gemahnt, der ich selbst und die Welt entstammen. Mein Körper ist seiner Umwelt wunderbar angepaßt, und auch er kommt mir zu aus jener unbekannten Quelle, die sich in allen Erscheinungen der materiellen Welt offenbart.«

Dieses Gefühl schenkt dem Organismus Zuversicht, Freude und die unablässig überquellende Kraft zum Wachstum. Es fördert Wißbegier und Kreativität und stellt das Individuum in eine Welt, die gleichermaßen spirituell und natürlich ist.

Organisierte Religionen stellen allemal den Versuch dar, dieses Grundgefühl in kulturellen Begriffen neu zu definieren. Es gelingt ihnen selten, weil sie in ihren Vorstellungen zu eng und zu dogmatisch werden, bis die kulturellen Strukturen die feinere, in ihnen enthaltene Substanz schließlich ganz überwiegen.

Je toleranter eine Religion ist, desto näher kommt sie dem Ausdruck jener inneren Wahrheiten. Dem Individuum jedoch eignet seine eigene spirituelle und biologische Integrität, die Teil des menschlichen Erbes und das Recht jeglicher Kreatur ist. Der Mensch kann nicht seiner eigenen Natur mit Argwohn begegnen und zugleich der Natur Gottes vertrauen, denn Gott ist sein Wort für die Quelle seines Seins - und wenn sein Sein durch einen Makel getrübt ist, dann muß dies auch für seinen Gott gelten.

Eure persönlichen Glaubensüberzeugungen verschmelzen mit denen anderer Menschen und stellen eure kulturelle Wirklichkeit dar.

Daher werden die verzerrten Ansichten der Schulmedizin und anderer Wissenschaften oder jeder vergleichbaren Gruppierung euch nicht etwa aufgezwungen; sie sind vielmehr das Resultat all eurer gemeinsam gehegten Glaubensüberzeugungen - in separate Disziplinen aufgefächert.

Ärzte zum Beispiel sind oft alles andere als gesund, weil sie so besessen sind von jenen spezifischen, die Gesundheit betreffenden Glaubensüberzeugungen, daß sie ihre Aufmerksamkeit stärker als andere auf diesen Bereich fixieren. Die Idee des Vorbeugens hat ihre Wurzel in der Angst - etwas Erfreulichem würde man ja nicht vorbeugen wollen. So kommt es, daß die Präventivmedizin oft gerade eben dasjenige Übel verursacht, dem sie vorzubeugen sucht. Nicht nur nährt und unterhält der bloße Gedanke an Vorbeugung ein ganzes System von Befürchtungen, häufig lösen Maßnahmen zur Vorbeugung einer Krankheit in einem gesunden Körper auch Reaktionen mit Nebeneffekten aus, wie, sie im Falle einer tatsächlichen Erkrankung auftreten würden.

(23.32 Uhr.) Eine spezifische Krankheit wird natürlich auch ihre Auswirkungen auf andere Bereiche des Körpers haben, Auswirkungen, die noch nicht einmal untersucht oder auch nur bekannt sind. Sie können daher bei Impfungen nicht mitberücksichtigt werden. Auch kann es vorkommen, daß Menschen durch die Impfung ihrerseits zu Krankheitsüberträgern werden und andere infizieren.

Es gibt Menschen, die sehr selten krank werden, ganz gleich, ob sie geimpft werden oder nicht, und die gesundheitlich widerstandsfähig sind.

Ich will nicht sagen, daß alle Menschen negativ auf Impfungen ansprechen. Im Prinzip jedoch sind Impfungen nicht gut, wobei mir durchaus bewußt ist, daß die Geschichte der Medizin mich zu widerlegen scheint. Zu gewissen Zeiten, und vor allem in der Zeit der Geburt heutiger medizinischer Wissenschaft, übte der Glaube an die Schutzwirkung von Impfungen als Träger neuer Hoffnung wenn nicht bei der Bevölkerung so doch bei der Ärzteschaft große Suggestionskraft aus.

Doch muß ich leider sagen, daß die wissenschaftliche Medizin ebenso viele Krankheiten verursacht wie geheilt hat. Wenn sie Leben rettet, so liegt der Grund dafür in dem intuitiven heilerischen Wissen des Arztes; oder der Patient ist so beeindruckt von den großen, um seinetwillen unternommenen Anstrengungen, daß er gewissermaßen aus zweiter Hand von seinem eigenen Selbstwert überzeugt wird.

Geduldet euch einen Moment... Die Ärzte werden natürlich auch fortwährend von zahlreichen Leuten in Anspruch genommen, die keinerlei Verantwortung für ihre eigene Gesundheit übernehmen, die den Arzt um Operationen anflehen, die sie gar nicht brauchen. Der Arzt wird auch von Patienten aufgesucht, die gar nicht gesund werden wollen und den Arzt und seine Verordnungen als Rechtfertigung für weiteres Kranksein gebrauchen. Sie sagen dann, der Arzt tauge nichts, das Medikament wirke nicht, und schieben dem Arzt die Verantwortung zu für eine Lebensweise, die zu ändern sie nicht gewillt sind.

Auch der Arzt befindet sich im Dilemma zwischen seinen religiösen und seinen wissenschaftlichen Überzeugungen. Bisweilen geraten sie miteinander in Konflikt, und im übrigen bestärken sie ihn in dem irrigen Gefühl, daß der menschliche Körper, sich selbst überlassen, sich jede erdenkliche Krankheit zuziehen würde.

Macht Pause. (22.45 Uhr bis 0.01 Uhr.)

Noch einmal: Ihr könnt euer Wertsystem und eure allerpersönlichsten Werturteile weder von eurem persönlichen noch von dem Erfahrungsbereich der Massen trennen.

In diesem Land fließen eure Steuerdollar in zahlreiche klinische Experimente und Projekte der Präventivmedizin, und zwar deshalb, weil ihr den nur auf euer Wohl gerichteten Intentionen eures eigenen Körpers mißtraut. In gleicher Weise fließen die Gelder eurer Staatskasse in die militärische Rüstung, um Krieg zu verhindern; denn wenn ihr schon eurem eigenen Körper mit Mißtrauen begegnet, wie könnt ihr dann euren Mitmenschen irgendwelches Vertrauen entgegenbringen?

Tatsächlich besteht also wenig Unterschied zwischen euren medizinischen Präventivmaßnahmen und euren aberwitzig teuren militärischen Präventivmaßnahmen. In beiden Fällen wird die Katastrophe in Gedanken vorweggenommen - einmal im Hinblick auf den wohlvertrauten Körper, der jederzeit das Opfer von tödlichen Krankheiten werden kann, denen er scheinbar wehrlos ausgeliefert ist, zum andern im Hinblick auf die übertriebene, allgegenwärtige Gefahr von außen, mit der man jeden Augenblick zu rechnen hat.

(Nachdrücklich:) Krankheit muß bekämpft, bezwungen, ausgerottet werden. Der Körper erscheint nachgerade als Schlachtfeld, feindlichen Mächten preisgegeben, denn viele Menschen trauen ihm so wenig, daß er höchst verdächtig erscheinen muß. Es ist dann so, als wolle der Mensch sich mit der Natur messen. Es gibt Leute, die betrachten sich als selbsterwählte Patienten, etwa so, wie jemand von sich sagt: Ich bin Student. Sie neigen dazu, sich durch vorbeugende Maßnahmen gegen die jeweilige Modekrankheit oder die Krankheit der Saison zu wappnen und sich somit die Hauptlast der unheilvollen Aspekte der Medizin aufzubürden, wenn überhaupt kein Grund dafür vorliegt.

(0.13 Uhr.) Geduldet euch einen Moment...

(Nun brachte Seth einige Passagen für Jane und mich und beendete die Sitzung um 0.22 Uhr.)

Sitzung 815, Samstag, den 17. Dezember 1977

(Nun ist eine weitere lange Periode - diesmal von zehn Wochen - seit der letzten Seth-Sitzung für dieses Buch verstrichen. Da dies die dritte derartige Pause zwischen zwei Buchsitzungen ist, sollten Jane und ich uns eigentlich daran gewöhnt haben. Übrigens machen solche langen Intervalle mir mehr Sorgen als ihr. Ich bleibe gern bei einer einmal begonnenen Sache, um möglichst geradlinig zum Abschluß zu kommen.

Wenn die Sitzungen nicht auf diese Weise laufen, fühle ich mich irgendwie unbehaglich, wobei ich mir allerdings sage, daß vermutlich eine Anzahl von kompensierenden Faktoren mit im Spiele sein dürften. In diesem Falle halfen mir zwei verschiedene Feststellungen, faktisch die eine und philosophisch die andere, meine Gemütsruhe zu bewahren.

Erstens kam Seth während der zehnwöchigen Unterbrechung in einer Serie von achtzehn ausgezeichneten Sitzungen durch, die wieder einmal nicht auf Material für dieses Buch hinausliefen. Entsinnt man sich zweitens der Ideen Seths über simultane Zeit, daß nämlich im Grunde alles gleichzeitig geschieht [selbst unter Berücksichtigung von Seths eignem Zugeständnis, daß Zeit »immer noch eine Art Wirklichkeit« für ihn habe], dann ist es kaum von Bedeutung, wie lang eine Pause zwischen zwei spezifischen Sitzungen währt; es gibt keine wirkliche Trennung. Für jegliches Thema oder Projekt kann das Diktat wieder aufgenommen werden, wann immer die Beteiligten Seth-Jane und ich -

dies wünschen, und dann ist es so, als habe die Unterbrechung nie stattgefunden. Denn in Trance wird Jane wieder mit Seth übereinstimmen in jener nahezu »zeitlosen« Umgebung, in der er einen großen Teil seines Seins hat.*

So haben wir denn beschlossen, uns einfach anzupassen, wie immer auch dieses Buch schließlich zustande kommen mag im Hinblick auf die Länge der Zeit und die Anzahl der Sitzungen. Wir haben nicht die Absicht, Seth zufragen, wann das Buch fertig sein wird. Doch haben wir ihn gebeten, sein Konzept der Bezugssysteme 1 und 2 für das Buch eingehender zu erörtern, und er hat uns es zu tun versprochen. Auch hat er dazu bereits eine ganze Menge in dem nicht für das Buch bestimmten Material durchgegeben, das Jane seit der Sitzung 814 gebracht hat.

Zur Zeit steht es so, daß ich mit den Nachträgen zu Band 2 der »›

Unknown‹ Reality« praktisch fertig bin - was aber nur heißt, daß ich immer noch eine Reibe von Anmerkungen zu den Buchsitzungen selbst zu schreiben habe und daß mir noch eine Menge Arbeit für die einführenden Bemerkungen und das Nachwort zu tun bleibt. Bald nachdem Tam Mossman Anfang Oktober Jane vorgeschlagen hatte, daß sie ein Buch über ihren Traum von Emir** schreiben solle, nahm sie mit dem ihr eigenen Enthusiasmus die Arbeit an diesem Projekt auf.

* Die grundlegende Simultanität der Zeit ist von allen Ideen Seths, wie ich finde, die faszinierendste. Jene »geräumige Gegenwart« enthält alle Geschehnisse nebeneinander, so daß sie in der Ursache-und-Wirkung-Kausalität der organisatorischen Fähigkeiten unserer begrenzteren Sinne gedeutet werden können. Ich schrieb schon früher über das Umstrukturieren der Vergangenheit und die simultane Zeit in der Fußnote zur Sitzung 801, Seite 26

f. Vergleichen Sie auch das Material über Seth und seine simultane Zeit in den einführenden Anmerkungen zur Sitzung 806.

** Vergleichen Sie die einführenden Anmerkungen zur Sitzung 814. Jane nennt ihr neues Buch »Emir’s education in the Proper Use Of Magical Powers«.

Der Traum wurde zum ersten Kapitel des Buches und bildet die Grundlage der übrigen; es macht ihr großen Spaß, die Geschichte zu schreiben, und sie schickt Tam ein Kapitel nach dem anderen, wie sie aus ihrer Schreibmaschine kommen - eine für sie ganz neue Arbeitsweise. Sie weiß noch nicht, wie lang »Emir« werden wird. Ende Oktober unterschrieb, sie den Verlagsvertrag für die Veröffentlichung von »James

« und lieferte Ende November das fertige Manuskript ab. Sue Watkins mit all ihrer eigenen schriftstellerischen und Zeitungsarbeit ist nahezu fertig mit der Reinschrift des von ihr übernommenen Teils des endgültigen Manuskripts der »Natur der Psyche«, während ich noch etwas Zeit auf einige der Anmerkungen dafür verwenden muß.

Während wir so mit unseren Angelegenheiten beschäftigt waren, sind die kürzer werdenden, überaus farbigen und oft warmen Oktobertage in den November übergegangen, und im Laufe des Monats ist es zunehmend kälter geworden; seit dem Erntedankfest hat es schon ein paarmal geschneit, und in ein paar Tagen wird nun der Winter offiziell beginnen. Ich habe Blätter zusammengeharkt, Holz in der Garage aufgeschichtet, Sturmfenster eingesetzt und dafür gesorgt, daß unser Hügelhaus für die kalten Tage gerüstet ist.

Wir halten noch immer die Sitzungen am Montag und Samstag abend ab, eine Routine, die wir seit der Sitzung 805 vor genau sieben Monaten [am 16. Mai] beibehalten haben. Als wir für die Sitzung von heute abend Platz nahmen, sagte Jane, sie habe das Gefühl, daß Seth einiges Material für »Individuum und Massenschicksal« bringen werde, doch war sie sich dessen nicht ganz sicher. Sie hatte heute noch einmal die Sitzungsprotokolle für das Buch durchgelesen. - 21.22 Uhr.) Guten Abend.

(»Guten Abend, Seth.«)

Diktat. Ich möchte euch keinen Schreck einjagen, aber das Diktat gilt der Fortsetzung unseres letzten Kapitels (Kapitel 2).

(Nicht ohne Humor:) Ruburt und Joseph haben sich einen Farbfernseher angeschafft, und fortan ist ihre Fernsehwelt nicht mehr auf Schwarz und Weiß beschränkt. Ich habe das Fernsehen verschiedentlich als Analogie verwendet und möchte das jetzt einmal mehr tun, um die Art und Weise zu verdeutlichen, in der sich Geschehnisse materiell herauskristallisieren, und um zu versuchen, die Methoden darzustellen, mit denen das Individuum die speziellen Geschehnisse auswählt, die es dann in eurer Wirklichkeit persönlich erfährt.

Nicht nur dient das Fernsehen tatsächlich als ein Medium gemeinsamer Konzentrationsübungen für die Massen, es liefert euch auch äußerst detaillierte Traumfabrikate, Massenträume, an denen jeder einzelne Zuschauer teilnimmt. Es gilt hier, einige Unterscheidungen zu treffen, und so werde ich die Bezeichnungen »System 1« und »System 2

« verwenden, um meine Ausführungen zu verdeutlichen.

Wir wollen die körperlich-materielle Erscheinungswelt, in der ihr eure Erfahrungen macht, System 1 nennen. In System 1 seht ihr euch

* Obwohl dies die erste Sitzung für dieses Buch ist, in der Seth System 1 und System 2 erörtert hat, sind Jane und ich mit seinen diesbezüglichen Ideen schon wesentlich besser vertraut als Sie, die oder der Sie dieses Buch jetzt lesen.

Vergleichen Sie jedenfalls die einführenden Anmerkungen zur Sitzung 814. Seit er die beiden Bezugssysteme in der ausgelassenen, nicht für das Buch bestimmten Sitzung vom 17. September eingeführt hat, hat Seth sie in 17 der 23

ausgelassenen Sitzungen erwähnt, die inzwischen stattgefunden haben.

Doch hatte er Bezugssystem 1 und 2 erst in sieben Sitzungen erörtert, als ich im Hinblick auf diese beiden Begriffe am 26. Oktober eine Passage mit Suggestionsformeln niederschrieb. Diese spontane Niederschrift faßte nicht nur zusammen, was ich bisher durch das neue Material erfahren hatte, sondern sie gab mir auch etwas an die Hand, das ich täglich wieder lesen konnte. Ich habe Abschriften davon an die Wände meines Mal- und meines Schreibzimmers geheftet.

Natürlich ist dieser Text auf meine eigenen Glaubensüberzeugungen und Bedürfnisse zugeschnitten, und einige der in ihm enthaltenen Folgerungen werden Ihnen vielleicht erst klarerwerden, wenn weiteres Material über die Bezugssysteme im Fortgang dieses Buches folgt. Doch stelle ich hier meinen Versuch in einen möglichst engen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt seiner Entstehung, so daß jedermann, der daran Interesse hat, die Formeln im Sinn behalten und schließlich vielleicht die eigene Version zum persönlichen Gebrauch verfassen kann. Jane hat das getan; wir finden, daß ein tägliches gelegentliches Lesen unserer respektiven »Credos« hinsichtlich der Bezugssysteme 1 und 2 uns sehr viel bringt. Ich schrieb also am 26. Oktober:

»Ich bin von tiefem, gläubigem Vertrauen erfüllt, daß alles, was ich mir in diesem Leben wünsche, von Bezugssystem 2 erfüllt werden kann. Es gibt nichts, was in System 2 nicht möglich wäre. Das schöpferische Bezugssystem 2

kann all das aus sich hervorbringen, was ich erstrebe: gute Gesundheit, Freude am Malen und Schreiben, des Gedeihen meiner wunderbaren Beziehung mit Jane, Janes eigene Gesundheit und spontane Kreativität sowie die wachsende Verbreitung ihrer Bücher. Ich weiß, daß ungeachtet ihrer Vielfalt all diese positiven Zielsetzungen in Bezugssystem 2 realisiert werden, um dann in Bezugssystem 1 in Erscheinung zu treten. Ich bin von gläubigem Vertrauen erfüllt, daß alles, was ich mir im Leben wünsche, durch die schöpferische Kraft von System 2 für mich Wirklichkeit wird. Ich brauche mich nicht um Einzelheiten zu kümmern, denn ich weiß, daß dem Bezugssystem 2 die unendliche, schöpferische Kraft innewohnt, alles zu bewerkstelligen, was ich mir wünsche. Mein tiefes, gläubiges Vertrauen in die schöpferische Güte von Bezugssystem 2 ist alles, was nötig ist.«

beispielsweise Fernsehsendungen an. Ihr habt eine große Auswahl an Programmen. Es gibt Sendungen, die ihr bevorzugt. Ihr verfolgt bestimmte Serien oder bestimmte Schauspieler. Ihr seid Zuschauer der euch gebotenen Dramen und habt kaum eine Ahnung, wie es eigentlich möglich ist, daß sie überhaupt auf eurem Bildschirm erscheinen. Dennoch hegt ihr beim Kauf eines Fernsehapparats keinerlei Zweifel daran, daß er erwartungsgemäß funktionieren wird, ganz gleich, ob ihr nun mit Elektronik vertraut seid oder nicht. Punktum.

Ihr schaltet mit absehbaren Folgen von einer Wellenlänge zur anderen. Das Programm von Kanal 9 wird nicht plötzlich auf Kanal 6

erscheinen. Auch die Schauspieler, die in solchen Produktionen mitwirken, haben kaum eine vage Vorstellung von den technischen Vorgängen, die erforderlich sind, damit ihre Abbilder auf euren Bildschirmen erscheinen können. Ihre Aufgabe ist die Darstellung, und sie setzen ganz selbstverständlich voraus, daß die Techniker mithalten.

Nun gibt es da auch irgendwo einen Programmdirektor, der sich um sämtliche Programme kümmern muß. Sendungen müssen rechtzeitig eingespielt und geeignete Darsteller müssen engagiert werden. Unser hypothetischer Direktor weiß, welche Schauspieler frei sind, wer von ihnen Charakterrollen bevorzugt, wer den Helden oder die Heldin spielt, und welcher strahlende Don Juan allemal das Mädchen erobert - und wer, ganz allgemein gesprochen, die Bösewichte spielt und wer die Guten.

Ich brauche nicht im einzelnen die vielfältigen Vorgänge zu schildern, die erforderlich sind, damit ihr eure Lieblingssendung sehen könnt. Ihr drückt einfach auf einen Knopf, und schon ist sie da, während euch die ganze Hintergrundarbeit verborgen bleibt; ihr nehmt sie einfach als gegeben. Ihr braucht lediglich am Abend die gewünschte Sendung einzuschalten. Natürlich sehen auch noch eine Menge anderer Zuschauer diese Sendung, doch wird jeder einzelne in ganz individueller Weise darauf reagieren.

(21.40 Uhr.) Wir wollen uns nun für einen Augenblick vorstellen, daß die Geschehnisse in der materiellen Welt auf die gleiche Weise zustande kommen - daß ihr euch die Geschehnisse, die auf dem Bildschirm eurer Wahrnehmung aufblitzen, selber aussucht. Ihr seid mit den Geschehnissen eures eigenen Lebens durchaus vertraut, denn natürlich seid ihr euch selbst Held oder Heldin, Bösewicht oder Opfer oder was auch immer. Aber ebensowenig, wie ihr wißt, was alles in den Fernsehstudios ablaufen muß, bevor ihr eine Sendung anschauen könnt, so wenig wißt ihr, was in dem schöpferischen System der Wirklichkeit abläuft, bevor ihr Ereignisse auf der körperlich-materiellen Ebene erlebt.

Wir wollen jenes riesige »unbewußte« mentale und universelle Studio System 2 nennen.

In diesem Buch werde ich versuchen, euch zu sagen, was sich hinter der Bühne abspielt. Ich will versuchen, die Verfahren aufzuzeigen, mit denen ihr eure täglichen Programme auf der materiellen Ebene wählt, und beschreiben, wie diese persönlichen Entscheidungen mit den Entscheidungen anderer Menschen Verbindungen eingehen und verschmelzen, so daß sie eine Wirklichkeit bilden, die ihr mit den Massen teilt, eine Massenwirklichkeit. Doch kehren wir noch einmal zu unserem Fernsehapparat zurück. Ihr könnt eine Sendung, die euch mißfällt, abschalten. Es ist euch freigestellt, ein Produkt, dessen Vorzuge euch angepriesen werden, zu kaufen oder nicht zu kaufen. Das Fernsehen zeigt euch eure Gesellschaft wie in einem Spiegel. Der Flimmerkasten spiegelt in Millionen Wohnzimmern die ungeheuren Träume und Ängste, die Hoffnungen und Schrecknisse wider, die sich in der Privatsphäre des Individuums abspielen.

Es besteht eine gewisse Wechselwirkung zwischen dem Fernsehen und eurem Leben; doch verursacht das Fernsehen nicht euer Leben. Es verursacht auch nicht die Geschehnisse, die es abbildet. Bei eurem großen Glauben an die Technologie haben viele Menschen oft den Eindruck, als sei das Fernsehen beispielsweise die Ursache von Gewalt oder »lockeren Sitten«. Das Fernsehen spiegelt wider. Ja, man könnte sagen, daß es nicht einmal verzerrend wirkt, obwohl es Verzerrungen reflektieren mag. Die Autoren der Fernsehskripts und ihre Darsteller sind auf das »Gemüt der Massen« eingestimmt. Sie sind weder Führer noch Gefolgschaft; sie schaffen lediglich getreue Abbilder der Wirklichkeit, eingestimmt, wie sie es sind, auf die allgemein vorherrschenden emotionalen und psychischen Muster des Zeitgeistes.

Sie wählen auch die Stücke aus, in denen sie auftreten. Jeder hat sein bevorzugtes Rollenfach, und sei es die Rolle des Einzelgängers. Für den Schauspieler macht natürlich seine Rolle einen wesentlichen Teil seiner persönlichen Erfahrung aus, während die Zuschauer andererseits weitgehend als Beobachter an der Vorstellung teilnehmen.

Ihr entnehmt euren Zeitungen und Zeitschriften das jeweilige Angebot an Fernsehfilmen und Nachrichten oder sonstigen Sendungen.

Auf gleiche Weise nehmt ihr, ganz allgemein gesprochen, die »

Sendungen« zur Kenntnis, die euch auf der räumlich-materiellen Ebene als Erfahrungen eurer eigenen Nation und der ganzen Welt dargeboten werden. Ihr entscheidet, an welchen dieser Abenteuer ihr teilnehmen wollt und welche euch im täglichen Leben oder in System 1 zum Erlebnis werden sollen.

Das innere Szenario, die Gesamtproduktion, die eurer Erfahrung vorausgeht, wird in dem riesigen mentalen Studio von System 2 erstellt.

Dort werden alle Einzelheiten arrangiert, die scheinbar zufälligen Begegnungen, das unerklärliche Zusammentreffen von Umständen, die erforderlich sind, bevor ein bestimmtes Ereignis in der Wirklichkeit eurer Erscheinungswelt stattfindet.

Macht Pause. (22.02 bis 22.19 Uhr.)

Von der Ebene eures Bewußtseins aus und mit seinen Reserven allein könntet ihr euren Körper nicht eine Stunde lang am Leben erhalten.

Ihr würdet gar nicht wissen, wie das zu bewerkstelligen wäre, denn euer Leben fließt selbsttätig und spontan durch euch hindurch. Ihr nehmt die Einzelheiten einfach für gegeben: die Atmung, die inneren Prozesse der Nahrungsverwertung und Ausscheidung, den Blutkreislauf und die Aufrechterhaltung eurer psychologischen Kontinuität. All das wird für euch besorgt durch das, was ich System 2 genannt habe.

In dieser Hinsicht geschieht wahrlich alles zu eurem Besten. Ja, es funktioniert sogar weniger reibungslos, je mehr ihr euch um euren Körper sorgt. In der Spontaneität, mit der euer Körper funktioniert, ist offenbar ein äußerst feiner Sinn für Ordnung am Werk. Wenn ihr einen Fernsehapparat einschaltet, so scheint das Bild von nirgendwoher auf den Bildschirm zu kommen - und doch ist dieses Bild das Resultat präziser Ordnung und Planung.

Schauspieler suchen Agenturen auf, um herauszufinden, in welchen Produktionen sie mitwirken könnten. So besucht auch ihr »Agenturen«, in euren Träumen. Ihr wißt um die verschiedenen Schauspiele, deren Produktion in der Welt der materiellen Wirklichkeit in Erwägung gezogen wird. Im Traumzustand macht ihr euch also oft mit Schauspielen wahrscheinlicher Realität vertraut. Besteht Interesse, bewerben sich Schauspieler in genügender Zahl und sind ausreichende Mittel vorhanden, dann wird das Spiel fortgesetzt. Wenn ihr in anderen Realitäten des Bewußtseins weilt, besucht ihr jene schöpferische innere Agentur, in der alle Produktionen der körperlich-materiellen Wirklichkeit ihren Anfang nehmen müssen. Dort trefft ihr auf andere, die an dieser Art von Schauspiel ebenfalls interessiert sind. Um bei unserer Analogie zu bleiben: Techniker, Schauspieler und Autoren kommen zusammen - nur wird in diesem Falle das Ergebnis ein Live-Geschehen sein statt bloß eines der über euer Fernsehen ausgestrahlten Filme. Katastrophenfilme, Bildungsprogramme und religiöse Darbietungen werden geplant. Sie alle werden »in Lebensgröße« in der räumlich-materiellen Welt stattfinden.

Vorkommnisse dieser Art kommen als Resultat individueller Glaubensvorstellungen, Wünsche und Intentionen zustande. So etwas wie eine Zufallsbegegnung gibt es nicht. Ein Tod ereignet sich nie zufällig, ebensowenig eine Geburt. In der schöpferischen Atmosphäre von System 2 sind alle Intentionen bekannt. Man könnte sagen, daß keine Handlung höchstpersönlich bleibt. Euer Nachrichtenwesen bringt euch in eurem Wohnzimmer Ereignisse zur Kenntnis, die überall in der Welt stattfinden.

Doch ist das noch viel umfassendere innere Kommunikationssystem von ungleich mächtigerer Reichweite, und jeder mentale Akt wird dem multidimensionalen Bildschirm von System 2 eingeprägt. Dieser Bildschirm ist jedermann zugänglich und in anderen Bewußtseinsrealitäten, besonders in den Stadien des Schlafs und Traums, sind die Ereignisse jener inneren Wirklichkeit genauso immergegenwärtig und leicht zugänglich wie die Ereignisse, die sich in der materiellen Wirklichkeit abspielen, im Wachzustand.

(22.40 Uhr.) Es ist, als ob System 2 einen endlosen Informationsdienst enthielte, der euch augenblicklich mit jedem beliebigen Wissen, das ihr gerade benötigt, in Kontakt bringt, der Kommunikationskreisläufe zwischen euch und anderen schafft und der mit blitzartiger Geschwindigkeit Wahrscheinlichkeiten berechnet. Das alles vollzieht sich jedoch nicht in der unpersönlichen Funktionsweise eines Computers, sondern aus einer liebenden Intention heraus, die euer und aller Individuen Bestes will.

Ihr könnt also nicht euren eigenen Vorteil auf Kosten anderer suchen. Ihr könnt nicht System 2 dazu benutzen, einem anderen Menschen ein Geschehen aufzuzwingen. Es müssen nämlich gewisse Vorbedingungen erfüllt werden, bevor ein angestrebtes Ergebnis konkret in Erscheinung tritt.

(22.45 Uhr.) Geduldet euch einen Moment... Ich werde versuchen, die Arbeit an unserem Buch künftig voraussagbarer zu gestalten, unter Beibehaltung unserer eigenen Diskussionen und der Beantwortung der Fragen, die sich euch vielleicht stellen werden. Doch möchte ich eigentlich unser System-2-Material im allgemeinen mehr für das Buch verwenden. Ihr könnt von unserem [anderen] Material verwenden, was immer ihr wollt, aber das Buch selbst wird sich nicht darauf beziehen.

(Der Abschluß der Sitzung wird also vertagt. Seth sagte um 23.12

Uhr gute Nacht.)

Zweiter Teil:

Bezugssystem 1 und

Bezugssystem 2