Leben Nr. 1:
Quereinsteiger
Ein Leben als Schriftsteller

 

Was für ein Tag! Es war so mild, dass ich meinen Mantel für die paar Schritte zum Eingang im Wagen ließ. Die kleinen gelben Kieselsteinchen knirschten angenehm unter meinen Füßen. Im Gesicht spürte ich die wärmende Kraft der Sonne, die von einem avalonblauen Himmel auf mich herab lächelte. Ein paar Krokusse steckten ihre Köpfe aus den gepflegten Rasenstücken längs des Weges. Oder waren das Osterglocken?  Ehrlich gesagt, ich hab’s  nicht so mit Blumen. Egal, auf jeden Fall ganz schön verrückt für Anfang Februar.

Verrückt war auch die Situation, die mich an diesem Morgen zu einem charmanten Landgasthof im Taunus geführt hatte, umgeben von den Liebreizen einer scheinbar unberührten Natur und doch keine zwanzig Minuten vom hektischen Treiben des Stadtzentrums mit seinen Bankentürmen, lärmenden Menschen und verstopften Kreuzungen entfernt.

Ich war Schriftsteller. Gut, angehender Schriftsteller. Wäre ich schon auf dem Zenit meiner Schaffenskraft angelangt, hätte ich mich nicht mit Kieseln und vorwitzigen Blümchen abgegeben, sondern mich lieber an einer sparsamen, gleichwohl lebendigen Skizze des hinreißenden Wesens an der Rezeption versucht, das mir ein vielversprechendes Lächeln schenkte, als ich die Schenke betrat. Den Landgasthof hätte ich gar nicht erwähnt, sondern einfach die hölzernen Wagenräder nachgezeichnet, die gemeinsam mit einem alten Messingschild die Hauswand zierten. Zur Abrundung hätte ich vielleicht einen schäumenden Bierkrug auf das verwitterte Schild graviert.

Im Kopf der geneigten Leserschaft wäre von alleine ein idyllisches Bild ländlicher Gastlichkeit entstanden.

Und der Himmel wäre nicht in avalonblau gehalten, dem etwas blassen Blauton aus dem letzten Opel-Prospekt, sondern in einem majestätischen montegoblau-metallic aus der neuen BMW-Kollektion, wo blau ja quasi Bestandteil des Firmenauftritts war, wenn nicht gar das Selbstverständnis der ansässigen Bevölkerung. Auch wenn der Himmel, um den es hier und heute ging, immer noch ein hessischer Himmel war, dessen Blau nun mal über Frankfurt und Rüsselsheim und Wiesbaden erstrahlte und eben nicht über München.

 Schreiben hatte mir immer Spaß gemacht. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, Journalismus zu studieren, um dann doch bei Betriebswirtschaft zu landen.

Ich hatte gerade das Vordiplom hinter und eine Sinnkrise vor mir. Tat ich wirklich das Richtige?! War ich wirklich der geborene Wirtschaftsführer? Oder schlimmer: War ich vielleicht der geborene Sachbearbeiter?

Ich beschloß, eine Auszeit zu nehmen, in der ich mich dem Schreiben widmen würde. Auszeiten waren in unseren Studentenkreisen nichts Ungewöhnliches. Ich würde einen belletristischen Überraschungserfolg landen und dann mit einem massentauglichen Serienroman weltberühmt werden. Wenn alle Stricke rissen, konnte ich immer noch das Studium fortführen und meine Karriere in der Wirtschaft starten.

Um allen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die in dieser Entscheidung mangelndes Urteilsvermögen in Bezug auf den Ernst des Lebens zu erkennen glaubten, beschloß ich, dass ich von meiner Schreibkunst auch leben würde. Von Anfang an! Da es nicht zuletzt ich selbst war, den es zu überzeugen galt, wies ich folgerichtig alle gutgemeinten Ansätze, mich wieder auf den rechten Weg zurückzuführen, von mir und stürzte mich Hals über Kopf ins Abenteuer.

Mit meiner betriebswirtschaftlichen Vorbildung erfaßte ich schnell, dass Schreiben und Geld verdienen zwei Seiten einer Medaille waren, die sich nicht so leicht in Einklang bringen ließen, jetzt wo sowohl Bafög als auch die elterliche Unterstützung erst mal wegfielen. Meine ersten Schritte im Lokalteil der hiesigen Tageszeitung erfüllten mich zwar mit Stolz, aber als Freier Autor schaffte ich es auf diese Art und Weise kaum, auch nur meine Verpflegung dauerhaft sicherzustellen. Von Auto und Miete ganz zu schweigen. Ich besaß ein paar Ersparnisse, aber die würden nicht ewig reichen. Ich würde die Zeit bis zu meiner Entdeckung irgendwie überbrücken müssen.

Als Student hatte ich mich im Nebenjob in der Lagerhalle eines großen Maschinenbauers verdingt, was überraschend gut bezahlt wurde. Aber ich verwarf den Gedanken sogleich wieder. Ich wollte schreiben - und ich würde schreiben.

Wieder kam mir mein universitäres Halbwissen zu Gute. Was macht ein Unternehmer, dessen Produkte sich nicht wie geplant verkaufen? Richtig, er überprüft seine Strategie. Das tat ich und erkannte schnell das Problem: Ich mußte diversifizieren!

Meine Kernkompetenz war das Schreiben, an dieser Prämisse wollte ich erst mal nicht rütteln. Meine Produktionsfaktoren - also im wesentlichen ich - hatte ich im Griff, und die Kostenstruktur konnte man getrost als vorbildlich bezeichnen. Ich sah zu, dass ich mit einer warmen Mahlzeit am Tag auskam und auch ansonsten leistete ich mir wenig Overhead. Aber an meiner Marktstrategie mußte ich arbeiten. Meine Produktpalette umfaßte im wesentlichen Auftragsarbeiten für Zeitungen und Zeitschriften, sowie unbeauftragte Arbeiten an eigenen Geschichten, die einfach nicht ihren Weg zu einem Verleger finden wollten. Warum nicht das eigene Spektrum verbreitern und sich neue Märkte erschließen?

Bei besagtem Maschinenbauer hatte ich jemanden kennengelernt, der mir vielleicht weiterhelfen konnte. Wenige Wochen später ging tatsächlich mein erstes Werk in Druck und die Miete für den nächsten Monat war gesichert. Gut, vielleicht hätte ich mir für meine erste Veröffentlichung ein bißchen mehr künstlerische Freiheit erhofft, aber deutsche Maschinenbauer sind da recht konservativ. Vor allem, wenn es um die Gebrauchsanweisungen für ihre Geräte geht.

Ermuntert von diesem Erfolg weitete ich meine Diversifikationsstrategie aus.

Beipackzettel für die Pharmaindustrie waren der logisch nächste Schritt, ein durchaus anspruchsvolles Sachgebiet. Dann entdeckte ich das Protokollschreiben für mich. Am Landgericht sprang ich regelmäßig ein, wenn einer der wenigen Gerichtsschreiber, die es nach der letzten Kürzungsrunde im öffentlichen Dienst noch nicht erwischt hatte, einmal gesundheitsbedingt ausfiel. Auch der Protokollführer im Wiesbadener Landtag war ganz dankbar, wenn er mich ab und an als Aushilfskraft engagieren konnte.

Mit dererlei Referenzen im Gepäck öffneten sich mir Schritt für Schritt auch die Türen in die Privatwirtschaft, wo der Sparzwang glücklicherweise noch stärker auf den  Unternehmen lastete. Selbst Direktoren und Vorstände hatten schmerzhafte Opfer zu bringen. Natürlich war Opfer bringen eine andere Liga, als Opfer zu sein, aber es traf manchen Manager doch bis ins Mark, dem Rotstift zuliebe statt persönlicher Assistentin plötzlich nur noch auf einen Sekretariats-Pool zugreifen zu können. Um diese Amputation halbwegs zu verschmerzen, wurden zu besonderen Anlässen Freelancer von außen angeheuert. Zum Beispiel, um in einer wichtigen Sitzung mit einem eigenen Assistenten der Selbstinszenierung den letzten Schliff und dem Leitwolf den notwendigen Respekt vor der Meute zu verschaffen. Es waren die kleinen Dinge, die über die Karriere eines Top-Managers entscheiden konnten. Weniger die Güte der Arbeit und erst recht nicht der Zielerreichungsgrad, wie viele irrtümlich meinten.

Meine künstlerische Entwicklung profitierte zugegebenermaßen nicht in gleicher Weise von meinen Engagements wie mein Portemonnaie. Es konnte eben nicht jeder ein Oscar Wilde sein und mit komödiantischen Auftragsarbeiten einen amourösen Lebensstil finanzieren. Ich mußte eher  aufpassen, weder meine literarischen noch meine amourösen Ambitionen zu sehr zu vernachlässigen. Das galt auch für das klassische Handwerkszeug des Schreiberlings. Beim Thema Einleitung  zum Beispiel hatte ich noch Verbesserungspotential. Ich sollte versuchen, in Zukunft kompakter zu werden und den Hauptstrang meiner Geschichte nicht gleich zu Beginn aus den Augen zu verlieren.

Ich stand also an der Rezeption dieses Landgasthofs mitten im schönen Taunus und ließ mir von der umwerfenden Empfangsdame den Weg zum Konferenzraum Bad Vilbel weisen. Mit einem strahlenden Lächeln, aber ausgeprägtem hessischen Akzent, der mir tinnitusartig in den Ohren klingelte. Ich hätte sie trotzdem liebend gerne noch irgend etwas gefragt, zum Beispiel wann sie denn mal Pause hätte und ob ich sie auf einen Kaffee einladen dürfte, wenn ich mich so etwas getraut hätte.

Tat ich aber nicht, und so marschierte ich nach Bad Vilbel. Es war ein großer Raum und ich wurde bereits erwartet. Ein korrekt gekleideter Mittvierziger trat aus einer ganzen Truppe korrekter Mittvierziger auf mich zu.

"Mein Name ist Dr. Bundschuh", begrüßte er mich. Stahlgrauer Anzug, silbergraue Krawatte, blaugraues Hemd und blaugraue Augen hinter einer randlosen Brille. Selbst der Händedruck von Dr. Bundschuh strahlte kühle Effizienz aus.

Ich erwiderte den Händedruck und verzog keine Miene, aber dass dieser Mann Bundschuh hieß, fand ich einfach großartig. Ich speicherte mir den Namen, um ihn später in einer meiner Geschichten zu verwerten. Es gab Details, die sich ein angehender Autor nicht entgehen lassen durfte, ob er nun gerade praktizierte oder nicht.

"Wir haben da hinten einen Arbeitsplatz für Sie vorbereitet. Ich nehme an, Sie sind mit dem Ablauf vertraut?" Bundschuh sah mich forschend an.

Ich gab mit einem Nicken zu verstehen, dass mir im Grunde alles klar war, auch wenn es am Telefon geheißen hatte, dass mir die Einzelheiten zu meiner Aufgabe vor Ort mitgeteilt würden. Das brachte mir einen Pluspunkt bei meinem Gegenüber ein, der offensichtlich kein Freund großer Worte war. Um seine Mundwinkel deutete sich ein Lächeln an, das es allerdings kaum bis zu den Wangen, geschweige denn zu den Augen schaffte. Ich hatte einmal gelesen, dass wir über zwanzig Muskelgruppen trainieren, wenn wir lächeln, wodurch der Vorgang auch physiotherapeutisch wertvoll wurde. Es schien auch mit wesentlich weniger Aufwand zu gehen.

Dr. Bundschuh wandte sich ab und überließ mich meinem Schicksal.

Der Raum roch nach Seminar. Eine unverkennbare Mischung aus Kaffee, Edding-Schreibern und Schweiß. Jetzt am Morgen dominierten Edding und Kaffee. Am Nachmittag würde sich der Schweißgeruch unaufhaltsam in den Vordergrund schieben. Gerade bei einem Assessment.

Mein Job war es heute, ein Management-Assessment zu protokollieren. Eine große Frankfurter Bank hatte zwölf vielversprechende Führungskräfte der mittleren Ebene eingeladen, um aus diesem Kreis eine vakante Führungsposition neu zu besetzen.

Vor neun Monaten - zu Beginn meiner Diversifikationsstrategie - war mein Erfahrungsschatz ziemlich dünn gewesen, was die Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft anging. Aber seitdem war ich mit einer ganzen Reihe von Assessments schwanger gegangen. Inzwischen kannte ich mich aus.

Das Grundprinzip war einfach: Die Kandidaten wurden einen Tag lang an einen abgeschiedenen Ort gelockt und dort so lange mit mehr oder weniger sinnvollen Aufgaben bombardiert, bis sich nach Ansicht der allgegenwärtigen Beobachter die Spreu vom Weizen getrennt hatte. Die Veranstalter legten großen Wert auf eine saubere Dokumentation. Wie agierten die Bewerber im Rahmen der Gruppenübungen? Wie gingen sie an ihre Einzelaufgaben heran? Welche Akzente setzten sie in den Diskussionsrunden? Dabei ging es nicht darum, mit Hilfe der Dokumentation einen objektiven Gewinner des Beauty Contests zu ermitteln. Diese Entscheidung war eine subtile Mischung aus erstem Eindruck, aktueller Stimmung und Bauchgefühl, sowie eine Frage der Vorgeschichte und wer wen wie gut kannte. Nein, es ging darum, für die Gespräche mit den unterlegenen Bewerbern später argumentativ gut gerüstet zu sein.

Ich schlenderte zu meinem Platz. Keiner schien sich für mich zu interessieren, und so warf ich schon mal einen Blick auf den Laptop, der mich an meinem Arbeitsplatz erwartete. Vielleicht konnte ich dort etwas über den Ablauf des heutigen Tages in Erfahrung bringen. Das Mail-Programm war geöffnet und im Eingangskorb blinkten sechzig ungelesene Nachrichten. Wahrscheinlich das komplette Infopaket mit allen Übungsaufgaben für die Teilnehmer. Ich interessierte mich zunächst mal nur für die Agenda. Um Zeit zu sparen, verschob ich alles, was offensichtlich nichts mit Agenda zu tun hatte, in den Papierkorb. Übrig blieben drei Mails, die ich kurz öffnen mußte. Bingo, da war auch schon meine Agenda. Na also!

Hinter mir räusperte sich jemand. Ich drehte mich um. Hinter mir stand ein Mann, dessen grauer Aufzug ihn untrügerisch als Kollegen von Dr. Bundschuh auswies. Im Gegensatz zu Bundschuh war dieser hier allerdings fast einen Kopf größer, hager und hatte so spitze Ohren, wie man sie sonst nur von Vulkaniern kennt.

Egal, ich grüßte freundlich. Diese Leute bezahlten schließlich mein Honorar, da konnten sie sich gerne von hinten anschleichen, wenn sie es für richtig hielten.

"Sie kommen zurecht?", wollte Spock wissen und registrierte mit hochgezogener Augenbraue, was ich mit seinen Mails gemacht hatte.

"Sicher", sagte ich. "Von mir aus kann es losgehen". Forsches Auftreten konnte nicht schaden. Gerade von einem namenlosen Schreiberling wie mir. Nach meiner Erfahrung prägte sich so etwas ein, und wenn man im Laufe des Tages keinen Bock schoß, standen die Chancen für einen Folgeauftrag deutlich besser, als bei der Graue-Maus-Strategie. Denn auch wenn ich bislang nicht über das Vordiplom hinausgekommen war, hatte es sich doch bis zu mir herumgesprochen, das es siebenmal effizienter ist, einen Stammkunden zu penetrieren, als einen Neukunden gewinnen zu müssen.

"Die anderen brauchen noch einen Moment", ließ Spock mich wissen. Es klang, wie wenn die Anderen sich damit eines mittelschweren Verbrechens schuldig gemacht hätten und ich der Einzige war, der den Betrieb nicht unnötig aufzuhalten gedachte. Schriftsteller haben feine Ohren für solche Nuancen. Mir konnte es recht sein. Meine Strategie in Sachen Produktmarketing - mit mir als Produkt - schien aufzugehen.

Die Gruppe erschien mir auf den ersten Blick ziemlich chaotisch, obwohl es sich um erfahrene Leute handeln mußte. Alle so zwischen Vierzig und Fünfzig, aber ohne die Aura der Souveränität, die man in diese Altersklasse erwartete, wenn es um die Besetzung einer Führungsposition ging. Zwei oder drei vielleicht etwas jünger. Ich fiel mit meinen 26 Lenzen auf jeden Fall aus dem Rahmen.

Mir gegenüber in der Runde hatte ein rotblonder Typ mit Sommersprossen Platz genommen, der ebenfalls aus dem Rahmen fiel. Vielleicht war es ja sein erstes Assessment. Und seinen Kafka hatte er auch nicht gelesen. Sonst hätte er kaum den Vaux pas begangen, hier ganz in Grau zu erscheinen. Peinlich. Wo kamen wir denn hin, wenn die Delinquenten in Wärter-Uniform herumliefen? Sommersprossen hin, Sommersprossen her. Alle anderen hatten diese erste Assessment-Aufgabe besser gemeistert und trugen dezente Kombinationen aus dem beige-braunen Spektrum oder dunkle Anzüge mit bunten Krawatten. Unauffällig, aber mit individueller Note, und sorgsam darauf bedacht, sich in punkto Kleiderordnung jeder plumpen Anbiederung zu enthalten. Ich selbst hatte einen lässigen Rolli unter mein Sakko gezogen.

Mir war klar, dass ich die Beiträge dieses sommersprossigen Vogels besonders sorgsam dokumentieren mußte. So wie ich das sah, würde sein Feedback-Gespräch am Ende des Tages eine schmerzhafte Angelegenheit werden - da müßte er fachlich schon Wunderdinge vollbringen, um diesen Schnitzer noch auszugleichen. Und selbst dann hätte ich nicht meine Hand für ihn ins Feuer gelegt. Wie auch immer, meine Auftraggeber wollten genau für solche Fälle von hoffungsloser stilistischen Inkompetenz mit handfesten Argumenten versorgt werden. Ein gutes Assessment zeigt sich schließlich an der Qualität seiner Feedback-Gespräche. Gerade bei den Absagen.

Die Diskussion in der Gruppe kam nicht recht vom Fleck. Immer wenn einer der Kandidaten die Zügel in die Hand nehmen wollte, verweigerte sich der Rest mit erstaunlicher Standhaftigkeit. So leicht wollte man einem Konkurrenten keine Pluspunkte in Sachen Leadership überlassen. Leider kam die Gruppe auch nicht auf die Idee, gemeinschaftlich in Sachen Teamwork zu punkten. Ich fürchtete, dass nach Ablauf der vorgesehenen 45 Minuten die Metaplan-Wand mit der Ergebnispräsentation noch genauso aussehen würde wie jetzt. Leer.

Für mich und meine Profilierungsstrategie war das eine undankbare Konstellation, wenn es so gar nichts zum Mitschreiben gab. Bislang hatte noch niemand einen Beitrag geleistet, der auch nur eine Fußnote wert gewesen wäre.

"Wie wäre es denn, wenn jeder seinen wichtigsten Gedanken in drei Worten auf eine Karte schreibt?", fragte ich in die Runde, als sich die Gruppe mal wieder gegenseitig in eine Patt-Situation manövriert hatte. "Die Karten pinnen wir dann an die Metaplan-Wand", schlug ich vor.

Mehrere Augenpaare starrten mich ungläubig an. Mir war‘s egal. Ich mußte schließlich eine gute Arbeit abliefern, wenn ich auf Folgeaufträge spekulierte. Da brauchte ich schon ein bißchen Input! Die Bank hatte ein ziemlich großes Budget für Freelancer, wie ich aus sicherer Quelle erfahren hatte.

Niemand rührte sich. Aber es widersprach auch niemand. Zum ersten Mal seit zwanzig Minuten! Fast schon ein gemeinschaftliches Erfolgserlebnis.

"Ich fange einfach mal an", sagte ich, schnappte mir eine Karte, beschriftete sie mit "Unsere wichtigsten Gedanken" und pinnte sie an die Wand. Ich war ja zu absoluter Neutralität verpflichtet, und diese Karte erschien mir harmlos genug. War sie wohl auch. Mein Vorstoß brachte jedenfalls das langersehnte Leben in die Gruppe. Keine fünf Minuten später hatte jeder der Herrschaften mindestens einen eindrucksvoll klingenden Gedanken zu Papier gebracht, den er anpinnte und den Kollegen erläuterte, um sich zu profilieren. Ich hatte etwas zum Protokollieren, schnappte mir mein Notebook und haute ohne weiteren Kommentar in die Tasten.

Bundschuh schaute zu mir rüber. Mit einer tiefen Stirnfalte in seinem makellos nichtssagendem Gesicht. Vielleicht hätte ich mich nicht in die Gruppenarbeit einmischen dürfen? Aber dieses unsägliche Hin und Her hatte mich geradezu fertig gemacht. Unter meinen zukünftigen literarischen Figuren würde sicher kein Hamlett anzutreffen sein. Nicht nur, weil seinesgleichen für Normalsterbliche eine Nummer zu groß war, sondern auch, weil mich diese Wankelmütigkeit schier in den Wahnsinn treiben würde. Man leidet schließlich mit seinen Charakteren mit.

Als nächstes stand ein Fragebogen auf dem Programm. Da gab es für mich nicht viel zu tun, die Probanden protokollierten sich quasi selbst. Trotzdem hatte man auch mir einen Bogen in die Hand gedrückt. Es begann mit Multiple Choice. Obwohl Schreiben mein Hobby war, liebte ich Multiple Choice. Waren nicht eine Reihe von identischen Kreuzen, die sich einzig über ihre Positionierung auf dem Papier sinngebend voneinander differenzierten, die Krone minimalistischer Prosa?

Gut, das war etwas dick aufgetragen. In Wahrheit war es eher so, dass mich Multiple Choice immer an "Wer wird Millionär" erinnerte. Und wer wollte nicht gerne Millionär werden?

Jedenfalls, ehe ich mich versah, hatte ich bereits alle Kästchen ausgefüllt. Da konnte ich die Fallstudie, die sich anschloß, auch noch schnell machen. Natürlich hieß sie nicht Fallstudie sondern Business Case. Es wurde tatsächlich eine ganze Seite Text als Antwort erwartet. Quasi Gattungswechsel zur epischen Form. Wenn die Gruppenarbeit irgendein Maßstab war, konnte das für die Kollegen eine zähe Angelegenheit werden. Andererseits - im Modus Jeder gegen Jeder waren sie sicher nicht zu unterschätzen. Verschleppungstaktik brachte ja jetzt nichts mehr; die Konkurrenz war nur noch über den Umweg eigner brillanter Ideen auf die Plätze zu verweisen. Kein Wunder, dass die Kandidaten alle fleißig am Schreiben waren. Sommersprosse verlangte sogar  ein zusätzliches Blatt Papier. Dieses abwegige Ansinnen wurde ihm natürlich verwehrt. Es wurde schließlich ein neuer Manager gesucht, kein neuer Thomas Mann. Der Arme ließ wirklich keinen Fettnapf aus.

Was mich betraf, so kapierte ich die Aufgabenstellung nicht und schrieb das auch hin. Schade. Ich hatte gedacht, hier mal meine stilistischen Stärken ausspielen zu können. Nur so für mich natürlich. Aber ich hatte die letzten paar Jahre nicht im mittleren Management einer Großbank zugebracht, und genau diese Erfahrung schien man zu brauchen, um überhaupt die Aufgabe verstehen zu können. Von der richtigen Antwort ganz zu schweigen.

Ich legte also den Bogen unverrichteter Dinge wieder beiseite. Er ging mich ja eigentlich auch nichts an - ich war schließlich kein Teilnehmer. Statt dessen brachte ich meine bisherigen Mitschriebe in Reinform. Warum unnötig Zeit verschenken?

Als nächstes sah die Agenda eine Mittagspause vor, allerdings ohne Pause. Der Streßfaktor bei den Teilnehmern sollte hochgehalten werden, deshalb wurden sie in der ‚Pause‘ systematisch mit Small Talk überzogen. Ich sah keinen Grund, warum ich mich an dieser Stelle mit den anderen Delinquenten solidarisch zeigen sollte und ging kurz rüber in die Stube, um ein Paar Frankfurter Würstchen mit Kartoffelsalat zu verdrücken. Ganz nebenbei hoffte ich, bei dieser Gelegenheit vielleicht noch einen Blick auf die sympathische Empfangsmaus zu erhaschen, wobei sympathisch mein unbeholfener Euphemismus für supersexy war. Leider war die Rezeption gerade verwaist. Dann also Kartoffelsalat. Das ist eine Wissenschaft für sich und wird in jeder Region anders gehandhabt. Die Schwaben machen ihn mit Fleischbrühe und Essig an, während die Thüringer auf Ei und Mayonnaise in ihrem Kartoffelsalat schwören. Die Hessen wiederum greifen gerne zu Schinkenspeck und Gewürzgurke. Dieser hier war warmer hessischer Kartoffelsalat vom Feinsten, eine Spezialität der Region, die meinem Gaumen große Freude bereitete.

Als ich zurückkam, waren die Fragebögen verschwunden. Die Gruppe hatte die Small Talk Übung anscheinend überstanden und sich im Raum verteilt. Ein paar Kandidaten blickten versonnen aus den Fenstern, wo eine verschwenderische Nachmittagssonne die Kieswege golden funkeln ließ, andere standen abwartend beieinander, darum bemüht, im beiläufigen Plauderton ihre Anspannung zu überspielen. Hier und da ein erzwungenes Lachen, eine Spur zu laut und aufgesetzt. Egal wieviele Tests man in seinem Leben bereits hinter sich hatte, die Nervosität, wie man abgeschnitten hatte, ließ sich nie völlig abschütteln. Die Unterhaltungen addierten sich zu einem geschäftigen Murmelteppich, der durch den gesamten Raum waberte. Darüber spürbar ein Hauch von Spannung. Darüber ein Hauch von Achselschweiß.

 Ich ging zu Bundschuh und erkundigte mich, ob er mich bei den Einzelgesprächen dabeihaben wollte. Das war immer ein heikler Punkt. Nicht jede Firma wollte diesen Teil des Assessments schwarz auf weiß dokumentiert haben.

"Wir wollen erst die Fragebögen fertig auswerten", sagte Bundschuh. "Aber dann hätten wir Sie gerne bei einem Gespräch mit dabei".

"Möchten Sie auch gleich meine Aufzeichnungen haben?", fragte ich.

"Ihre Aufzeichnungen?" Bundschuh erschien ehrlich verblüfft. Er hatte wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass er das Material so schnell von mir bekommen würde. Abgabe war eigentlich erst morgen. Aber Bundschuh hatte sich schon wieder gefangen. Er neigte ja nicht zu übertriebener Emotionalität.

"Sehr gerne."

Von der Tür her winkte ein anderer Aufpasser einen Kandidaten zu sich. Die beiden verschwanden in Richtung der kleinen Räume, in denen mit den aussichtsreichen Kandidaten jetzt Einzelgespräche geführt wurden.

Es schien mehrere von diesen Einzelräumen zu geben, denn schon wieder erschien ein Grauträger in der Tür und winkte. Es war Spock.

Ich hätte schwören können, dass er direkt in meine Richtung schaute. Tat er auch. Ich sah Bundschuh fragend an, der noch in meiner Nähe weilte.

"Sie sind dran", sagte Bundschuh. „Ich begleite Sie.“ Wir marschierten den Gang hinunter zu Raum Kronberg.

Keine Frage, Kronberg war ein anderes Kaliber als Bad Vilbel. Hier roch es nach Einfluß und Entscheidung. Der Kaffeeduft, der dem goldgeränderten Porzellan-Service entströmte, war frei von olfaktorischen Mißtönen jedweder Art. Er hatte den herb-frischen Unterton fruchtbarer Erde. In der Mitte des Raumes stand ein auf Hochglanz poliertes Mahagoni-Konferenztischchen mit sanft geschwungenen Holzbeinen. Nicht die zusammenklappbare Stelltisch-Massenware aus Bad Vilbel. Die Botschaft war klar: Wer es über Bad Vilbel bis Kronberg geschafft hatte, spielte ab sofort in einer anderen Liga. Die vier bequem gepolsterten Ledersessel rundeten diesen Eindruck dezent ab mit einer geruchlichen Note ins Gediegene.

Aus einem der Sessel erhob sich ein Mann, schüttelte mir schwungvoll die Hand und bedeutete mir Platz zu nehmen. Bundschuh und Spock warteten respektvoll bis wir beide Platz genommen hatten, um sich dann vorsichtig auf der Vorderkante der verbleibenden Sitzgelegenheiten niederzulassen. Ohne ein weiteres Wort hatte mir diese kurze Begrüßungssequenz gezeigt, wer hier das Sagen hatte.

Für meinen neuen Gegenüber schien auch die Kleiderordnung nicht zu gelten. Jedenfalls trug er anstatt Einheitsgrau eine Maßkonfektion in erdigen Brauntönen. Elegant aber nicht aufdringlich, passend zur Jahreszeit, zu seinem hellen Hauttyp und den mittelblonden Haaren.

„Mein Name ist Müller, begann er das Gespräch. „Sie haben da eine prima Vorstellung hingelegt“.

„Freut mich“, sagte ich vorsichtig. Mir war noch nicht klar, worauf Müller hinauswollte. Hatte ich einen so bleibenden Eindruck hinterlassen, dass man mir weitere Aufträge anbieten wollte? Gefreut hätte es mich, aber Müller schien mir nicht die Liga zu sein, die mit Schreibkräften verhandelte.

„Was halten Sie davon, wenn wir Ihnen einen Job anbieten?“, fragte Müller. Konnte der Mann Gedanken lesen? Bei Bundschuh zuckte es kurz um die Mundwinkel, während Spock sich hektisch in eine Liste vertiefte, die er aus einer Arbeitsmappe zutage förderte. Beide schienen nicht richtig eingeweiht in das, was Müller vorhatte.

„Ich bin immer an neuen Aufträgen interessiert“, sagte ich.

„Was ist Ihre größte Stärke?“, wollte Müller wissen.

War ich jetzt plötzlich Bestandteil des Assessments? Aber gut, das war eine Standardfrage, und ich hatte in den letzten neun Monaten, in denen ich mir meine Brötchen selbst verdienen mußte, damit umzugehen gelernt.

„Also, ich denke, ich habe eine schnelle Auffassungsgabe. Kann Zusammenhänge schnell erkennen und gut formulieren. Bin flexibel und habe…“

„Nein, nein,“ unterbrach mich Müller. „Das meine ich nicht. Ich meine, was macht Ihnen Spaß? Wo sind Sie einfach gut?“

„Ich schreibe gern“, sagte ich.

„Das ist doch großartig“, meinte Müller nach einer klitzekleinen Pause und sah zu Bundschuh hinüber. Der nickte pflichtbewußt. Aber ohne Enthusiasmus.

„Ein kreativer Kopf und ein Freund des geschriebenen Wortes. Das ist genau das, was wir brauchen. Verstehen Sie was von Konserven?“

„Konserven?“

„Sie wissen schon. Linsen, Erbsen, Obst, Gemüse. Sie werden doch schon mal eine Dose Ravioli gegessen haben, oder?“

„Ravioli? Klar…“

„Großartig“, strahlte Müller. „Wissen Sie eigentlich, wie viele Konservendosen in Deutschland jedes Jahr über die Ladentische gehen?“

„Ähm… bestimmt ein paar Millionen, oder?“

„Weit mehr als eine Milliarde. Nicht weniger als 800 Betriebe sind allein in Deutschland mit Herstellung und Abfüllung beschäftigt.“ Müller schaute mich erwartungsvoll an.

Was sollte denn das werden? „Sie wollen mir doch keinen Job in einer Konservenfabrik anbieten, oder?“, wollte ich wissen. Ich wüßte nicht, was es da zu dokumentieren gäbe.

„Natürlich nicht“, meinte Müller. „Was sollten denn Sie als Freund des gedruckten Wortes in einer Konservenfabrik?“

„Eben“, sagte ich.

„Aber haben Sie mal daran gedacht, dass jede dieser Fabriken jemanden braucht, der die Banderolen zuliefert?“

„Banderolen?“ Ich war einigermaßen verwirrt.

„Ja, um die Dosen zu beschriften. Weißblechbetriebe sind keine Druckereien. Wir hingegen haben da eine Firma im Portfolio, die ist eine ziemlich große Nummer im Banderolengeschäft. Im wesentlichen eine gigantische Spezialdruckerei. Wäre das nichts für Sie?“

„Ich weiß nicht?“

„Ein guter Slogan, und er wird 100.000 Mal gedruckt. Was für eine Auflage! Schlägt da das Schriftstellerherz nicht höher?“

„Kommen die Slogans denn nicht von den Marketing-Agenturen der Kunden?“, fragte ich.

„Schon“, strahlte Müller. „Aber trotzdem. Wie sieht es aus? Wir reden hier von einer Position als Geschäftsführer!“

Ich schaute hilfesuchend zu Spock und Bundschuh. „Ich glaube, hier liegt ein Mißverständnis vor. Eigentlich habe ich heute bloß…“

„Ja“, sagte Spock. „Aber Sie haben die Postkorbaufgabe so schnell gemeistert wie kein anderer.“ Er konsultierte seine Liste. „Bei der Gruppenarbeit hätte das Team ohne Ihre Hilfe keinerlei nennenswerte Ergebnisse produziert. Und beim multiple choice Test haben Sie die volle Punktzahl.“

„Aber ich habe doch gar nicht mitgemacht!“, wandte ich ein.

„Dafür ist das wirklich kein schlechtes Ergebnis“, meinte Müller.

„Aber… aber was ist mit der Fallstudie?“, fiel mir ein. „Da waren doch sicher die anderen besser!“

Spock warf einen Blick in seine Liste. „Leider nein. Sie haben als Einziger erkannt, dass die Aufgabe unlösbar war. Die Widersprüche, die wir in den Text eingebaut hatten, sind sonst niemandem aufgefallen. Dabei war die Aufgabenstellung wirklich absurd. Sie glauben nicht, was wir da für abenteuerliche Antworten bekommen haben.“

Ich mußte kurz an Sommersprosse denken. Armer Kerl, würde nicht leicht werden, sein Feed-Back-Gespräch.

„Wir suchen für unser Banderolen-Business einen neuen Geschäftsführer, der sich vor allem um Marketing und Vertrieb kümmert“, nahm Müller wieder das Heft in die Hand. „Wenn Sie wollen, haben Sie den Job.“

Auch wenn ich gerade noch schnelle Auffassungsgabe zu meinen Stärken gezählt hatte, war ich doch einigermaßen perplex. „Sollte man da nicht irgendwie schon Erfahrung in der Branche haben“, wollte ich wissen.

Bundschuh nickte. Er sah das scheinbar auch so.

„Ach was“, sagte Müller. „Wir haben jetzt in zwei Jahren drei Kandidaten aus der Branche ausprobiert. Alle vom Fach, alle mit Erfahrung. Aber keiner hat den Laden so richtig in Schwung gebracht, oder?“ Das ging an Bundschuh.

„Na ja“, gab der zu. „Nicht wirklich.“

„So, und deswegen probieren wir es jetzt mal mit einem Quereinsteiger, der Köpfchen hat und vielleicht auch ein paar neue Ideen?“ Drei Augenpaare schauten mich erwartungsvoll an.

„Ich dachte, Sie sind eine Bank“, gab ich zu bedenken.

„Genau“, sagte Müller. „Unter anderem handeln wir mit Unternehmensanteilen. Man nennt das Investment Banking.“

„An der BANDEROL GmbH halten wir 49%“, klärte mich Bundschuh auf. „Damit wird das Unternehmen nicht in der Bankbilanz konsolidiert. Aber wir sind an den Gewinnen beteiligt.“

„Und Ihr Job ist es, dass die in Zukunft wieder stärker sprudeln“, erklärte Müller. „Oder dass es zumindest den Anschein hat. Solange, bis wir unsere Anteile gewinnbringend im Markt untergebracht haben, denn wir wollen uns von dem Invest wieder trennen. Gewinnbringend natürlich. Wir sind ja schließlich eine Bank. Wir bieten Ihnen einen 12-Monatsvertrag, ein vernünftiges Gehalt und ein Dienstwagen ist auch mit im Paket. Was sagen Sie?“

Es war wie im Traum. Und immerhin war Marketing mein Schwerpunktthema im Vordiplom gewesen.

„Opel oder BMW?“, wollte ich wissen.

Müller grinste. „Wenn Sie Ihren Job so forsch erledigen, wie Ihren Auftritt hier, ist auch ein BMW drin. Vielleicht nicht gerade der Siebener.“ Er lachte. Ihm schien meine Art zu gefallen.

Ich stimmte in sein Lachen ein. Bundschuh versuchte ein solidarisches Lächeln, ohne die Mundwinkel in Mitleidenschaft zu ziehen. Bei ihm schien ich nicht so gut anzukommen, wie bei seinem Chef. Nun, besser als umgekehrt.

Wir standen auf und schüttelten uns die Hände. Wir hatten einen Deal. Wer sagte denn, dass man als Schreiberling nicht an tolle Jobs herankommen konnte? Der Bestseller würde noch ein wenig warten müssen. Jetzt begann erstmal mein Leben in der Glitzerwelt des Big Business. Unendliche Weiten, die ihrer Erschließung harrten.

Spock würde wegen der Formalien in den nächsten Tagen auf mich zukommen. Beschwingt verließ ich den Raum. An der Rezeption hatte die Traumfrau wieder Stellung bezogen, um Gäste zu betören. Ich wollte schon verschämt meinen Blick senken, wie es im Angesicht schöner Frauen leider manchmal meine Angewohnheit war. Aber hey – ich hatte gerade ein neues Leben begonnen. Ich blinzelte sie also an und fragte, ob ich sie vielleicht einmal anrufen dürfe. Sie lächelte. Also lächelte ich auch. Es war gar nicht so schwer. Sie schrieb ihre Telefonnummer auf einen Zettel und drückte ihn mir in die Hand. Ohne ein Wort zu verlieren. Perfekt.

Ich trat ins Freie. Unter mir knirschten die goldenen Kiesel. Über mir strahlte ein montegoblauer Himmel. Was für ein Tag!