Kapitel 6

Auf dem ganzen Weg durch die Stadt trafen sie auf niemanden mehr. Die Trümmerberge waren so hoch, dass man nicht über sie schauen und sie auf diese Weise entdecken konnte. Sie sprachen nicht, denn es schien nichts mehr zu geben, das es zu besprechen gab. Irgendwann verschwanden die Autos. Zu diesem Zeitpunkt waren sie froh, nicht gerade in einem von ihnen unterwegs zu sein.

Lucy war sich nicht so sicher, ob das mit dem letzten verbliebenen Haus auch tatsächlich zutraf. Sie fragte David, woher er es zu wissen glaubte, der aber sagte einfach nichts dazu. Wenn es aber wirklich wahr sein sollte, musste es sich um ein besonderes Haus handeln, das schien ihr ganz offensichtlich. Alles schien zu verschwinden, wahrscheinlich dauerte es nicht mehr lange, bis die Welt nicht mehr existierte. Wie genau das aussehen sollte, wusste sie selbst nicht so genau. Was, wenn alles bis auf dieses Haus verschwunden war? Schwebte es dann einfach im Raum oder blieb eine grau, leere Platte zurück? Sie konnte es nicht wissen, dachte aber, dass sie sich beeilen sollten, bevor es soweit war.

Lucy war nicht sehr schnell unterwegs, denn ihr Fuß schmerzte immer noch. Sie konnte auftreten, ihn aber nicht zu sehr belasten. Auf diese Weise kamen sie nicht sehr schnell voran, aber David beschwerte sich nicht. Er ging vor den beiden weg, ohne sich auch nur einmal umzusehen.

Die Sonne verschwand. Von einem Augenblick auf den nächsten wurde es stockdunkel. Keine Sonne, kein Mond, keine Sterne, alles war verschwunden. Sie blieben stehen.

"Scheiße", sagte David und knipste die Taschenlampe wieder an. Einmal drehte er sich um seine Achse, fand aber niemanden außer den beiden.

"Gehen wir schnell weiter", sagte Lucy.

"Was du nicht sagst", brummte er entnervt.

Sie gingen weiter, doch diesmal führte sie der Weg durch die undurchdringliche Dunkelheit. David schwenkte die Lampe hin und her, um nichts zu übersehen, doch scheinbar hielt sich keiner von ihnen in ihrer Nähe auf. So schnell wie unter diesen Umständen möglich gingen sie weiter. Vollkommen still war es um sie herum. Wenn mehr von ihnen überlebt haben sollten, waren sie ganz offensichtlich weit verstreut. Auf den Straßen waren sie auf noch nicht einen einzigen von ihnen gestoßen, was unter Umständen bedeutete, dass sie sich alle in den Gebäuden aufhielten, als diese in sich zusammenfielen.

Eine und eine halbe Stunde benötigten sie, bis sie das richtige Viertel erreichten. Ihnen war heiß, und sie waren durstig. Lange hielten sie das nicht mehr durch, aber das Viertel war nicht so groß, dass es noch lange dauern konnte. Gerade dachten sie das, als sich noch etwas veränderte. Um sie herum wurde es laut, aber es handelte sich um kein Geräusch, wie sie es je vernommen hatten. Etwas schien in sich zusammen zu fallen. Für einen Augenblick dauerte es an, dann wurde es wieder vollkommen still.

David leuchtete an den Rand einer Straße, wo sich eigentlich die Überreste einer Villa befinden mussten, es aber nicht mehr taten. Stattdessen erblickten sie einen weit flacheren Haufen, der ausschließlich nur aus Möbeln bestand. Und nun plötzlich ging ihr Blick weit, so weit, wie die Lampe leuchtete.

"Es gibt keine Steine mehr", sagte Lucy.

"Du bist ja eine ganz Schlaue."

"Ob es dieses Haus noch gibt?"

"Bist du blind?", fragte David und deutete in eine bestimmte Richtung. Die Lichter eines Hauses waren zu sehen.

"Ist nicht mehr so weit", sagte Lucy.

"Redest du immer so viel?"

"Siehst du? Wir schaffen es", gab Lucy dem Mädchen ein Lächeln. Die nickte. Madeleine war noch immer geschockt, es machte den Anschein, als stünde sie neben sich. Lucy hielt ihre Hand. In genau diesem Augenblick erklang ein Brüllen aus einiger Entfernung. Es erklang und wurde sofort erwidert, wenn auch aus einer vollkommen anderen Richtung. Dann erklang eines von hinter ihnen, von rechts, von links, und dann wurden es mehr und mehr.

"Das Licht zieht sie an", vermutete Lucy.

"Gehen wir", meinte David.

Lucy und Madeleine gingen durch eine vollständige Dunkelheit, denn David hielt sich immer vor ihnen und leuchtete nur nach vorne. Sie sahen nicht, wohin sie traten, blieben aber immer dicht hinter ihm, so dass es ungefährlich für sie war. Auf diese Weise kamen sie gut voran. Schnell näherten sie sich dem Haus, denn weit war es wirklich nicht mehr.

Die letzte große Veränderung begab sich, als sie beinahe angekommen waren. Es war, wie Lucy eben noch gedacht hatte, denn nichts blieb, als eine graue Fläche, die vollkommen leer war. Theoretisch konnte man nun die ganze Welt sehen, schien ihr, aber es war zu Dunkel, dass es gelingen würde. David knipste die Lampe aus, damit man sie nicht sah. Nun rührte das letzte Licht der Welt aus den oberen Fenstern des Hauses. Es verfügte über zwei Stockwerke, wobei man nur das oberste sah. Die Hecke rundherum war so hoch, dass man das erste von außen nicht sehen konnte.

Das Brüllen kam aus sämtlichen Richtungen gleichzeitig, und es wurde stetig lauter. Alle waren auf dem Weg zu diesem Haus, wie es schien. Um das Gebäude herum konnte man für einige Meter den Boden sehen, aber dort hielten sie sich noch nicht auf. Aber die drei wussten genau, dass sie alle auf dem Weg dorthin waren. Sie gingen so schnell wie möglich und schafften es, vor ihnen dort zu sein.

Von außen wirkte das Haus nicht weiter ungewöhnlich auf sie. So wohnten die Wohlhabenden in ihrer Stadt, daran schien nichts seltsam oder auffällig. Mit einem Blick durch das Gartentor erhob sich ein Haus, das sich sehen lassen konnte. In so einem wollte jeder gerne leben, fanden sie.

David öffnete das Gartentor, worauf sie alle eintraten.

"Du liebe Güte", kam es erschrocken aus Lucy.

Neben dem Eingang saß ein Hund, der sich eines seiner Beine blutig biss.

"Gehört der hierher?", fragte sie.

"Woher soll ich das wissen? Wahrscheinlich ist er verseucht", gab David zurück. Er schoss, traf und tötete. Der Hund jaulte schmerzerfüllt auf und verstummte für immer. "Scheißviech."

"Musste das sein?", echauffierte sich Lucy. Das ging ihr vollkommen gegen den Strich.

"Halt die Klappe", knurrte er bedrohlich und ging weiter zur Tür. Die verfügte schon wieder über kein Schloss, aber in diesem Fall sah es nicht danach aus, als wäre es verschwunden. Sie besaß wirklich keines. Neben der Tür gab es eine Plastikkugel, in der ein sanftes Licht dimmte.

"Was ist das denn für eine Scheiße?", fragte sich David.

"Lass mich mal", meinte Lucy und legte die Hand auf die Kugel. Gleich darauf klickte die Tür und sprang um ein kleines Stück auf. "Siehst du?", sagte sie.

David trat die Tür nach innen auf und sah eine vollkommen normale Diele vor sich. Viel Holz, an den Wänden, der Decke und dem Boden. Neben den aufgehängten Jacken und einem Regenschirm gab es einen Spiegel und ein Bild.

"Was ist das denn schon wieder?", fragte David, als er vor dem Bild stand.

Lucy wusste es auch nicht, denn auch sie hatte so etwas nie zuvor gesehen. Am ehesten konnte man es als 3D-Bild bezeichnen. Sie glaubte einen Bildschirm vor sich zu haben, so realistisch wirkt diese tiefe Insellandschaft auf sie. In diesem Moment flog ein Schwarm Papageien von rechts nach links über die Palmen, um scheinbar im Rahmen zu verschwinden.

"Nicht zu glauben", fand Lucy.

"Ich habe Durst", meldete sich Madeleine in diesem Augenblick.

"Komm", lächelte Lucy. Sie vergaßen nicht, die Tür hinter sich zu schließen. Um das Haus herum mussten sich langsam die toten Horden sammeln und einen dichten Ring um ihn bilden. Ihrem Brüllen nach zu urteilen, handelte es sich um Hunderte.

Wie sich herausstellte, führte der Durchgang am Ende der Diele ins Wohnzimmer, während sich links und rechts von ihm die Küche und das Speisezimmer. In der Küche sah alles grundsätzlich normal aus, nur die Maschinen kamen alle in einem für ihre Augen ungewohnten Design daher. In einem Schrank fanden sie Flaschen, deren Böden so etwas wie Drehschalter waren. Mit ihnen konnte man die Temperatur des Inhalts einstellen. Lucy ließ sie, wie sie waren, und gab Madeleine einen davon. Es waren Fruchtsäfte, von denen sich auch die beiden Älteren etwas nahmen. Es tat richtig gut, wieder Flüssigkeit zu sich zu nehmen, und es schmeckte auch ganz wundervoll.

"Nicht schlecht", fand Lucy.

Als sie fertig waren, verließen sie die Küche wieder und gingen in den größeren Raum am Ende der Diele. Es handelte sich um das Wohnzimmer, wie unschwer zu erkennen war. Auch das sah auf den ersten Blick völlig normal aus, wobei sich diesmal das Design der Möbel von ihren Gewohnheiten unterschied. Vor allem der niedrige Wohnzimmertisch schien sich zu unterscheiden, denn auf dem stand etwas, das sie nie zuvor gesehen hatten.

"Was ist das wieder?", fragte David.

"Ein Fußballspiel, würde ich sagen", meinte Lucy.

Es war tatsächlich eines, beziehungsweise eine absolut lebensechte Holographie. Die Szene, die sie sahen, war eingefroren worden.

"Das macht es gleich viel übersichtlicher", fand Lucy.

"Was soll das. Wo sind wir hier?", wollte David wissen.

Lucy wusste es auch nicht, aber in diesem Moment fiel ihr Blick auf etwas, das sich auf einer der Fensterscheiben zu befinden schien. Aus der Nähe betrachtet war es ein Feld, welches in mehrere Felder eingeteilt war. Sie drückte eines von ihnen, und sofort verdunkelte sich die Scheibe um ein paar Nuancen.

"Kein Fernsehen, keine Vorhänge", stellte Lucy fest.

Etwas schlug gegen die Haustür. Sie waren hier, ging es ihnen durch den Kopf. David hatte nicht mehr genug Kugeln, um derart viele von ihnen aufzuhalten. Er ging zum Ausgang und sah zur Haustür.

"Keine Sorge. Die haben nicht genug Hirn, um sie zu öffnen", sagte er.

Eine Sekunde darauf ging die Tür auf und mehrere von ihnen erschienen.

"Scheiße", platzte er aus David. Er zielte und schoss auf den ersten Zombie. Als dessen Kopf platzte, spitzte Hirn und Liquor in alle Richtungen. Er schoss noch einmal und erledigte den zweiten, dann den dritten und den vierten. Aber es hörte nicht auf, denn vor der Tür hatte sich eine Traube gebildet. Sie brüllten, sie kreischten, schrien und stöhnten, denn sie wollten die letzten Überlebenden in Stücke reißen.

"Scheiße!"

"Was machen wir jetzt?"

"Zurück!"

"Ja. Hier entlang, schnell. In den Gang."

"Mach hin, sie kommen!"

"Lauf Madeleine, ohne mich bist du schneller!"

"Nein!"

"Lauf schon!"

"Nein!"

"Da hinten. Noch eine Treppe. Los, nach oben."

"Sie sind hinter uns. Du musst uns Feuerschutz geben."

"Du kannst mich mal."

"Lucy!"

"Ja, meine Kleine, wir müssen uns beeilen."

David wartete oben am Treppenabsatz, während die beiden anderen noch auf dem Weg zu ihm waren. Lucy bekam Probleme, schnell nach oben zu gelangen. Als sie die Hälfte geschafft hatten, erschien einer von ihnen mit einem durchdringenden Schrei. David kümmerte sich nicht sonderlich und schoss einfach zwischen den beiden hindurch. Der Hals des Zombie wurde getroffen, worauf ein Schwall roten Blutes herausschoss. Erst  mit dem zweiten Treffer ging er zu Boden. Damit war dieser aus dem Spiel, aber hinter ihm trampelten gleich mehrere von ihnen über den Teppich.

"Endlich", sagte David und setzte sich wider an die Spitze. Die Treppe führte noch weiter, denn über dem Erdgeschoss gab es zwei Etagen. Wieder konnte Lucy nicht richtig mithalten, und Madeleine wollte ihre Hand nicht loslassen. Als sie oben ankamen, waren sie dicht hinter ihnen. Mit einem gierigen Gesichtsausdruck erwartete David sie und schoss zwei von ihnen nieder. Er schrie, halb wahnsinnig, sie sollten kommen und sich von ihm fressen lassen. Dann lachte er hässlich, als wäre er von Sinnen.

Wieder erklangen die mehrfachen Fußtritte von unten, aber noch waren sie nicht hier bei ihnen. Die drei liefen einen Gang hinab, der vor einem Fenster endete, das zum Garten hinter dem Haus rausging. Es war eine Sackgasse, trotzdem liefen sie dorthin. Plötzlich stolperte Madeleine über die eigenen Füße und fiel zu Boden. Lucy blieb stehen, um ihr zu helfen, aber David lief einfach weiter. Nach einigen Schritten erst blieb er stehen und schrie, sie sollten sich gefälligst beeilen. Er kam zurück und richtete die Pistole auf das Mädchen. Mit einem Schritt stellte sich Lucy schützend vor Madeleine.

"Nimm das Ding runter!", sagte sie.

"Sie ist Ballast", zischte David wie ein irres Tier.

"Du wirst ihr nichts antun."

"Geh zur Seite, dann haben wir keine Probleme mehr mit ihr."

"Nein!"

David verlor sich und schrie laut aus. Seine Faust traf Lucy seitlich, so dass sie gegen eine Tür prallte, die nur angelehnt war. Sie stolperte in ein Kinderzimmer, wo sie zu Boden ging. Noch bevor sie aufschlug, war sie bewusstlos.

 

Es war angenehm kühl, als Lucy die Augen aufschlug. Etwas hatte sich verändert, das fühlte sie gleich in der ersten Sekunde. Diesmal allerdings ging es nicht um ihre Umgebung, sondern um sie selbst. Sie hatte sich verändert, obwohl sie nicht wusste, was genau mit ihr vor sich ging. Sie lag in einem Bett, unter einer Decke, unter der es angenehm warm war. Es war Nacht, draußen hörte sie einen Baum im Wind rascheln. Ihre Hand ging dorthin, wo sie den Nachttisch vermutete. Sie fand ihn und knipste das Licht an.

Es war genau das Kinderzimmer, in welches sie gerade gestürzt war. Sie lag in einem Kinderbett, wie es schien. Vorsichtig stand sie auf und stellte sich neben es. Die Welt war größer geworden, wie es schien, was nur bedeutete, dass sie kleiner geworden war. An einer Wand entdeckte sie einen Spiegel, der mit einem Tuch verhangen war. Sie trat vor ihn und erblickte jemanden, den sie nicht kannte. Ein zehnjähriger Junge stand vor ihr. Lucy war sich vollkommen sicher, dass sie ihn nie zuvor gesehen hatte. Sie bewegte ihre Hand vor dem Gesicht und konnte sich ganz sicher sein. Der Junge im Spiegel war sie.

Im Haus war es vollkommen still. Sie knipste das Deckenlicht an und warf einen Blick herum. Neben dem Schreibtisch schien eine ausgestopfte Katze zu sitzen. Sie sah ausgestopft aus, aber sie war nicht so sicher. Lucy trat vor den Tisch, auf dem ein Pad lag. Als sie es berührte, ging es an. Auf ihm fand sie eine Krankenakte, wie leicht zu erkennen war. Nils Becker, stand da. Es musste sich um diesen Jungen handeln, dachte sie. Sie setzte sich, um es sich genauer anzusehen.

Jens Becker war das Adoptivkind der Familie, die hier wohnte. In einem Heim war er schwer misshandelt und missbraucht worden. Seine Psyche zerfiel in mehrere Persönlichkeiten, fand sie dort zu lesen. Nils war eine multiple Persönlichkeit, bestehend aus zehn Personen, die in seinem System lebten. Aber es gab eine Besonderheit mit ihm, denn Nils war der einzige im System, der jemals vorne war. Die übrigen neun wussten es nicht einmal, sie lebten in ihrer eigenen Welt.

Etwas weiter fand Lucy etwas über zwei Medikamente, die ihm seit kurzer Zeit verabreicht wurden. Das eine war dazu gedacht, die überflüssigen Persönlichkeiten auszulöschen, das andere baute jene Welt ab, die in Nils Kopf existierte. Beides geschah gleichzeitig. Neun von ihnen sollten ausgelöscht werden, so dass der letzte Überlebende seinen Körper ganz allein für sich hatte. Diese Person wäre immer vorne und wüsste von seinem realen Körper. Nur sie sollte überleben.

"Ein Traum", sagte Lucy zu sich selbst. Jetzt wurde ihr alles klar. Aber wenn es ein Traum war, so würde er bald enden. Nur einer konnte überleben. Sie schaltete das Pad ab und löschte das große Licht. Als sie im Bett lag, löschte sie auch das kleine. Danach schloss sie ihre Augen.

 

Als Lucy ihre Augen wieder öffnete, erklang ein Schuss ganz in ihrer Nähe. Alle befanden sich in jenem Kinderzimmer. David hatte die Kommode vor die Tür gestellt, doch die Zombies auf der anderen Seite schlugen so kräftig und vehement gegen die Tür, dass sie oben schon nicht mehr in der Angel steckte. Jeden Augenblick musste sie nachgeben, und die Zombies konnten über sie in das Zimmer klettern.

Das aber war nicht das einzige Problem. Nachdem Lucy sich aufgerichtet hatte, ging ihr Blick auf das, das erschossen zu Davids Füßen lag. Nils.

"Was hast du getan, du Monster?", schrie sie ihn an.

"Er war verseucht", schrie er zurück.

"Das war er ganz sicher nicht!"

"Halt endlich deine Klappe!"

"Du Monster!"

David hob die Pistole in dem festen Willen, nun auch sie zu erschießen. Aber Lucy war schneller. Sie schlug ein Rad, einem Rückwärtssalto gleich, wobei sie sich nicht vom Punkt bewegte. Als ihr Fuß hochkam, trat sie ihm die Waffe aus der Hand, die durch die Luft wirbelte. Plötzlich stand sie wieder vor ihm.

"Was..?", entrang es sich ihm fassungslos.

"Du bist gewesen", knurrte sie und rammte ihm die Faust in den Magen. Aber David ging nicht zu Boden, sondern hob vom Boden ab, flog mit dem Rücken zuvorderst durch das Zimmer und krachte durch das Fenster. Dann war er verschwunden.

Die Tür hinter Lucy brach heraus und wurde zu einer Platte, die auf der Kommode lag, und über die die Zombies ohne Problem herein kriechen konnten. Lucy sprang zu den beiden ersten, die nebeneinander lagen. Sie zischten und heulten und schrien. Ohne lange nachzudenken packte sie den Kopf des ersten und drehte ihn einmal vollständig herum. Sein Genick brach mit einem hölzernen Krachen. Mit dem zweiten verfuhr sie genauso.

Die Zombies auf dem Gang brüllten hasserfüllt, als sie bemerkten, dass es nicht weiter ging. Dann brach jemand durch die Wand neben der Tür und kam zu ihnen. Noch bevor sie sahen, was vor sich ging, flog einer durch den Korridor, schlug dabei alle in seinem Weg zu Boden und krachte durch das Fenster am Ende.

Lucy wütete wie eine wahnsinnige Kampfmaschine. Wenn sie einen Kopf mit ihrer Faust traf, zerschmetterte sie den ganzen Schädel, so dass der Zombie leblos zu Boden ging. Dabei war sie um die zehn Mal schneller, wodurch diese Wesen sich für sie wie in Zeitlupe bewegten. Sie schlug, sie trat, sie brache ein Genick nach dem anderen. In dieser Weise arbeitete sie sich durch den Korridor, aber damit war sie noch lange nicht fertig. Schlagend, tretend und in jedem Fall tödlich ging es die Treppe hinunter. Dabei ging sie nicht über die Leichen, sondern schwebte ein Stück über ihnen. Sie fielen, einer nach dem anderen, so schnell, dass das gewöhnliche Auge nicht folgen konnte.

Unten angekommen prügelte sie sich den Gang hinab, auf dem sie eben noch geflohen waren. Die Zombies fielen links und rechts, sie aber hatte noch lange nicht genug. Weiter ging es, wo sie unter denen wütete, die sich im Wohnzimmer aufhielten. Sie starben als Dutzend, dann war sie auch schon im Flur, in dem sie alles umbrachte, das auf zwei Beinen stand. Draußen stieß sie auf die Traube, die sich um den Eingang gebildet hatten. Dort ging es endlich schneller, denn sie konnte sich einen nach dem anderen greifen. Sie flogen hoch in die Luft, bohrten sich einer Ramme gleich durch die Ihren oder gingen gleich zu Boden. Ihr Zorn kannte kein Erbarmen. Sie gingen tot zu Boden, immer wieder, einer nach dem anderen, mehrere in jeder Sekunde, zehn Minuten lang. Danach war es vorüber.

Lucy war nicht aus der Puste geraten, hatte sich aber endlich richtig abgeregt. Ohne Eile schwebte sie zurück über die Leichen, bis ganz nach oben. In dem, was sie nun vorhatte, war sie sich vollkommen sicher. Es gab nur eine Person, die es überleben sollte.

Madeleine wartete oben auf sie. Als Lucy zu ihr kam, lächelte sie verhalten. Lucy nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. Endlich war es vorüber, das sagte sie der Kleinen. Dann löste sie sich von dem Mädchen und bückte sich nach der Pistole.

"Bitte leg dich in das Bett", sagte Lucy.

Madeleine wusste nicht, warum sie das tun sollte, aber sie tat es. Gleich darauf lag sie auf ihm. Als sie ihre Augen schließen sollte, tat sie auch das. Ganz leise verließ Lucy das Zimmer und begab sich auf den Gang. Dort hielt sie inne und holte einmal tief Luft. Einen Augenblick darauf schoss sie sich in den Kopf.

Der Knall ließ Madeleine erschrocken auffahren. Ihr Blick ging zu dem Loch in der Wand. "Lucy?", fragte sie ängstlich. Aber niemand antwortete.

Madeleine verstand nicht mehr, was vor sich ging. War sie jetzt allein? Ganz allein? Warum ließ Lucy sie allein, was sollte das nur? Madeleine saß auf dem Bett und verstand gar nichts mehr. Lucy hatte sie nicht nur verlassen, wie es schien, es war auch die Art, wie sie es getan hatte. Es jagte ihr ein Schaudern über den Rücken, und gleichzeitig konnte sie es nicht begreifen. Was war denn nur los?

Schritte erklangen, jemand ging über die Leichen. Davids Gesicht war blutüberströmt, aber er lächelte. Er lächelte das Lächeln eines Wahnsinnigen. Mit der Pistole in der Hand trat er ein und erblickte Madeleine.

"Du?", flüsterte das Mädchen.

"Ja. Ich."

 

Am nächsten Morgen öffnete Nils seine Augen und fühlte sich großartig. Als er aus dem Bett stieg, war er vollkommen ausgeruht, und es ging ihm richtig gut. Er verließ sein Zimmer im zweiten Stock und ging durch den ruhigen Korridor bis zur Treppe. Die stieg er nach unten und setzte seinen Weg bis zur Küche fort. Seine ganze Familie saß schon am Tisch versammelt, seine Mutter, sein Vater und sein Bruder. Noch sahen sie ihn nicht, obwohl er schon im Eingang stand.

Die Augen des Jungen blieben am Messerblock hängen. Gierig, gierig und lüstern starrte er den kalten Stahl an. Sie wanderten weiter, seine Augen, auf die Familie. Plötzlich drehte sich seine Mutter zu ihm um. Als sie ihn erblickte, lächelte sie sonnenhell.

"Geht es dir gut?", fragte sie.

"Ich habe Hunger."

 

ENDE? Ende.