Jetzt pöbeln die Novemberwinde
aufs Neue herzlos durch das Land.
Die Windsbrautbrut und ihr Gesinde
sind wieder außer Rand und Band.
Die Dichter treibt es nun in Scharen
durch die Alleen hin und her.
Und ich durfte es auch erfahren:
In mir novembert es schon sehr.
Der Winter steht nun unerlässlich
vor mir und meines Lebens Tür.
Jetzt wär ich wirklich gern vergesslich.
Das bin ich – nur nicht jetzt und hier.
Melancholie. November eben.
Die Sonnenstunden werden knapp.
Grad übte man sich noch im Schweben.
Nun stürzt man mit den Blättern ab.
Man könnte sich aufs Schlittschuhfahren
und auf Kastanienfeuer freuen,
würden nicht nach so vielen Jahren
gewisse Depressionen dräuen.
Man könnte auch der Agonie
mit Übermut den Rücken kehren,
mit Festen und mit Räuschen, die
gewisser Reize nicht entbehren.
Nur kennt man das schon allzu gut.
Man hat sich so oft abgelenkt.
Es fasst im Frühling der nur Mut,
der sich im Herbst auch Trauer schenkt.
Melancholie. November eben.
Der Herbst zieht in die Herzen ein.
Es gibt auch Gründe, nicht zu leben.
Sie müssen ja nicht triftig sein.
Alles das und mehr
Sie wagt zu weinen mittendrin,
ein Stachel, scheinbar ohne Sinn,
schreibt ohne Rücksicht auf Gewinn die tiefen Lieder,
zwar meistens wird sie überdeckt,
hinter Betriebsamkeit versteckt,
doch aus der Tünche taucht sie immer wieder.
Wohin du fliehst, sie beißt und nagt,
gibt keinen Frieden, hinterfragt,
die Professoren nennen’s Depressionen.
Dann hast du Angst, allein zu sein,
und sperrst dich in Gemeinschaft ein
und würdest lieber in dir selber wohnen.
Du spürst, sie will, dass man sich stellt,
vor allem dem, was nicht gefällt,
und du erkennst bald, deine Seele ist nur Leergut.
Wohin du flüchtest – du verbrennst,
wenn du sie nicht beim Namen nennst,
die Schwester deines Glücks – die Schwermut.
Ach, wir verwechseln Sinn und Zweck
und cremen uns die Falten weg,
bewundern einzig und allein den eignen Nabel.
Egal wer dieses Spiel verliert,
wir bleiben gierig, ungeniert,
entscheidend ist: die Welt ist profitabel.
Doch wie du dich auch noch bemühst,
vor Eigennutz im Zorn erglühst,
um alles auf dein Weltbild zu beschränken,
sie ist es, die, noch wenn man stirbt,
den letzten Atemzug verdirbt,
um deinen Blick von dir auf andere zu lenken.
Du spürst, sie will, dass man sich stellt,
vor allem dem, was nicht gefällt,
wenn du sie nicht mehr fühlst, dann bist du tot.
Selbst wenn du flüchtest, du verbrennst,
wenn du sie nicht beim Namen nennst,
denn sie ist weiter in der Welt – die Not.
Wer seine Werte selbst bestimmt
und wer sich auf sich selbst besinnt,
ist marktwirtschaftlich nicht mehr zu gebrauchen.
Das ist nicht gern gesehn zurzeit.
Verdient wird an Beliebigkeit,
und schließlich muss der Schornstein immer rauchen.
Deshalb bleibt manches Lied gezielt
sich selbst umkreisend ungespielt.
Es könnte beim Verdrängen stören.
Und doch, wir können nicht umhin,
wir ahnen es tief in uns drin:
Es ist gefährlich, zu oft wegzuhören.
Du spürst: es will, dass man sich stellt
und nicht nur dem, was dir gefällt.
Es bleibt nur dies: Du musst dir alles geben.
Und wenn du flüchtest, du verbrennst,
wenn du es nicht beim Namen nennst.
Denn alles das und mehr: Das ist das Leben.
Was ist das nur, ein Vaterland –
in welchen Grenzen wohnt es,
in denen wie vor hundert Jahrn?
Wen hasst es, wen verschont es?
Und was verbindet uns mit ihm,
sein Reichtum, seine Siege?
Wie schnell hat man ihm doch verziehn
die Toten und die Kriege.
Was lässt mich stolz sein auf ein Land,
nur weil es nicht so arm ist
wie andre, wo’s vielleicht dafür
dem Volk im Herzen warm ist?
Und hätte nicht ein Mutterland
– ich weiß, das gibt es nicht –
für alle, die ihm anvertraut,
ein lieberes Gesicht?
Was ist das nur, ein Vaterland?
Was ist das nur, ein Vaterland,
ist es dein Fleisch und Blut?
Macht es dir, wenn du rebellierst,
zum freien Denken Mut?
Ist es ein Vater, der dich stets
auch über Klippen führt,
der dir den Hals zuschnürt?
Willst du an dieses Vaters Hand
wirklich in schweren Zeiten
voll Zuversicht zu diesem Band
durch Höhn und Tiefen schreiten?
Liebt dich denn dieser Vater auch?
Wie wirst du ihn beerben?
Lässt er dich ohne Eifersucht
wirklich erwachsen werden?
Vom Untertan zum Bürger werden?
Genügt es denn, nur Kind zu sein,
dass man sich erst beschwert,
wenn einen dieser Vater Staat
nicht wie gewohnt ernährt?
Und müssten wir nicht endlich auch
den Vater uns erziehen,
ihn fordern mit Ideen, mit
Visionen, Utopien?
Was soll das noch, ein Vaterland
in den vernetzten Zeiten?
Wollen wir denn wirklich immer noch
um Blut und Rasse streiten?
Nicht spreche ich von Heimat,
ihren Kindheitszauberorten,
all den wohlvertrauten Worten.
Und Heimat ist doch überall,
wo man sich damit segnet,
dass man, für Augenblicke nur,
sich endlich selbst begegnet.
Nur dieses arg missbrauchte Wort
lässt sich für mich nicht fassen.
Ich kann den Ausdruck Vaterland
nicht lieben und nicht hassen.
Und glaubt mir, Freunde, mir genügt
mein Vater zur Genüge.
Ein ganzes Land als Vater war
schon immer eine Lüge.
Allein
Da waren doch so viele Tage
und sie verflogen im Nu.
Und jetzt bleibt die quälende Frage:
Wozu?
Wozu nur dieses Gegockel
und all die Angeberein.
Am Ende fällst du vom Sockel.
Allein.
trotz Rente und Zugewinn.
Es fehlte den Lebensplänen
der Sinn.
Askese und Ekstase,
du warst nie wesentlich.
Nur eine Seifenblase:
dein Ich.
Das meiste war unverständlich,
trotz Stunden des Lichts.
Wie alles zerfällst du letztendlich
in nichts.
Warum sich ans Leben krallen,
lass aus und lass dich ein.
Du findest nur im Zerfallen
dein Sein.
Variationen über ein Gedicht von Erich Fried
So friedliebend bin ich nun wieder nicht,
dass ich meinen Frieden mache mit den Kriegen
und mit denen,
die Kriege führen,
und mit denen, die Kriege führen, um Frieden zu machen.
denn mich dauern die Steine,
die man würfe gegen jene,
die Kriege machen
und denen Kriege so selbstverständlich geworden sind,
dass ihnen Frieden nur mit Krieg
erreichbar scheint.
Frieden ist nicht einfach ein Zustand zwischen zwei Kriegen,
sondern die Überwindung des Kriegs
und des Kriegerischen in uns.
Und so friedliebend bin ich nun wieder doch,
mich überwinden zu wollen,
um meinen Frieden zu machen mit dem Krieger
in mir.
Was immer mir der Wind erzählt
Es duftet nach Akazien und
dein Lächeln duftet auch.
Die Winde meinen’s gut mit uns,
die Welt nimmt uns in Kauf.
Wir reden nicht, wir schweigen nicht,
wir sind ganz einfach da.
Wir spiegeln uns im Sommerlicht
und sind uns nah.
Als hätt ich dich noch nie gesehn,
verwirrt mich dein Gesicht.
Die Zeit mag ruhig zugrunde gehn.
Wir tun es sicher nicht.
Wir geben uns ganz absichtslos
und ohne tiefren Sinn
wie Wolken unterm Himmel ziehn
der Liebe hin.
Was immer mir der Wind erzählt,
der Mond und mein Klavier:
Sie singen nur das eine Lied,
sie singen nur von dir.
Sie kannten dich schon vor der Zeit,
bevor die Welt entstand.
Dein Name ist in jeden Baum,
in jeden Fels gebrannt.
Es gibt so viele Lieder über
diesen Augenblick,
voll Schwülstigkeit und Flieder und
mit wehem Blick zurück.
Doch all die schweren Worte,
sie sind nichts als gut gemeint.
Sie können nicht beschreiben,
was uns beide eint.
Das Laute schweigt, die Stille tönt.
Ich weiß nicht wer ich bin.
und sinnvoll ohne Sinn.
Die Welt ist wohl aus Nichts gemacht,
ganz leicht, wie nebenbei.
Und ohne dich bricht diese Welt
ganz sicherlich entzwei.
Was immer mir der Wind erzählt,
der Mond und mein Klavier:
Sie singen nur das eine Lied,
sie singen nur von dir.
Sie kannten dich schon vor der Zeit,
bevor die Welt entstand.
Dein Name ist in jeden Baum,
in jeden Fels gebrannt.
Es duftet nach Akazien und
dein Lächeln duftet auch.
Die Winde meinen’s gut mit uns,
die Welt nimmt uns in Kauf.
Wir reden nicht, wir schweigen nicht,
wir sind ganz einfach da.
Wir spiegeln uns im Sommerlicht
und sind uns nah.
Er hat den Namen abgelegt wie einen Ranzen
und was dazugehört: den Pass, das letzte Geld.
Er wollte nicht mehr mit den andern tanzen –
und keinen Aufstand, denn er war kein Held.
Als er davonging, bellten ein paar Hunde,
und nebenan gingen die Lichter aus.
Er drehte ohne Grund noch eine Runde,
dann ließ er sich zurück in seinem Haus.
Er aber ließ sich los und sprang, befreit
von sich und all dem, was er hinterlassen,
dem Mond entgegen, der bereit
und nah war, fast schon anzufassen.
Und so wie Winde durch die Straßen jagen,
lief er dem neuen Leben hinterher,
begann, sich mit dem Dasein zu vertragen –
und man kann sagen: er genoss das sehr.
Was hat man nicht versucht, aus ihm zu machen.
Was hat man doch vergebens investiert.
Das Leben fängt an, richtig Spaß zu machen,
wenn man auf einmal nicht mehr funktioniert.
Ein Name blieb zurück und eine
codierte Nummer auf gestempeltem Papier.
Die war noch ein paar Tage sehr alleine,
dann wurde sie entdeckt und archiviert.
Er aber lebte herrlich und verschont
von Bürokraten, Akten und Devisen.
Genaures weiß man nicht – auch ob der Mond
sich von ihm fassen ließ, ist nicht bewiesen.
Wieder im Leben
Wieder im Leben,
wieder dabei.
Jahre des Wandels,
der Einsiedelei.
Stürme und Flauten.
Nur eines ist klar:
Alles ist anders –
und doch wie es war.
Seltsamer Handel.
Was drängt dich zum Sein?
Leidvoll die Lüste.
Meistens allein.
Irgendwas hält dich.
Doch es tut weh:
Dieses Werde und Stirb.
Dieses Blüh und Vergeh.
genügt zu verstehn.
Bäume im Nebel.
Verzauberte Seen.
Zärtliche Worte.
Du fühlst dich vereint.
Aber wann bist schon
du gemeint?
Jahre des Wandels,
der Einsiedelei.
Stürme und Flauten.
Nur eines ist klar:
Alles ist anders –
und doch wie es war.
Trotzdem: du hältst dich,
vom Atmen verführt.
Hast manchmal wirklich
Dasein gespürt.
Wieder im Leben,
noch ist nicht genug.
Bring es zu Ende.
Leere den Krug.
Wieder im Leben,
noch ist nicht genug.
Bring es zu Ende.
Leere den Krug.
Einfach wieder schlendern,
über Wolken gehn
und im totgesagten Park
am Flussufer stehn.
Mit den Wiesen schnuppern,
mit den Winden drehn,
nirgendwohin denken,
in die Himmel sehn.
Und die Stille senkt sich
leis in dein Gemüt.
Und das Leben lenkt sich
wie von selbst und blüht.
Und die Bäume nicken
dir vertraulich zu.
Und in ihren Blicken
findst du deine Ruh.
Muss man sich denn stets verrenken,
einzig um sich abzulenken,
statt sich einem Sommerregen
voller Inbrunst hinzugeben?
Lieber mit den Wolken jagen,
statt sich mit der Zeit zu plagen.
Glück ist flüchtig, kaum zu fassen.
Es tut gut, sich sein zu lassen.
ohne höhren Drang.
Absichtslos verweilen
in der Stille Klang.
Einfach wieder schweben,
wieder staunen und
schwerelos versinken
in den Weltengrund.
Einfach wieder schlendern,
über Wolken gehn
und im totgesagten Park
am Flussufer stehn.
Mit den Wiesen schnuppern,
mit den Winden drehn,
nirgendwohin denken,
in die Himmel sehn.
Gelebtes Leben
Oliven im Lichterwirbel,
unersättliches Blau,
Hügel, sanft sich verbeugend,
Rosen. Allerleirauh.
Thymian und Wein.
Falter feiern Feste.
Südwinde laden sie ein.
Es sind die letzten Stunden,
Herbst im Sommergewand.
Keine Zeit zum Gesunden.
Sensen ziehn übers Land.
Bald wirst du dich verweben
mit Winter, Tod und Eis.
Doch für gelebtes Leben
braucht’s keinen Beweis.
Alles muss heiliger Tanz sein,
Liebe und Lust und Streit.
Wenigstens muss es ganz sein,
dann bin ich bereit.
Ich hasse die halben Sachen,
sie öden mich schrecklich an.
Leben ist lieben und lachen
und sterben dann und wann.
Du gib dich mir im Ganzen
und tanze dich in mich hinein.
Auch ich werd mich in dir verschanzen,
um gänzlich glücklich zu sein.
Doch schon nach wenigen Stunden
lassen wir uns wieder los
und tanzen unumwunden
in einen anderen Schoß.
Die Liebe will immer frei sein,
sie fügt sich keinem Gebot.
Auch wenn du noch so klammerst
in deiner Wüstennot –
wer frei sein will, befreie!
Liebe, dann wirst du geliebt.
Willst du Vergebung? Verzeihe!
Und empfangen wird nur, wer gibt.
Gefrornes Licht
Wenn durch den Dom von sommergrünen Bäumen
die Lichter wie ein Segen niedergehn
und als Kristalle in den Zwischenräumen
von Laub und Ast und Himmel stehn,
da ahnst du, dass, was scheinbar fest gefügt
und uns sich als die Wirklichkeit erschließt,
nichts als ein Bild ist, das sich selbst genügt,
durch das verträumt ein großer Atem fließt.
Du magst es greifen, du begreifst es nicht.
Was du auch siehst, ist nur gefrornes Licht.
Wenn sich in solchen seltnen Stunden
des Daseins Schönheit leise offenbart,
weil sich – sonst nie so leicht verbunden –
das Ahnen mit Erleben paart,
dann zögre nicht, dich zu verwandeln,
nimm diese Stunde tief in dich hinein.
So aus der Zeit erübrigt sich das Handeln
und in der Leere offenbart sich erst dein Sein.
Du magst es greifen, du begreifst es nicht.
Was du auch siehst, ist nur gefrornes Licht.
Quassim heißt die schöne Blume,
und Quassim, diese schöne Blume Ägyptens,
fuhr mich vom Flughafen nach Hause
in seinem Taxi.
Und Quassims schöne Augen strahlten wie Amethyst
und spiegelten den Glanz der Revolution wider,
den Glanz der Gewaltfreiheit und der Liebe.
Er erzählte mir von seinem Bruder
und wie er wie durch ein Wunder Mubaraks Schergen entkam,
und von den tapferen Frauen seines Landes,
und dass auch er geglaubt habe,
die Diktatur wäre auf ewig in Stein gemeißelt
wie die Inschriften der Pyramiden.
Und er sprach von der Freude über jeden Vers der Solidarität,
gerade auch aus Deutschland, diesem Land, in dem er so gerne lebe,
und von der Enttäuschung über die leeren Worthülsen der Politiker,
die nicht den Mut hatten, sich von ihrem Folterknecht öffentlich loszusagen.
Und dann umarmten wir uns. Denn diese Revolution ist auch unsere,
und wir sind Ägypter und Tunesier und Libyer in diesen Tagen.
Es ist ein Aufstand
des Lächelns gegen die Starrheit,
des Weiblichen gegen das Unerbittliche,
der Naiven gegen die Abgebrühten.
Und auch wenn die Revolution der Liebe
noch lange dauern wird –
auch Revolutionen müssen lernen –,
dieses Kapitel der Geschichte ist geschrieben
und kann nicht mehr getilgt werden
aus dem Gedächtnis der Menschheit.
Mit dem Alter und der Plage
stellt sich irgendwann die Frage:
Ist es besser zu erkalten,
lässt man alles schön beim Alten?
Soll man sich die Wunden lecken,
legt sich in gemachte Betten,
statt die Kissen mit Gefühlen
alten Trotzes aufzuwühlen?
Oder kann man immer weiter
wachsam sein und dennoch heiter,
soll man weiter revoluzzen
oder doch Laternen putzen?
Kann man wütend sein und weise,
laut sein und im Lauten leise,
macht gerechter Zorn nicht müde,
ist vielleicht nur Attitüde?
Eines fügt sich doch zum andern,
nichts besteht für sich allein.
Flüsse, die getrennt mäandern,
leiben sich dem Meere ein.
Gut poliert erscheint das Schlechte
oft in einem Strahlenkranz.
Sei ein Heiliger, ein Sünder,
gib dir alles! Werde ganz!
Dogmen oder Glaubenssätze,
Führer, höhere Gewalten
ohne Widerspruch gehalten.
Und mich führn auf meiner Reise
zum Verstehen viele Gleise.
Zwischen Zärtlichkeit und Wut
tut das Leben richtig gut.
Menschen müssen sich verändern,
um sich selber treu zu sein.
Nur das Wechseln von Gewändern
kann kein wahrer Wandel sein.
Mancher sagt: Nur meditieren,
essen, was zum Boden fiel,
sich im Ganzen zu verlieren,
sei das wahre Lebensziel.
Andre ritzen ihren Armen
Hass und Rache blutig ein.
Sie sind viel zu schwer verwundet,
um im Herzen ganz zu sein.
Andre wiederum marschieren,
Fahnen werden stolz gehisst.
Und auch sie werden verlieren,
weil kein Sieg beständig ist.
Eines fügt sich doch zum andern,
nichts besteht für sich allein.
Flüsse, die getrennt mäandern,
leiben sich dem Meere ein.
Gut poliert erscheint das Schlechte
oft in einem Strahlenkranz.
Sei ein Heiliger, ein Sünder,
gib dir alles! Werde ganz!
Hoch gestiegen, tief gefallen,
zwischen Geistesblitz und Lallen
bin ich auf dem Weg zum Lieben
meinem Innern treu geblieben.
Denn mich führn auf meiner Reise
zum Verstehen viele Gleise.
Zwischen Zärtlichkeit und Wut
fasse ich zum Leben Mut.
Schwanengesang
Du bist eine andre geworden.
Ich kenne dich nicht mehr.
Bin nicht mehr in dir geborgen,
und es fällt unendlich schwer.
Dass Menschen sich wandeln, weiß ich.
Ich selbst bin ein ewiger Fluss.
Und dennoch ist es schmerzhaft,
wenn man loslassen muss.
Wann hat sich der Schritt vollzogen?
Passiert so was über Nacht?
Wann haben wir uns belogen?
Was haben wir nicht bedacht?
Wir haben es beide kommen sehn
und wollten es beide nicht wissen.
Und doch: es wühlte sich Nacht für Nacht
in unsre durchweinten Kissen.
Keiner hat schuld daran, dass es geschehen,
nichts, was bleibt und sich hält.
Sterben und wiederauferstehen
ist das Wesen der Welt.
Du willst ein Schmetterling werden.
Schon die Raupe liebte ich sehr.
Doch schließlich muss alles sterben
und ich taumle hinterher.
Ich kann dich nicht mehr fangen.
Ich bin nicht mehr dein Licht.
Du bist schon lange gegangen,
ich wusste es nur noch nicht.
Ich wünsch dir kräftige Flügel
und ein zaubrisch buntes Gewand.
Wirf sie nur fort, die Zügel,
nimm dich selbst bei der Hand.
Ich werde dich staunend begleiten
und versuchen zu verstehen.
lass ich dich liebend gehen.
Das ist der Lauf der Dinge.
Sie dulden keinen Zwang.
Und wovon ich heute noch singe,
ist morgen schon Schwanengesang.
Wir haben es beide kommen sehn
und wollten es beide nicht wissen.
Und doch: es wühlte sich Nacht für Nacht
in unsre durchweinten Kissen.
Keiner hat schuld daran, dass es geschehen,
nichts, was bleibt und sich hält.
Sterben und wiederauferstehen
ist das Wesen der Welt.
(Entzündet vom) Weltenbrand
(Neufassung)
Entzündet vom Weltenbrand,
ins Jetzt gepflanzt,
ewig in Rhythmen gebannt,
aus Klängen gestanzt,
tauchst in die Fluten du ein,
bis alles erlischt,
endest als Gischt.
Dem Ganzen entzweit, doch ganz
auf dich gestellt
bleibt nur dein brüchiger Tanz
auf den Wogen der Welt.
Und du erinnerst den Ton,
den großen Gesang,
dem vor Urzeiten schon
dein Wesen entsprang.
Trotzdem: was hält dich im Spiel?
Welcher Verdacht
leiht dir noch Licht und Ziel
in deiner Nacht?
Welches geheime Wort,
äonenfern,
schwingt sich im Geiste fort
durch Stunde und Stern?
Weshalb auch mancher Moment,
liebeverwebt,
der dir auf einmal bekennt,
warum es dich lebt?
Und so lugst du am Bug,
fährst nie im Hafen ein,
als wäre es Gnade genug,
Segel im Winde zu sein.
ins Jetzt gepflanzt,
ewig in Rhythmen gebannt,
aus Klängen gestanzt,
tauchst in die Fluten du ein,
bis alles erlischt,
würdest gern Brandung sein,
endest als Gischt.
Der Virus
Mitten in der Vorstandssitzung war es,
als einen von dem Pack der Wahn befiel,
sich auf einmal gänzlich frei zu machen.
Er zeigte alles – und das war nicht viel.
Alle andern Herrn warn erst verstört,
doch er war nun mal der erste Mann im Haus,
und obwohl es sich nun wirklich nicht gehört,
zogen sich gehorsam alle andern aus.
Nein, das war kein wirklich schöner Anblick.
Ohne Schlips und Kragen sinkt so jemand tief!
Sie sahn aus wie ganz normale Durchschnittsgangster –
und dazu kein bisschen attraktiv.
Und kein Schiff mit acht Segeln
lag drunten am Kai.
Für diese Herren
war die Party vorbei.
13 Börsianer, Weltgestalter,
ohne Wäsche, ohne Ansehn, ohne Pracht!
Einer noch verschämt im Büstenhalter –
und von allen Angestellten ausgelacht.
Alle hielten sich die Hände vor den Schniedel.
Ohne Porsche traun sie seiner Größe nicht …
Und es stellte sich die bange Frage:
Vielleicht die Hände besser vors Gesicht?
Heute weiß man es: es war ein Virus,
der die Herrn in Frankfurt einst besprang,
und es war der Anfang nur vom Ende,
der längst fällige, gerechte Abgesang
eines viel zu lange hochgelobten Irrsinns,
einer Banken-Spekulanten-Diktatur.
Und da die Menschheit nicht mehr bei Verstand war,
half ihr ein kleiner Virus auf die Spur.
Und kein Schiff mit acht Segeln
rettete sie –
der Preis für ein Leben
ohne Poesie.
In New York, Berlin, Paris und Tokio
mussten nackte Banker kläglich friern,
und jetzt sah man erst, wie viel Idioten
unsre eigentlich so schöne Welt regiern.
Mancherorten ist die Welt schon besser,
manche Protzpaläste stürzten bereits ein,
was kein Wunder ist, es gab sie niemals wirklich,
alles war nur Glitzer, Trug und Schein.
Und damit der Wahnsinn restlos endet,
dürfen wir kein bisschen ruhn.
Helfen wir dem Virus bei der Arbeit,
es gibt in der Tat noch viel zu tun!
Zieht den Börsianern die Anzughosen aus,
Handy, Laptop und was sonst an ihnen klebt,
und dann solln sie jetzt mal sehn, wie man mit ehrlicher Arbeit
und ’nem Euro in der Stunde überlebt!
Es geht zu Ende
Es geht zu Ende. Seine großen Pläne
liegen vergilbt wie er auf Zimmer 3.
Aus stolzen Bäumen werden meistens Sägespäne.
Den Schwestern ist das ziemlich einerlei.
Sie wissen nichts von seinen Liebesdingen
und nichts von dem, was ihn durchs Leben trieb.
Zwar wollte ihm das eine oder andere gelingen,
doch nichts für immer, nichts, was wirklich blieb.
Sie drehen ihn, sie waschen ihn, sie ziehn ihn an.
Am Mittwoch darf er in den Park.
Er würde gerne in den blauen Frühling fliehn.
Er ist zu schwach. Er war noch nie sehr stark.
Ein Leben eben, eines von Milliarden,
nicht schlecht, nicht gut, mit wenig Heiterkeit.
Natürlich war da Hoffnung, doch am Ende
fraß die sein großer Feind, die Zeit.
Bei Schwester Heike wagte er es zu lächeln.
Die streichelt manchmal zärtlich sein Gesicht.
Sonst ist es still um ihn. Keine Besuche.
Auch sein betuchter Sohn besucht ihn nicht.
Der hat zu tun, Verpflichtungen, Valuten,
er hat fürs Sterben aus Prinzip noch keine Zeit.
Dem Vater reichten schon ein paar Minuten,
dann wäre er vielleicht zum Gehn bereit.
Sooft er auf die Tür starrt, sie bewegt sich
ausschließlich dienstlich, keine Freunde, nie.
Ist denn ein jeder Abgesang so glanzlos?
Er stirbt das erste Mal, er weiß nicht wie.
Wo sind sie alle, all die Saufkumpanen,
die einem ewig Kameradschaft schworen?
Wo die Geliebten, all die schönen Namen?
Über die Welt gestreut, verpufft, verloren …
Es ist vorbei. Am schlimmsten ist, dass alles
im Nachhinein so kurz und flüchtig scheint.
Er hatte sich noch so viel vorgenommen,
so viele Tränen warn noch nicht geweint.
Ach, wie viel Zeit vertan am Tresen,
mit Sprücheklopfen, witzig sein.
Der falsche Weg. In seine Seele
ließ er nicht mal sich selbst hinein.
Jetzt würd er gern noch einmal in sich gehen
und stößt an Mauern, lässt betrübt
auch diese Hoffnung fahren und muss sehen:
Er hat den Weg zu sich noch nie geübt.
Ich würd gern sagen: Als er starb,
sah er am Ende eines Tunnels Licht.
Ob er dann endlich fand, was er nie suchte?
Zu hoffen wär’s. Mehr weiß ich leider nicht.
Tropferl im Meer
Wann i nimmer weiter woaß im Durchanand
von Leb’n und Lust und Leid und Werd’n und Sterb’n,
nimm i mi auf d’Nacht selber bei der Hand,
lass mi fall’n und schaug in d’ Stern.
Wia’s da blinkt und blitzt und blüht am Himmelszelt,
werd mei Herz auf oamoi wieder froh.
So unendlich weit ist doch die ganze Welt,
no vui weiter als i denka ko.
Und i werd ganz kloa,
kumm ma winzig vor,
fast als gabat’s mi
nimmer mehr.
Und i schenk mi her,
bin ois und neamands mehr,
nur a Tropferl
im Meer.
Jeder Augenblick ist ewig,
wenn du ihn zu nehmen weißt.
Ist ein Vers, der unaufhörlich
Leben, Welt und Dasein preist.
Alles wendet sich und endet
und verliert sich in der Zeit.
Nur der Augenblick ist immer.
Gib dich hin und sei bereit!
Wenn du stirbst, stirbt nur dein Werden.
Gönn ihm keinen Blick zurück.
In der Zeit muss alles sterben,
aber nichts im Augenblick.