V

 

Am nächsten Tag, als wieder die Sonne schien und der Waldboden dampfte, fing Neq wieder zu singen an. Er tat so, als sänge er seiner Waffe etwas vor, in Wirklichkeit sang er Neqa etwas vor. Sie wusste es ohnehin.

 

Ich erkenne meiner Liebsten Gang,

Und erkenne meiner Liebsten Sang,

Und ich erkenne ihr blaues Kleid - Verlässt sie mich, wer kennt mein Leid?

 

»Du singst sehr gut«, sagte sie, leicht errötend.

»Ich weiß. Aber dieses Lied ist nicht die Wirklichkeit. Wenn ich vom Kampf singe, weiß ich, was das bedeutet. Aber die Liebe - Worte, nichts als Worte, die mir nichts bedeuten.«

 »Woher willst du das wissen?« Das klang, als hätte sie Angst, diese Frage zu stellen, wäre aber fasziniert von dem Thema.

 Er blickte auf seinen blanken Arm. »Ich habe meinen Reif nie- . . .«

Sie hielt den eigenen Arm mit dem schweren Goldreif hoch. »Du hast ihn mir gegeben. Und ich nahm an. Ist das Liebe?«

»Ich weiß es nicht.« Sein Atem kam stoßweise.

»Neq, ich weiß es auch nicht«, gestand sie. »Ich fühle mich nicht anders - ich bin immer noch ich, will ich damit sagen -doch mir ist, als glühe das Gold, als führe es mich, wohin, das weiß ich nicht. Aber ich möchte es wissen. Ich möchte etwas geben - alles geben. Ich bemühe mich darum. Doch ich bin die alte. Ich bin eine Irre, und ich ängstige mich. Ich habe Angst davor, daß ich nichts zu geben habe.«

»Du bist schön, du bist warmherzig und tapfer. Die Sache mit dem Laster -«

 »Schrecklich war das! Dieses Mordenmüssen, meine ich. Aber ich musste es tun. Ich hatte Angst um dich.«

»Dann muss es Liebe sein.«

 »Das hört sich gut an. Aber ich weiß es besser, Neq. Ich könnte dich hassen und dich dennoch brauchen. Wenn dir etwas zustößt, dann gibt es für mich keinen Weg mehr nach Hause zurück.«

Das war ja das Wunderbare daran: Sie fürchtete sich vor ihm, wie er vor ihr. Sie kämpfte lieber, als daß sie zusah, wie ihm etwas geschah - und doch konnte sie nicht friedlich zu ihm kommen. Sie musste praktische Gründe zur Rechtfertigung dessen anführen, das keiner Rechtfertigung bedurfte. Und er ebenso. »Zeig mir deine Brust«, sagte er.

»Was?« Sie war nicht schockiert, nur verdutzt.

»Dein Messer. Als du dein Messer wegstecktest, da -«

»Ich verstehe nicht.« Doch sie verstand sehr gut.

»Zeig mir deine Brust.«

 Langsam und unter heftigem Erröten schälte sie das Kleid von der Schulter und entblößte die rechte Brust.

 »Die ist neunzehn«, sagte er. »Sie erregt mich. Eine Brust wie diese - die kann einfach nicht alt sein, kann keiner Irren gehören, die Angst hat, daß sie nichts zu geben hat. Sie muss geliebt werden.«

Sie sah an sich selbst herunter. »Wenn du so redest, komme ich mir selbst wollüstig vor.«

»Ich werde deine Brust besingen«, meinte er.

Wieder errötete sie, und mit ihr ihre Brust, doch sie bedeckte sich nicht. »Woher kennst du diese Lieder?«

»Ach, die machen so die Runde. Manche behaupten, sie stammten aus der Zeit vor dem Blitz, aber das glaube ich nicht.« Und doch glaubte er es, so wie er es nicht glaubte, denn es kamen so viele Worte darin vor, die für einen Nomaden sinnlos waren.

»Die Bücher sind so alt. Möglich, daß auch die Lieder so alt sind.« Ihre Röte war verblasst.

Er sang, den Blick auf ihre Brust gerichtet:

 

Schwarz, schwarz, schwarz ist meiner Liebsten Haar,

Die Lippen rot, die Augen klar,

Die Hände zart, das Antlitz schön,

Ich liebe die Erde,

seh ich drüber sie gehn.

 

Wieder stieg ihr die Röte in die Wangen. »Wenn du so singst, dann ist alles so echt. Ich bin froh, daß mein Haar nicht schwarz ist.«

»Ach?« Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen.

»Nein. Ich wünschte, das Lied würde genau passen.«

»Es passt recht gut. Bis auf die Haarfarbe.«

»Ja?« In ihr regte sich Hoffnung.

 »Nein. Ich möchte, daß es genau passt. »Und nach einer kleinen Pause setzte er hinzu. »Neqa.«

Sie hatte über ihr Erröten die Gewalt völlig verloren. »Wenn du das sagst, dann bin ich völlig durcheinander. Neqa.«

»Daran ist der Reif schuld.«

 »Ich weiß. Ich bin dein Weib, solange ich ihn trage. Aber nicht wirklich.«

»Vielleicht kommt das noch.« Wenn es nur so einfach gewesen wäre.

»Ihr Nomaden - ihr gebt einem einfach den Reifen und damit hat sich's. Rasche Liebe, für eine Stunde oder für ein ganzes Leben. Ich begreife das nicht.«

»Aber du warst doch auch einmal Nomadin.«

»Nein. Ich war ein wild aufwachsendes Mädchen. Ich hatte keine Familie. Die Irren nahmen mich auf, sie erzogen mich und machten mich ihnen ähnlich - äusserlich. Das machen sie mit jedem, der Hilfe braucht. Ich war nie Angehöriger der Nomadengesellschaft.«

»Vielleicht verstehst du deswegen nicht den Sinn des Reifs.«

»Mag sein. Und du? Was ist mit dir?«

»Ich verstehe den Reif. Ich bringe es bloß nicht fertig, mich entsprechend zu verhalten.«

»Hm, vielleicht erklären sich damit unsere Schwierigkeiten. Du bist zu sanft und ich zu zaghaft.« Sie lachte nervös. »Eigentlich komisch, nachdem wir diese vielen Gegner getötet haben. Sanft und zaghaft.«

 »Wir könnten einander heute nacht in den Armen halten. Vielleicht hilft es diesmal.«

»Und wenn die Gesetzlosen wiederkommen?«

Er stieß einen Seufzer aus. »Ich werde Wache halten.«

»Du hast gestern gewacht. Diesmal bin ich dran.«

»Na schön.«

 Wieder lachten sie, jetzt schon ungezwungener, und ihre Brust geriet angenehm in Bewegung. »So trocken und sachlich! Was ist, wenn ich einfach sage: >Nimm mich in die Arme, drücke mich an dich, liebe mich?<« wollte sie wissen

 Er überlegte. »Hm, versuchen könnte man es ja. Aber du musst es sagen, ehe ich zu nervös werde.«

»Ich kann es nicht sagen. Auch wenn ich es wollte.«

»Du möchtest es - aber du kannst mich nicht fragen?«

 »Diese Frage kann ich nicht beantworten.« Diesmal vergass sie glatt das Erröten.

 »Ich möchte es tun«, sagte er ganz ernst. »Aber ich kann doch nicht einfach so anfangen. Nicht ehe du etwas sagst. Und auch dann -«

»Komisch ist das. Wir wissen, was wir wollen, wir wissen,

 was der andere fühlt, aber wir können nicht entsprechend handeln. Wir können sogar übers Sprechen sprechen, aber wir können nicht sprechen.«

»Morgen vielleicht«, sagte er.

 »Morgen vielleicht.« Und der sehnsüchtige Blick, mit dem sie ihn ansah, als sie ihre Brust bedeckte, ließ sein Herz stocken und dann einen Sprung tun.

Das Morgen war wieder ein schöner Tag, und die Fahrspuren waren hart geworden. Die beiden hatten das Gefühl, daß die Leichen um den Laster bereits einen leichten Geruch ausströmten. Sie fuhren los, und die Natur entschädigte sie für die eintägige Verzögerung, indem sie ihnen eine hervorragende Fahrbahn bescherte.

 In jener Nacht kroch Neqa zu ihm in den Doppelschlafsack auf der Ladefläche und drückte ihre Brust an ihn, doch sie fragte nicht, und er handelte nicht. Beide waren sie enttäuscht, und sprachen darüber und waren sich einig, daß die ganze Sache einfach lächerlich wäre, aber das war auch schon alles.

Sie mussten vor Plünderen auf der Hut sein und hielten daher abwechselnd Wache. Und während sie schlief, versuchte er ihre Brust zu berühren, und tat es doch nicht . . . Aber als er erwachte, weil die Reihe an ihn kam, Wache zu halten, spürte er ihre Brust an seiner Hand.

 Das nächste mal schliefen sie nackt miteinander, und er ließ die Hände über ihre schönen Brüste und festen Schenkel gleiten. Sie weinte, als sie darauf überhaupt nicht reagieren konnte, und das war auch alles.

 Und wieder kam die Nacht, und er sang ihr vor und küsste sie, und sie ließ die Hände über seinen Leib gleiten und wich dem nicht aus, dem sie zuvor ausgewichen war, so groß es auch war, und sie drückte sich an ihn und er versuchte es ... doch sie schrie auf vor Schmerz, körperlich oder seelisch, und er hielt ernüchtert inne, und sie weinte leise vor sich hin.

 Und in der Zwischenzeit kamen sie gut voran und näherten sich rasch der Versorgungsstelle. Ihre Verbindung war noch immer nicht vollzogen, als sie vor einer Herberge anhielten, die in der Nähe eines Berges lag, den Neq erschrocken als den Berg erkannte, jenen Ort, an den sich die Nomaden zurückzogen, um Selbstmord zu begehen. Lange rostige Stahlträger ragten

hoch und entzogen den Gipfel den Blicken. Er wusste, daß noch niemand zurückgekehrt war, der diese stählerne Schranke passiert hatte ... bis vor kurzem.

Doch Tyl der zwei Waffen und der Herr hatten diese Festung belagert, denn in ihrem Inneren hatte es lebende Menschen gegeben. Sie hatten die Festung ausgebrannt, und nun war sie tot.

Neqa zog die Karte zu Rate. »Ja, das ist es.«

»Das ist eure Versorgungsstation?« fragte er erstaunt.

»Ja, Helicon. Aber da stimmt etwas nicht.«

»Wir haben das alles zerstört«, erklärte er. »Der Waffenlose hat es getan. Ich war nicht dabei. Das hätte ich Dr. Jones gleich sagen können, wenn ich geahnt hätte, daß er den Berg meint.«

»O nein!« rief sie weinend aus. »Helicon hat die gesamte technische Ausrüstung hergestellt! Ohne Helicon schaffen wir es nicht!«

»Na, vielleicht haben drinnen ein paar überlebt.« Da er Tyls Gründlichkeit kannte, bezweifelte er es zwar, doch er musste ihr Hoffnung machen.

Sie ging um die Mittelsäule der Herberge herum, offenbar auf der Suche nach etwas Bestimmten. Die Herberge war nicht ausgeplündert worden, aber Lebensmittel waren keine da. Sie öffnete die Duschkabine und trat ein.

»Du bist noch angezogen«, mahnte Neq sie.

 »Ich weiß, es muss da sein«, sagte sie, als hätte sie seine Worte gar nicht gehört. »Ich habe die Anweisungen auswendig gelernt.« Sie zählte die Fliesen der Reihe nach und drückte dann eine. Dann wählte sie von einer anderen Richtung her und drückte erneut. Und dann noch einmal. Doch es geschah nichts.

 »Du musst die Knöpfe drehen«, meinte er. »Einen für heiß, den anderen für kalt. Aber du brauchst jetzt nicht zu duschen, du fängst eben an, wie eine richtige Nomadin zu riechen -«

»Ich war wohl zu langsam«, sagte sie. »Jetzt erkenne ich die Kacheln und mache es schneller.«

Wieder vollzog sie ihr geheimnisvolles Ritual. Neq sah ihr nachsichtig zu. Die Irren waren einfach irre!

 Da schnappte etwas in der Innenwand ein. Neqa drückte wieder eine Kachel und kippte sie heraus. Ein Handgriff wurde

 sichtbar. Neq staunte offenen Mundes. daß es in der Wand Griffe gab, hatte er nicht gewusst! Und wenn nicht für heißes und kaltes Wasser, wofür dann?

Sie drehte daran und zog mit einem scharfen Ruck - und die ganze Wand schwang gegen sie auf.

 Hinter der Dusche befand sich ein Abteil - im Herzen der angeblich soliden Tragsäule der Herberge!

»Komm!« sagte sie und trat ein.

Neq folgte ihr. Nervös hielt er sein Schwert umklammert. Sie hatten nebeneinander kaum Platz. Nun zog sie die Wand wieder zu und drückte einen Knopf im Inneren, und ein Summen ertönte. Und dann senkte sich der Boden.

Neq machte einen Satz, sie aber lachte bloß. »Das ist die Zivilisation, du Nomade, du! Man nennt das Lift. Wir haben diese Einrichtung in unsere Häuser eingebaut, und auch die Unterwelt bedient sich ihrer. Das hier ist ein Geheimgang, den wir für den Nachschub verwenden. Wenn die Nomaden draußen irgendwo einen Irren-Laster sehen, glauben sie, es wäre ein Routine-Service. In Wahrheit aber verteilen wir Vorräte. Der Großteil der Sachen stammt aus anderen Depots, die die Nomaden nie zu Gesicht bekommen.«

Die Bewegung des Bodens hörte auf. Sie stieß wieder gegen die Seite, und jetzt öffnete sich vor ihnen ein Tunnel, der sich in der Dunkelheit verlor.

»Zu dumm«, sagte sie. »Der Lift funktioniert mit Herbergs-Strom, der sich immer auflädt, wenn die Sonne scheint. Der Tunnel ist wiederum an den Helicon Strom angeschlossen. Das bedeutet, daß die Unterwelt tot ist, wie du sagtest.« Sie knipste eine Taschenlampe an. Neq hatte keine Ahnung gehabt, daß sie eine besaß. »Aber wir müssen genauer nachsehen.«

 Der Gang erweiterte sich zu einer Kammer, in der leere Kisten gestapelt waren. »Da war jemand«, bemerkte sie. »Die Ware wurde mitgenommen. Aber die Kisten wurden nicht zurückgebracht.«

»Vielleicht der letzte Laster- der nie wiederkam.«

 »Unsere Leute sind über diesen Punkt nie hinausgekommen«, sagte sie. »Aber es besteht offensichtlich eine Verbindung zu Helicon. Die müssen wir finden.«

»Das könnte sich als sehr unangenehm herausstellen.« Er

 kannte all die Geschichten von unterirdischen Labyrinthen aus der Zeit des Blitzes, in denen sich Leichen stapelten. Diese Behauptungen waren vielleicht übertrieben, aber immerhin . . .

»Ich weiß.« Sie gab ihm einen Kuss - das brachte sie mittlerweile ohne weiteres fertig - und fing gleich wieder an, gewisse Stellen an der Wand zu drücken, wahllos, wie es ihm schien.

 »Wenn man dich drinnen nicht haben will, dann wird sich hier nirgends was öffnen«, mahnte er. »Vielleicht sind hier sogar Fallen angelegt.«

»Glaube ich nicht. Man wird zwar auf der Hut sein, aber man wird uns kein Hindernis in den Weg legen. Die Irren, meine ich. Helicon brauchte uns so notwendig wie wir Helicon brauchten, weil sie ihre Hydrokulturen langsam satt bekamen und keine anständigen Gemüse ziehen konnten und natürlich auch kein Holz. Da war es günstiger, sie trieben mit uns Handel und betrieben die Schwerindustrie, an die wir uns nicht wagten. Dr. Jones kann sich endlos über diese Themen verbreiten -er nennt das die essentiellen Zwischenbeziehungen der Zivilisation.«

 »Du glaubst also, es wäre ungefährlich, wenn wir hier eindringen?« fragte er.

Sie fuhr fort an die Wand zu pochen, vergebens, wie es sich erwies. Neq begutachtete indessen die Spuren auf dem Boden und studierte ihr Schema als handle es sich hier um ein verlassenes Lager, über das er sich Gewissheit verschaffen müsse.

 »Da«, sagte er plötzlich und berührte die Wand an einer Stelle. »Hier ist eine Öffnung.«

 Sie war sofort an seiner Seite. »Bist du sicher? Sieht doch ganz fest aus.«

 Er deutete auf die Spuren auf dem Boden, und sie begriff. Auf Grund dieser Spuren konnten sie schließlich einen deutlichen Spalt ausmachen. »Sie lässt sich nicht nach innen öffnen«, erklärte er. »Auf unserer Seite sind keine Scharniere und auch keine Spuren einer Benutzung.«

 »Einen anderen Spalt habe ich nicht gefunden«, erwiderte sie. »Sie muss sich hier irgendwie öffnen lassen.« Sie schlug mit der Unterseite der Stablampe gegen die Ecke. »Wenn es keine Schiebetür ist -«

Neq zwängte die Schwertspitze in den Spalt und übte Druck

 aus. Da gab die Wand seitlich ein Stück nach. »Sie gleitet -leider ist sie abgeschlossen oder sonst irgendwie blockiert.«

 »Natürlicherweise müsste sie von der anderen Seite her verschlossen sein«, sagte sie. »Könntest du sie irgendwie aufbekommen?«

»Mit dem Schwert nicht. Aber wir könnten uns ja die Brechstange aus dem Wagen holen. Damit vergrößern wir die Hebelwirkung. Vielleicht klappt es.«

Sie liefen zum Laster zurück und holten sich eine ganze Armladung von Werkzeugen. Und nach einer gewissen Zeit gelang es ihnen tatsächlich, die Tür aufzubrechen.

 Hinter der Mauer befand sich ein Schienenpaar. »Die hatten ja eine Bahn!« rief sie aus. »Und damit schafften sie die Vorräte heran. Vielleicht sogar ferngesteuert. Wie raffiniert!«

 Sie sahen keine Wagen und mussten nun zwischen den Schienen dahingehen. Neq wurde von Schritt zu Schritt nervöser, da ihm der beengte Raum Unbehagen verschaffte, ihr aber schien das nichts auszumachen. Sie fasste nach seiner Hand und drückte sie.

 Er fing an die Schritte zu zählen. Sie legten mehr als eine Meile zurück, ehe die Schienen aufhörten. Nun sahen sie Plattformen, auf denen Kisten gestapelt waren und Nebengeleise, auf denen Waggons standen. Neq brach eine Kiste auf und entdeckte darin Kampfstöcke - etwa fünfzig Stück dieser Metallwaffe.

 Also stimmte es doch! Die Unterwelt hatte die Nomadenwaffe hergestellt. Hatte das der Waffenlose nicht gewusst, als er die Zerstörung der Unterwelt plante?

 Sie gingen bis ans Ende der Plattform und durchschritten einen dunklen Durchgang. Dann ging es eine sanft geneigte Rampe hoch, durch eine verkohlte Öffnung in eine große Halle. Die Luft war stickig und übelriechend. Neqa ließ den Strahl der Taschenlampe über den Bogen gleiten.

Er war mit Asche bedeckt, aus der sich da und dort verkohlte Häufchen erhoben. Der Geruch war hier noch viel intensiver.

»Was ist denn da passiert?« fragte sie verblüfft.

 Neq merkte ihr an, daß sie keine Ahnung hatte. »Feuer. Die konnten hier nicht mehr rechtzeitig raus.«

»Sie?« Da erkannte sie die Form des nächsten Häufchens und

stieß einen Schrei aus. Es waren die Überreste eines menschlichen Wesens.

 Neq führte sie die Rampe abwärts. »weißt du - sie waren schon tot, als die Holztür schließlich durchbrannte. Die muss versperrt gewesen sein oder verklemmt so wie die Schiebetür da oben. Jemand muss alles mit Benzin übergössen haben und -« Sie drehte sich zu ihm um. Die Taschenlampe hatte sie ausgeknipst, sie standen im Dunkel da. »Das haben die Nomaden gemacht?«

»Tyl sagte, es wäre schon vor ihrem Eindringen passiert. Die Brandstellen waren noch heiss, und überall war Rauch, deshalb konnten sie sich nicht lange hier aufhalten. Ich weiß nicht, wie es wirklich war,«

Sie gab ein ersticktes Geräusch von sich, und er spürte etwas Warmes über seinen Arm laufen. Da wusste er, daß sie sich erbrochen hatte.

»Helicon war die letzte Hoffnung des Menschen!« schluchzte sie und kämpfte erneut gegen ein Würgen an.

»Ich glaube, wir brauchen uns hier nicht weiter umzusehen«, sagte er. Er nahm ihr die Taschenlampe aus der kraftlosen Hand und führte Neqa zurück nach draußen.