|23|Wall Street auf dem Mond

Kurz nach dem 6. Oktober 2008, dem Tag, an dem Island endgültig pleiteging, sprach ich mit einem Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds, der nach Reykjavík geflogen war, um zu eruieren, ob man dem Land nach einem derart spektakulären Bankrott noch Geld leihen konnte. Er war noch nie in Island gewesen, er wusste nichts über das Land und meinte, er hätte erst einmal auf einer Weltkarte nachsehen müssen, wo genau es sich befand. Er hatte sein Leben lang mit Ländern in wirtschaftlichen Notsituationen zu tun gehabt, vor allem Ländern in Afrika, die sich in finanziellen Dauerkrisen befinden. Island war eine vollkommen neue Erfahrung für ihn: eine außergewöhnlich wohlhabende Nation (Island nahm 2008 den ersten Platz des Human Development Index der Vereinten Nationen ein) mit gebildeten Bürgern, sich in der Vergangenheit überwiegend vernünftig verhalten hatten – um sich dann zusammenzutun und gemeinsam eine der größten Wahnsinnstaten der Finanzgeschichte zu begehen. »Island ist kein Land mehr«, sagte er zu mir. »Island ist ein Hedgefonds.«

Eine ganze Nation ohne die geringste Erfahrung in der Hochfinanz hatte sich die Wall Street angesehen und sich gedacht: »Das können wir auch.« Und einen Moment lang sah |24|es tatsächlich so aus. Im Jahr 2003 verfügten die drei größten Banken Islands zusammen über Einlagen von ein paar Milliarden Euro oder rund 100 Prozent des isländischen Bruttoinlandsprodukts. Im Verlauf der nächsten dreieinhalb Jahre wuchs ihr Vermögen auf 100 Milliarden Euro – eine Summe, die in keinem Verhältnis mehr zum Bruttoinlandsprodukt stand. Ein Wirtschaftswissenschaftler beschrieb es mir als »das schnellste Wachstum eines Bankwesens in der Geschichte der Menschheit«.

Da die Banken den Isländern gleichzeitig Geld liehen, um Aktien und Immobilien zu kaufen, explodierte im gleichen Zeitraum der Wert von isländischen Anlagen. Während sich der Wert des Dow Jones zwischen 2003 und 2007 verdoppelte, verneunfachte sich der Wert der isländischen Börse. In Reykjavík stiegen die Immobilienpreise um 200 Prozent. Im Jahr 2006 war die isländische Durchschnittsfamilie dreimal so reich wie im Jahr 2003, und dieser neue Wohlstand hing direkt oder indirekt mit dem neuen Investmentbanking zusammen. »Alle studierten sie Black-Scholes« (das Modell zur Bewertung von Finanzoptionen), erklärt Ragnar Arnason, Professor für Fischereiwirtschaft an der Universität von Island, der mitansehen musste, wie ihm die Studenten davonliefen, um Finanzwirtschaft zu studieren. »Der Fachbereich Mathematik hat Kurse in Finanzsteuerung angeboten. Hunderte Studenten sind in die Finanzwissenschaften geströmt.« Ganz Island hat so viele Einwohner wie eine Provinzstadt, doch seine Universität brachte Hunderte Finanzwirtschaftler hervor, und die Welt nahm das Land ernst.

Doch die Ambitionen auf dem globalen Finanzparkett erwiesen sich als fatal. Als die drei nagelneuen globalen Banken zusammenbrachen, stellten die rund 300 000 Bürger des Landes |25|fest, dass sie für die rund 70 Milliarden Euro Verlust geradestehen mussten – das bedeutet, dass jeder Mann, jede Frau und jedes Kind plötzlich rund 230 000 Euro Schulden hatte. Dazu kamen die Zigmilliarden Euro eigener Einbußen aus ihren bizarren privaten Devisenspekulationen und noch größere Verluste aus dem 85-prozentigen Kurseinbruch der Börse. Wie viel die Bürger genau in Euro verloren hatten, lässt sich nicht einmal beziffern, denn auch die Isländische Krone war abgestürzt und von der Regierung aus dem Handel genommen worden, weshalb sich kein Kurs mehr ermitteln ließ. Es war jedenfalls eine ganze Menge.

Über Nacht verwandelte sich Island in das einzige Land der Erde, auf das die Amerikaner mit Fingern zeigen und sagen konnten: »So weit haben wir es denn doch nicht getrieben.« Die Schulden der Isländer betrugen 850 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. (Selbst die hoch verschuldeten Vereinigten Staaten bringen es bislang nur auf schlappe 350 Prozent.) So absurd groß der Anteil der Wall Street an der amerikanischen Volkswirtschaft geworden ist, er ist noch immer nicht so groß, dass ihn die Bürger im Notfall nicht irgendwie heraushauen könnten. Aber jede einzelne der drei isländischen Banken hatte mehr Verluste aufgehäuft, als das Land auffangen konnte; zusammengenommen waren sie derart absurd hoch und unverhältnismäßig, dass in Meinungsumfragen ein Drittel der Bevölkerung angab, über Auswanderung nachzudenken.

In nur drei oder vier Jahren war dieser stabilen, kollektivistischen Gesellschaft eine völlig neue Wirtschaftsform aufgepfropft worden, die das Land dann erdrosselt hatte. »Letztlich waren es nur ein paar dumme Jungs«, meinte der Mann vom IWF. »Mit ihren dunklen Anzügen sind sie in diese auf |26|Gleichheit ausgerichtete Gesellschaft gekommen und haben angefangen, ihre Geschäfte zu machen.«

***

Während das Flugzeug zum Terminal rollt, sehe ich am Flughafengebäude das Logo der Landsbanki, neben Kaupthing und Glitnir eine der drei bankrotten isländischen Banken. Ich überlege mir eine Metapher für die zunehmende Zahl der zahlungsunfähigen Geldinstitute der Welt – Wasser, das im Gartenschlauch bleibt, wenn der Hahn abgedreht wird? Doch ich komme nicht allzu weit, denn der Mann im Sitz hinter mir zerrt seine Tasche aus dem Gepäckfach und lässt sie auf mich herunterkrachen. Ich stelle bald fest, dass isländische Männer, ähnlich wie Elche, Böcke und anderes Hornvieh, den Zusammenprall als entscheidenden Teil ihres Überlebenskampfes begreifen. Ich erfahre auch, dass dieser Mann im Sitz hinter mir ein Topmanager der Börse von Reykjavík ist. In diesem Moment weiß ich jedoch nur, dass ein Mittvierziger im teuren Anzug mir scheinbar absichtlich seine Tasche um die Ohren gehauen hat, ohne sich auch nur dafür zu entschuldigen. Mein Zorn über diesen feindseligen Akt legt sich erst an der Passkontrolle.

Man lernt eine Menge über ein Land, wenn man sich ansieht, welche Privilegien es an den Grenzübergängen den eigenen Bürgern zukommen lässt. Die Isländer machen nicht den geringsten Unterschied zwischen sich und Ausländern. Über den Schaltern hängen charmante Schilder mit der Aufschrift »Alle Bürger«, aber damit sind nicht etwa »alle Bürger Islands« gemeint, sondern »alle Bürger von überall«. Und da jeder irgendwoher kommt, stehen wir alle in derselben Schlange vor demselben Fensterchen an. Und bevor ich auch |27|nur »Guten Tag« sagen kann, hat der Beamte so getan, als hätte er meinen Pass inspiziert, und mich auch schon durchgewinkt.

Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt fahre ich durch eine finstere Landschaft von schwarzen Vulkanfelsen, die von feinem Pulverschnee überzuckert sind und aussehen, als könnten sie vom Mond stammen. Das meinten zumindest die Wissenschaftler der NASA, weshalb sie vor dem ersten Mondflug ihre Astronauten hierher schickten, um sich ein wenig einzuleben. Eine gute Stunde später stehe ich in der Empfangshalle des 101 Hotel, das der Frau eines prominenten bankrotten Bankers gehört. Der Name erschließt sich nicht unmittelbar (101 ist die Postleitzahl des reichsten Bezirks von Reykjavík), aber die Möblierung wirkt auf Anhieb vertraut: Es sieht exakt so aus wie in einem der hippen Hotels in Manhattan. Die Mitarbeiter sind schwarz livriert, an den Wänden hängt unverständliche moderne Kunst, auf den Tischchen in der Lobby liegen unberührte Hochglanzbücher über Mode – alles, um die Deklassierungsängste eines Bauerntölpels aus der Provinz zu verstärken. Banker übernachten in Hotels wie diesen, weil sie glauben, dass hier die Künstler übernachten. Im Januar 2008 veranstaltete Bear Stearns in den Räumen des Hotels eine Konferenz für britische und amerikanische Hedgefonds-Manager, um zu sehen, wie viel Geld sich mit Wetten auf die isländische Pleite verdienen ließe. Es war eine Menge. Früher war das Hotel ausgebucht, bei meiner Ankunft sind nur 6 seiner 38 Zimmer belegt. Das Restaurant ist leer, genau wie die Tischchen in den eleganten Nischen, in denen Finanziers aus aller Welt einst ihre geheimnisvollen Gespräche führten. Ein bankrottes Holiday Inn ist traurig, aber ein bankrottes Designhotel ist tragisch.

|28|Da die Banker, die einst viel Geld für eine Übernachtung hinblätterten, ein für allemal verschwunden sind, bekomme ich ein großes Zimmer im Obergeschoss mit Blick auf die Altstadt zum halben Preis. Ich kuschele mich in die weiße Seidenbettwäsche und öffne ein Buch über die isländische Wirtschaft. Das Buch erschien im Jahr 1995, lange vor der Spekulationsblase, als die Wirtschaft des Landes noch überwiegend auf dem Fischfang basierte. Dort stolpere ich über einen bemerkenswerten Satz: »Isländer stehen der kapitalistischen Marktwirtschaft eher skeptisch gegenüber, vor allem in der Frage der Verteilung des Wohlstands.«

An dieser Stelle werde ich von alarmierenden Geräuschen aus meiner Lektüre gerissen.

Zuerst hämmert ein Bettgestell gegen die andere Seite der Wand, gefolgt von lautem Stöhnen und spitzen Schreien. Offenbar ist das Paar aus dem Nachbarzimmer angekommen. Die Geräusche werden immer lauter, aber obwohl ich sie deutlich höre, verstehe ich kein Wort. Da es mir schwerfällt, mich auf die isländische Fischereiwirtschaft zu konzentrieren, versuche ich die Laute nachzuahmen, die durch die Wand dringen. Meine Zunge verknotet sich in mir vorher unbekannten Stellungen. Die Laute erinnern mich irgendwie an die Hobbits aus dem Herrn der Ringe: Gollum, Gollum! Mordor, Mordor! So also klingt Isländisch.

Wenig später höre ich ein Fauchen von der anderen Seite des Zimmers und springe aus dem Bett, um nachzusehen. Es ist die Heizung, die klingt wie ein Teekessel, der zu lange auf dem Herd stand und sich kurz vor der Explosion befindet. Auf Island funktioniert die Heizung etwas anders als anderswo, denn das heiße Wasser kommt direkt aus der Erde. Aber das Wasser ist nicht einfach nur heiß, es kocht. Wenn die |29|städtischen Wasserwerke bei Reparaturarbeiten die Kaltwasserzufuhr abstellen müssen, mit der das Leitungswasser auf Gebrauchstemperatur heruntergekühlt wird, kann es schon mal vorkommen, dass irgendwo ein nichtsahnender Isländer in seiner heimischen Dusche gekocht wird. Das Wasser, das aus der Erde in mein Zimmer geleitet wird, ist derart heiß, dass ich in meinem Hotelzimmer gargekocht würde, wenn es nicht von einer zischenden, ratternden Maschine abgekühlt würde.

Schließlich höre ich draußen eine Explosion.

Bumm!

Und noch eine.

Bumm!

***

Da es Mitte Dezember ist, erscheint die Sonne um 10:50 über dem Horizont und verabschiedet sich um 15:44 schon wieder. Das ist zwar einerseits besser als gar kein Tageslicht, andererseits aber auch wieder nicht, denn man gibt sich für ein paar Stunden der Illusion hin, dass man so etwas wie ein normales Leben führen könne. Aber wenn Island eines ist, dann sicher nicht normal. Das bestätigt sich, als ich einen 26-jährigen Isländer anrufe, den ich Magnus Olafsson nennen will. Noch vor wenigen Wochen arbeitete Magnus als Devisenhändler für eine der drei Banken und strich ein Jahresgehalt von fast einer Dreiviertelmillion Euro ein. Olafsson ist groß, hellblond, attraktiv und sieht genau so aus, wie man sich einen Nachfahren der Wikinger vorstellen würde – das heißt, er hat kaum Ähnlichkeit mit den meisten seiner Landsleute, denn die sind gedrungen und bestenfalls aschblond.

»Meine Mutter hat so viele Dosen gehortet, dass sie einen |30|Laden damit aufmachen könnte«, erzählt er mir. Seit dem Crash sei die Stimmung in Reykjavík angespannt.

Zwei Monate zuvor, als die Isländische Krone ins Bodenlose fiel, habe er sich aus seinem Büro zu einem der Schalter in der Halle geschlichen, so viel ausländisches Bargeld abgehoben, wie ihm die Kassiererin aushändigen durfte, und das Geld in eine Plastiktüte gesteckt.

»In der ganzen Stadt sind die Leute mit Taschen herumgelaufen«, erinnert er sich. »Sonst sieht man hier nie jemanden mit einer Tasche.«

Nach der Arbeit habe er seine Tüte nach Hause geschmuggelt und umgerechnet etwa 20 000 Euro in Yen, Dollar, Euro und Pfund in einem Schachbrett deponiert.

Noch im September waren die großen Banker die Helden der Nation. Heute sind sie im Ausland oder gehen nicht mehr vor die Tür. Vor der Krise habe es auf Island keine Kriminalität gegeben, so Magnus, aber heute fürchtet er sich vor Scharen von Straßenräubern, die aus dem Ausland kommen, um sein Schachbrett auszuräumen. Er weigert sich, mir seinen wahren Namen zu nennen.

»Wenn die in New York davon Wind bekommen, schicken sie Flugzeugladungen voller Diebe hier rüber«, sinniert er. »Die meisten Leute haben ihre Ersparnisse zu Hause.«

Da er ohnehin schon nervös ist, frage ich ihn auch noch nach den beunruhigenden Explosionen, die ich von meinem Hotelzimmer aus gehört habe. »Ach ja«, sagt er lächelnd. »In letzter Zeit sind eine Menge Range Rover in Flammen aufgegangen.« Dann erklärt er.

In den letzten Jahren haben sich viele Isländer an den fatalen Spekulationen beteiligt. Da die Zinsen zu Hause bei 15,5 Prozent lagen und die Isländische Krone immer weiter stieg, |31|hielten sie es für klug, ihre Kredite nicht in Kronen aufzunehmen, sondern in Yen oder Schweizer Franken. Auf den Yen zahlten sie nur 3 Prozent Jahreszinsen, und außerdem machten sie bei der Rückzahlung der Kredite ein Devisengeschäft, da die Krone immer weiter stieg. »Die Fischer haben das Geschäft entdeckt«, erzählt Magnus. »Irgendwann haben sie damit mehr verdient als mit dem Fisch.« Sie verdienten so viel, dass schließlich auch die übrigen Isländer in den Handel einstiegen.

Es war ein feines Geschäft: Sie kauften immer teurere Häuser und Autos mit Krediten, für sie sie unterm Strich sogar noch Zinsen bekamen. Aber nach dem Crash im Oktober waren die Yen und Franken, mit denen sie ihre Kredite zurückzahlen mussten, von einem Tag auf den anderen um ein Vielfaches teurer geworden. Viele Isländer, vor allem junge Menschen, sind heute Besitzer von Häusern, die 500 000 Euro wert sind und mit Hypotheken von 1 500 000 Euro belastet sind. Oder sie fahren Range Rover, die 35 000 Euro kosten und für die sie 100 000 Euro abstottern müssen. Für das Range-Rover-Problem gibt es zwei einfache Lösungen: Entweder man verlädt den Wagen auf eine Fähre, bringt ihn aufs europäische Festland und verkauft ihn in einer Währung, die noch etwas wert ist. Oder man zündet ihn an und kassiert die Versicherungssumme. Bumm!

Reykjavík mag auf Lavafelsen errichtet worden sein, aber man hat das Gefühl, die Stadt bestehe aus verschiedenen historischen Ablagerungen: Auf einem dicken architektonischen Sockel, den man als »nordisch-pragmatisch« bezeichnen könnte, liegt eine dünne Schicht, die vermutlich irgendwann »heuschrecken-kapitalistisch« heißen wird. Die charmanten, zwergenhaften Gebäude, in denen die Regierung untergebracht |32|ist, sind auf Augenhöhe der Isländer. Die halbfertigen Glas- und Stahltürme an der Uferpromenade, die für die neureichen Banker gedacht waren und den Isländern nur die Sicht auf die weißen Klippen um den Hafen verstellen, sind dagegen hoffnungslos überdimensioniert.

***

Am besten lernt man eine Stadt auf einem Rundgang kennen. Leider wird man überall in Reykjavík von Männern angerempelt, die sich nicht einmal entschuldigen. Spaßeshalber gehe ich die Einkaufsstraße auf und ab, um zu sehen, ob vielleicht irgendeiner dieser isländischen Männer ausweicht, um mich nicht über den Haufen zu rennen. Keine Chance. Besonders akut wird das Problem während der Partynächte – Donnerstag, Freitag und Samstag –, wenn die Bürger ihrer Pflicht zum Komasaufen nachkommen und bis zu einer Uhrzeit durch die Straßen torkeln, zu der andernorts längst die Sonne aufgegangen ist. Die Kneipen sind bis 5 Uhr morgens geöffnet und werden von den Isländern mit einer entfesselten Energie aufgesucht, die mich als Amerikaner eher an Arbeit erinnert. Kaum betrete ich einen Club namens Boston, werde ich von einem bärtigen Troll gerammt, der angeblich zu besseren Zeiten einen isländischen Hedgefonds leitete. Gerade als ich wieder Luft bekomme, werde ich von einem betrunkenen Manager der Notenbank niedergetrampelt. Vielleicht liegt es daran, dass er sturzbesoffen ist, vielleicht auch daran, dass ich ihn einige Stunden zuvor interviewt habe, denn er bleibt kurz stehen und verkündet: »Wir haben ihnen klargemacht, dass wir nicht zahlungsunfähig sind, sondern nur nicht flüssig. Aber sie haben uns nicht zugehört.« Dann schwankt er von dannen. Genau das haben übrigens auch Lehman Brothers und Citigroup |33|gesagt: Gebt uns nur ein bisschen Geld, dann ist dieser kleine Schluckauf gleich vorbei.

Ein Land, das so klein und homogen ist, dass fast jeder jeden kennt, fällt eigentlich schon nicht mehr in die Kategorie »Nation«. Es handelt sich eher um eine Großfamilie. Die meisten Isländer werden beispielsweise bei Geburt automatisch Mitglied der evangelisch-lutherischen Staatskirche. Wenn sie austreten wollen, müssen sie sich an eine Behörde wenden. Und wenn sie ein Formular ausfüllen, können sie ihre eigene Freikirche gründen und haben Anspruch auf staatliche Fördermittel.

Ein anderes Beispiel ist das Telefonbuch von Reykjavík, in dem die Nutzer nach Vornamen sortiert sind. Das liegt daran, dass es in Island nur gut neun Nachnamen gibt, die sich ergeben, indem man »-son« oder »-dóttir« an den Vornamen des Vaters hängt. Ich habe meine Zweifel, ob das die Sache klarer macht, da es auf Island offenbar auch nur neun Vornamen gibt. Aber wenn Sie demonstrieren wollen, wie wenig Sie über Island wissen, müssen Sie nur einen Mann namens Siggor Sigfusson mit »Herr Sigfusson« oder eine Frau namens Kristin Pétursdóttir mit »Frau Pétursdóttir« anreden. Wie dem auch sei, in Gesprächen wissen offenbar immer alle, von wem gerade die Rede ist, denn man hört nie die Frage »Welchen Siggor meinst du denn jetzt?«

Da Island eine einzige große Familie ist, kann man Isländer necken, indem man sie fragt, ob sie Björk persönlich kennen. Natürlich kennen sie Björk. Gibt es auf der Insel irgendjemanden, der Björk nicht persönlich kennt? Anders gefragt, gibt es irgendjemanden, der sie nicht kennt, seit sie zwei Jahre alt war? »Natürlich kenne ich Björk«, antwortet ein Finanzprofessor der Universität von Island müde auf meine Frage. »Sie |34|kann nicht singen. Ihre Mutter kenne ich noch aus meiner Kindheit. Die sind beide verrückt. Dass sie im Rest der Welt so bekannt ist, verrät mir mehr über die Welt als über Björk.«

In einer Großfamilie zu leben hat durchaus seine Vorteile. Zum Beispiel muss man sich nicht mit umständlichen Erklärungen aufhalten, denn jeder weiß ja immer schon, wovon die Rede ist. Deshalb verschwendet man in Reykjavík auch nur seine Zeit, wenn man andere nach dem Weg fragt. Genau wie alle wissen, von welchem Bjornjolfer gerade die Rede ist, wird erwartet, dass jeder weiß, wo er sich gerade befindet. Die Leute, die ich nach dem Weg zum Sitz des Premierministers frage, zucken nur mit den Schultern – einer davon ist ein Banker, dessen Büro drei Straßen entfernt lag. Und als ich mich nach der Nationalgalerie erkundige, schütteln drei Erwachsene nur mit dem Kopf, obwohl das Museum um die Ecke liegt. Als ich der freundlichen Dame am Kartenschalter erzähle, dass offenbar kein Isländer das Museum kennt, erwiderte sie: »Niemand weiß irgendetwas über Island. Letzte Woche war eine Schulklasse hier, und der Lehrer hat nach dem Namen eines isländischen Malers aus dem 19. Jahrhundert gefragt. Niemand konnte auch nur einen Maler nennen! Einer hat geantwortet: ›Halldór Laxness?‹« (Laxness gewann 1955 den Literaturnobelpreis; das blieb lange die einzige internationale Auszeichnung, die einem Isländer zuteil wurde, bis in den achtziger Jahren kurz hintereinander zwei Isländerinnen zur Miss World gewählt wurden.)

***

Die Welt ist heute übersät von Städten, die sich anfühlen, als befänden sie sich auf einem Pulverfass. Die Bombe ist noch |35|nicht explodiert, aber die Lunte glimmt schon, und niemand kann sie löschen. Wer kurz vor der Pleite von Lehman Brothers durch Manhattan ging, sah leere Geschäfte, leere Straßen und leere Taxis – die Menschen waren geflohen, ehe die Bombe hochging. Auch in Reykjavík hatte man das Gefühl einer bevorstehenden Explosion, aber die Zündschnur brannte anders als anderswo.

Die Gesetze schreiben nach einer Kündigung eine dreimonatige Lohnfortzahlung vor, das heißt, viele der entlassenen Bankangestellten wurden bis Ende Januar bezahlt. Danach wurde prompt die Regierung gestürzt. Auf dem Devisenmarkt hat die Krone gegenüber dem Boom über zwei Drittel an Wert verloren. Da Island alles außer Wärme und Fisch importieren muss, schossen die Preise in die Höhe. Eine meiner neuen isländischen Bekannten erzählt mir, sie sei in einen Laden gegangen, um eine Lampe zu kaufen. Der Verkäufer habe ihr gesagt, er habe die letzten beiden Lampen des gewünschten Modells gerade verkauft, und bot ihr an, sie aus Schweden nachzubestellen – zum Dreifachen des alten Preises.

Aber eine Gesellschaft, die über Nacht bankrottgeht, sieht am nächsten Morgen noch genauso aus wie am Tag zuvor, als sie sich noch reich wähnte. Zum Beispiel die Notenbank. Man kann davon ausgehen, dass Island irgendwann den Euro einführt und die Krone ausgedient hat. Dann braucht das Land keine Notenbank mehr, die sich um die Stabilität der Währung kümmert und Zinsen festlegt. Im Gebäude der Notenbank schmort Davið Oddsson, der für Aufstieg und Fall Islands mitverantwortlich zeichnet. In den achtziger Jahren verfiel Davið dem Zauber von Milton Friedman, diesem genialen Wirtschaftswissenschaftler, der es fertigbrachte, selbst Staatsangestellte davon zu überzeugen, dass der Staat überflüssig |36|war. So begann Davið einen Kreuzzug zur Befreiung der Isländer und zur Abschaffung staatlicher Regulierungen gleich welcher Art. Als Premierminister senkte er Steuern, privatisierte Staatsbetriebe, schaffte Handelsschranken ab und privatisierte schließlich im Jahr 2002 die Banken. Nachdem er des Regierens müde war, ließ er sich zum Chef der Notenbank ernennen, auch wenn er keinerlei Ahnung vom Bankwesen hatte und eigentlich von Berufs wegen Dichter war.

Nach dem Crash verbarrikadierte sich der Friedman-Schüler in seinem Büro in der Notenbank und lehnte jede Interview-Anfrage ab. Führende Regierungsbeamte sagten mir, dort schreibe er vermutlich Gedichte. (Im Februar 2009 wurde er von der neuen Regierung entlassen.) Von außen ist die Zentralbank von Island jedoch noch immer ein eleganter schwarzer Tempel vor dem Hintergrund der weißen Klippen. Männer in Anzügen gehen ein und aus. Jungen rodeln einen Hang neben dem Gebäude hinab – ihnen ist es egal, dass ihr Spielplatz der Ground Zero einer internationalen Finanzkatastrophe ist. Alles sieht noch genauso aus wie vor dem Crash, und doch ist alles ganz anders. Die Lunte wird immer kürzer, das Flämmchen frisst sich unaufhaltsam in Richtung der Bombe voran.

Als Neil Armstrong seinen legendären ersten Schritt auf dem Mond tat und sich umsah, mag er sich gedacht haben: »Mensch, das sieht ja genauso aus wie Island!« Obwohl der Mond natürlich ganz anders aussieht. Aber er war schließlich als Tourist unterwegs, und als Tourist bekommt man nun mal einen verzerrten Eindruck der Dinge: Man trifft nichtrepräsentative Menschen, macht nichtrepräsentative Erfahrungen und stülpt dem Ort fantasievolle Annahmen über, die man von zu Hause mitgebracht hat. Als Island seinen Ausflug in |37|die Welt der Hochfinanz unternahm, hatte es dasselbe Problem wie Neil Armstrong. Die Isländer sind vermutlich die am stärksten inzüchtige Nation der Welt, weshalb sie dauernd von Genforschern untersucht werden. Sie hatten 1100 Jahre auf ihrer abgelegenen Insel gelebt, ohne sich mit Beschäftigungen wie Fremdfinanzierung, feindlichen Übernahmen, Derivatehandel oder auch nur Finanzbetrug abzugeben. Als sie sich im Jahr 2003 mit Goldman Sachs und Morgan Stanley an einen Tisch setzten, besaßen sie nur sehr ungefähre Vorstellungen davon, was Investmentbanker taten – und das wenige, was sie wussten, hatten sie von ihren jungen Landsleuten erfahren, die an verschiedenen amerikanischen Universitäten Wirtschaftswissenschaften studiert hatten. Was sie im Jahr 2003 mit ihrem Geld machten, sagt vermutlich genauso viel über die amerikanische Finanzbranche aus wie über die Isländer selbst. Zum Beispiel verstanden sie sofort, dass die Finanzwirtschaft keine produktive Angelegenheit ist, sondern dass es einzig und allein darum geht, untereinander Papierchen auszutauschen. Wenn sie Kredite aufnahmen, finanzierten sie damit nicht einfach Unternehmen, sondern Freunde und Verwandte, damit auch die in den Genuss von schönen Dingen kamen, ganz wie echte Investmentbanker: Apartmentwohnungen in Beverly Hills, englische Fußballmannschaften, dänische Fluggesellschaften und Medienunternehmen, norwegische Banken, indische Kraftwerke.

Eine Lektion der Amerikaner nahmen sich die Isländer ganz besonders zu Herzen: Das Entscheidende war, mit dem gepumpten Geld so viele Anlagen wie möglich zusammenzuraffen, da die Anlagenpreise unendlich weiter steigen würden. Zwischen 2002 und 2007 verfünfzigfachten sich die ausländischen Besitzungen der Isländer. Sie kauften Privatjets und |38|Drittwohnungen in Kopenhagen und London. Für Dienstleistungen, von denen zuvor in Island niemand auch nur geträumt hatte, legten sie gewaltige Summen auf den Tisch. »Ein Typ hat zu seiner Geburtstagsfeier Elton John einfliegen lassen, damit der zwei Lieder singt. Dafür hat er eine Million Dollar hingeblättert«, erzählt mir Steingrimur Sigfússon, Parteichef der Grünen, noch immer ungläubig. »Angeblich hat er furchtbar gesungen.« Die Isländer kauften Anteile an Unternehmen, von denen sie keine Ahnung hatten, und schrieben den Firmen vor, was sie zu tun hatten – genau wie amerikanische Investmentbanker! Eine Investmentbank namens FL Group, einer der Hauptaktionäre von Glitnir, erwarb 8,25 Prozent an der Eigentümergesellschaft von American Airlines. Keiner der Mitarbeiter der FL Group hatte je auch nur eine Fluggesellschaft von innen gesehen. Das hinderte sie jedoch nicht daran, American Airlines Vorschriften zu machen. »Nach einer ausführlichen Beobachtung des Unternehmens«, so FL-Group-Vorstand Hannes Smárason, Absolvent der Sloan School des MIT, wenige Wochen nach dem Kauf der Anteile, »schlagen wir eine Liquidierung von Vermögenswerten vor. Die Erlöse können zum Abbau von Schulden oder zur Auszahlung von Dividenden an die Aktionäre verwendet werden.«

Beim Kauf von Unternehmen gingen die Isländer nicht sonderlich wählerisch vor. Ich sprach mit einem Hedgefonds-Manager in New York, der Ende 2006 eine vermeintlich leichte Beute ausgemacht hatte: eine schwächelnde skandinavische Bank. Mit Leerverkäufen wettete er auf einen weiteren Kursverfall, als plötzlich aus dem Nichts Kaupthing auftauchte, 10 Prozent dieser beinahe zahlungsunfähigen Bank aufkaufte und damit die Kurse in lächerliche Höhen trieb. Ein Hedgefonds in London war derart verwirrt angesichts der vielen katastrophalen |39|Unternehmenskäufe der Isländer, dass er Privatdetektive anheuerte, um herauszufinden, was denn mit dem isländischen Finanzwesen los war. Die Ermittler legten ihren Auftraggebern ein kunstvoll gewobenes Netz miteinander verbundener Einrichtungen vor; ihre Ergebnisse lassen sich ungefähr so zusammenfassen: Ein paar isländische Jungs, die keine Ahnung vom Finanzwesen hatten, nahmen im Ausland kurzfristige Kredite in Höhe von zig Milliarden Dollar auf. Dieses Geld liehen sie sich gegenseitig und verliehen es weiter an ihre Freunde, um damit Anlagen zu kaufen – Banken, Fußballmannschaften und so weiter. Da die Anlagenwerte in aller Welt stiegen – unter anderem, weil Leute wie diese isländischen Irren verrückte Summen dafür bezahlten –, sah es so aus, als würden sie Geld verdienen.

Einer der Hedgefonds-Manager aus London erklärte mir das Prinzip des isländischen Bankwesens so: Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Hund, ich habe eine Katze. Wir einigen uns darauf, dass beide eine Milliarde Dollar wert sind. Sie verkaufen mir den Hund für eine Milliarde, ich verkaufe Ihnen die Katze für eine Milliarde. Jetzt sind wir keine Haustierbesitzer mehr, sondern isländische Banken mit einem Milliardenvermögen. »Sie haben falsches Kapital geschaffen, indem sie untereinander Anlagen zu völlig überzogenen Preisen gehandelt haben«, erklärte er. »Auf diese Weise sind die Banken und Investmentbanken immer weiter gewachsen. Aber auf dem internationalen Markt waren sie Leichtgewichte.«

***

Als Tony Shearer, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der britischen Handelsbank Singer & Friedlander, am 3. Februar vor einem Untersuchungsausschuss vor dem Unterhaus aussagte, |40|gab er einen kleinen Einblick, wie eine feindliche Übernahme durch eine isländische Bank aussah.

Singer & Friedlander wurde im Jahr 1907 gegründet und unter anderem deshalb berühmt, weil hier George Soros laufen gelernt hatte. Im November 2003 erfuhr Shearer, dass Kaupthing – eine Bank, von deren Existenz er bis dahin nie gehört hatte – soeben 9,5 Prozent seiner Bank aufgekauft hatte. Wenn eine Bank eine andere übernimmt, versucht sie in der Regel, Auskünfte über sie einzuholen. Shearer bot daher Kaupthing-Vorstand Sigurður Einarsson an, sich mit ihm zu treffen, doch Sigurður war nicht interessiert. Als Kaupthing ihren Anteil auf 19,5 Prozent aufstockte, flog Shearer nach Reykjavík, um sich diese sonderbaren Isländer einmal aus der Nähe anzusehen. »Sie waren anders«, erläuterte er vor dem parlamentarischen Ausschuss. »Sie hatten eine sonderbare Art der Unternehmensführung. Die Mitarbeiter waren alle unglaublich jung. Sie kamen alle aus derselben Gruppe in Reykjavík. Und sie hatten keine Ahnung vom Geschäft.«

Shearer sah sich die Jahresberichte von Kaupthing an und stieß auf einige bemerkenswerte Tatsachen: Beispielsweise stammte nur ein einziges Aufsichtsratsmitglied dieser riesigen internationalen Bank nicht aus Island. Die Direktoren hatten Vierjahresverträge; die Bank hatte ihnen 19 Millionen Pfund Sterling geliehen, um Anteile von Kaupthing zu erwerben, und garantierte den Rückkauf der Aktien zu einem festen Gewinn. Die Erträge der Bank stammten fast durchweg aus der überhöhten Bewertung von Anlagen, die sie zu überhöhten Preisen erworben hatte. »Der Anteil der Gewinne aus Bankgeschäften, die man als solche bezeichnen könnte, lag bei unter 10 Prozent«, meinte Shearer.

In einer vernünftigen Welt hätten die britischen Aufsichtsbehörden |41|die neuen isländischen Finanziers daran gehindert, die traditionsreiche britische Handelsbank zu schlucken. Doch die Bankenaufsicht ignorierte einen Brief von Shearer. Ein Jahr später, im Januar 2005, erhielt er einen Anruf vom britischen Takeover-Panel. »Sie wollten wissen, warum unser Aktienkurs in den letzten Tagen so stark gestiegen war«, erinnerte sich Shearer. »Ich lachte nur und sagte: ›Mr. Einarsson war so dumm, vor zwei Tagen anzukündigen, dass er ein Angebot für Singer & Friedlander abgeben wollte.‹« Im August 2005 wurde die Handelsbank in Kaupthing Singer & Friedlander umbenannt und Shearer ging, weil er besorgt war, andernfalls seinen Ruf zu verlieren. Im Oktober 2008 war Kaupthing Singer & Friedlander pleite.

Doch als die Abgeordneten Tony Shearer drängten, die Isländer als dahergelaufene Hütchenspieler darzustellen, weigerte er sich. »Es waren sehr gebildete Leute«, sagte er, noch immer erstaunt.

***

Auch in anderer Hinsicht imitierten die Isländer das amerikanische Vorbild. Alle möglichen Leute, durchweg Ausländer, versuchten ihnen klarzumachen, dass sie ein Problem hatten. Anfang 2006 verfasste beispielsweise ein dänischer Analyst namens Lars Christensen zusammen mit drei Kollegen von der größten dänischen Bank, der Danske Bank, einen Bericht, in dem er warnte, wenn das isländische Bankwesen mit dieser irrwitzigen Geschwindigkeit weiterwachse, sei die Katastrophe vorprogrammiert. »Wir haben diesen Bericht geschrieben, weil wir Sorge hatten, dass sich unsere Kunden zu sehr für Island interessieren könnten«, sagte mir Christensen. »Island war einfach nur extrem.« Der Däne flog sogar nach Island und hielt einen Vortrag, um seiner Warnung Gehör zu verschaffen. |42|Doch dort schlug ihm nur eine Welle des Zorns entgegen. »Die isländischen Banken haben es persönlich genommen. Sie haben uns sogar mit Klagen gedroht und mir gesagt: ›Du bist Däne, und du bist nur neidisch, weil es uns so gut geht.‹ Das hat immer noch mit 1944 zu tun [dem Jahr, in dem Island endgültig von Dänemark unabhängig wurde]. Die Reaktion war nicht: ›Die Jungs könnten vielleicht Recht haben‹, sondern: ›Das ist eine Verschwörung! Die wollen uns übers Ohr hauen!‹«

Die Danske Bank informierte Hedgefonds in London, dass Island ein hervorragendes Ziel für Wetten war. Sie gingen dem Phänomen auf den Grund und stießen auf ein schier unglaubliches Netz der Vetternwirtschaft: Banker kauften einander Anlagen zu überhöhten Preisen ab, beliehen diese Anlagen mit Zigmilliarden Dollar und verliehen das Geld an Mitglieder ihres kleinen isländischen Klans weiter, die damit einen Gemischtwarenladen von ausländischen Anleihen zusammenkauften. »Und wie alle Grünschnäbel wurden sie dabei ordentlich gerupft und bekamen die schlechtesten Anleihen – zweitklassige Fluggesellschaften, unterdurchschnittliche Handelsketten und so weiter«, meint Theo Phanos von Trafalgar Asset Managers in London. »Bei allen schlechten Unternehmensverkäufen waren sie mit im Spiel.«

Aber vom Premierminister abwärts fielen die politischen Führer der Insel über die Überbringer der schlechten Nachrichten her. »Diese Attacken stinken nach skrupellosen Händlern, die das isländische Finanzsystem zum Einsturz bringen wollen«, entrüstete sich Zentralbankchef Oddsson noch im März 2008. Der Vorstandsvorsitzende von Kaupthing beschuldigte vier Hedgefonds, sie legten es darauf an, das isländische Finanzwunder zu zerstören. »Ich weiß nicht, woher die |43|Isländer diese Idee nahmen«, sagt Paul Ruddock von Lansdowne Partners, einer der Beschuldigten. »Wir haben nur ein einziges Mal mit isländischen Aktien gehandelt, und das auch nur kurz. Nachdem der Vorstandsvorsitzende von Kaupthing diese haltlosen Anschuldigungen erhoben hat, haben wir rechtliche Schritte gegen ihn eingeleitet, und er hat seine Aussagen zurückgenommen.«

Eine der Ursachen der globalen Finanzkrise war, dass diejenigen, die sie kommen sahen, durch Warnungen nichts und durch Leerverkäufe sehr viel verdienen konnten. Die meisten Leute, die Island Finanzvergehen hätten vorwerfen können, hatten selbst genug Dreck am Stecken und ließen sich einfach als Spekulanten abtun. Aber im April 2006 begann ein emeritierter Wirtschaftswissenschaftler namens Bob Aliber von der University of Chicago sich für Island zu interessieren. Während eines Besuchs an der London Business School hörte er einen Vortrag über die Insel, von der er bis dahin noch nichts gehört hatte. Er erkannte die Lage sofort, recherchierte und entdeckte alle Anzeichen einer Finanzblase von historischen Ausmaßen. Aliber bezeichnet den Aufstieg Islands als »perfekte Spekulationsblase« und schreibt gerade an einem Buch zum Thema: eine aktualisierte Ausgabe von Charles Kindlebergers Klassiker Manien, Paniken, Crashs aus dem Jahr 1978. Noch im Jahr 2006 beschloss Aliber, Island ein eigenes Unterkapitel zu widmen, neben dem Tulpenwahn und der Südseeblase, obwohl die Blase damals noch nicht einmal geplatzt war.

Unter isländischen Wirtschaftswissenschaftlern verbreitete sich die Nachricht, dass sich ein angesehener Professor aus Chicago für ihre Insel interessierte. Im Mai 2008 wurde Aliber vom Fachbereich Wirtschaft der Universität von Island zu |44|einem Vortrag eingeladen. Vor Studierenden, Bankern und Journalisten erklärte er, das Phänomen spreche nicht für ein angeborenes Finanztalent der Isländer, sondern für eine gewaltige Spekulationsblase, doch er hielt seinen Vortrag in der technischen Sprache der Wirtschaftswissenschaftler. Als ihn in der nachfolgenden Fragerunde jemand bat, einen Blick in die Zukunft zu wagen, sprach er Klartext. »Ich gebe Ihnen neun Monate. Ihre Banken sind tot. Ihre Banker sind entweder gierig oder dumm. Ich wette, sie sitzen schon im Flieger, um ihre Anlagen loszuwerden.«

Die anwesenden Banker versuchten zu verhindern, dass die Zeitungen über die Veranstaltung berichteten. Andere regten an, Aliber solle seinen erschütternden Vortrag vor der Notenbank halten. Dazu kam es allerdings nie. »Die Notenbanker sagten, sie hätten keine Zeit für ein Gespräch«, erinnert sich einer der Professoren, die das Gespräch vermitteln wollten. »Sie arbeiteten an ihrem Bericht über die Finanzstabilität.« Als Aliber aus Island abreiste, fürchtete er, dort einen derartigen Aufruhr verursacht zu haben, dass man ihm beim nächsten Mal die Einreise verweigern würde: »Ich glaube, die haben mich nur geholt, damit ich als Außenstehender ihnen diese unangenehmen Wahrheiten sage – ein Insider hätte sich das nie erlauben können, weil er großen Ärger bekommen hätte.« Trotzdem erinnert er sich gern an seine Gastgeber. »Es sind komische Menschen«, sagt er und lacht. »Aber genau das ist ja der Punkt, oder?«

Isländer – zumindest isländische Männer – hatten ihre eigene Erklärung dafür, warum sie beim Sprung in die Welt der Hochfinanz reihenweise Weltrekorde brachen: Der Grund war die natürliche Überlegenheit der Isländer. Als kleines, vom Rest der Welt abgeschnittenes Volk hatten sie 1100 Jahre |45|gebraucht, um ihre angeborenen Talente zu erkennen und zu nutzen. Aber heute, da die Welt flach war und die Geldströme ungehindert flossen, hatten die unfairen Benachteiligungen ein Ende. Auf Auslandsreisen erklärte Präsident Ólafur Ragnar Grímsson, warum die Isländer Finanzgenies seien. »Unser Erbe und unsere Ausbildung, unsere Kultur und unser heimischer Markt haben uns wertvolle Vorteile verschafft«, posaunte er und erläuterte neun dieser Vorteile. Sein letzter Punkt war die vermeintliche Harmlosigkeit der Isländer. (»Viele sehen uns als Exzentriker, die keiner Fliege etwas zuleide tun können.«) Diese und ähnliche Ansichten hörte man immer wieder, vor allem natürlich auf Island. »An der Universität gab es Forschungsprogramme, die der Frage nachgingen, warum das isländische Geschäftsmodell anderen überlegen war«, sagt Gylfi Zoega, Direktor des Fachbereichs Wirtschaft. »Alles drehte sich um unsere informellen Kommunikationskanäle, die Fähigkeit zu schnellen Entscheidungen und so weiter.«

»Wir haben immer gehört, die isländischen Unternehmer seien so clever«, sagt der Finanzprofessor und frühere Banker Vilhjálmur Bjarnason. »Sie seien schnell. Sie kauften schnell. Aber warum war das so? Das passiert normalerweise nur, wenn der Verkäufer mit dem Preis zufrieden ist.«

Man musste kein Isländer sein, um dem Kult des nordischen Bankers zu huldigen. Deutsche Banken versenkten 15 Milliarden Euro in isländischen Banken. Die Niederländer legten 215 Millionen drauf und die Schweden 280 Millionen. Britische Investoren, die von den atemberaubenden 14 Prozent Jahreszinsen angelockt wurden, legten sogar über 20 Milliarden Euro auf den Tisch: 19 Milliarden kamen von Unternehmen und Privatanlegern, der Rest von Pensionsfonds, |46|Krankenhäusern, Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen. Allein die Oxford University verlor umgerechnet 35 Millionen Euro.

Wenn wir so wenig über Isländer wissen, dann liegt das vermutlich daran, dass es nur so wenige gibt. Wir gehen automatisch davon aus, dass sie mehr oder weniger so sind wie alle anderen Skandinavier: freundliche Menschen, die wollen, dass alle von allem den gleichen Anteil bekommen. Aber Isländer sind anders. Sie haben einen wilden Zug in sich, wie ein Pferd, das nur so tut, als sei es zugeritten.

***

An meinem dritten Tag in Reykjavík bekomme ich aus heiterem Himmel zwei Anrufe. Den ersten von der Produzentin einer führenden Nachrichtensendung. Ganz Island sehe ihre Sendung, behauptet sie und fragt mich dann, ob ich ihr ein Interview geben würde.

»Worüber?«, frage ich.

»Wir wollen, dass Sie unseren Zuschauern die Finanzkrise erklären«, antwortet sie.

»Aber ich bin doch erst seit drei Tagen hier«, erwidere ich.

Das mache nichts, meint sie, da in Island sowieso niemand verstehe, was passiert sei. Sie würden sich freuen, wenn ihnen jemand erklären würde, was passiert sei, auch wenn dieser Jemand nicht wisse, wovon er spreche. Was nur zeigt, dass sich die Isländer vielleicht doch nicht allzu sehr vom Rest der Welt unterscheiden. Während ich mich noch herausrede, bekomme ich einen zweiten Anruf, diesmal vom Premierminister.

Geir Haarde war nicht nur Premierminister, sondern auch Vorsitzender der Unabhängigkeitspartei, die das Land zwischen 1991 und 2009 regierte, in lockeren Koalitionen mit |47|der Sozialdemokratischen Volkspartei und der Fortschrittspartei. (Die vierte große Partei Islands waren die Grünen.) Dass eine Nation mit weniger als 300 000 Einwohnern, die zudem alle miteinander verwandt sind, vier Parteien benötigt, lässt entweder auf eine besondere Streitsucht schließen oder auf eine mangelnde Bereitschaft, dem anderen zuzuhören. Wie dem auch sei, von den vier Parteien steht die Unabhängigkeitspartei für die freie Marktwirtschaft. Sie ist außerdem die Partei der Fischer. Ihre Mitglieder sind, wie mir ein früherer Schulfreund des Premiers versicherte, »Männer, Männer, Männer. Nicht eine einzige Frau«.

Ich erwarte, dass ich beim Betreten des winzigen Regierungssitzes aufgehalten und durchsucht werde oder zumindest einen Ausweis vorlegen muss. Stattdessen sitzt am Eingang ein einziger Polizeibeamter, der die Füße hochgelegt hat und Zeitung liest. Gelangweilt blickt er auf. »Ich habe einen Termin beim Premierminister«, sage ich zum ersten Mal in meinem Leben. Er ist nicht beeindruckt. Jeder kann den Premierminister besuchen. Ein halbes Dutzend Leute erklärt mir, die Isländer seien deshalb überzeugt gewesen, dass man sie als globale Finanziers ernst nehmen würde, weil sie sich für wichtig halten. Und ein Grund dafür ist, dass jeder den Premierminister besuchen kann, wenn ihm danach ist.

Wie der Premierminister den Isländern den Crash erklären soll, ist eine offene Frage. Isländische Finanzpolitiker zeichnen sich durch eine charmante Ahnungslosigkeit in Finanzfragen aus. Der Wirtschaftsminister ist ein Philosoph. Der Zentralbankchef ist ein Dichter. Geir ist zwar Wirtschaftswissenschaftler, aber leider kein sonderlich guter: Er schloss sein Studium an der Universität von Island mit »befriedigend« ab. Die Führungsriege der Unabhängigkeitspartei steht insgesamt in |48|dem Ruf, keine Ahnung von Finanzen zu haben und sich standhaft zu weigern, Experten zurate zu ziehen. Jon Danielsson, ein isländischer Professor an der London School of Economics, der sich ausgerechnet auf Spekulationsblasen spezialisiert hat, bot seine Hilfe an und wurde schnöde zurückgewiesen, genau wie einige renommierte Finanzexperten der Universität von Island. Selbst die Empfehlungen wirklich kluger Zentralbanker aus wirklich großen Ländern wurden abgelehnt. Es ist nur zu verständlich, warum die Unabhängigkeitspartei und ihr Premier den isländischen Frauen so unattraktiv erscheint: Das sind die Männer, die ihre Familie stundenlang im Kreis herumkutschieren und sich weigern, jemanden nach dem Weg zu fragen.

»Warum interessieren Sie sich ausgerechnet für Island?«, will er wissen, als er mit dem Selbstbewusstsein eines Regierungschefs von Weltrang in den Raum stolziert. Die Frage ist durchaus berechtigt.

Geir ist kein dummer Mann, aber das sind politische Führer ja selten, auch wenn die Leute, die sie gewählt haben, es noch so sehr behaupten. Er sagt zwar einige Dinge, die beim besten Willen nicht stimmen können, aber das gehört zu den Flunkereien, für die ein Premierminister bezahlt wird. Er behauptet beispielsweise, dass die Krone wieder stabil sei, obwohl sie in Wahrheit noch immer nicht an den internationalen Finanzmärkten gehandelt wird. Die Regierung weist ihr zu bestimmten Zwecken einen willkürlichen Wert zu. Aber Isländer im Ausland haben inzwischen gelernt, ihre Kreditkarten besser stecken zu lassen, weil sie Angst haben, den wirklichen Kurs bezahlen zu müssen, was immer das sein mag.

Der Premierminister will mir außerdem weismachen, er habe die Krise kommen sehen, habe aber nichts dagegen unternehmen |49|können. (»Wir konnten doch unsere Besorgnis um das Bankwesen nicht öffentlich zum Ausdruck bringen, weil wir sonst genau das ausgelöst hätten, was wir vermeiden wollten, nämlich eine Panik.«) Nicht Politiker wie er waren also schuld, sondern die Banker. Seine Mitbürger sehen das übrigens ganz ähnlich: Als der frühere Chef der Investmentbank Baugur aus dem 101 Hotel zu seiner Limousine rannte, wurde er mit Schneebällen beworfen, und als der frühere Kaupthing-Direktor seinen Platz im Nationaltheater einnahm, wurde er ausgebuht. Die großen Tiere haben sich überwiegend nach London abgesetzt oder halten sich versteckt. Sie lassen den Premierminister mit den zornigen Demonstranten allein, die sich jedes Wochenende unter Führung des Folksängers Hörður Torfason vor dem Parlament versammeln.

Geir spult seine Version der Geschichte ab: Ausländer hätten Island ihr Kapital anvertraut, und Island habe es gut verwaltet. Doch als am 15. September Lehman Brothers zahlungsunfähig wurde, seien die Ausländer in Panik verfallen und hätten ihr Geld zurückverlangt. Island sei nicht durch seinen eigenen Leichtsinn ruiniert worden, sondern sei Opfer eines globalen Tsunami geworden. Die Geschichte hat leider einen kleinen Haken, denn sie erklärt nicht, warum dieser Tsunami ausgerechnet Island traf und nicht zum Beispiel Tonga.

Aber ich bin nicht nach Island gekommen, um mich zu streiten. »Eine Frage wollte ich Ihnen unbedingt stellen«, sage ich.

»Ja?«

»Stimmt es, dass Sie den isländischen Bürgern gesagt haben, es sei Zeit, die Geldgeschäfte zu beenden und wieder fischen zu gehen?«

|50|Ein prima Spruch, denke ich. Knapp, wahr, auf den Punkt gebracht. Aber ich hatte ihn aus dritter Hand vom Manager eines New Yorker Hedgefonds. Der Premier sieht mich streng an. »Das ist eine Übertreibung«, antwortet er.

»Ich fand den Satz gar nicht schlecht«, erwidere ich etwas nervös.

»Das habe ich nie gesagt!«

Offenbar habe ich einen wunden Punkt getroffen, aber ich kann nicht sagen, welchen. Hat er Angst, dass er wie ein Idiot dastehen könnte, weil er so etwas gesagt hat? Oder meint er, die Fischerei sei weniger respektabel als Geldgeschäfte?

***

Als ich ins Hotel zurückkomme, stehen zum ersten Mal seit vier Nächten keine leeren Sektflaschen vor der Tür des Nachbarzimmers. Das isländische Pärchen, das hier vermutlich seine letzten Kronen verpulvert hat, ist abgereist. Vier Nächte lang habe ich ihr Ork-Geschrei ertragen, nun ist alles still. Endlich kann ich mich in mein Bett kuscheln und mich meinem Aufsatz über die isländische Fischereiwirtschaft widmen. Wie man es auch dreht und wendet, der isländische Wohlstand kommt vom Fisch, und wenn man verstehen will, was die Isländer mit ihrem Geld angefangen haben, sollte man vielleicht verstehen, wie sie es verdient haben.

In einem Aufsatz1 versuchte der Wirtschaftswissenschaftler H. Scott Gordon zu erklären, »warum Fischer nicht reich sind, obwohl die Ressourcen des Meeres zu den reichsten der Welt gehören«. Das Problem ist ganz einfach: Da der Fisch allen |51|gehört, gehört er niemandem. Jeder kann so viel davon fangen, wie er mag, weshalb die Fischer so viel davon aus dem Meer ziehen, dass die Fischerei unrentabel wird, und zwar für alle. »Jeder Fischer träumt vom ›großen Fischzug‹«, schrieb Gordon. »Wer Fischer kennt, der weiß, dass sie Spieler und unverbesserliche Optimisten sind.«

Mit anderen Worten haben Fischer große Ähnlichkeit mit amerikanischen Investmentbankern. Mit ihrem übersteigerten Optimismus machen sie nicht nur sich selbst arm, sondern sie überfischen außerdem noch die Meere. Nationale Fangquoten allein lösen das Problem nicht, denn sie verschärfen lediglich die Konkurrenz und senken die Gewinne. Es geht nicht darum, die Fischer zum Kauf immer größerer Netze und Boote zu animieren. Das Ziel besteht vielmehr darin, mit dem geringstmöglichen Aufwand die größtmögliche Zahl von Fischen zu fangen. Um das zu erreichen, sind staatliche Regelungen erforderlich.

Aufgrund dieser einfachen Einsicht wurde Island, das noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eines der ärmsten Länder Europas war, zu einem der reichsten Länder der Welt. Die Wende kam Anfang der 1970er Jahre, nachdem der Fang zwei Jahre in Folge miserabel ausgefallen war. Als die Fischer ein weiteres Mal ohne den üblichen Fang zurückkamen, griff die isländische Regierung zu einer drastischen Maßnahme: Sie privatisierte die Fischbestände. Jeder Fischer erhielt eine bestimmte Fangquote, die sich an seinen früheren Erträgen orientierte. Nehmen wir an, ein erfolgreicher Fischer bekommt ein Stück Papier, das es ihm erlaubt, jedes Jahr 1 Prozent des erwarteten Fangs aus isländischen Gewässern zu ziehen. Zu Beginn jeder Saison ermitteln Wissenschaftler vom Nationalen Meeresforschungszentrum, wie viel Kabeljau und Schellfisch in diesem |52|Jahr gefangen werden darf, ohne langfristig die Bestände zu gefährden. Doch der Anteil unseres Fischers bleibt derselbe, und das Stückchen Papier gibt ihm bis in alle Ewigkeit ein Anrecht auf seinen Anteil.

Aber es kommt noch besser: Wenn unser Fischer selbst keinen Gebrauch von seinem Anteil machen will, kann er ihn an einen Kollegen weiterverkaufen. So gelangten die Quoten in die Hände der Leute, denen sie am meisten nutzten, nämlich in die der besten und effizientesten Fischer. Der Fischer konnte seine Quote auch zur Bank bringen und als Sicherheit für einen Kredit hinterlegen, und die Bank konnte dem Fang, den er konkurrenzlos aus den reichsten Kabeljau-Fanggründen der Welt nach Hause brachte, einfach einen Geldbetrag zuweisen. Damit war der Fisch nicht nur privatisiert, sondern sogar versichert.

***

Das war natürlich furchtbar unfair: Ein Gemeingut – die Fische der isländischen Hoheitsgewässer – wurde einfach an eine Handvoll glücklicher Isländer übergeben. Über Nacht hatte Island seine ersten Millionäre, und zwar ausschließlich Fischer. Trotzdem war die Maßnahme ein Geniestreich: Plötzlich war aus den Fischen, einer bis dahin unsicheren Einkommensquelle, die Grundlage für realen und nachhaltigen Wohlstand geworden. Weniger Menschen verwendeten weniger Energie auf den Fang und fischten nur so viel, dass der Wert der isländischen Bestände langfristig gesichert blieb. Der neue Wohlstand veränderte Island von Grund auf und machte aus einer abgelegenen Insel, die 1100 Jahre lang vor sich hin gedümpelt hatte, ein modernes Land, das Björk hervorbrachte. Wenn Island für seine Musiker bekannt wurde, dann vor allem deshalb, weil die Isländer plötzlich Zeit hatten, sich mit |53|Musik und anderen schönen Dingen zu beschäftigen. Die isländische Jugend wurde mit Stipendien zum Studium ins Ausland geschickt und kehrte mit bis dahin unbekannten Qualifikationen nach Hause zurück. Dank der neuen Fischereipolitik wurde Island zu einer Maschine, die aus Schellfisch Doktortitel machte.

Das schafft natürlich ein gewisses Problem: Menschen mit Doktortiteln wollen ihren Lebensunterhalt nicht im Fischfang verdienen. Sie suchen andere Beschäftigungen.

Vermutlich wollen sie auch nicht in der Industrie arbeiten, in der die zweite natürliche Ressource Islands ausgebeutet wird: die Energie. Die Wasserfälle und die kochende Lava setzen gewaltige Mengen billiger Energie frei, die sich jedoch anders als das Erdöl nicht exportieren lässt. Die Energie ist auf Island gefesselt, und so poetisch das klingen mag, haben die Isländer eine sehr viel weniger poetische Möglichkeit gefunden, sie zu nutzen. Sie fragten sich: Welche Dienstleistung können wir anbieten, die erstens gut bezahlt wird und zweitens große Mengen Energie erfordert? Und ihre Antwort lautete: Wir könnten doch Aluminium schmelzen!

Sie stellten sich also nicht die Frage, was Isländer tun wollten oder wozu sie vielleicht besonders qualifiziert waren. Niemand dachte, dass die Isländer ein besonderes Talent zur Aluminiumherstellung hatten, und in der Tat erwiesen sie sich eher als ungeeignet. Als Alcoa, der größte Aluminiumfabrikant des Landes, im Jahr 2004 seine erste riesige Anlage errichtete, traf es auf zwei landestypische Probleme. Das erste war das sogenannte unsichtbare Volk, genauer gesagt die Elfen, an deren Existenz viele der gründlich in Folklore getränkten Isländer glauben. Ehe Alcoa seine Anlage errichten konnte, musste ein staatlich geprüfter Gutachter klären, |54|ob sich auf oder unter dem geplanten Standort Elfen befanden. Alcoa steckte in einer etwas kniffligen Lage, wie mir ein Unternehmenssprecher gestand, denn einerseits musste es einen Gutachter bezahlen, der das Gelände als elfenfrei deklarierte, andererseits konnte es »nicht gut die Existenz des kleinen Volkes anerkennen«. Ein größeres Problem stellte jedoch der Isländer an sich dar, oder richtiger: der isländische Mann, der etwas risikofreudiger war als Aluminiumschmelzer anderer Nationen. »Wir sind in der Fabrikation darauf angewiesen, dass sich die Arbeiter an Regeln und Anweisungen halten«, meinte der Alcoa-Sprecher. »Wir brauchen keine Helden. Wir brauchen niemanden, der Dinge reparieren will, die ihn nichts angehen, weil er sonst vielleicht den ganzen Laden in die Luft sprengt.« Leider haben die isländischen Männer den unseligen Hang, Dinge reparieren zu wollen, die sie nichts angehen.

Bei einem nüchternen Blick auf die isländische Wirtschaft kommt man nicht umhin, eine sonderbare Verschiebung zu erkennen: Die Isländer sind inzwischen so hoch qualifiziert, dass sie für die Arbeit, die ihnen auf der Insel geboten wird, nicht mehr taugen. Diesen bestens ausgebildeten Menschen, von denen sich jeder für etwas Besonderes hält, stehen letztlich nur zwei reichlich unangenehme Branchen offen: der Fischfang und die Aluminiumherstellung. Natürlich gibt es auf der Insel auch eine Handvoll von Aufgaben für hoch qualifizierte Menschen, zum Beispiel die Erstellung von Elfengutachten. (»Das nimmt mindestens sechs Monate in Anspruch. Es ist eine extrem knifflige Tätigkeit.«) Aber es sind nicht annähernd so viele, wie ein Land benötigt, das aus Schellfisch Doktortitel macht. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts warteten viele Isländer nur darauf, dass sich ihnen in ihrer Wirtschaft |55|Aufgaben stellten, die ihren Qualifikationen entsprachen. Da kam das Investmentbanking wie gerufen.

***

Wie immer, wenn ich mit isländischen Männern und Frauen an einem Tisch sitze, bemerke ich eine merkwürdige Spannung. Die Männer zeigen die weltweit verbreitete Tendenz, nur mit den Frauen zu sprechen, wenn sie eindeutige Absichten haben. Aber das ist nicht das eigentliche Problem. Mit isländischen Männern und Frauen an einem Tisch zu sitzen ist so, als würde man Kindern beim Spielen zusehen: Sie spielen nicht miteinander, sondern nebeneinander. Sie harmonieren sogar noch schlechter als Männer und Frauen in anderen entwickelten Ländern der Welt, und das will etwas heißen. Auf dem Papier haben es die Frauen in Island genauso gut, wenn nicht besser, als Frauen in aller Welt: Sie genießen eine ausgezeichnete medizinische Versorgung, sind in gleichem Maße berufstätig wie die Männer und vor dem Gesetz vollkommen gleichberechtigt. Was die Frauen nicht haben – so zumindest der Eindruck eines Touristen, der sie ganze zehn Tage lang beobachten durfte –, ist eine echte Beziehung zu isländischen Männern. Die Mitglieder der Unabhängigkeitspartei sind überwiegend Männer, die der Sozialdemokratischen Partei überwiegend Frauen. (Als Premierminister Geir Haarde Ende Januar 2009 zurücktrat, wurde die Sozialdemokratin Jóhanna Sigurðardóttir zu seiner Nachfolgerin gewählt. Sie war nicht nur die erste Frau an der Spitze der isländischen Regierung, sondern die erste bekennende homosexuelle Regierungschefin der Welt: Sie ist mit einer Frau verheiratet.) In Island kennt zwar jeder jeden, aber wenn ich Isländer nach Gesprächskontakten frage, verweisen mich Männer grundsätzlich |56|an Männer und Frauen an Frauen. Es war ein Mann, der mir vorschlug, mich doch mit Stefan Alfsson zu unterhalten.

***

Mit seinem ausgemergelten Gesicht, seinem hungrigen Blick und den Stoppeln im Gesicht sieht Stefan immer noch aus wie der Kapitän eines Fischkutters und nicht wie ein Banker. Mit 16 Jahren fuhr er zum ersten Mal zur See und nach der Saison besuchte er die Berufsschule der Fischer. Schon mit 23 Jahren war er Kapitän eines Fischkutters und galt als eine Art Wunderkind, weil er seine Fangquote schneller nach Hause brachte als alle anderen. Doch im Januar 2005, im Alter von 30 Jahren, ging er endgültig von Bord und heuerte als Devisenhändler der Landsbanki an. Zwei Jahre lang spekulierte er an den Finanzmärkten, bis zum großen Untergang im Oktober 2008. Dann wurde er entlassen, genau wie alle anderen Isländer, die sich als Händler bezeichneten. Seine Aufgabe bestand darin, seinen Kunden, vor allem Fischerkollegen, vermeintlich bombensichere Geschäfte anzudrehen: Leiht Yen zu 3 Prozent, kauft damit Isländische Kronen und investiert die zu 16 Prozent. »Ich glaube, es ist einfacher, einem Fischer den Devisenhandel beizubringen, als einem Devisenhändler den Fischfang«, meint er.

Dann erläutert er mir, warum der Fischfang schwieriger ist, als ich angenommen hatte. Es ist eine riskante Sache, vor allem, wenn man ihn nach Art der isländischen Männer praktiziert. »Schwuchteln können wir an Bord nicht gebrauchen«, sagt er, was vor allem am gefürchteten Kamikaze-Stil der isländischen Kapitäne liege. »Ich hatte mal eine russische Mannschaft«, erinnert er sich. »Nicht dass die Russen faul waren. Aber sie haben immer im gleichen Tempo gearbeitet.« Wenn |57|ein Sturm aufzog, holten sie die Netze ein, weil es ihnen zu gefährlich wurde. »Isländer fischen bei jedem Wetter«, erklärt Stefan. »Sie fischen, bis das Boot untergeht. Sie lieben das Risiko. Wenn du über Bord gehst, hast du schlechte Karten. Ich bin 33, und ich habe schon zwei Freunde auf See verloren.«

Er benötigte eine jahrelange Ausbildung und ein Quentchen Glück, um Kapitän zu werden. Mit 23 Jahren war er Erster Offizier, als der Kapitän seines Kutters die Segel strich. Der Besitzer suchte Ersatz und fand einen alten Mann mit dem wunderbaren Namen Snorri Snorrasson, der bereits im Ruhestand war und unter den isländischen Fischern einen legendären Ruf hatte. »Ich bin zweimal mit ihm rausgefahren«, erinnert sich Stefan. »Ich habe noch nie im Leben so wenig geschlafen, aber ich wollte einfach nur lernen. Jede Nacht habe ich vielleicht zwei oder drei Stunden geschlafen, weil ich die ganze Zeit neben ihm gesessen und mich mit ihm unterhalten habe. Ich habe ihn verehrt, und es ist schwierig zu erklären, was ich von ihm gelernt habe. Die Reichweite des Boots. Den besten Winkel für das Netz. Wie man sich auf See verhält. Was man an einem schlechten Tag macht. Wie man in dieser und jener Tiefe fischt. Ob man weiterfährt oder tiefer fischt, wenn man keinen Erfolg hat. Am Ende hat es viel mit Gefühl zu tun. Bei den zwei Fahrten habe ich mehr gelernt als in den ganzen Jahren in der Schule zusammen. Wie soll man in der Schule auch Fischen lernen?«

An diese außergewöhnliche Ausbildung erinnert er sich, als wäre es erst gestern gewesen, und beim Gedanken daran bekommt er feuchte Augen.

»Sie haben sieben Jahre lang den Fischfang in allen Einzelheiten studiert, bevor sie bei diesem legendären Kapitän lernen durften?«, frage ich.

|58|»Ja.«

»Und selbst dann mussten Sie diesem großen Meister monatelang zu Füßen sitzen, bevor Sie das Gefühl hatten, dass Sie wissen, was Sie tun?«

»Ja.«

»Warum haben Sie dann gedacht, dass Sie ohne jede Ausbildung Banker werden und am Finanzmarkt spekulieren können?«

»Das ist eine gute Frage«, antwortet er. Dann denkt er eine Weile nach. »Zum ersten Mal heute Abend fehlen mir die Worte.« Da ich auch oft denke, dass ich weiß, was ich tue, auch wenn ich nicht die leiseste Ahnung habe, kann ich nachvollziehen, wie es ihm geht. Daher lasse ich ihn vom Haken, wie man das heute auf Island mit Bankern eben so macht.

»Was genau war Ihre Aufgabe?«, frage ich ihn.

»Am Anfang habe ich …« – er lacht – »… Unternehmen zur Kurssicherung im Devisenhandel beraten. Aber mit meiner aggressiven Art bin ich bald in die Spekulation eingestiegen.« Viele seiner Kunden waren Fischer und Fischereiunternehmen, und genau wie er hatten sie gelernt, dass man Risiken eingehen muss, wenn man einen guten Fang machen will. »Die Kunden waren nur an Sicherungen interessiert, wenn sie damit Geld verdienen konnten«, sagt er und bricht in hysterisches Gelächter aus.

»Machte Ihnen die Arbeit im Bankwesen Spaß?«, frage ich.

»Für Banker hatte ich nie viel übrig«, antwortet er, während er noch immer nach Luft schnappt. »Bis heute ist mein Motto: Vertrau keinem Banker

***

|59|Natürlich hätte sich den Isländern in den vergangenen fünf Jahren die eine oder andere Frage aufdrängen müssen. Zum Beispiel: Warum sollte Island plötzlich eine Schlüsselrolle in der internationalen Hochfinanz spielen? Oder: Warum sollten die großen Volkswirtschaften, die das moderne Bankwesen erfanden, plötzlich isländische Banken benötigen, um zwischen Investoren und Kreditnehmern zu vermitteln und zu entscheiden, wer wie viel Kapital bekommt? Oder: Wenn Isländer dieses unglaubliche Naturtalent für Geldgeschäfte hatten, warum hat dann mehr als ein Jahrtausend lang niemand etwas davon gemerkt? In einem Land, in dem jeder jeden kennt, seit er zwei Jahre alt ist, muss es bei der Landsbanki doch mindestens zehn Leute gegeben haben, die Stefan Alfsson erkannten, als er in die Bank spazierte, und die zu ihm sagten: »Stefan, du bist Fischer!« Aber das sagte niemand. Und das sagt bis heute niemand. »Wenn ich wieder in einer Bank arbeite«, erklärt mir der Kabeljaufischer, nachdem er sich von seinem Lachanfall erholt hat, »dann gehe ich ins Privatgeschäft.«

***

Im Jahr 2001, kurz nachdem die Internetblase geplatzt war, erschien in einer Fachzeitschrift des MIT ein faszinierender Artikel, der dem Zusammenhang zwischen Männlichkeit und Anlageverhalten nachging.2 Die Autoren erhielten Zugang zu Daten von 35 000 Haushalten und verglichen das Anlageverhalten von Männern und Frauen. Dabei fanden sie heraus, dass Männer nicht nur öfter an der Börse spekulieren als |60|Frauen, sondern dass sie obendrein ein falsches Vertrauen in ihr Urteilsvermögen in Finanzfragen mitbringen. Alleinstehende Männer verloren mehr Geld als verheiratete Männer, verheiratete Männer mehr als alleinstehende Frauen: Je geringer der weibliche Einfluss, desto irrationaler das Anlageverhalten der Männer.

Sowohl am isländischen Crash als auch an dem der Wall Street waren auffällig wenige Frauen beteiligt. Frauen arbeiteten zwar auch in Banken, aber nicht in Positionen, in denen sie große Risiken eingingen. Meines Wissens war während des gesamten Island-Booms nur eine einzige Frau in einer leitenden Position einer isländischen Bank, nämlich Kirsten Pétursdóttir, die im Jahr 2005 stellvertretende Vorstandschefin von Kaupthing in London wurde. »Die Finanzkultur wird von Männern beherrscht«, sagt sie. »Es ist ein Haifischbecken. Frauen meiden diese Kultur.« Trotzdem gefiel Pétursdóttir die Finanzwelt. Es gefiel ihr nur nicht, wie isländische Männer sie angingen, weshalb sie im Jahr 2006 kündigte. »Die Leute haben mir damals gesagt, dass ich spinne«, erinnert sie sich. Aber sie wollte ein Finanzunternehmen gründen, das nur von Frauen geleitet wurde, um, wie sie es ausdrückt, »weibliche Werte in die Finanzwelt zu bringen«.

Ihr Unternehmen ist heute eines der wenigen auf ganz Island, das noch Gewinne macht. Nach dem Crash strömte plötzlich das Geld herein. Ein paar Tage vor unserem Gespräch hämmerte zum Beispiel in den frühen Morgenstunden jemand an ihre Tür. Als sie öffnete, stand ein alter Mann vor ihr. »Ich habe das System so satt!«, rief er. »Ich will einfach nur, dass eine Frau auf mein Geld aufpasst.«

Daran muss ich denken, als ich an meinem letzten Nachmittag auf Island durch das Saga-Museum gehe. Das Museum |61|feiert die Sagas, die großen isländischen Heldenepen des 12. und 13. Jahrhunderts, doch die Darstellungen wirken eher so, als wären sie einer modernen Reality-Show entsprungen. Lebensgroße Nordmänner aus Silikon stellen historische Szenen nach, während aus Lautsprechern markerschütternde Schreie gellen. Ein katholischer Bischof namens Jón Arason wird geköpft, eine ketzerische Nonne namens Schwester Katrin bei lebendigem Leib auf dem Scheiterhaufen verbrannt, ein blutüberströmter Wikinger bohrt in der Schlacht einem Feind sein Schwert in den Leib. Die Isländer haben keine Kosten und Mühen gescheut, um ihre Geschichte wiederauferstehen zu lassen. Während ich mich von einer blutrünstigen Szene zur nächsten bewege, schaue ich unwillkürlich ab und zu über die Schulter, um zu sehen, ob hinter mir kein Wikinger mit Streitaxt steht.

Genau so lieben die Isländer offenbar ihre Vergangenheit: als Geschichte der Schlachten und des Heldenmuts. Sie wollen sehen, wer wen umhauen oder umrempeln kann. Natürlich gab es irgendwo auch ein paar Frauen, aber es ist vor allem eine Geschichte der Männer.

Wer sich viel Geld leiht, um einen falschen Wohlstand zu schaffen, der holt sich ein Stück von der Zukunft in die Gegenwart. Nicht die wirkliche Zukunft, sondern ein groteskes Wachsfigurenpanorama. Mit geliehenem Geld kauft man sich eine Ahnung des Wohlstands, den man sich nicht verdient hat. Die Zukunft, wie sie sich die isländischen Männer für kurze Zeit auf ihre Insel holten, hat auffällige Ähnlichkeit mit der Vergangenheit, die sie feiern. Ich möchte wetten, nachdem sie einen Blick in diese falsche Zukunft geworfen haben, werden die isländischen Frauen in der realen Zukunft deutlich mehr mitzureden haben.