E.T.A. Hoffmann, der einst so viel gelesene, jetzt beinahe vergessene Phantast hat unter seinen Phantasiestücken in Callots Manier auch eines, welches er „Kreisleriana“ benannt hat und in welchem er von Johannes Kreislers, des Kapellmeisters, musikalischen Leiden und anderem erzählt. Johannes Kreisler wird als ein genialer Sonderling geschildert, der trotz seines hyperromantischen Wesens ein fanatischer Verehrer Johann Sebastian Bachs ist, und der sich selber am Schlusse seines Briefes als „Capellmeister, wie auch verrückter Musikus par excellence“ unterzeichnet. Hoffmanns immerhin ergötzliche Schilderung dieses originellen Musikmenschen muss auch auf Robert Schumann, der in seinen jungen Jahren allem Phantastischen sehr zugänglich war, einen großen Reiz ausgeübt haben, denn er benannte eines seiner allerschönsten Klavierstücke (geschaffen im Jahr 1838) „Kreisleriana“. Es ist Chopin gewidmet. Als Knabe erhielt ich dieses Werk sehr bald nach seinem Erscheinen geschenkt. Auf dem Titelblatte dieser ältesten Ausgabe, die jetzt äußerst selten ist, sieht man den unglücklichen Kreisler am Klavier sitzen; ein Teufel, umgeben von anderen scheußlichen Fratzen, hat ihn mit seiner Krallenfaust an der Stirn gepackt, während auf der anderen Seite holde Engelsgestalten und Vöglein ihm liebliche Weisen vorzusingen scheinen. Jede der acht Phantasien, welche die „Kreisleriana“ enthalten, ist mit einer kleinen stimmungsvollen Vignette geschmückt, und es ist höchst wahrscheinlich, dass Schumann diese Ausstattung selbst veranlasst und in detaillierter Weise angeordnet hat; denn er legte stets großen Wert auf eine Ausstattung, die geeignet war, gewissermaßen die Stimmung des Werkes anzudeuten. Genannte „Kreisleriana“ waren das erste Werk, welches ich von dem damals noch wenig bekannten und ebensowenig anerkannten Komponisten kennen lernte. Es warf sofort einen Funken in meine musikalische Seele, der, als ich mehrere Jahre später sein berühmtes Klavierquintett kennen lernte und endlich gar die allererste Aufführung der Peri unter des Meisters eigener Leitung in Leipzig hörte, zu hellen Flammen der Begeisterung aufloderte. Begreiflich ist es, dass ich von da an alle seine Werke mit Vorliebe kultivierte, und dass ich stolz und glücklich war, als es mir schon während meines ersten Aufenthaltes in Leipzig (von 1843 bis 1846) vergönnt war, seine persönliche Bekanntschaft zu machen und häufiger mit ihm zusammen sein zu dürfen. Während Felix Mendelssohn-Bartholdy (der zu jener Zeit auch – mit kurzen Unterbrechungen – in Leipzig lebte) sehr ausgiebig war und mit klaren Worten scharfe, aber treffliche Kritik zu üben verstand, so dass man in einer Viertelstunde Winke und musikalische Weisheitsregeln fürs ganze Leben einheimsen konnte, zeigte sich Schumann im Allgemeinen wenig mitteilsam. Dagegen war er im persönlichen Verkehr mit dem strebenden Kunstjünger zutraulicher und aufmunternder als jener, der freilich auch durch die unglaubliche Menge der ihn Umdrängenden zu einer gewissen Reserve gezwungen sein mochte. Es war Schumann höchst wahrscheinlich zu Ohren gekommen, dass ich ein glühender Verehrer seiner damals noch so viel geschmähten Werke sei, und das mag vielleicht mit dazu beigetragen haben, dass er schon bei unserem ersten Begegnen auf einer Soirée bei dem Leipziger Musikverleger Friedrich Hofmeister sich gegen mich sehr gütig und sogar gesprächig zeigte. Wenn ich im März 1844 darüber an meinen Vater, wie folgt, berichtete: „Robert Schumann, welcher sonst sehr still ist, war ausnahmsweise gesprächig und forderte mich auf, ihn zu besuchen, er erkundigte sich auch nach Dir,“ so bezeugen diese, im frischesten Eindruck geschriebenen wenigen Worte gewiss am besten, dass mich meine Erinnerung an jenen Abend nicht trügt. Ein Ereignis für mich war es selbstverständlich, dass ich in den ersten Tagen des Januar 1846 Gelegenheit fand, ihm sein Quartett für Klavier und Streichinstrumente op.47, sowie das oben schon erwähnte Quintett vorzuspielen und seine Anerkennung zu erwerben, die er mir in einem Briefe vom 22.Januar in gütigster Weise ausdrückte. Der Anlass dazu war eine Matinée, die der Cellist Andreas Grabau, welcher damals mit Recht als der beste Vertreter seines Instrumentes in Leipzig galt, zu Ehren Schumanns in seinen Wohnräumen veranstaltete, und an der sich als Mitwirkende ferner der später als Violinvirtuose oft genannte Otto von Königslöw, der als musikalischer Schriftsteller und speziell als Biograph Schumanns rühmlichst bekannte J.W.v.Wasielewski und endlich der nachmalige Direktor des Conservatoriums in Stockholm, Albert Rubenson, beteiligten. - Nie habe ich den Vorzug gehabt, mit Schumann an einem Orte zu leben, aber von Leipzig aus durfte ich ihn in Dresden öfters besuchen, und als er später als wohlbestallter Musikdirektor in Düsseldorf lebte, wohnte ich in dem noch weit näheren Köln und konnte mit Leichtigkeit seinen häufigen Einladungen Folge leisten. Freilich können meine Mitteilungen infolge dieses Umstandes nur von vereinzelten Erlebnissen berichten, wie einzelne Mosaiksteinchen, aus denen sich der geneigte Leser kaum im günstigsten Falle ein leidlich getreues Bild des großen Künstlers und gemütvollen Menschen konstruieren kann. Aber auch das kleinste Haar wirft seinen Schatten, wie Goethe sagt, und so darf ich vielleicht hoffen, dass diese locker aneinander gereihten Mitteilungen etwas zur Vervollständigung von Schumanns Bild beitragen können.

 Als ich Schumann im Jahre 1848 in Dresden besuchte, holte er mich ziemlich früh am Morgen aus dem Hotel de Saxe, wo ich abgestiegen war, zu einem Spaziergange ab und brachte mir die soeben erschienene Partitur seiner C-Dur Symphonie mit. Während des Spazierganges sagte er mit Bezug auf dieselbe: „Als ich die Symphonie zu schreiben anfing, war ich krank, aber mit dem Finale habe ich mich gesund geschrieben.“ Wer würde jetzt vermuten, dass diese Symphonie teilweise aus einer krankhaften Stimmung hervorgegangen sein könnte! Es möchte einem fast erscheinen, als ob in mancher komischen Oper aus der jüngsten Vergangenheit weniger Gesundheit stecke als in den ersten drei Sätzen dieser Symphonie. Es zeugt von rührender Bescheidenheit, wenn er mir bald darauf mit Zusendung des D-moll Trios schrieb: „Es sollte mich freuen, wenn manches bei Ihnen anklänge, vom ersten Satz glaube ich es beinahe.“ In demselben Jahre sandte mir Schumann zu Weihnachten ein weiteres Andenken, es war das später so weit verbreitete Album für die Jugend op. 68. Dieses Exemplar (gezeichnet: „An Carl Reinecke mit freundlichem Weihnachtsgruß. Robert Schumann. Dresden, den 23. Dezember 1848“) war gewissermaßen ein Abdruck avant la lettre, denn das Werk wurde erst im Januar 1849 ausgegeben. Doppelt stolz war ich auf diesen Besitz, da mir Schumann schon im Oktober vorher das Manuskript nach Segeberg in Holstein geschickt und mich mit der Vermittlung an die Verlagshandlung Schuberth & Cie. in Hamburg betraut hatte. Acht Tage später kam Schumann nach Leipzig, und dort war es mir vergönnt, mit ihm seine vierhändigen „Bilder aus Osten“ aus dem Manuskript zu spielen. Es war in einem Zimmer des damaligen Hotels de Bavière, und Schumann, welcher sich in seinen jungen Jahren durch allzu gewaltsame technische Studien am Klaviere eine bis an sein Lebensende andauernde Schwäche des rechten Mittelfingers zugezogen hatte, spielte die untere Partie. Als wir geendet hatten, meinte er: „Die Stücke müssten Sie einmal instrumentieren.“ Als ich dies, viele Jahre später, auf wiederholtes dringendes Verlangen des Verlegers ausführte, musste ich mir dann von einem Kritiker sagen lassen, dass es sehr unkünstlerisch sei, diese vierhändigen Stücke zu orchestrieren!

 Im Jahre 1850 hatte ich die Freude, das Ehepaar Schumann in Bremen zu begrüßen und Schumanns damals noch ungedrucktes F-Dur Trio von Clara zu hören. Als der zweite Satz des Trios beendet war, fragte mich Schumann mit schlauem Lächeln, ob ich nichts Absonderliches an dem Satze bemerkt habe? Nachdem er zu allem, was ich nur irgend vorzubringen wusste, mit dem Kopfe geschüttelt hatte, zeigte er mir dann endlich, ohne ein Wort zu sprechen, dass während der sechs ersten Takte des Satzes der Bass des Klaviers und das Violoncello streng kanonisch geführt sind, eine versteckte Finesse, die wohl den meisten beim erstmaligen Hören entgehen wird. Auch der dritte Satz ist vorzugsweise kanonisch geführt, und da Schumann an solcher Betätigung kontrapunktischer Virtuosität immer große Freude hatte, so beziehen sich darauf ohne Zweifel die Worte, die er mir kurz nach Vollendung des Trios geschrieben hatte: „Auf den Anfang des Adagio und auf ein Allegretto (statt des Scherzo) freue ich mich immer wieder, wenn es daran kommt.“ In Bremen ward mir dann auch der Vorzug zuteil, mit Clara Schumann in ihrem Konzerte die Variationen für zwei Klaviere von ihrem Gatten zu spielen, wofür ich als Dank den schönen Stich nach dem Rietschelschen Doppelmedaillon mit einer Widmung des Künstlerpaares erhielt. Als ich in Leipzig der von Schumann selbst dirigierten ersten Aufführung seiner Oper „Genovefa“ beiwohnte, hatte ich wenig Gelegenheit, dem viel umworbenen Meister näher zu kommen. Leider trug das Werk nur einen Achtungserfolg davon und ward auch nach zwei weiteren Aufführungen beiseite gelegt. Es ist hier nicht der Ort, zu erwägen, ob das Schicksal der Oper, die auch heute nur noch sporadisch über die eine oder die andere Bühne geht, ein verdientes war oder nicht. Sicher ist aber, dass Schumann, als er die Genovefa schrieb, bereits den Höhepunkt seines Schaffens überschritten hatte, und dass die tückische Krankheit, welcher er im siebenundvierzigsten Lebensjahre zum Opfer fiel, sich schon vorbereitete und ihre Schatten weit voraus warf. Wohl hat er der Welt auch in seinen letzten Lebensjahren noch manches Herrliche geschenkt, unter anderem die sogenannte „Rheinische Symphonie“, „Der Rose Pilgerfahrt“, und vor allem die Musik zu Byrons „Manfred“. Seine allerbedeutendsten Schöpfungen, „Paradies und Peri“, die Symphonien in B-Dur, C-Dur und D-moll, seine schönsten Kammermusikwerke, seine herrlichsten, unvergänglichen Lieder und seine besten Klavierkompositionen waren aber schon vor der „Genovefa“ geschrieben, und selbst Schumanns größte Verehrer, zu denen ich mich wohl zählen darf, können sich nicht verhehlen, dass in seinen späteren Werken, namentlich in den letzten, nicht mehr die Frische und das Überquellende der Erfindung, nicht mehr die Formschönheit zu finden ist, die viele seiner Schöpfungen aus früherer Zeit so bewundernswert machen. So entdeckte ich denn auch beim persönlichen Verkehr mit Schumann – ungefähr vom Jahre 1850 an – eine Veränderung seines Wesens, selbstverständlich aber, ohne eine Ahnung davon zu haben, wodurch sie begründet war. Er war noch stiller geworden, fand zuweilen schwer das Wort, nach dem er suchte, und klagte, namentlich in den letzten Jahren, oft darüber, dass er viertelstundenlang und länger einen Ton oder mehrere laut klingen höre, während es in der Tat still um ihn her wäre. Es waren die ominösen Sinnestäuschungen. Auch seine Art zu dirigieren wurde mit der Zeit unzuverlässiger, und ich entsinne mich einer sehr peinlichen Konzertprobe, in der ich unter seiner Direktion die Beethovensche Phan tasie für Klavier, Chor und Orchester probieren musste. Der Solist, welcher ursprünglich in Aussicht genommen war, hatte krankheitshalber plötzlich absagen müssen, und deshalb zitierte Schumann mich am frühen Morgen des Konzerttages von Köln nach Düsseldorf. Schnell raffte ich das Nötige zusammen, dampfte nach Düsseldorf ab und eilte sofort in die Probe. Sie war aber, wie erwähnt, eine sehr peinliche und abspannende, denn Schumann konnte sich nicht mehr schnell genug in die oft wechselnden Tempi hineinfinden, und es musste ewig wiederholt werden, bis endlich der Konzertmeister und ich selbst die Direktion hinter Schumanns Rücken in die Hand nahmen. Erfreulicher waren manche anderen Begegnungen; denn in kurzen Perioden war Schumann von solchen Krankheitserscheinungen ganz unbehelligt. Wiederholt wurde ich zum Solospiel in den von ihm dirigierten Konzerten eingeladen oder zu kleineren Aufführungen neuer Werke in seinem Hause. In solchen Fällen wohnte ich öfters bei ihm, und dann gab er mir immer vor dem Schlafengehen irgendeine Partitur eines neuen Werkes als Lektüre mit. Eines Abends, nachdem wir musiziert, sehr gut gespeist und noch besser getrunken hatten (denn schlechte Weine konnte Schumann ebenso wenig leiden wie schlechte Musik), wurde er so aufgeräumt, dass er ein Tänzchen vorschlug, an dem er sich dann lebhaft beteiligte, während Clara Schumann und ich abwechselnd zum Tanze aufspielten. Am nächsten Morgen beim Frühstück erzählte er mir mit äußerst schelmischer Miene, dass seine Clara die Kinderchen, welche an einem kleinen Tischchen für sich saßen und  ihre Morgenmilch genossen, mit großem Erfolge in der Theorie der Musik unterrichtete. Und dann begann er ein ernstes Examen mit den Kleinen, wollte aber vor Heiterkeit vergehen, als es mit ihrer Weisheit bald zu Ende war, und die mütterliche Lehrerin sich ernsthaft darüber ärgerte. Noch ein anderes Mal sah ich ihn ebenso herzlich vergnügt, weil er auf einer kleinen Flausenmacherei ertappt war. Das trug sich so zu: Als ich einst gegen Abend in sein Zimmer trat, fragte er mich sofort nach der ersten Begrüßung, ob ich ein gutes Glas Bayrisch mit ihm trinken wolle, und als ich dies begreiflicherweise nicht ablehnte, ergriff er seinen Hut, um mit mir fortzugehen. In demselben Augenblick trat mit tiefem Bückling ein Verleger aus Elberfeld bei ihm ein. Schumann fertigte ihn mit der Bitte, ein anderes Mal wiederzukommen, schnell ab, da er einen wichtigen Gang mit mir zu machen habe, den er durchaus nicht aufschieben könne. So kamen wir denn ohne erhebliche Verspätung in das kleine Bierlokal. Kaum aber saßen wir dort einige Minuten beim Biere, als auch der Elberfelder Herr hereintrat und fast über uns gestolpert wäre! Er war jedoch so klug, sich an Kaspars Worte in der Wolfsschlucht: „So etwas sieht ein Gescheiter nicht!“ zu erinnern und sehr bald wieder zu verschwinden. Schumann aber war sehr belustigt darüber, dass wir so auf dem „wichtigen, unaufschiebbaren Gange“ ertappt worden waren. Einen durchaus ungetrübten Eindruck habe ich auch von der ersten privaten Aufführung von „Der Rose Pilgerfahrt“ im Schumannschen Hause bewahrt. Es war in Köln, im Juli 1851, als am frühen Morgen Robert Schumann und Ferdinand Hiller in mein Zimmer traten. Schumann trug ein zierlich gebundenes Buch unter dem Arme; es war das Manuskript der eben genannten Tondichtung, welche der Meister am kommenden Sonntag in seiner Wohnung zu Düsseldorf zur Aufführung bringen wollte. Für alle die recht zahlreichen Solopartien hatte er in Düsseldorf die geeigneten Kräfte gefunden, nur nicht für die Tenorpartie, für die er nun in Köln einen Vertreter suchte. Hiller empfahl ihm einen äußerst musikalischen und mit einer echt lyrischen Tenorstimme begabten Dilettanten A.P. Da er aber selber verhindert war, seinen Freund zu dem Herrn P. zu geleiten, so kamen beide zu mir, damit ich Schumann hinführen sollte. Ohne Umstände übernahm der liebenswürdige Dilettant die Aufgabe, ich setzte mich ans Klavier und studierte ihm die Partie ein, während Schumann das Blatt umwendete und von Zeit zu Zeit eine kurze Bemerkung machte. Als nach beendeter Probe Herr P. und ich Schumann auf den Bahnhof begleiteten, hielt ich es für meine Pflicht, den ersteren noch auf einige Einzelheiten, mit denen Schumann nicht zufrieden gewesen war, aufmerksam zu machen, indem ich ihm die betreffenden Stellen vorsang. Als Herr P. seine Verwunderung darüber ausdrückte, dass ich die Sachen schon auswendig wisse, sagte Schumann mit dem ihm eigenen freundlichen Lächeln: „O, der weiß meine Sachen schon auswendig, ehe ich sie komponiert habe.“ Die Aufführung fand denn auch in geplanter Weise statt. Clara Schumann saß am Klavier, Robert Schumann dirigierte die Chöre, und das liebenswürdige, anmutige Werk brachte allgemeines Entzücken hervor. Als die Aufführung beendet war, und Schumann gewahrte, welch großen Eindruck das Werk gemacht hatte, kam er zu mir und forderte mich auf, das Werk zu instrumentieren. Nun war aber die Begleitung so überaus klaviermäßig gedacht, dass ich glaubte, man würde eine wirksame und praktische Orchestration nur herstellen können, wenn man an vielen Stellen sich gänzlich von dem Original emanzipierte, und ich würde nicht gewagt haben, Schumann gegenüber so selbständig zu verfahren, wie mir nötig erschien. Deshalb bat ich ihn, mich von dieser Aufgabe, der ich mich nicht gewachsen fühlte, zu dispensieren, so dankbar ich auch für das mir bewiesene Vertrauen sei. Später übernahm er dann die Instrumentation selbst. Nun folgen nur noch trübe Erinnerungen an Abende nach Konzerten, wenn der bedauernswerte Meister, gepeinigt von Halluzinationen, eine uns endlos scheinende Zeit stumm dasaß, die Stirne auf die Hand gestützt, während wir um ihn herum in lautlosem Schweigen verharrten, und so denke ich auch an einem Moment, an dem er – das einzige Mal in seinem Leben – unfreundlich gegen mich war. Das Künstlerpaar hatte uns jungen Musikern, die wir den Vorzug genossen, oftmals Einladungen zu erhalten, an einem Sonntag Vormittage die noch ungedruckten vierhändigen Ballszenen vorgespielt; es war nun noch eine Stunde bis zur Tischzeit, Schumanns empfahlen sich bis dahin, und wir gingen auf unser Zimmer, nahmen die Ballszenen, die uns natürlich lebhaft interessierten, mit und fingen an, sie durchzuspielen, als plötzlich Schumann erschien, mit zürnendem Blicke die  Noten vom Pulte riss und, ohne ein Wort gesagt zu haben, verschwand. Wir waren wie vernichtet und stellten uns begreiflicherweise mit wenig angenehmen Empfindungen zur Mittagstafel ein, aber unsere Angst war umsonst gewesen, denn Schumann hatte anscheinend vergeben und vergessen und war doppelt freundlich. Während der Kölner Karnevalszeit, inmitten einer bunten Maskengesellschaft, ereilte mich die Schreckenskunde, dass Schumann in gänzlich geistiger Umnachtung sich in den Rhein gestürzt habe! Er wurde bekanntlich gerettet, aber nun ging die Tragödie unaufhaltsam ihrem Ende zu, bis am 29. Juli 1856 der Todesengel den unglücklichen Dulder von seinem Leiden befreite.