Epilog
Bevor ich über Italien
schrieb, dachte ich immer, dass es so etwas wie einen wahren
Tatsachenbericht nicht gibt. Autoren müssen ihre »Geschichten« so
unterhaltsam wie möglich gestalten, also fügen sie hier etwas hinzu
und schmücken dort etwas aus. Man darf nur nicht übertreiben. Denn
sonst wird es unglaubwürdig und klingt zu absurd.
Italiens
Literaturnobelpreisträger Luigi Pirandello sagte einmal, dass kein
Publikum, das etwas auf sich hält, die wahre Geschichte von Albert
Heintz glauben wird. Er war Teil einer Dreiecksbeziehung und
schaffte es, sich, seine Frau und seine Geliebte davon zu
überzeugen, dass es für alle das Beste sei, Selbstmord zu begehen.
Als sich seine Frau daraufhin prompt umbrachte, sahen Albert und
seine Geliebte keine Veranlassung mehr, ihre Affäre – und auch
nicht ihr Leben – zu beenden, und heirateten kurz nach der
Beerdigung von Alberts Frau.
Pirandello, der
passenderweise in der sizilianischen Stadt Caos zur Welt gekommen
war, war fest davon überzeugt, dass jedes Theaterstück oder jeder
Roman, der auf dieser Geschichte beruht, als unrealistisch
empfunden würde. Ganz einfach, weil das Leben, so Pirandello, mit
all seinen kleineren und größeren Absurditäten das unschätzbare
Privileg genieße, ohne jenen lächerlichen Realismus auszukommen,
der der Kunst abverlangt werde. Jede wahre Begebenheit könne absurd
sein, ein Kunstwerk, wenn es denn ein Kunstwerk ist, könne das
nicht.
Während ich meine
Erinnerungen niederschrieb, befürchtete auch ich, meine Erfahrungen
in Italien könnten für unrealistisch gehalten werden – Erfahrungen,
die man nicht mehr ausschmücken muss und deren Situationskomik und
Eigentümlichkeiten absurder waren als alles, was ich mir je hätte
ausdenken können. Wie schon bei Fellini geben die
aufschlussreichsten italienischen Geschichten eher etwas wieder,
als dass sie etwas erfinden. Sie halten den Italienern, die am
komischsten sind, wenn sie sich bemühen, ernst zu sein, nur einen
ungeputzten Spiegel vor.
Hier ist sie nun,
die vollkommen unausgeschmückte Geschichte, die ich während meiner
Liebesaffäre mit einer Italienerin erlebte, deren Mutter übrigens
ganz in der Nähe jener Stadt geboren wurde, wo sich heute die
sterblichen Überreste Pirandellos befinden. Ich schwöre bei seinem
Grab, dass es sich – bis auf ein paar geringfügige Änderungen, die
ich vorgenommen habe, um bestimmte Personen und Orte unkenntlich
und die zeitliche Abfolge der Geschehnisse verständlicher zu machen
– um einen wahren Tatsachenbericht handelt, der deshalb, so sehr es
mein Ego auch schmerzen mag, wohl nie als echtes »Kunstwerk«
durchgehen wird.