ZEHNTES KAPITEL

Ich kam zu spät, viel zu spät. Ich hatte die A 48 schnell erreicht, musste dann aber trödeln, weil ein Alptraum vor mir war: ein Spezialtransporter, der nicht überholt werden konnte.

Lampert war ein hoch gewachsener Mann, mit spärlichem Haarwuchs. Er wohnte unter dem Dach eines zweigeschossigen Hauses mitten in der Fußgängerzone der Säubrennerstadt.

Freundlich murmelte er: »Es kann ja schon mal später werden. Was hat Svenja Fiedler Ihnen denn erzählt?«

»Nicht viel«, sagte ich. »Nur, dass da etwas war, etwas für Sie Gefährliches.«

»Das ist die richtige Formulierung. Kommen Sie herein. Das ist meine Lebensgefährtin Karin. Sie möchte dabei sein und Sie haben hoffentlich nichts dagegen.«

»Nein, natürlich nicht«, sagte ich. Ich reichte Karin artig die Hand. Sie war eine kleine, schmale Frau mit sehr kurzem, hennarot gefärbtem Haar und einem hübschen Gesicht.

»Hallo.« Sie wirkte misstrauisch.

Um von vorneherein Spitzen des Unmuts und des Misstrauens abzubrechen, sagte ich: »Das finde ich sehr gut, dass Sie dabei sind.«

Sie nickte und hockte sich mit untergezogenen Beinen auf das Sofa.

»Tja«, meinte Lampert betulich und setzte sich neben sie, »ehrlich gestanden habe ich mich bei Svenja Fiedler erkundigt. Wir wollten doch wissen, wer Sie sind.«

»Das ist in Ordnung«, murmelte ich. »Darf ich eine Pfeife rauchen?«

»Oh, selbstverständlich«, sagte Karin und begann, sich eine Zigarette zu drehen. »Aber Intimitäten wollen Sie doch nicht wissen, oder?«

»Nein«, log ich tapfer. »Herr Lampert, Sie haben gesagt, dass Sie eigentlich erwartet haben, dass viel früher jemand auftaucht, um Sie zu befragen.«

»Ja.« Er hatte zwei sehr steile, tiefe Falten zwischen den grauen Augen, als habe er Kopfschmerzen. »Natürlich. Ich bin damals da reingerasselt, ich war ein totaler Neuling, hoffnungslos naiv. Ich habe sämtliche Fehler gemacht, die man sich ausdenken kann. Und dann hat eine ältere Kollegin mich auch noch bei der Bezirksregierung angeschwärzt. Ich hatte gar keine richtige Chance. Und ich will auch hier wieder weg, Wittlich ist zu nah an Daun.«

»Wollen Sie erzählen, was damals passiert ist?«

»Ich kam in diese Abiturklasse als jemand, der nur mal so schnuppern sollte. Mir fiel Natalie natürlich sofort auf. Sie fiel jedem auf. Ich war damals allein, wir beide kannten uns noch nicht. Ich verliebte mich, das war sehr schlimm, das war schon ... na ja, es war eine Obsession, eine Besessenheit. Klar, es hieß immer, sie sei ein Biest und würde sich über alle Männer lustig machen. Aber Sie wissen ja, wie das so ist. Ich hörte nicht hin. Obwohl viel geredet wurde. Es gab Kollegen, die gestanden grinsend: ›Mit der würde ich auch mal gern!‹ Andere sagten, das könne sich niemand von uns leisten. Pro Nummer ein Monatsgehalt und solche Dinge.«

»Natalie war also Gesprächsthema im Lehrerzimmer?«

»Ja, aber mir half das alles nichts. Ich hatte immer ihr Bild im Kopf, ständig. Es war wie ... es war wie Krebs.«

»Hat sie das gemerkt?«

»Natürlich!«, sagte Karin hell. »Das war es ja. Sie fing an, Florian lächerlich zu machen. Vor der ganzen Klasse. Und dann verabredete sie sich mit ihm und schickte stattdessen die vier Musketiere. Zum Eisessen.«

Lampert sah mich an. »Als diese vier jungen Burschen in das Lokal kamen, sagte ich mir: ›Die hat sie nur geschickt, weil sie es nicht riskieren will, mich in der Öffentlichkeit zu treffen. ‹ Das heißt, ich suchte krampfhaft nach Entschuldigungen für sie, ich hätte niemals zugegeben, dass sie mich einfach nur verspottet. Sie erschien mir nach wie vor wie mein Engel...«

»Wie lange dauerte dieser Zustand?«

»Das ging so über ein Vierteljahr.«

»Und dann haben Sie Hilfe gesucht?«

»Ja. Ich bin noch immer in einer Therapie. Aber im Prinzip habe ich es überwunden.«

»Ist Ihnen denn auch zu Ohren gekommen, dass Natalie im Grunde eine Hure war?«

»Sicher. Aber ich habe es nicht geglaubt. Detlev Fiedler war ja auch der Meinung, sie sei sich nicht recht bewusst, was sie da tat.«

»Er hat sich um Sie gekümmert?«

»Ja, ganz rührend. Genau wie seine Frau Svenja.«

»Svenja Fiedler meinte, Sie seien immerhin so klug gewesen und hätten Natalie keine Liebesbriefe geschrieben. Aber Sie haben ihr geschrieben, nicht wahr?«

»Ja. Svenja weiß davon nichts. Nur Detlev Fiedler wusste das, mit dem habe ich drüber geredet. Ich musste einfach mit jemandem reden und er hat es verstanden. Doch dann hat mich die Kollegin verpfiffen.«

»Was ist da geschehen?«

»Ich wurde zum Direktor bestellt. Der konnte mein Problem verstehen, das merkte ich genau. Er sagte, vielleicht wäre es besser für mich, vorübergehend an eine andere Schule zu gehen. Er werde mich nicht melden und man könne das so deichseln, dass niemand die Gründe erfährt. Und dann hockte ich abends ziemlich down in einer Kneipe und diese Kollegin kam rein. Wir kamen ins Gespräch. Sie war so ein mütterlicher Typ und ich erzählte ihr, dass ich dummerweise der Natalie ein Gedicht geschickt hätte. ›Oh, mein Lieber!‹, sagte sie ganz betroffen. Am nächsten Tag hatte sie einen Termin bei der Bezirksregierung in Trier. Sie hatte sich für einen anderen Posten beworben. Bei der Gelegenheit hat sie mein Gedicht auf den Tisch geknallt und den Oberen gesagt: ›Wenn ich den Job kriege, werde ich mit derartigen Schweinereien Schluss machen! ‹«

»Moment, sie hat Ihr Gedicht abends in der Kneipe mitgenommen?«

»Ja. Ich hatte es ja im Computer und zufällig einen Ausdruck dabei. Sie sagte sogar noch, sie fände das Gedicht wunderschön und sie hätte niemals im Leben so etwas bekommen.«

»Hat sie den Job gekriegt?«

»Aber sicher.« Lampert grinste gequält.

»Ich hole es!«, sagte Karin ostentativ und ging hinaus. Als sie zurückkam, legte sie ein DIN-A4-Blatt vor mich hin.

Das Gedicht hieß:

VIELLEICHT VIELSCHWER

Ich möchte bei dir sein

aber du hängst mein Herz

an die Luft

zum Schaukeln

tippst mich an

und sagst vielleicht

vielleicht auch nicht

du spielst fangen

mit meiner Sehnsucht

und hältst mich warm

an deiner Glut

und wenn du mich kriegst

darf ich dich

noch lang nicht haben.

»Das ist gut«, nickte ich. »Hat Natalie darauf reagiert?«

»Hat sie«, erzählte er. »Als ich die nächste Stunde in dieser Klasse geben musste, stand sie auf und las es vor.«

»Das hat wehgetan, nicht wahr?«

»Ja.«

»Und Sie wurden dann per Dekret hierher versetzt?«

»So war es. Fiedler erreichte, dass ich ein Vierteljahr lang bei vollen Bezügen keinen Dienst tun musste. Ich wäre auch gar nicht dazu in der Lage gewesen.«

»Was denken Sie jetzt über sie?«

»Sie war eine Nutte«, sagte er einfach und es klang trotzdem nach einem Aber. »Deshalb ist sie wahrscheinlich ja auch umgebracht worden. Niemand kann in der Eifel so leben, ohne schweren Schaden zu nehmen. Weiß man endlich, wer es getan hat?«

»Nein«, sagte ich.

»Stimmt das mit diesen reichen Männern und dem vielen Geld und dieser Mutter, die da so eine Art Bordell betrieben hat? Stimmt das alles?«, fragte Karin eifrig.

»Leider stimmt das alles. Wir sind der Überzeugung, dass Natalie etwas erfahren hat, was sie unter keinen Umständen erfahren durfte.«

»Das mit den Giftfässern?«, wollte Lampert wissen.

»Das kann damit zu tun haben, ist aber wohl eher unwahrscheinlich.« Die Frage erinnerte mich an Bronski und ich fragte mich, wo er zurzeit wohl war.

»Wissen Sie, ob andere Lehrer an Ihrer Schule ein Verhältnis mit Schülerinnen oder Schülern haben?«

»Es gibt Gerüchte«, sagte er, »dass mindestens drei Kollegen ein Verhältnis zu Schülerinnen haben. Aber niemand regt sich darüber auf, das wird so hingenommen. Ein Kollege hat ein Verhältnis zu einem Schüler. Solange kein Skandal hochkocht, wird eisern geschwiegen. Alles grinst hinter vorgehaltener Hand.« Lampert seufzte tief auf und murmelte: »Wenn Natalie nur ein Jahr früher Abi gemacht hätte, wäre mir viel erspart geblieben. Sie wäre längst in Hollywood und läge auf irgendeiner Couch mit irgendeinem Regisseur.«

Zuweilen ist Stille laut wie eine Serie von Paukenschlägen. Wahrscheinlich deshalb, weil wir den eigenen Herzschlag hören.

»Sekunde mal«, sagte ich. »Woher wissen Sie das mit Hollywood?«

Er sah mich erstaunt an. »Das ist doch kein Geheimnis gewesen«, erklärte er. »Wir haben uns in der Klasse über Berufschancen unterhalten und Natalie erklärte, sie hätte Ambitionen, nach Hollywood zu gehen, eine Schauspielschule zu besuchen und dort Karriere zu machen. Ich sehe noch Detlev Fiedler vor mir, wie er ganz sarkastisch sagte: ›Na, auf dich haben die gerade noch gewartet! ‹ Natalie war wütend und hat geantwortet: ›Der Playboy hat ja auch auf mich gewartet! ‹ Sie hat da mal als Playmate fungiert, sehr schöne Fotos.«

»Das wusste ich noch gar nicht. Wie hat denn die Schule darauf reagiert?«

»Überhaupt nicht. Es wurde mit Schweigen übergangen. Was nicht sein darf, wird unter den Teppich gekehrt, einfach nicht zur Kenntnis genommen.«

Überall das Gleiche, dachte ich und verabschiedete mich.

Es war zwei Uhr, als ich in meinem Auto saß und wieder losfuhr. Ich war aufgekratzt und nicht im Geringsten müde und stellte mir vor, dass Bronski im Moment entweder eine Flasche Schnaps vertilgte oder aber eine heftige Diskussion mit seiner Truppe führte – wahrscheinlich beides. Ich wählte seine Nummer.

Er meldete sich sofort und an seiner Stimme erkannte ich, dass er tatsächlich hellwach war.

»Wo seid ihr?«

»Zwischen Nohn und Bongard«, gab er Auskunft. »Auf einem Parkplatz. Was kann ich für dich tun?«

»Ich möchte noch mehr über Mülltransporte lernen.«

»Oh, das ist ein weites Feld. Komm her. Wir haben noch ein paar Frikadellen übrig.«

»Hast du etwas erreichen können, weißt du mehr?«

»Ich habe mit Tina Colin geredet.« Er überlegte ein paar Sekunden, fragte dann: »Wer ist dieser Martin aus Mannebach? Weißt du was über den?«

»Er treibt sich rum, er hat keinen Job, hängt ab. Er war der Erste, der Natalie gefunden hat und es der Polizei sagte. Anonym.«

»Die liebe ich. Anonym! Bis gleich.«

Im Dreieck Vulkaneifel verließ ich die Autobahn, fuhr über Daun in Richtung Dockweiler. Langsam kamen mir Zweifel wegen meiner mich selbst überrollenden Aktivität. War es nicht besser, ein paar Stunden zu schlafen? Meine Mitbürger in Ruhe zu lassen, selbst zur Ruhe zu kommen? Ich schimpfte ein wenig mit mir, aber es änderte nichts an meiner Nervosität.

Als hinter Brück in dem schmalen Tal das Wildschweingehege neben mir auftauchte, meldete sich mein Handy.

»Heh, Baumeister«, maulte Vera, »wo treibst du dich herum?«

»In der Weltgeschichte«, sagte ich ungehalten. »Schlaf weiter, du verpasst absolut nichts.«

»Kannst du dir vorstellen, Mann, dass es Leute gibt, die sich Sorgen machen? Kannst du das?«

»Ja. Tut mir Leid. War eine blöde Bemerkung. Ich freue mich ... ich freue mich, dass du dir Sorgen machst.«

»Wo warst du und wo bist du?«

»Ich war in Wittlich und jetzt fahre ich zu Bronski.«

»Kann Bronski denn nicht hierher kommen, verdammt noch mal? Ich sitze hier mit Emma rum und wir grübeln darüber nach, ob du in Schwierigkeiten steckst.«

»Ich stecke nie in Schwierigkeiten.«

»Ach, Scheiße, Baumeister! Du redest wie ein präpubertärer Teenager.«

»Ich bin etwas neben der Spur«, erklärte ich ihr. »Wir haben etwas falsch gemacht und ich werde nach dem Fehler suchen. Dann gehe ich schlafen.«

»Was hat Bronski damit zu tun?«

»Er weiß etwas über Müll und darüber, wie man ihn los wird. Sei nicht böse. Ich bin bald wieder da. Und dann bitte ich um vier Spiegeleier mit gekochtem Schinken.«

»Du Macho!«, sagte sie.

Durch Bongard durch, die leichte Linkskurve in den Wald hinein. Der Truck von Bronski war weiß und riesengroß und trug eine Aufschrift in Polnisch, mit der ich nichts anfangen konnte. Das Fahrerhaus war mit Vorhängen abgeschirmt. Ich hupte und hinten am Truck schwang ein Flügel weit auf.

Der Anblick war unbeschreiblich, der Lärm auch. Sie lagerten um eine Art Ofen herum, einen uralten winzigen Kanonenofen, der auf einer Metallplatte stand und eine angenehme Wärme ausstrahlte. Das Rohr führte durch ein Loch in dem Dach nach draußen. Die Männer lagen auf Decken um diese Hitzequelle herum, waren selig, hatten wahrscheinlich die gesamten Schnapsvorräte der Eifel aufgekauft und sangen Lieder, von denen ich annehmen musste, dass die Texte unflätig waren, denn sie sangen sie laut grölend mit großem, grinsendem Vergnügen.

Hinten, zur Fahrerkabine hin, stand ein Grillgerät, auf dem unendliche Mengen Fleisch ihrer Bestimmung entgegenbrieten. Es roch fantastisch gut, es war die schönste Imbissbude, die ich je in meinem Leben gesehen hatte.

»Baumeister, Liebling!«, schrie Bronski mit fettigem Gesicht. »Schließ dich an, iss und trink.«

Ich versorgte mich mit einem Stück Stangenweißbrot und zwei Würsten und hockte mich neben Bronski auf eine alte, etwas streng riechende Pferdedecke. Die Männer grinsten mich an, waren voll kindlicher Heiterkeit und einer sagte kurz etwas in einer gutturalen Sprache und alle grölten los, als sei das ein fantastischer Witz gewesen.

»Was hat er gesagt?«, fragte ich Bronski.

»Er sagt, du bist der mit Abstand hässlichste Mann, den er in der letzten Zeit gesehen hat.«

»Ha!«, rief ich. »Ich hatte nur keine Zeit, Rouge aufzulegen. Der soll mich mal nach zehn Stunden Schlaf sehen. Was willst du mit dieser Truppe? Eifler verprügeln?«

Bronski grinste. »Nein, nein. Mein Bruder hat gehört, ich sei in ... in Not. Da kam er her. Wieso willst du was über Müll wissen?«

»Weil Müll eine Rolle spielt und weil Natalie sehr viel über Müll wusste ... sehr viel mitbekommen hat.«

»Das ist richtig.« Er nickte lebhaft. »Sie hat mal gesagt: ›Wenn ich alles sage, was ich gehört habe, wandern die alle in den Knast.‹ Aber sie hat übertrieben, sie übertrieb immer.«

»Hast du schon oft illegal Müll in die Eifel gefahren?«

»Nein, nur manchmal. Sie wissen alle: Wenn Bronski hier ist, kannst du ihn haben – für alle Transporte. Ich bin Spezialist für heiße Transporte.«

»Was heißt ›heiß‹?«

»Bringe ich was mit, schaffe ich was raus«, grinste er breit.

»Du meinst Polen-Bundesrepublik.«

»Ja.«

»Was bringst du mit? Und was schaffst du raus?«

»Kleine Dinge rein, manchmal große raus. Kommt drauf an.«

»Bronski, verarsch mich nicht! Was heißt das? Heißt das auch, dass du manchmal Fässer, in denen Scheiße ist, rausschaffst?« Ich musste beinahe schreien, die anderen Männer hatten einen neuen Ohrwurm gefunden, den sie aus vollem Hals intonierten.

»Manchmal Fässer«, nickte er. »Bei uns in Polen ist es ein wenig anders als bei euch. Du kannst viele Dinge tun, wenn du viele Freunde hast.«

»Und was ist das, was du mitbringst?«

»Tja, Revolver, Pistolen, solche Dinge eben.«

»Und die verkaufst du?«

Er gluckste. »O nein, Bronski verkauft nicht, Bronski verkauft niemals. Bronski kriegt einen Auftrag, Bronski erledigt Auftrag, liefert ab, kriegt sein Geld. Aus die Maus.«

»Und der Zoll? Hast du Freunde dort?«

»O ja, gute Freunde. Muss man haben.«

»Was hast du denn für die Männerrunde in Bongard transportiert?«

»Alles Mögliche. Billig-Jeans, Billig-Kleider. Keramik, viel Keramik. Da sind die Polen gut. Und Giessen in Münstereifel kriegt niemals genug davon.«

»Aber das ist doch legal, oder?«

»Du verstehst etwas nicht, Baumeister. Ich transportiere keine Schmuggelware. Nicht nach Polen und nicht nach Deutschland. Die meisten Touren sind sauber und ganz legal.«

»Warum hast du denn die Fässer hier in der Eifel abgeladen? Warum nicht mit nach Polen genommen?«

»Unpraktisch. Der Architekt wollte sie nur loswerden. Und mein Mann beim polnischen Zoll hat zurzeit Urlaub. Ich dachte: Gut, dann sehe ich Natalie.«

»Hast du gewusst, dass sie nach Los Angeles gehen wollte?«

»Ja. Aber niemand wusste, wann sie fliegen wollte.«

»Warum hast du mich nach Martin in Mannebach gefragt?«

»Ich war mit Natalie im Jagdhaus. Da war er am Fenster. Zweimal, dreimal, ich weiß nicht wie oft. Ich will wissen, ob er gefährlich ist oder nur ein Spannerarschloch.«

»Dann war das Fassabladen in Mannebach ein Fehler?«

»Ja, das war ein Fehler. Dumm. Aber manchmal ist Bronski eben dumm.« Er lachte herzlich.

»Dumm war nur, dass du die Fässer abgewaschen hast, um Fingerabdrücke zu vermeiden.«

»Das gehörte zum Auftrag. Das gehört immer zum Auftrag. Außerdem habe ich die Fässer gar nicht abgewaschen. Das hat ein Mann von dem Architekten getan. Ich transportiere, ich wasche nicht.«

»Du hast aber auch illegale Transporte für die Herrenrunde gemacht?«

»Ja, hier und da. Zum Beispiel Ikonen aus Russland oder polnische Gemälde, Antiquitäten und solche Sachen. Sie sind gute Kaufleute, weißt du, wirklich gute Kaufleute. Die machen aus Scheiße Geld.«

»Und Bronski verdient ein bisschen mit, wie?«

»So ist es!«, bestätigte er. »Ein bisschen.«

»Warum sind die denn alle so verrückt auf Müll?«

Er sah mich an. »Sind sie nicht. Müll ist eine Sorte Geschäft. Ein gutes Geschäft. Sie haben auch andere gute Geschäfte.«

»Kommst du oft mit Müll in Berührung?«

»Ziemlich oft, ja. Da will einer Fässer transportiert haben, da hat einer einen Container voll Scheiße und will das Geld sparen für die Entsorgung.« Er grinste. »Ich habe sogar schon mal Erde transportiert.«

»Wie lief das?«

»Es gibt Betriebe, die stehen auf Mist. Der Boden, auf dem sie stehen, ist total giftig. Sagen die Müll-Fachleute: ›Du musst den Boden entsorgend Sagt der Unternehmer: ›Kann ich nicht, ich gehe Pleite, wenn ich das tue.‹ Also wird getrickst. Er muss zwei Meter abtragen, er hat vierzigtausend Quadratmeter Fläche. Das kostet Millionen. Ich komme mit einer Truppe und zwei Baggern. Wir tragen ab. Aber nicht zwei Meter, sondern vielleicht dreißig Zentimeter. Wir fahren den Mist zur Entsorgung, alles läuft normal. Ich kriege jede Ladung bezahlt, ich stelle alle Ladungen für zwei Meter Tiefe in Rechnung. Rechnung ist falsch, klar. Aber wer will das beweisen? Der Unternehmer hat einen guten Deal, ich habe einen guten Deal, meine Leute haben einen guten Deal, jeder hat einen guten Deal.«

»Wie oft hast du das gemacht?«

»Weiß ich nicht genau. Zehnmal vielleicht.« Er lachte. »Ihr seid doch naiv, ihr Deutschen. Ihr habt überhaupt keine Ahnung, was bei euch los ist. Ich kenne hier in der Gegend Neubaugebiete, die stehen komplett auf einer Müllkippe. Und keiner will es gewusst haben. Du lebst doch hier in den Dörfern, oder? Nun, jedes Dorf hatte einen Schmied. Dann kamen die Trecker und der Schmied reparierte die Trecker. Und dann reparierte er die PKW. Dann geht er mit dem Betrieb Pleite oder er gibt ihn auf. Und seine Erben setzen auf das Grundstück ein tolles großes Haus und die Enkel haben keine Ahnung, dass sie auf reiner Scheiße sitzen. Kontaminierte Erde nennt ihr das hier. Das ist doch Realität! Oder nimm die chemische Industrie. Die benutzt für bestimmte giftige Abgase Filter. Aus Stoff. Unheimlich teure Stofffilter. Da hat sich vor zwei Monaten ein Filterhersteller vertan und die Filter für einen Chemiehersteller zwei Zentimeter zu klein gemacht. Der Chemiebetrieb hat sie trotzdem verwendet und zwei Monate lang reines Gift in den Himmel geblasen. Und was passiert? Nichts! Kein Hahn kräht danach. Am verrücktesten finde ich die Sache mit den angeblich so irre dichten Mülldeponien. Glaubst du im Ernst, die bleiben auf ewig dicht? Na ja, da muss der Bronski manchmal helfen und ein bisschen Dreck irgendwohin fahren.«

»Nehmen wir an, Giessen und Becker sagen dir, du sollst aus Warschau zwei Koffer mitbringen. Sie bieten einen guten Preis. Tust du das?«

»Auf was willst du raus?«

»Auf Schmuggelware«, sagte ich. »Altarbilder aus dem Mittelalter zum Beispiel oder andere Kirchenschätze.«

Er überlegte, dann nickte er. »Ich weiß nie, was in diesen Koffern ist, verstehst du. Aber: Wenn ich das Geschäft nicht mache, macht es ein anderer. Ganz klar.«

»Hat Natalie das gewusst?«

»Nicht alles, aber das meiste.«

»Hat sie mal versucht, Geld von dir zu kriegen?«

»Wie meinst du das? Für Liebe?«

»Nein, dafür, dass sie schweigt.«

»Nie«, bestritt er heftig. »So lief das nicht zwischen Natalie und Bronski. Niemals.«

»Aber es sieht so aus, als hätte die Männerrunde sie bezahlt. Hat sie dir davon erzählt?«

»Nein. Trotzdem weiß ich, dass sie abgestaubt hat. Ich finde das gar nicht so schlimm, sie brauchte das Geld, um sich selbstständig zu machen. Es ist doch so: Wenn du ein Stück vom Kuchen haben willst, musst du ein Messer in die Hand nehmen. Oder?«

»Hat sie mal erwähnt, dass sie sich bedroht fühlt?«

»Nein. Sie hat nur gesagt, sie hat manchmal das Gefühl, jemand verfolgt sie. Aber sie wusste nicht, wer.«

»Glaubst du, dass Sven Hardbeck sie getötet hat?«

»Nein. Der Junge war zu weich. Und er hätte ihr niemals den Brillanten aus dem Nabel gerissen.«

»Du hast sie sehr gemocht, nicht wahr?«

»Oh, ich mag sie immer noch.« Er lächelte. »Na sicher, sie tanzte total aus der Reihe. Aber wie sie das machte, war schon klasse.«

»Ich verschwinde nun wieder. Feiert schön weiter.« Ich reichte Bronski die Hand und nickte den anderen zu. Sie lächelten zurück und waren eine außerordentlich freundliche Männerrunde.

Endlich fuhr ich heim, legte mich im Wohnzimmer auf das Sofa und starrte durch die Terrassentür in meinen Garten. Der Tag war gekommen und ich war hundemüde. Bevor ich einschlief, ließ ich Cisco zu mir herein und wir stritten uns eine kurze Weile um das beste Kissen. Dann gab er Ruhe und legte seinen Kopf auf meinen Bauch.

Als sich die Katzen wild schreiend und fauchend vor der Terrassentür prügelten, wurde ich wach. Sie hatten wahrscheinlich den Hund und mich entdeckt und tobten jetzt ihren Eifersuchtsfrust aus. Ich quälte mich zur Tür und öffnete sie. »Kommt rein, aber geht bitte vorsichtig mit mir um.«

Sie fauchten kurz in Richtung des Hundes und wollten sich dann trollen. Ich erntete vorwurfsvolle Blicke. Die Tür war zu. Ich erinnerte mich an meinen Kater Willi, der in solchen Fällen locker und leicht auf die Klinke gesprungen war und sich selbst geholfen hatte. Ich öffnete die Tür und sah in Veras Gesicht.

»Wir frühstücken gerade beziehungsweise wir essen die Mahlzeit, die man um diese Tageszeit isst. Also früher Nachmittagskaffee oder so.«

Die drei hockten um den Küchentisch.

»Du warst umtriebig«, sagte Rodenstock. »Das ist kein Vorwurf, aber erzählst du uns, was passiert ist?«

Ich berichtete ihnen und fragte: »Hat die Spurensicherung am Auto etwas gefunden?«

»Wenig.« Rodenstock schüttelte den Kopf. »Das Einzige, was sie entdeckt haben, sind die Reifenspuren von Natalies Auto und die Reifenspuren eines anderen Wagen. Die Abdrücke ergeben aber nichts, außer dass es sich um eine Nullachtfuffzehn-Bereifung handelt, die hier in der Gegend im Frühling dieses Jahres als Schnäppchen angeboten wurde.«

»Was hat Becker gesagt, als er nach Natalies Besuch gefragt worden ist?«

»Er hat ausgesagt, sie habe einen Schlüssel für die Tür im Zaun hinter seinem Haus gehabt, aber sie habe das Haus nicht betreten, weil seine Hausdame sie sofort abgewimmelt hat.«

»Mir kommt es so vor, als ob sich Natalies Lebensrhythmus beschleunigt hat«, sagte Emma versunken. »Als ob sie plötzlich schneller gelebt hat. Sie hatte das Flugticket, sie wollte starten. Vorher wollte sie noch Hans Becker in Maria Laach aufsuchen, weil sie noch Geld von ihm zu bekommen hatte. Alles war normal, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie bei Becker auftauchte. Sie fuhr dort weg, weil Becker nicht da war. Warum fuhr sie weg, warum hat sie nicht auf Becker gewartet? Und vor allem wie? Ihr Auto blieb dort stehen.«

»Ich denke, sie ist nicht in einem anderen Auto weggefahren. Ich denke, sie wurde weggefahren«, unterbrach ich.

Emma überlegte weiter. »Da ist noch etwas, was ich nicht verstehe. Nehmen wir an, die Zeitangabe von Tina Colin stimmt: Natalie verließ das Haus in Bongard gegen 11 Uhr. Sie taucht aber erst zwei Stunden später bei Adrian Schminck in Boos auf. Was hat sie in der Zeit getrieben, denn Boos konnte sie bequem in einer halben Stunde erreichen. Wo war sie also vorher? Etwa ab 18 Uhr war sie wahrscheinlich in der Gewalt des Mörders ...« Nachdenklich wiegte sie den Kopf hin und her. »Natalie wollte weg, hatte aber noch eine Menge zu erledigen. Der Rhythmus wurde schneller. Gleichzeitig musste sie so tun, als fließe das Leben wie immer gemächlich weiter. Was kann passiert sein, dass der Mörder genau jetzt plötzlich zuschlug? Und noch etwas frage ich: Geschah die Tat, weil er sie hasste, oder geschah die Tat, weil er sie liebte?«

»Das sind zwei Gefühle, die dicht nebeneinander liegen«, murmelte Vera. »Vielleicht hat er sie gehasst und geliebt.«

»Moment«, sagte Emma plötzlich erregt. »Vielleicht ist das alles viel einfacher! Wir vergessen, dass wir in der Eifel sind. Was macht ein Eifler Mädchen, das auf Teufel komm raus die Eifel verlassen will? Was macht sie vorher?«

»Sie bringt ihre Sachen in Ordnung ... sie verkauft ihr Auto«, antwortete Vera langsam und tonlos. »Sicher, sie verkauft den Mini, sie macht alles zu Geld, was sie nicht mitnehmen kann. O Gott, warum sind wir nicht eher darauf gekommen?«

»Wir waren zu sehr mit dem Müll und seinen Repräsentanten beschäftigt.« Rodenstock lächelte fein. »Hervorragend, meine Liebe. Sie will den Austin Mini verkaufen. An wen?«

»Sie fährt nach Daun, sie klappert die Autohändler ab«, schlug ich vor.

»Nein«, widersprach Emma. »Sie wird sich an jemanden wenden, den sie kennt, dem sie vertraut. Vielleicht an jemanden, der ihr den Kaufpreis bar bezahlt, cash auf die Hand. Das passt zu ihr. Vielleicht jemand von den vier Musketieren?«

»Das haben wir gleich«, sagte Rodenstock hastig. »Wie hieß der Junge, der in der Nacht hier war?«

»Elmar Theis, die Nummer liegt neben dem Telefon im Wohnzimmer«, erklärte ich.

»Würde Detlev Fiedler das Auto kaufen, um Natalie zu helfen?«, fragte Emma kühl.

»Nein«, lehnte ich ab. »Der hielt die Idee mit Amerika für reinen Humbug. Außerdem hat er eine Ehekrise. Wenn seine Frau erfahren würde, dass er Natalies Wagen gekauft hätte, begänne für ihn die Eiszeit.«

»Wir müssen uns fragen: Wenn Natalie in Daun jemanden treffen wollte, um ihr Auto loszuwerden, wo passierte das? In einem Cafe? In einer Kneipe? In einem Restaurant? War es eine Privatwohnung, haben wir ein erhebliches Problem am Hals.« Vera trommelte mit den Fingern der rechten Hand auf den Tisch.

Rodenstock kehrte in die Küche zurück. »Er schwingt sich auf den Bock und kommt her. Wie weit seid ihr?«

»Keine Spur weiter«, lächelte Emma. »Dazu brauchen wir immer noch dich.«

»Danke für die Blumen«, nickte er ironisch. »Aber ich war nicht sehr toll in diesem Fall. Es gab für mich Wichtigeres. Aber jetzt will ich auch den Mörder, jetzt werfe ich mein Gehirn an. Aber vorher danke ich Gott dem Gerechten, dass es dich gibt.«

»Wow!«, sagte Vera mit leuchtenden Augen.

»Ich gehe die Fische füttern«, entschied ich. »Ich werde meinen Karpfen Zarathustra fragen, ob er eine heiße Spur hat.«

Vera begleitete mich. Ich pfiff und die Fische versammelten sich.

»Guck mal, da sind ganz kleine«, sagte sie.

»Ja, das macht mir Kummer. Denen geht es so gut, dass sie sich unentwegt fortpflanzen. Entweder muss ich ein paar von ihnen an die Katzen verfüttern oder ich muss meinen Teich vergrößern.«

»Als du gestern verschwunden bist, habe ich gedacht, du verschwindest, weil ich dir auf die Nerven gehe und weil du in Wirklichkeit viel lieber allein sein willst und nur zu höflich bist, das zu sagen.« Vera wirkte unsicher, sie stand auf einem Basaltbrocken am Teichrand und wippte hin und her.

»Ich bin ja schon groß und kann ohne Einkaufszettel kaufen gehen. Ich will, dass du bleibst.«

»Ich mag dich, Baumeister.« Sie presste die Lippen aufeinander und atmete dann mit einem lauten »Puhh!« aus.

»Das kann ich aushalten«, sagte ich. »Weißt du nun, ob du zur Kripo zurückgehen willst?«

»Nein. Ich kann noch keine Entscheidung treffen, ich habe beschlossen, mir Zeit zu lassen. Aber ich glaube, ich bin als Kripobeamtin nicht schlecht.«

»Bestimmt nicht«, nickte ich.

Die Katzen kamen und rieben sich an meinen Beinen, dann kletterten sie auf die Steine und beobachteten die Fische. Ihre Schwänze zuckten wie erschreckte Schlangen. Das Gartenrotschwänzchen kam über des Nachbarn Haus geflogen, setzte sich an den Teichrand, nahm Wasser auf und verschwand wieder.

»Manchmal denke ich, ich kann es hier nicht aushalten«, erklärte Vera ruhig. »Es ist so still hier. Wenn ich nachts aufwache und absolut nichts höre, kriege ich Beklemmungen.«

»Das ging mir anfangs auch so.«

»Und ich habe so lange gekämpft, bis ich allein leben konnte. Und jetzt die Sache mit dir. Ich weiß nicht, ob ich hier leben will.«

»Das musst du doch nicht«, sagte ich. »Ich warte, bis du dich entscheidest, und ich akzeptiere deine Entscheidung. Selbst dann, wenn sie gegen mich ausfällt. Es ist ziemlich einfach, finde ich.«

»Es hört sich einfach an, ist es aber nicht«, sagte sie. »Baumeister, mein großer Vereinfacher.«

Wir setzten uns nebeneinander auf die Holzbank und starrten auf die Wasserfläche.

»Dein Haus ist so komplett«, murmelte sie.

»Was heißt das? Ist doch gut, oder?«

»Da passe ich nicht mehr rein«, sagte sie. »Und ich habe Möbel und Bilder und vielen Krimskrams. Da ist kein Platz.«

»Als ich es eingerichtet habe, da warst du noch kein Ernstfall«, meinte ich. »Wir könnten ja zusammenrücken. Ich schmeiße ein paar überflüssige Dinge auf den Müll oder stelle sie in den Keller. Und dann haben wir Platz für deine Sachen. Ich finde, in dem Haus ist noch viel Platz.«

»Ja«, sagte sie ohne sonderliche Betonung, was wohl hieß, dass sie nicht daran glaubte.

»Wir sind schon beachtlich alte Nebelkrähen«, versuchte ich es noch einmal. »Wir sind komplett. Wenn wir es versuchen, sind wir doppelt. Vier Pfannen statt zwei Pfannen, zwei Lokuspapierhalter statt einem. Ach ja, ich habe kein Wiegemesser für Kräuter. Hast du so was?«

»Du bist unmöglich«, sagte sie, lachte aber gelöst.

Elmar Theis knatterte mit seiner KTM auf den Hof. Er machte zwei Schritte durch das Gartentor. »Da bin ich. Gehen wir rein oder raus?«

»Rein«, sagten wir.

Rodenstock führte das Gespräch: »Wenn es um einen gewaltsamen Tod geht, müssen wir das Leben des Opfers möglichst gut kennen lernen. Ich denke, das können Sie nachvollziehen, oder?«

»Sicher«, sagte er. »Das verstehe ich.«

»Nun, Sie haben mit Rücksicht auf Ihre Freundin Natalie nicht die ganze Wahrheit gesagt. Das ist verständlich, niemand hier nimmt Ihnen das übel. Sie haben eindrucksvoll berichtet, wie Natalie Ihnen, also den vier Musketieren, Unterricht am lebenden Objekt erteilt hat.« Er lächelte väterlich. »Sie zog sich aus und zeigte Ihnen ihr Geschlecht. Ist das richtig?«

»Das ist richtig«, bestätigte Theis verlegen.

»Das war auch ein Vertrauensbeweis für Sie, nicht wahr?«, fragte Rodenstock.

»Ja, genau. Ich meine, wir waren wirklich enge Freunde und Natalie war so etwas wie die Mutter der Kompanie.«

»Aber in den letzten zwei Jahren hat sie deutlich zu einem Verhalten tendiert, das man nuttig nennen kann. Wie haben die vier Musketiere darauf reagiert?«

»Sie hat es uns erklärt«, sagte er. »Und wir haben es ihr glauben können.«

»Können Sie uns erklären, was sie Ihnen erklärt hat?«

Theis überlegte. Dann fragte er: »Aber es wird nichts davon veröffentlicht?«

»Es wird nicht veröffentlicht«, versicherte Rodenstock.

»Wir haben ja genau mitgekriegt, was da lief. Anfangs haben wir gedacht: Das geht uns nichts an. Irgendwie ging es uns aber doch was an, weil wir Freunde waren. Natalie begann, verächtlich über Männer zu reden. So nach dem Motto: Alle Männer sind Schweine. Sie hatte auch zunehmend weniger Zeit. Sie sagte, sie müsse arbeiten. Und sie hatte immer mehr Geld.«

»Nun, da gab es ja auch die Geschichte mit Florian Lampert«, fuhr Rodenstock fort. »Wie lief das ab?«

Theis überlegte wieder, verschränkte die Hände ineinander, dann griff er in sein Hemd, zog eine Zigarettenschachtel heraus und zündete sich eine an. »Das war sehr grausam«, sagte er schließlich leise. »Ich kann mich heute nicht mehr verstehen, dass ich da mitgezogen habe.«

»Dieser Lampert war ihr Opfer?«, fragte Emma.

»Ja, genau. Und wir haben mitgezogen, und das war nicht gut. Aber wir konnten nichts mehr machen, da war Lampert schon weg. In Wittlich, glaube ich. Lampert hatte sich verknallt.« Theis lächelte breit in der Erinnerung. »Das kannten wir schon, die ganze Klasse kannte das. Natalie zog immer die gleiche Show ab. Sie zog sich aufreizend an, machte die ersten Knöpfe an der Bluse auf und sagte: ›Na, denn wollen wir mal!‹ Während des Unterrichts stand sie dann langsam auf, stellte sich in den Mittelgang und stellte eine Frage, mit ihrer Lolita-Stimme. Zum Beispiel: ›Wie sollen wir uns denn dem Krieg im Kosovo gegenüber verhalten? ‹ Wir sahen den neuen Lehrer an und er war nicht auf die Frage vorbereitet und starrte Natalie an. Es war immer das Gleiche.«

»Wir sind etwas vom Thema ab«, Rodenstock klang ausgesprochen gemütlich. »Eigentlich wollten Sie berichten, was Natalie erzählt hat, als Sie sie gefragt haben, was da jetzt in ihrem Leben los ist, weshalb sie arbeiten muss, was sie arbeiten muss, was da zu Hause mit ihrer Mutter ist.«

»Ach so, ja. Wir haben sie also gefragt. Das war in der Jagdhütte von Hardbecks. Ich weiß noch, wir hatten drei oder vier Sixpacks Bier bei uns und sie kam mit Champagner, mit echtem Champagner. Ich kann mich an den ersten Satz erinnern, den sie sagte: ›Jungs, bei mir zu Hause, das ist nur noch ein Puffl‹ Natalie litt damals wie ein Tier. Wenn diese Herrenrunde Partner einlud, um mit denen Geschäfte zu besprechen, dann musste Natalie auch für die sorgen. Wir nannten das Forsthaus nur noch das Forsthaus mit dem Verwöhnaroma. Natalie hasste ihre Mutter und sie sagte, sie würde sie am liebsten umbringen. Deshalb haben wir auch gedacht, die Mutter hätte Natalie umgebracht, um ... um ihr zuvorzukommen.«

»Sieh mal einer an«, murmelte Vera. »Und? Was glauben Sie nun? War es die Mutter?«

»Nein«, sagte er.

Rodenstock nickte. »Mir fällt auf, dass Sie vor einem Jahr Abitur gemacht haben und jetzt noch zu Hause sind. Ist das normal heutzutage?«

»Nein. Wir jobben im Moment alle, um etwas Kohle zu verdienen. Wir wollen erst in diesem Herbst mit dem Studium beginnen. Das hatten wir schon in der zwölften Klasse miteinander ausgemacht. Wir haben uns vorgenommen: Ein Jahr machen wir blau. Und ich finde das schön, bevor wir alle auseinander gehen.«

»Das ist es auch«, sagte Rodenstock. »Sagen Sie, haben Sie, Sie persönlich, mit Natalie geschlafen?«

»Nein. Und die anderen drei auch nicht. Das hätte zu viel kaputtgemacht.«

»Kannten Sie die Zukunftspläne von Natalie?«

»Sicher. Ihre Fotos waren ja schon mal im Playboy. Und sie kam darauf, dass sie aus ihrem Körper mehr Kapital schlagen könnte. Sie sagte: ›Was die Mädchen in Baywatch zeigen, habe ich auch.‹ Sie wollte nach Amerika. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie es geschafft hätte.«

»Das glaube ich auch«, murmelte Emma. »Ihre Erziehung war brutal genug, dass sie überall Erfolg haben konnte. Junger Mann, wann wollte sie Ihres Wissens nach aufbrechen?«

»Wenn sie noch leben würde, wäre sie nun weg«, antwortete er sicher. »Das hat sie mir persönlich erzählt. Sie wollte mir nämlich ihr Auto verkaufen. Das war an dem Tag, an dem sie ... getötet wurde.«

»War sie bei Ihnen?«, fragte Rodenstock.

»Nein, das nicht. Sie rief mich an. Sie sagte, sie würde mir einen Freundschaftspreis für den Mini machen. Zwölftausend und ich hätte ihn. Aber so viel Geld habe ich nicht und so viel wollte ich auch nicht ausgeben.« Theis grinste. »Außerdem bin ich zu lang für den Floh.«

»Von wo aus hat sie Sie angerufen? Von Bongard?«

»Keine Ahnung.«

»Wie spät war es?«

»Morgens gegen neun Uhr.«

»Also von Bongard aus«, sagte Rodenstock und starrte durch das Fenster in den Garten. »Und danach haben Sie nichts mehr von der Sache gehört. Auch nicht von einem Kumpel, dass er das Auto gekauft hat?«

»Nein.«

»Haben Sie mit jemandem darüber geredet, dass Natalie in zwei, drei Tagen wegfliegen wollte?«, fragte Rodenstock.

»Nein, habe ich nicht. Sie sagte, ihre Mutter sollte nichts davon wissen. Sie hatte das Flugticket über irgendeinen Freund geordert. Natalie fürchtete, ihre Mutter würde Theater machen. Na ja, damit hatte sie wohl Recht. Diese Mutter ist ja wirklich abartig.«

»Waren Sie eigentlich häufiger in dieser Jagdhütte?«, fragte ich.

»Immer mal wieder. Erst mit der Familie Hardbeck. Dann ging Vater Hardbeck nicht mehr auf die Jagd und Sven veranstaltete dort Partys oder traf sich mit Natalie. Seit er nichts mehr mit Natalie zu tun haben wollte oder sie mit ihm, war nur noch Natalie da. Wir konnten sie dort treffen und bestimmt hat sie sich dort auch mit anderen Leuten getroffen. Jedenfalls hatten die Hardbecks nichts mehr mit der Hütte im Sinn. In der letzten Zeit war Natalie aber auch nicht mehr so oft da. In der Gegend trieb sich nämlich ein Spanner rum.«

»Würden Sie den wieder erkennen?«, fragte ich.

»Das weiß ich nicht«, sagte er. »Ist das wichtig?«

»Das wiederum weiß ich nicht«, murmelte ich.

»Tja, Leute, noch Fragen an unseren Zeugen?« Rodenstock war nachdenklich.

Niemand hatte mehr eine Frage, wir bedankten uns und Theis knatterte wieder vom Hof.

»Er wird noch unter der Geschichte leiden, wenn er Großvater ist«, stellte Emma fest.

»Jenseits aller Berechnung hat Natalie versucht, den vier Musketieren eine Freundin zu sein.« Vera trommelte wieder mit den Fingern. »Das finde ich ja mal positiv. Bloß, wie kommen wir jetzt weiter?«

»Ich würde vorschlagen, meinem Freund mit der hohen, heiseren Stimme einen Besuch abzustatten. Rodenstock, was ist, kommst du mit?«

Er nickte.

»Wieso nicht wir?«, fragte Vera explosiv.

»Weil wir die Kinder zur Welt bringen und den Herd hüten«, sagte Emma in ihrem widerlichsten Tonfall. »Lass die beiden fahren, dann haben sie eine Chance, als Helden heimzukommen.«

»Wenn du meinst«, grinste Vera.

Wir starteten ein paar Minuten später. Wir nahmen Emmas Wagen.

In Kelberg sagte Rodenstock: »Ich denke, wir werden ein Haus in deiner Nähe kaufen. Das ist besser. Die Mosel ist nicht unser Traum.«

»Habt ihr das auch gut überlegt?«

»Ja. Heute Nacht. Emma meinte plötzlich: Ich muss neben Baumeister wohnen, weil er jemanden braucht, der auf ihn aufpasst. Ich wusste sofort, was das bedeutet. Das, was mich ärgert, ist die Tatsache, dass ich eigentlich auf meine alten Tage so viel Geld nicht mehr ausgeben wollte. Aber jetzt lebt Emma und wird weiterleben. Also, warum nicht.«

»Herzlich willkommen!«

»An der Mosel sind zu viele Touristen.« Rodenstock räusperte sich. »Und was ist mit Vera?«

»Was soll mit ihr sein? Ich mag sie, ich mag sie sehr. Sie ist misstrauisch, ich bin misstrauisch, also passen wir hervorragend zusammen. Ich denke, ich habe begriffen, dass ich nicht allein leben will. Und sie ist eine gute Partnerin. Und wenn sie dann zurück will an die Fleischtöpfe der Kriminalisten, werde ich sie ziehen lassen. So einfach ist das.«

»Sehr einfach«, bemerkte er sarkastisch. »Was soll's, ich mag sie.«

Danach schwiegen wir, bis wir den alten Bauernhof erreichten. Der alte Mann saß nicht auf seiner Bank, er hantierte in der Küche herum, wie wir von draußen sehen konnten. Als er uns bemerkte, kam er an die Haustür.

»Zu Martin, eh?«

»Zu Martin«, nickte ich.

»Dann geht man«, sagte er und verschwand wieder.

Wir umrundeten das Haus und ich polterte an die Tür.

Nach einer Weile riss Martin die Tür auf, sah mich und sagte mit beißendem Spott: »Der Herr Kommerzienrat!« Dann nickte er Rodenstock freundlich zu: »Gehören Sie auch dazu?«

»Ja«, bestätigte Rodenstock.

»Gut, es gibt pro Mann eine Dose Bier. Mehr nicht. Der Abend ist noch lang. Womit kann ich dienen?«

»Mit ein paar Antworten«, sagte ich. »Wir können uns einigen, dass ich dafür bezahle.«

»Wie viel?«

»Versuch es mal.«

»Ein Hunni?«

»Ein Hunni«, nickte ich.

Wir betraten hinter Martin seinen Palast und ich hörte, wie Rodenstock beim Anblick der chaotischen Tigerfellanhäufung den Atem einsog und gleich darauf entsetzt stöhnte. Ich nahm einen Hundertmarkschein aus meiner Geldbörse und legte sie auf den Tisch.

Martin nahm den Schein und steckte ihn in die Gesäßtasche seiner Jeans. »Was soll's denn sein?« Er trug dasselbe Hemd wie beim letzten Mal und wahrscheinlich war auch die Hose dieselbe. Und er lebte im gleichen Geruch, ungewaschen, säuerlich, dumpf und ein wenig erdig.

Rodenstock setzte sich nicht, er hatte kein Zutrauen zu Tigerfell. »Können wir den Fernseher ausmachen?«

»Sicher!«, sagte Martin höflich und schaltete ihn aus. »Habt ihr den Mörder inzwischen gefangen?«

»Haben wir nicht«, lächelte Rodenstock. Er ging vorsichtig in die Knie und hockte sich auf die äußerste vordere Kante eines Stuhls. »Haben Sie denn eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«

»Nein«, antwortete er. »Ich mach mir auch nicht so viel Gedanken drum. Die Frau war ja selbst schuld. Bei dem Leben, das sie führte, musste es früher oder später knallen. Tja, nun hat es geknallt, nun ist sie aufgewacht und war tot. Ihr könnt mich ruhig duzen.«

Das hörte Rodenstock nicht, so etwas hörte er nie. »Sie sind also der Mann, der Natalie gefunden hat?«

»Bin ich«, sagte er nicht ohne Stolz. »Ich habe dann die Bullen gerufen. Man muss ja als Bürg er seine Pflicht tun.«

»Und dann hat er mich angerufen«, warf ich ein.

»Richtig. Die Presse will vertreten sein, wir sind ja eine Demokratie, da muss die Öffentlichkeit informiert werden.«

»So ist es«, murmelte Rodenstock müde. »Sagen Sie, Sie machen doch oft Streifzüge durch die Gegend hier, nicht wahr?«

»Ja, kann man so sagen. Ich muss ein wenig auf meine Gesundheit achten, ich muss was tun. Ich gehe gern spazieren.« Martin rülpste. »Macht euch eine Dose auf, Leute.«

»Nein, danke«, sagte Rodenstock. »Dabei treffen Sie doch bestimmt Leute, oder? Zum Beispiel die Jäger in der Hütte vom Hardbeck.«

»Klar. Die sieht man ja dauernd hier. Ich kann gut mit denen, manchmal habe ich denen was zu essen geholt und zu trinken.«

»Wie spät war es, als du Natalie gefunden hast?«, fragte ich.

»Das war so gegen sechs Uhr, glaube ich. Eher ein bisschen später. Ich konnte nicht schlafen, ich habe ein paar philosophische Fragen gewälzt. In solchen Fällen gehe ich gern spazieren. Da fand ich sie.«

»Und dann haben Sie Natalie den Brillanten aus dem Bauchnabel gerissen!«, sagte Rodenstock schneidend.

Martin hob die Arme und brachte sie vor sein Gesicht. »Nein! So was mache ich nicht. Die Frau war doch tot! Nee, Meister, das mache ich nicht, so was nicht.«

»Also Sie haben sie gefunden und sind dann zurück hier in das Haus?«

»Nein. Ich bin nicht erst ins Haus gegangen, ich hatte das Handy dabei. Und meinen Namen habe ich verschwiegen, weil sofort jeder gedacht hätte: Der war es, der Martin!«

»Das kann ich verstehen«, nickte Rodenstock gemütlich. »Wann haben Sie den Lastwagen entdeckt? Ich meine den Lastwagen, der viele Stunden vorher bei der Jagdhütte stand?«

Er blinzelte. »So was habe ich nicht entdeckt. War da ein LKW?«

»Da war ein LKW«, bestätigte ich. »Der hat die blauen Fässer abgeladen.«

Er schürzte die Lippen und rülpste wieder. »Den habe ich nicht gesehen. Ehrenwort.«

»Hast du eine Waffe, Martin?«, fragte ich.

»Nein, wozu? Ach so, du meinst, ob ich sie erschossen habe? Nein. Du traust mir ja mal wieder eine Schweinerei zu!« Er wurde eindeutig böse.

»Keine Feindschaft!«, warnte Rodenstock.

»Ist gut, alter Mann, ist ja gut«, hob Martin erneut beide Hände.

Rodenstocks Ton war so seidenweich, dass ich wusste, er war stinksauer. »Martin, wissen Sie, wir haben erfahren, dass Sie des Öfteren durch das Fenster der Jagdhütte geschaut haben. Zum Beispiel haben Sie eine Gruppe junger Männer mit Natalie zusammen gesehen, genau gesagt vier junge Männer. Und Sie haben auch einen Polen gesehen, der Ladislaw Bronski heißt. Der hat mit Natalie geschlafen, nicht wahr? Wahrscheinlich haben Sie hier und da noch andere Männer mit Natalie in der Hütte gesehen, wahrscheinlich ebenfalls in intimen Situationen. Ich würde Ihnen dringend raten, uns mitzuteilen, was Sie alles gesehen haben. Sie sind erkannt worden, Martin.« Rodenstocks Stimme klirrte plötzlich. »Es macht keinen Sinn, zu behaupten, Sie seien kein Spanner – Sie sind einer!«

Jetzt machte Martin etwas Dummes. Er stand auf und ließ sich vornüber über den Tisch hinweg auf Rodenstock fallen. Das war deshalb dumm, weil Rodenstock es so gewollt hatte. Er zog schnell beide Beine an und Martin fiel auf seine Knie, was ein dumpfes Geräusch erzeugte und Martin die Luft aus den Lungen presste.

»So was Blödes!«, sagte Rodenstock ärgerlich. Dann schlug er mit beiden Händen zu und traf Martin im Genick.

Einen Augenblick lang hatte ich panische Angst, Rodenstock hätte dem Mann das Genick gebrochen.

Martin rutschte mit einem tiefen Seufzer auf die Tischplatte. Die gab nach und er begrub den Tisch unter sich.

»So was Blödes!«, wiederholte Rodenstock.

»Er hat gelernt, so zu reagieren«, erklärte ich weise. »Bisher hatte er Erfolg damit, jetzt nicht mehr. Alles geht mal zu Ende.«

Wir warteten geduldig, ließen ihn auf den Trümmern seines Tisches liegen. Nach menschlichem Ermessen konnte er nicht lange ohnmächtig bleiben, denn die Bruchkanten des Tisches mussten ihm erheblich ins Fleisch stechen. Tatsächlich dauerte es nur etwa eine Minute, ehe sich Martin seufzend zur Rückkehr auf die Erde entschloss.

»Es ist so«, stellte Rodenstock klar, »Sie haben jetzt die Chance, mit uns zu reden. Nach uns kommt nur noch die Mordkommission.«

Martin schwieg, dann zog er seinen Körper ein wenig zusammen und suchte nach einer Position, in der er schmerzfrei liegen bleiben konnte. Schließlich drehte er sich auf den Bauch und sprach in die Beuge seines rechten Armes. Es klang hohl.

»Ja, ich habe jede Menge Leute dort gesehen. Männer. Frauen nie. Natalie führte ein Lotterleben, sie war eine Hure, eine Hexe, eine Botschafterin des Teufels. Sie trieb es dauernd und mit jedem und manchmal wurde sie bezahlt. Nicht von allen, aber von den meisten.«

»Gab es Männer, die öfter als andere da waren?«

»Aber ja. Mehrere. Auch dieser Pole, dieser ... den sie Ladi nennen. Aber der bezahlte nie. Andere bezahlten. Oder wollten bezahlen. Jedenfalls war es einmal so, dass einer bezahlen wollte, aber trotzdem nicht durfte. Sie sagte, er könne sie am Arsch lecken, er würde niemals so viel Geld haben, um sie bezahlen zu können, niemals im Leben.«

»Haben Sie den gekannt?«

Martin schüttelte müde den Kopf. »Nein, damals kannte ich ihn nicht. Aber ich traf ihn wieder – bei der Jagdhütte. Er machte dasselbe wie ich. Er spinxte, er beobachtete die Hütte, er beobachtete Natalie. Als er mich bemerkte, türmte er.«

»Wer war das?«, fragte Rodenstock nach einer Pause.

»Das war der Oberstudienrat Detlev Fiedler. Fiedler, die Sau, der in den Medien seinen Senf ablassen darf über die tote Natalie und den toten Sven.«