|249|Anmerkungen

Auslassungen oder Einfügungen in Zitaten sind in Klammern gesetzt, Klammern im Originaltext werden als solche bezeichnet.

 

Berlinische Monatsschrift, Jg. 1784, S. 481.

Hobsbawm, »Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts«.

Den Begriff des Ethnonationalismus erläutert Altermatt in »Das Fanal von Sarajevo. Ethnonationalismus in Europa«.

Eine Darstellung der Geschehnisse findet sich bei Petritsch, »Bosnien und Herzegowina fünf Jahre nach Dayton, Hat der Friede eine Chance?«, eine kürzere Fassung ist nachzulesen bei Thumann, »Der unvollendete Triumph des Nationalstaates. Bosniens Weg zum Abkommen von Dayton«.

Šarčević 1996, S. 51f.

Eine »monolithische« Identität besteht – bildlich übersetzt – aus einem einzigen Stück Fels derselben Gesteinsschicht.

Kalberg, S. 948.

Eine Beschreibung dieser Entwicklung findet sich in Münkler »Bleiben die Staaten die Herren des Krieges?«

Kallscheuer 1996, S. 22.

Vollrath, S. 218.

Eisenstadt, S. 57.

In einem Artikel zum 350. Jahrestag des westfälischen Friedensschlusses führt Heinz Schilling aus: »›Frieden durch Recht‹ bedeutete für das europäische Staatensystem eine vom noch jungen Völkerrecht getragene Ordnung, die von einer prinzipiellen Rechts- und Statusgleichheit der Staaten ausging. Das Streben einer Macht nach absoluter Dominanz, sei es im Sinne einer Universalmonarchie, sei es als andauernde, unbalancierte Hegemonie, galt fortan als unrechtmäßig. Versuche, eine solche Dominanz zu errichten, hat es auch nach 1648 gegeben, angefangen mit den bereits in den 1660er Jahren angezettelten Expansionskriegen Ludwigs XIV. Sie standen aber im Gegensatz zu der im Westfälischen Frieden gleichsam notariell bestätigten Rechtskultur des Kontinents und trafen darüber hinaus stets auf den energischen |250|Abwehrwillen der anderen Staaten.« In: »Neue Zürcher Zeitung« vom 24./25. 10. 1998.

Das First Amendment der US-amerikanischen Verfassung, welches die Religionsfreiheit garantiert, wird denn auch ausdrücklich als Freiheit für die Religion und nicht als Freiheit von der Religion verstanden. Berühmt ist dazu der Ausspruch von Präsident Ronald Reagan: »The First Amendment was not written to protect the people from religious freedom.« Wiedergegeben bei Geldbach, S. 250.

Spillmann erläutert die Hintergründe, weshalb eine relativ kleine Gruppe von Einwanderern einen so nachhaltigen Einfluß ausüben konnte: »Die kleine Gruppe von rigorosen Puritanern, die mit einer externalisierten Bundes-Theologie wie auch mit einer externalisierten Eschatologie ihren Weg durch die Wirklichkeit suchte, bzw. sich eine zu ihrer Ideologie passende Wirklichkeit herzustellen suchte, war es, die den Kern der amerikanischen Nation lieferte und dank der Geschlossenheit ihres religiösen Systems und der Durchschlagskraft dieser selbstbewußten Ideologie auch den Kristallisationspunkt für das Selbstverständnis einer neuen Nation abgab.« Spillmann, S. 41 (Hervorhebung G. H.).

Einleitend zu diesem Aufsatz wird die Antrittsrede Präsident Kennedys analysiert. Zum unmittelbar zuvor durch den Präsidenten abgelegten Amtseid führt Bellah aus: »Dieser Eid ist der Amtseid, welcher die Annahme der Verpflichtung miteinschließt, die Verfassung hochzuhalten. Er schwört ihn vor dem Volk (euch) und Gott. (…) Obwohl der Volkswille, wie es sich durch die Stimmenmehrheit ausdrückt, sorgfältig als die einzig wirksame Quelle politischer Autorität institutionalisiert wird, ist er der endgültigen Bedeutung beraubt. Der Volkswille selbst ist nicht das Kriterium für richtig und falsch. Es gibt ein übergeordnetes Kriterium, an dem dieser Wille gemessen werden kann; es ist möglich, daß das Volk im Unrecht ist. Die Verpflichtung des Präsidenten erstreckt sich auf dieses übergeordnete Kriterium.« Bellah 1991, S. 22ff.

Leggewie, S. 124.

Blanke, S. 189.

Ausführlich wird das Phänomen beschrieben bei Spillmann, S. 39ff. Bellah widmet dem Thema »America as a Chosen People« ein eigenes Kapitel, Bellah 1992, S. 36ff. Ein interessanter geschichtlicher Beleg findet sich bei Kallscheuer: »Die ersten Entwürfe für das Große Amtssiegel der Vereinigten Staaten (von Benjamin Franklin und Thomas Jefferson) sollten die USA als ›Gottes neues Israel‹ symbolisieren: Moses teilt mit erhobenem |251|Stab das Rote Meer, in dem die Feinde der Freiheit ertrinken; Gott führt das auserwählte Volk mit Wolken- und Feuersäulen durch die Wüste.« Kallscheuer 1994, S. 119.

Dazu Fleiner-Gerster, S. 53.

Martin beschreibt diese Bedeutung der Religion folgendermaßen: »Religion konnte demnach in zweierlei Weise wirksam werden. Zum einen konnte sie die schwärmerische Begeisterung auslösen, welche dann eine Unzahl freiwilliger Glaubensgemeinschaften ins Leben rief, die alle miteinander konkurrieren und sich deshalb auf ihre jeweiligen Märkte einstellen müssen. Zum zweiten konnte sie die Bestrebungen und das Schicksal des amerikanischen Volkes als ganzem in einer Weise legitimieren, daß das Ideal niemals durch eine rauhe Wirklichkeit zu widerlegen war. Die Religion – und das bedeutete: fast jede Religion – wurde deshalb positiv als eine unstreitig proamerikanische Tätigkeit angesehen.« Martin, S. 167f. (Hervorhebung G. H.).

Gellner 1992, S. 5.

In einem Vergleich zwischen dem, was sie als amerikanische und französische Bürgerreligion bezeichnen, arbeiten Kleger/Müller unter anderem die folgende Differenz heraus: »Biblische Vorstellungen (…) erwiesen sich als Matrix der politischen Selbstdeutung der Amerikaner und fördern im Verbund mit dem weltlichen Fortschrittsmythos bis heute die religiös-politische Dynamik des nationalen Sendungsbewußtseins. (… Für Frankreich) ist die religiöse Bindung für die Konstitution des Bürgers dagegen hinderlich. Das Individuum muß durch den Staat, vor allem über ein einheitliches Erziehungssystem von der Vormundschaft der Kirche befreit und zur kulturellen Freiheit ermächtigt werden.« Kleger/Müller 1996, S. 68 (Hervorhebung durch die Autoren).

Eine diesbezügliche Beschreibung der Situation findet sich unter dem Titel »McJesus Worldwide, Inc.« bei Leggewie, S. 123ff.

So hatten es bereits die Puritaner in den neuenglischen Kolonien gefordert: »Die Religion, zumindest der Teil davon, der die Bürger miteinander und mit Gott verband, sollte auch Politik und Staatskunst sein, und die Staatskunst sollte auch Religion sein (…)«. Blanke, S. 187.

Eine Beschreibung dieser Entwicklung findet sich bei Vollrath, S. 222ff.

Kallscheuer umschreibt das Gemeinsame dieser verschiedenen Situationen in Europa folgendermaßen: »In Europa sind (die christlichen Kirchen) zwar (…) mit teilweise erheblichen institutionellen und steuerlichen Privilegien ausgestattet und verwalten eine Art semi-offizielle Tugendwächterrolle. Deren verfassungsgemäße |252|und tatsächliche Reichweite müssen sie jedoch beständig gegenüber einer aus diversen Kulturkämpfen der letzten beiden Jahrhunderte mißtrauischen weltlichen Öffentlichkeit rechtfertigen (…)«. Kallscheuer 1996, S. 17.

Gellner 1995, S. 25ff.

Casanova bezeichnet die Vereinigten Staaten unter diesem Aspekt als die am wenigsten säkularisierte Gesellschaft der Neuzeit: Casanova, S. 182f.

»… what can justly be called the unifying mission of secularism has a sanctity all its own.«, wird Agnes Meyer, die Frau des Herausgebers der »Washington Post« zitiert: Kodalle, S. 43.

Fikentscher hält fest, daß mit dem Begriff »State« in den USA nie »die Zusammenfassung des amerikanischen Volkes zu einer öffentlich-rechtlich definierten Einheit« gemeint ist: Fikentscher 1997, S. 1408.

Howard umschreibt die damalige Situation folgendermaßen: »Die Unabhängigkeit der Amerikaner – ihre Revolution, wenn man so will – bestand also einfach darin, daß die Mitglieder der Gesellschaft ihre eigenen Interessen verfolgen wollten und sich von der Bevormundung durch den Staat befreit hatten, ohne über Institutionen oder Politik nachzudenken. Das Ideologische dabei bestand in der Vortäuschung einer selbstgenügsamen Gesellschaft. Politische Eingriffe, die mit staatlichen gleichgesetzt wurden, waren unerwünscht. Man sollte sich mit der Gesellschaft, wie sie war, begnügen.« Howard 1999, S. 170.

Höhepunkt der US-amerikanischen Revolution ist die Unabhängigkeitserklärung von 1776. Die Annahme der Bundesverfassung erfolgte am 17. September 1787. Vgl. dazu Howard 2001, S. 29ff.

Den Begriff »rechenschaftspflichtiges Dienstleistungsunternehmen« verwendet Adams, der am selben Ort darlegt, warum es für den Begriff des Staates »im überhöhten deutschen Sinn« in den »jüngst Vereinigten Staaten und entsprechend im Verfassungstext und in den Federalist-Artikeln keine Verwendung« gegeben habe, weil eben government und nation nicht verschmolzen worden seien: Adams, S. 296f. Zu den »Federalist-Artikeln« vgl. Anmerkung 37.

Priddat umschreibt dies folgendermaßen: »In der amerikanischen Tradition ist der Staat ein Organ der Gesellschaft (…)«. Priddat, S. 1028.

Den »horizontalen Gesellschaftsvertrag« erläutert Preuß 1994, S. 16ff. Der Begriff »Horizontalität« wird auch verwendet, um jenen Übergang im historischen Prozeß der Säkularisierung zu bezeichnen, in welchem die transzendente Begründung des Staates |253|– zum Beispiel die Autorität des Monarchen, der als göttlich galt – definitiv ersetzt wurde durch die Selbstorganisation der Bürger, die von nun an ohne überirdische Autorität selbst bestimmen, wie sie regiert sein wollen (z. B. bei Frankenberg, »Die Verfassung der Republik. Autorität und Solidarität in der Zivilgesellschaft«). Ich verwende den Begriff zwar auch in letzterem Sinne, wobei der so verstandene horizontale Gesellschaftsvertrag sowohl im europäischen Denken wie auch in jenem der Vereinigten Staaten existiert. Aber jenseits des Atlantiks gibt es nur diesen Gesellschaftsvertrag und nicht zusätzlich den Staat als etwas darüber Hinausgehendes. Wird der Begriff ausschließlich im Sinne der Säkularisierung verwendet, so würde sich sogar die Frage stellen, ob die so verstandene Horizontalität in den USA tatsächlich gegeben ist; dazu die vorangehenden Ausführungen zur »Säkularisierung«.

Den Zusammenhang zwischen dem horizontalen Gesellschaftsvertrag und der beschränkten Autorität der Regierung umschreibt Preuß folgendermaßen: »In der vertragstheoretischen Tradition Locke’s stehend, der ja im Gegensatz zu Hobbes und Rousseau bereits dem Naturzustand alle wesentlichen Eigenschaften einer durch Eigentum und Verträge gekennzeichneten differenzierten Gesellschaft zuspricht und für den daher der Gesellschaftsvertrag keineswegs nur zum Zwecke des Schutzes der naturhaften Elementarbedürfnisse der Individuen geschlossen wird, bedeutet ›Volk‹ (den amerikanischen Revolutionären) nicht die durch ihre kreatürliche und daher für alle gleiche Bedürftigkeit zusammengeschweißte ursprüngliche Einheit einer Kollektivperson, sondern im Gegenteil die ›endlose Vielfalt einer Menge, deren Würde in ihrer ausgeprägten Pluralität lag‹. Die Macht, die ›dem Volk‹ zukam, bestand daher auch nicht in der Summierung der ›natürlichen‹ Kräfte der im Naturzustand aller Bindungen ledigen Individuen und deren Übertragung auf eine diese Macht nun verkörpernde Instanz; sie materialisierte sich vielmehr in der von Anbeginn rechtlich gebundenen Autorität eines ›government‹, die von Individuen übertragen wurde, die bereits durch wechselseitige rechtliche Verpflichtungen eine Gesellschaft bilden und daher eine Regierung nicht aus dem Naturzustand heraus einsetzen. Die Erfahrung der amerikanischen Kolonisten und ihre vielfältigen Pakte und ›covenants‹ machen es plausibel, daß ihre erste Vorstellung von einem ›social contract‹ die einer horizontalen, auf Gegenseitigkeit beruhenden Vereinbarung war, durch die sie sich zu einer Gemeinde (sowohl im religiösen wie im weltlichen Sinne) zusammenschlossen und ihre in der individuellen Isolierung bestehende Ohnmacht durch die Begründung |254|reziproker Verpflichtungen überwanden; den Triumph über den Naturzustand bewirkt die Erwartungssicherheit des Rechts, das damit der Existenz einer Macht, die es garantiert, vorausliegt. Und dieser Sicherheit des Rechts liegt ihrerseits das rechtserzeugende wechselseitige Vertrauen derjenigen zugrunde, die in einem gemeinsamen und gefährlichen Unternehmen engagiert sind. Gesellschaftliche Macht entsteht daher nicht aus einer Konzentration der naturzuständlichen Macht der Individuen an einen Souverän, sondern in der Übertragung von bereits zuvor rechtlich formierten, auf Reziprozität beruhenden Befugnissen auf eine ›Regierung‹; ihre Autorität kann daher bereits vom Ansatz her nicht als grenzenlos gedacht werden.« Preuß 1990, S. 32 (Klammer durch den Autor gesetzt).

Der Vorgang dieser neuen Sinngebung und deren Begründung läßt sich heute im Detail nachlesen, und zwar in den »Federalist Papers«, einem eigentlichen Verfassungskommentar, der 1787 von Alexander Hamilton, James Madison und John Jay herausgegeben wurde, eine Streitschrift zugunsten der Verfassung, wie sie die »Federalists« vorgeschlagen hatten und wie sie sich dann schließlich auch durchsetzte. Zehnpfennig spricht von einer eigentlichen »Umdeutung der Begriffe« und umschreibt diese folgendermaßen: »Die republikanische Gleichheit wird transformiert in eine modifizierte Form der Eliteherrschaft; der Föderalismus wird zur Rechtfertigungstheorie für die Stärkung der Zentralgewalt; die Vielfalt an Meinungen und Lebensstilen, der Pluralismus, wird zum Instrument für eine im Grunde monistische Zielsetzung.« Es folgt eine Erläuterung dieser Umdeutung in den einzelnen Punkten: Zehnpfennig, S. 304f.

Das Buch von Robert N. Bellah, in welchem er den Niedergang der amerikanischen Zivilreligion bedauert, trägt den Titel »The Broken Covenant: Americas Civil Religion in Time of Trial«.

Zu den neuenglischen Kolonien führt Adams folgendes aus: »(…) die englischen Brückenköpfe (…) waren zunächst keine Kronkolonien, sondern von der Krone gebilligte Privatunternehmungen. (…) Versammlungen gewählter Vertreter der Grundbesitzer (…) waren weitere Organisationsformen, die das Zusammenspiel von englischer Kolonialherrschaft, englischen Geschäftspraktiken und amerikanischen Siedlungs- und Wirtschaftsverhältnissen nahelegten oder erzwangen. Dieser weltliche Impuls zur Partizipation der Anteilseigner an der Selbstregierung wurde (…) noch verstärkt durch religiöse Überzeugung: Für die Puritaner stand außer Frage, daß die Gemeinschaft der Gläubigen in Fragen des Kirchenregimentes weitgehend autonom sein mußte und daß jedes Vollmitglied |255|einer Kirchgemeinde gleiches Mitspracherecht genoß, etwa auch bei der Wahl des Gemeindepfarrers. Die Legitimation stiftenden Gedankenfiguren des Gesellschaftsvertrages und des biblischen Bundes (covenant) waren in der Person des Bürgers und des Gläubigen untrennbar miteinander verknüpft (…)« Adams, S. 285.

In seiner 1906 verfaßten Schrift »Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus« hat Weber die geschichtlichen Zusammenhänge eingehend beschrieben. Zur Bedeutung von Clubs und Vereinen für das berufliche und geschäftliche Fortkommen: Weber, S. 286ff. Hier ist auch ein Beispiel der wechselseitigen Haftung für Schulden wiedergegeben: »… aus der Erzählung eines deutschgeborenen Nasen- und Rachen-Spezialisten, der sich in einer großen Stadt am Ohio niedergelassen hatte und von dem Besuch seines ersten Patienten erzählte. Sich auf Aufforderung des Arztes auf dem Sofa niederstreckend, um mit dem Nasenspiegel untersucht zu werden, habe dieser Patient sich erst noch einmal aufgerichtet und mit Würde und Nachdruck bemerkt: ›Herr, ich bin Mitglied der … Baptist church in der … Street.‹ Ratlos, was für eine Bedeutung diese Tatsache wohl für das Nasenleiden und dessen Behandlung haben könne, habe er (der Arzt) einen ihm bekannten amerikanischen Kollegen vertraulich darüber befragt und die lächelnde Auskunft erhalten, das bedeute nur: ›Seien Sie wegen des Honorars ohne Sorgen.‹« Weber, S. 281 (Klammer und Hervorhebung durch den Autor).

Daß die Vorstellung, neu zu beginnen und das Alte hinter sich zu lassen, auch eine religiöse Komponente hat, zeigt Eisenstadt: »(Der amerikanische) Gründungsmythos (…) beschrieb Amerika als ›neu‹ und rein, als heilig. (…) Die Idee der ›Neuheit‹ der amerikanischen Erfahrung führte zu einer spezifischen Konzeption von Geschichte, von kollektiver Zeit. Sie betonte den gemeinsamen – historischen – Ursprung des amerikanischen Mythos und des amerikanischen Volkes. Aber dieser historische Ursprung bedeutete eine Diskontinuität, den Abbruch der europäischen Tradition, und es lag darin nicht die Vorstellung, die amerikanische Vision werde sich in einem historischen Prozeß fortschreitend entfalten.« Eisenstadt, S. 58f.

In ganz anderem Zusammenhang – nämlich zur Frage, auf welche Gründe die relativ hohe landesinterne Mobilität der US-Amerikaner zurückzuführen sei – legt Joas Wert auf die Feststellung, diese Mobilität sei nicht so sehr eine Folge allein des Individualismus, sondern »(…) eine Bilanz über sehr unterschiedliche Tendenzen, von der Abstoßung aus der bisherigen Heimat zur Attraktion in eine neue (…)«. Joas, S. 58.

|256|Das Zitat findet sich bei bei Kallscheuer 1994, S. 138f.

Eisenstadt, S. 50. Der Vorgang der Erreichung von Konformität durch »Amerikanisierung« hat ebenfalls historische Wurzeln, ausführlich beschrieben bei Spillmann, S. 161ff.

Vgl. dazu Anmerkung 65 betr. den Status der gefangenen Taliban- und Al-Kaida-Kämpfer im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba.

Ergänzend sei hier die Formulierung wiedergegeben, mit welcher Preuß das Fehlen des Souveränitätsbegriffes in der amerikanischen Verfassung begründet hat: »Die Vorstellung einer voraussetzungslosen und ungebundenen Souveränität der Nation und des Volkes war daher selbst dem radikalen Republikanismus der Anti-Föderalisten fremd, noch mehr den amerikanischen Verfassungsvätern, die der Möglichkeit eines einheitlichen kollektiven Willens und seiner Vernunft äußerstes Mißtrauen entgegenbrachten. Sie waren staats- und verfassungstheoretisch auf eine solche Hypothese auch gar nicht angewiesen, denn ihr Verfassungswerk bezweckte eine öffentliche Gewalt, die möglichst effektiv die Freiheit der Bürger – und das war am Ende des 18. Jhdts. die Freiheit der Besitzenden – schützte; eine über den individuellen Rechtsschutz hinausgehende geschichtliche Mission der öffentlichen Gewalt und die Vorstellung, sie sei gewissermaßen die Inkarnation eines vernünftigen Gemeinwillens, war ihnen fremd, ja erschien ihnen geradezu bedrohlich, und so achteten sie sorgsam darauf, die politische Willensbildung möglichst weitgehend zu fragmentieren, um dadurch eine Unterdrückung der besitzenden Minderheit durch die Mehrheit der Besitzlosen auszuschließen. Strukturell äußerte sich diese auf Freiheitsverbürgung gerichtete Verfassungskonzeption darin, daß es ›die‹ öffentliche Gewalt, d. h. die Einheit eines Zentrums, in der US-Verfassung nicht gibt; sie konstituiert auf der Grundlage eines stark ausgeprägten Föderalismus von Anbeginn verschiedene Gewalten und regelt deren wechselseitige Beziehungen im Sinne eines Systems von ›checks and balances‹, so daß die Vorstellung eines Souveräns in der Verfassung keinen Widerhall findet. Es fehlt daher auch jenes Pathos der Volkssouveränität, das sich in Europa seit der französischen Revolution mit der Idee der kollektiven Vernunft und des sozialen ebenso wie des moralischen Fortschritts verbindet.« Preuß 1990, S. 32f.

Howard formuliert dies folgendermaßen: »Das politische Leben in den Vereinigten Staaten erscheint (…) als eine fortwährende Selbsttransformation der Wirtschaftsgesellschaft, eine Art permanenter Revolution, die durch konstitutionelle Mechanismen |257|geschützt wird, die garantieren, daß keine der politischen Gewalten beanspruchen kann, den Volkswillen zu verkörpern und in seinem Namen Maßnahmen durchzusetzen.« Howard 2001, S. 49f.

Die These, wonach »›einhundertdreiundsiebzig Tyrannen (nämlich die gewählten Abgeordneten des Staates) genausoviel Unterdrückung ausüben können wie ein einziger‹ und daß Amerika nicht dafür gekämpft hat, einen erblichen Tyrannen durch einen gewählten zu ersetzen«, geht auf Thomas Jefferson in seinen »Bemerkungen über den Staat von Virginia« zurück: Howard 2001, S. 298 (Klammer durch den Autor gesetzt).

Preuß 1994, S. 19 (Hervorhebung G. H.).

Die Frage, wie sich diese Volkssouveränität in einer Weise zum Ausdruck bringen könne, welche die Grundanliegen der Amerikanischen Revolution nicht gefährde, wird in den »Federalist Papers« behandelt, dem bereits erwähnten Verfassungskommentar von Hamilton/Madison/Jay.

Eisenstadt führt die in den Vereinigten Staaten getroffene Lösung auch darauf zurück, daß es schwierig gewesen sei, die Träger des Allgemeinwillens zu lokalisieren: »Die primordialen – auf Territorium, Abstammung oder Sprache gegründeten – Zugehörigkeiten waren schwach ausgeprägt. Immerhin hatte sich eine Zivilreligion entwickelt, deren verschiedene Prämissen allerdings zueinander in Spannung standen. In dieser Lage begannen Teile der Gesellschaft die Rechtsprechung als die Arena anzusehen, in der der Allgemeinwille, die volonté générale, formuliert werden konnte. Im revolutionären und nachrevolutionären Frankreich konnten la République française oder la patrie gleichsam an die Stelle des Königs gesetzt und als Träger der volonté générale dargestellt werden. In den Vereinigten Staaten war das wegen der oben beschriebenen negativen Einstellung zu Regierung und Staat nicht möglich.« Eisenstadt, S. 73.

Bellah 1986, S. 50. Vgl. auch Anmerkung 15.

Bedauernd stellt Hannah Arendt fest, daß man in den USA politische Prinzipien in gesellschaftliche »Werte« transformiert habe: Arendt, S. 285.

Dahrendorf 1997, S. 821.

Preuß 1994, S. 19.

Diese Freiheit wird durchaus auch in Amerika und für Amerika beschrieben: Sennett spricht von der Chance zu einer Begegnung mit anderen Menschen, »ohne daß gleich der zwanghafte Wunsch hinzuträte, sie als Personen kennenzulernen«, Sennett, S. 428.

Vgl. dazu Anmerkung 42.

|258|Ein kritischer Überblick über den Gemeinschaftsbegriff in den USA und Europa findet sich bei Reese-Schäfer, der zu den Begriffen »Gemeinschaft« und »Gesellschaft« die Unterscheidung wiedergibt, wie sie auf den Soziologen Ferdinand Tönnies zurückgeht: Gemeinschaft beruht auf der »›besondere(n) soziale(n) Kraft und Sympathie, die Menschen als Glieder eines Ganzen zusammenhält. Gesellschaft dagegen ist ein Kreis von Menschen, die zwar friedlich nebeneinander leben und arbeiten, aber doch ›wesentlich getrennt sind‹.« Diese Unterscheidung erfaßt zwar einen Teil der hier bereits angerissenen Fragestellung, ist aber dafür nicht ausreichend. Reese-Schäfer, S. 418ff.

Vgl. dazu Anmerkung 56.

Preuß weist darauf hin, daß auf institutioneller Ebene der Gegensatz des britischen zum amerikanischen Verfassungsmodell kaum drastischer sein könnte: Preuß 1994, S. 15.

Im rechtlichen Zusammenhang ist »Pragmatismus« eine philosophische Schule, die auf das amerikanische Rechtsdenken großen Einfluß genommen hat. Fikentscher nennt als Merkmale dieser Denkrichtung, daß sie versucht, »den Standort des Menschen in der Gesellschaft und in der Welt im allgemeinen durch Reduktion auf das Einfachste und so real wie möglich zu bestimmen«. Fikentscher 1975, S. 279.

Brugger umschreibt diese Eigenheit des US-amerikanischen Rechtes folgendermaßen: »(…) Systematisierung und innere Konsistenz (… ist dem) amerikanischen Rechtsdenken fremd (…)« Brugger, S. 83.

Die Nichtanerkennung des Internationalen Strafgerichtshofes durch die Vereinigten Staaten wird von verschiedenen US-Juristen damit begründet, daß die Verfahrensgarantien für die Angeklagten den hohen Anforderungen des US-amerikanischen Rechtes nicht genügen würden. Vgl. auch Anmerkung 76.

Auch diesbezüglich besteht ein Unterschied zwischen England und den Vereinigten Staaten: Fikentscher bezeichnet die englische Jurisprudenz als »eine der traditionsreichsten, angesehensten, verläßlichsten, vorhersehbarsten und vorbildlichsten«, die »in der Welt unter Anlegung dieser Kriterien die Spitze« einnehme. Unterschiede zu den Vereinigten Staaten bestehen dabei vor allem in der Vorhersehbarkeit: Fikentscher 1975, S. 149.

Der Exekutivdirektor von Amnesty International USA versuchte in diesem Zusammenhang aufzuzeigen, daß ein humaner Umgang mit den Gefangenen im ureigensten Interesse der US-Amerikaner liege. Dies veranlaßt den Berichterstatter der »Neuen Zürcher Zeitung« zu der Bemerkung, dies scheine zur Zeit der |259|einzige Weg zu sein, in den Vereinigten Staaten den Blick für die Probleme zu schärfen: »Neue Zürcher Zeitung« vom 21. 1. 2002.

Durch den Erlaß des Bundestages sollten vor allem auch die Unternehmen veranlaßt werden, ihren Beitrag zur Entschädigung der Opfer zu leisten.

Diesen Ausdruck verwendet der Unterhändler der deutschen Regierung, Otto Graf Lambsdorff, in einem Interview: »Der Bund« vom 3. 6. 2000.

Die Auseinandersetzung um diese europäische Rechtstradition ist heute wenig aktuell. Sie scheint in der rechtspolitischen Diskussion zum letzten Mal vor einem Vierteljahrhundert stattgefunden zu haben, und zwar keineswegs in transatlantischem Zusammenhang, sondern in der Konfrontation mit jener Tendenz in Europa, »die nicht müde wird, das geltende Rechtssystem oder das Recht überhaupt als irrelevant oder gar verachtenswert darzustellen«. So muß man denn einige Jahrzehnte zurückgehen, um Formulierungen zur europäischen Rechtstradition zu finden, wie beispielsweise die folgende, welche in eine geradezu apokalyptische Schlußfolgerung mündet: »Eine zureichend breite und intensive Rechtsgesinnung erscheint jedenfalls als Voraussetzung jeder sinnvollen intellektuellen Arbeit an Rechtsfragen. Wo jedem nicht mehr das (gemeinsame) Recht, sondern allein Meinung und Interesse seiner speziellen Gruppe oder seiner eigenen Person Verhaltensmaxime ist, interessiert niemanden mehr die rationale Lösung von Rechtsfragen. Allerdings gibt es auch gar keine Rechtsgemeinschaft mehr, sondern Gewalt, Chaos und höchstens die ungezügelte Herrschaft des kurzfristig jeweils Stärkeren.« Bydlinski, S. 6f.

Entsprechend diesen beiden Rollen heißt die erste französische Grundrechtserklärung »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte«, wobei sich die Menschenrechte auf die Rolle als rechtsunterworfene Person beziehen und die Bürgerrechte auf die Rolle als Teil des Souveräns.

Günther hat den Bezug zwischen Staatsbürger und Rechtsperson eingehend beschrieben und gelangt unter anderem zu folgender Definition: »Der demokratische Rechtsstaat lebt von dem geregelten und institutionalisierten, allgemeinen und gleichen Wechsel zwischen den Rollen des Staatsbürgers und der Rechtsperson, nicht von ihrer identitären Vermischung in der Rolle des tugendhaften Aktivbürgers oder von ihrer absoluten Trennung in die Rollen des von der Normbefolgung selbst ausgenommenen Gesetzgebers (princeps legibus solutus) und des passiven Untertanen«. Günther 1999, S. 97 (Klammer und Hervorhebungen |260|durch den Autor). Zur Beteiligung von Nicht- oder Noch-nicht-Staatsbürgern vgl. Anmerkung 155.

Auch hier als Illustration ein Zitat zur Tradition des europäischen Staatsverständnisses: »Wer die personale Würde des einzelnen Menschen anerkennt, muß auch den Umstand wahrnehmen, daß der Einzelne aufgrund seiner sozialen Natur die volle Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Begegnung mit dem Du (…) und in der Gemeinschaft findet, deren umfassendste Organisationsform der Staat ist. In dieser Sicht ist zwar der Staat nicht die Bedingung für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, wohl aber der Rahmen für das öffentliche und plurale Leben des Menschen, der sein Schicksal mitbestimmt. Der Ordnungsanspruch des Staates und die Gesinnung des Einzelnen stehen daher in einem wechselseitigen Zusammenhang, sie sollten in eine Rechtsgesinnung münden, in der sich Legalität und Humanität verbinden können.« Schambeck, S. 170 (Hervorhebungen durch den Autor).

Unter dem Titel »Zwei Gasthäuser in jeder Straße. Soziale Bindung ist eine gute Sache. Eine ›gute Gesellschaft‹ aber sollten wir uns nicht wünschen« hat Ralf Dahrendorf auf die autoritäre Problematik hingewiesen, die sich einstellt, sobald soziale Kohäsion (im Sinne von »gut sein«) direkt vom Individuum verlangt wird: »Die Zeit« vom 5. 10. 2000.

Zu den Vertragsverhandlungen in Dayton, die schließlich zum Abschluß des Friedensabkommens für Bosnien und Herzegowina führten, wird eine solche Situation in einer Publikation beschrieben, die vom Deutschen Auswärtigen Amt herausgegeben worden ist: Ischinger, S. 29f.

Eine Übersicht der von den Vereinigten Staaten nicht eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte und der internationalen Gerichtsbarkeit findet sich bei Stahn 2000b, S. 634f. Der Liste wäre die Kinderschutz-Konvention sowie die Konvention zur Beseitigung der Frauendiskriminierung beizufügen.

In seiner Schrift »Zum ewigen Frieden« hat der deutsche Philosoph Immanuel Kant Ende des 18. Jahrhunderts bereits einen Zusammenhang hergestellt zwischen einerseits dem Vorgang, daß das Individuum seinen Naturzustand der »gesetzlosen Freiheit« aufgibt, um den Staat zu gründen, und andererseits dem Vorgang, daß die Staaten ihren »internationalen Naturzustand« verlassen, um zu kooperieren. Den ersten Vorgang sieht Kant als obligatorischen, den zweiten als freiwilligen, was sich von der heutigen Realität gar nicht so stark unterscheidet: Baynes, S. 325ff. Ein Beispiel für einen Appell dieser Art an die »amerikanische Seele« |261|findet sich im vierten Kapitel, Abschnitt »Die Rolle der Staatlichkeit«, Unterabschnitt »Die ›Zivilgesellschaft‹«.

Das Vorgehen der USA wird im Detail von Stahn beschrieben in »Gute Nachbarschaft um jeden Preis? Einige Anmerkungen zur Anbindung der USA an das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs«.

Die Promotoren des Gesetzes zum Schutz der amerikanischen Streitkräfte, welches im US-Senat eingebracht worden ist und sämtlichen US-Behörden die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof untersagen will, argumentieren vor allem mit politisch motivierten Anklagen gegen US-Soldaten auf globalen Missionen: Christian Schmidt-Häuer in »Die Zeit« vom 7. 2. 2002.

In der Schlußphase der rechtlichen Durchsetzung ist dies allerdings auch nicht ausgeschlossen: Ist eine Menschenrechtsverletzung einmal rechtlich verbindlich festgestellt worden, so obliegt die Durchsetzung gegenüber dem verurteilten Staat wiederum den politischen Organen der betreffenden internationalen Organisation, denn eine weltweite »Vollstreckungsbehörde« im Sinne von Polizeiorganen existiert nicht. Trotzdem garantiert ein rechtlich ausgestalteter Durchsetzungsmechanismus einen höheren Grad an Rechtsgleichheit als ein lediglich politisches Verfahren.

Zum Abschluß seiner Tätigkeit als Hoher Repräsentant in Bosnien hat Wolfgang Petritsch auf die »amerikanische Skepsis gegenüber unserer meist unspektakulären und langwierigen Arbeit, eine Zivilverwaltung aufzubauen«, hingewiesen, allerdings mit dem Zusatz, diese Skepsis habe seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 spürbar abgenommen: »Neue Zürcher Zeitung« vom 27. 5. 2002.

Zum selben Zeitpunkt richtete der britische Premierminister einen analogen Aufruf an seine Landsleute, dies allerdings mit einer sehr europäischen Begründung, in welcher die Menschenwürde zu Ausdruck kam.

Stüwe weist darauf hin, daß »I am American« für viele US-Amerikaner gleichbedeutend sei mit »Ich trete für Demokratie ein«. Er zitiert auch den Historiker Samuel P. Huntington – notabene Erfinder des »clash of civilisations« – mit der Formel, Amerikaner zu sein, sei ein Ideal und nicht ein Faktum: Stüwe S. 461 und 464.

Dazu auch Stahn 2000a, S. 672. Im Mai 2002 hat der Hohe Repräsentant in Bosnien die sieben Richter für den Gerichtshof ernannt und damit diesen Mangel des Abkommens von Dayton behoben.

Die Voraussetzungen für eine Aufnahme Bosniens in den Europarat, welche eine völkerrechtliche Ratifikation der Europäischen |262|Menschenrechtskonvention sowie die Zuständigkeit des Gerichtshofes ermöglich hätte, wurde in den beiden dafür zuständigen Organen dieser Organisation in regelmäßigen Abständen erörtert. Sowohl für einen früheren als auch für einen späteren Beitritt Bosniens zum Europarat gab es gute Gründe. Wenn ein Nicht-Mitgliedstaat des Europarates bei diesem interveniert, ist dies an sich schon recht außergewöhnlich und verständlicherweise bei verschiedenen Mitgliedstaaten nicht sehr beliebt. Wenn jedoch die Begründung einer solchen Intervention unter anderem darin besteht, die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Menschenrechte könnte der positiven Entwicklung eines Staates hinderlich sein, so läßt dies vor allem Rückschlüsse auf die Befindlichkeit des Absenders der Intervention zu: Offenbar wurde Bosnien in Washington D. C. eben doch vorwiegend als einundfünfzigster Staat der Vereinigten Staaten betrachtet, weshalb es galt, die schützende Hand auch über diesen Staat zu halten und ihn vor einer internationalen Gerichtsbarkeit zu bewahren. Der Beitritt Bosniens zum Europarat erfolgte schließlich im April 2002.

»Deutsche Außenpolitik«, S. 81f. und 98.

Eine kurze und prägnante Darstellung der Abläufe findet sich bei Thumann, S. 15ff. Thumann weist auch darauf hin, daß nach dem Scheitern des Vance/Owen-Plans »ethnische Säuberungen« gezielt genau dort stattfanden, wo dieser Plan noch gemischte Gebiete vorgesehen hatte.

Der spätere Leiter der deutschen Delegation bei den Friedensverhandlungen von Dayton hatte vor dieser Konferenz in Washington die Meinung geäußert, »es sei für Europa gänzlich inakzeptabel«, die geplante Konferenz außerhalb Europas abzuhalten. »Schließlich gehe es um ein europäisches Problem«, welches in Europa und nicht in den USA gelöst werden müsse. Europa mußte diese Haltung aufgeben, um die Beteiligung der US-amerikanischen Streitkräfte in Bosnien zu sichern, denn nur durch einen Verhandlungsort in den USA konnte die US-Administration dazu gebracht werden, diesen Einsatz zu unterstützen: Ischinger, S. 32.

Thumann, S. 20.

Lothar Rühl in einer Rezension der erwähnten Publikation des deutschen Auswärtigen Amtes: in »Neue Zürcher Zeitung« vom 9. 10. 1998.

»Neue Zürcher Zeitung« vom 16. 11. 1999. Der Bericht stellt fest, daß es dabei nicht um diplomatisches Prestige gehe, sondern darüber hinaus auch um die Frage, ob Bosnien nach amerikanischem oder europäischem Modell verwestlicht werden solle. Der Schluß des Berichtes, der Investitionen fremden Kapitals in Bosnien betrifft |263|– und somit an sich außerhalb des Bereichs der hier diskutierten Fragen liegt – sei dennoch wiedergegeben: »Als jüngstes Beispiel und Beweis für die Fortschrittsfeindlichkeit wird (in einer Studie) angeführt, daß nicht einmal McDonalds in Bosnien Einzug hielt. Nach eingehenden Sondierungen beschlossen die Amerikaner, ihre Hamburger anderswo zu braten. Man kann das natürlich auch als einen Sieg des bosnischen Cevapcic über die Allerwelts-Frikadelle sehen – da wurde ein Stück balkanischer Identität gerettet, europäische Tradition gegen amerikanischen Standard verteidigt.«

Vgl. Anmerkung 79.

Der Begriff des »Monitoring« wird im zweiten Kapitel erläutert, Abschnitt »Recht und Moral«, Unterabschnitt »Menschenrechte«.

Tatsächlich hat die bosnische Staats- und Verfassungsordnung fast mehr völkerrechtlichen als innerstaatlichen Charakter, weil sie so stark unter der Kontrolle der internationalen Staatengemeinschaft steht. Dies veranlaßte das bosnische Verfassungsgericht, zur Auslegung der Präambel der bosnischen Verfassung auf die Wiener Vertragsrechtskonvention zurückzugreifen, welche lediglich auf völkerrechtliche Verträge anwendbar ist: Stahn 2000a, S. 686.

Vgl. Anmerkung 74.

Der Ausdruck »provisorischer Rechtszustand« stammt von Immanuel Kant, der damit die Phase umschreibt, in welcher sich – im Sinne eines Beispiels – ein Individuum einen Gegenstand angeeignet hat, ihn aber noch nicht als seinen definitiven Besitz betrachten kann, weil sich die Individuen noch nicht im Staat zu einer gemeinsamen Gesetzgebung zusammengefunden haben, die dem Eigentum eine objektive Rechtsgrundlage gibt. Näheres dazu findet sich unter dem Titel »Naturzustand – Eigentum – Staat« bei Kersting 1984, S. 205ff. Zu den »willigen« Koalitionspartnern vgl. viertes Kapitel, Abschnitt »Angelpunkt ›Recht‹«, Unterabschnitt »Rechtsordnung und ›Freiwilligkeit‹«.

Der kurze Artikel erschien in »Die Zeit« vom 24. 1. 2002 unter dem Titel »Verheerende Lektion. Bosnien beugt sich Amerikas Druck und beschädigt den eigenen Rechtsstaat«.

Darüber hinaus schließt dieses System alle bosnischen Staatsbürger vom passiven Wahlrecht aus, welche sich weder als bosnische Serben, bosnische Kroaten noch als Bosniaken bekennen. Dies sind etwa 8% der bosnischen Staatsbürger: Šarčević 2001, S. 313ff. Stahn hat die Frage aufgeworfen, ob es sich dabei nicht um einen Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote des UNO-Paktes |264|über bürgerliche und politische Rechte, der europäischen Menschenrechtskonvention und anderer Konventionen handle: Stahn 2000a, S. 696. In einem Bericht vom 24. 10. 2001 hat sich die bereits verschiedentlich erwähnte Venedig-Kommission dahingehend geäußert, daß dieses System vor allem deshalb problematisch sei, weil es territoriale und ethnische Elemente miteinander verbinde.

Der Verfassungsgerichtshof des Gesamtstaates erkannte in einer denkwürdigen Entscheidung vom 1. Juli 2000, daß die Verfassungen der beiden Teilstaaten die Verfassung des Gesamtstaates insofern verletzten, als sie in der Serbischen Republik nur das serbische Volk und in der Föderation nur das bosniakische und das kroatische Volk als für den Teilstaat »konstituierend« bezeichnen. Interessanterweise steht dabei die Abstützung auf die staatsorganisationsrechtliche Komponente der Verfassung auf so schwachen Füßen, daß ihr einer der drei an der Entscheidung beteiligten internationalen Richter nicht folgen konnte. Die Entscheidung mußte deshalb auf die menschenrechtliche Komponente der Grundordnung abgestützt werden, welche das Gegengewicht zur Grundstruktur bildet: Stahn 2000a, S. 690.

Die »Neue Zürcher Zeitung« vom 9. 3. 2000 gibt eine diesbezügliche Mitteilung wieder: »Die amerikanische Staatssekretärin Albright hat am Mittwoch ihre Europa-Tournee in Bosnien fortgesetzt. Sie traf mit den politischen Spitzen des Landes zusammen und insbesondere auch mit denjenigen Politikern, die von Washington bei der Neuordnung der bosnischen Innenpolitik unterstützt werden …«.

Vgl. dazu Anmerkung 174.

Zum Begriff der »Rechtsperson« vgl. Anmerkung 70.

Vgl. Anmerkung 86.

Einmal mehr sei hier eine Formulierung von Preuß wiedergegeben, welche die Eigenart der Revolutionen von 1989 umschreibt: »Das demokratische Prinzip der Selbstregierung soll sich nicht durch die Einwirkung einer – wenn auch durch Wahlen demokratisch legitimierten – konzentrierten politischen Gewalt auf die gesellschaftlichen Lebensverhältnisse verwirklichen, sondern durch die Anwendung der der Gesellschaft innewohnenden und verfügbaren Kräfte zur Selbststeuerung. Wenn es denn eine Utopie gibt, so ist sie das Gegenteil der Utopie einer im Staat institutionalisierten Einheit von kollektiver Vernunft und säkularisierter Allmacht: die Idee der Autonomie der Zivilgesellschaft und ihrer Fähigkeit, in diskursiven Prozessen und durch kluge Institutionalisierung auf sich selbst einzuwirken.« Preuß 1990, S. 64.

|265|Howard hält fest, es sei »diese ›amerikanische‹ Form einer politischen Revolution, deren Ergebnis die Befreiung der Gesellschaft ist, die die Revolutionen von 1989 nachahmen wollen«, nachdem er den Unterschied folgendermaßen formuliert hat: »Von der amerikanischen politischen Theorie kann (…) gesagt werden, daß sie die Gesellschaft entfesselt und das Eigeninteresse freisetzt, während die französische Vorstellung beide zu ihrem eigenen Wohl zu kontrollieren und zu steuern sucht, einem Wohl, das als das Wohl des Ganzen definiert ist.« Howard 2001, S. 18.

Vgl. dazu Anmerkung 58.

Joas, S. 54f.

Ein Überblick über die kommunitarischen Moraltheorien findet sich bei Reese-Schäfer, S. 236ff. Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, daß der US-amerikanische Begriff der »community« auch die territorialen Gemeinden einschließen kann, die in Europa als öffentlich-rechtlich verstandene unterste Einheiten der staatlichen Strukturen wohl kaum als »Gemeinschaften« gelten können. Auch darin liegt eine Logik, indem in den Vereinigten Staaten nicht unterschieden wird zwischen Staat und Gesellschaft. Zum Begriff der »community« vgl. Joas, S. 50ff. Angesprochen auf das geringe Interesse der US-amerikanischen Bevölkerung an demokratischen Abläufen hat Ralf Dahrendorf in einem Interview auf den großen Unterschied hingewiesen, der bezüglich dieses Interesses zwischen der Gemeindeebene und den übergeordneten Ebenen bestehe: »Gemeindewahlen und Teilnahme an der Bürgergesellschaft charakterisieren die amerikanische Demokratie viel deutlicher als das politische Leben auf bundes- oder einzelstaatlicher Ebene.« Dahrendorf 2002, S. 59.

Gellner 1999, S. 17 und 123.

Zum Verhältnis zwischen Staat und Familie ist ein Vergleich der beiden folgenden Persönlichkeitsportraits interessant: Unter dem Titel »Für die Albaner ist die Familie alles – der Staat dagegen nichts« charakterisiert Norbert Mappes-Niediek in »Die Zeit« vom 24. 6. 1999 junge UÇK-Kämpfer. »Ein starker Staat zerstört Familie und Gemeinschaft« wird der neue US-Botschafter in Berlin zitiert: »Die Zeit« vom 19. 4. 2001.

Thumann schreibt kurz und treffend: »Der moderne bosnische Konflikt war also nicht ethnischer oder religiöser Natur. Er wurde entfesselt durch ein Bündnis skrupelloser Politiker, radikaler Intellektueller, hemmungsloser Militärs und gewöhnlicher Gangster, die sich als nationale Avantgarde für die Schaffung eines eigenen Staates betrachteten«, Thumann, S. 19. Dem ist nichts hinzuzufügen.

|266|Altermatt weist darauf hin, daß der bosnische Krieg zu einer Ghettoisierung der Bosniaken geführt habe, indem Mischehen wieder mißbilligt und Kleidungsvorschriften wie auch Sitten wieder stärker durchgesetzt worden seien: Altermatt, S. 124. Anzumerken ist, daß solche Phänomene vor allem durch Missionen des islamistischen Fundamentalismus aus Staaten außerhalb Europas gefördert worden sind und daß die bosnische Gesellschaft für solche Einflüsse aus ihrer Tradition heraus jedenfalls bis heute nicht sehr empfänglich gewesen ist.

Diese Übersetzungsleistung wird auch von Hans Joas in einem Artikel angesprochen, in welchem er sich auseinandersetzt mit dem von Jürgen Habermas in seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels verwendeten Begriff »postsäkular«, wobei allerdings zwischen der privaten Religionsausübung und der Religion als öffentlicher Ordnungsstruktur nicht durchgehend klar unterschieden wird: Hans Joas in »Die Zeit« vom 7. 2. 2002.

Zur Beteiligung von Nicht- oder Noch-nicht-Staatsbürgern vgl. Anmerkung 155.

In einem Aufsatz zum Thema »Stellung und Bedeutung der Religion in einer ›Civil Society‹« umschreibt Böckenförde dies folgendermaßen: »Religion (…) kann (…) durchaus gesellschaftliche und politische Bedeutung erlangen; sie ist nicht auf den Bereich des nur Privaten zurückgedrängt und entbehrt insofern auch nicht des potentiell öffentlichen Charakters. Aber auch wenn sie solche Bedeutsamkeit erlangt, entbehrt sie gleichwohl der Teilhabe an dem, was das sachlich und institutionell Notwendige und Allgemeine der politischen Ordnung ausmacht. Dieses bestimmt sich nicht mehr von einer bestimmten Religion, sondern von den weltlichen Zwecken des politischen Gemeinwesens her. Die Religion (…) hat daran keinen institutionell verbürgten Anteil. Sie verfügt über eine tatsächliche Bedeutung, aber nicht über einen Status rechtlich-normativer Verbindlichkeit im Gemeinwesen.« Böckenförde 1999, S. 260.

Casanova, S. 202f.

Als ein Beispiel für den islamischen Kulturbereich sei hier ein biographisches Werk erwähnt: Die marokkanische Soziologin Fatima Mernissi hat ihre glückliche und abenteuerliche Kindheit beschrieben, die sie in einem Harem in der Stadt Fez erlebte. Die Beschreibung zeigt – neben den äußeren Beschränkungen des Lebens der Frauen – auch die Vermittlung von Werthaltungen auf, von welchen Impulse der Rücksichtnahme und Verantwortung ausgehen, die weit über den islamischen Kulturbereich hinaus |267|Gültigkeit haben: Mernissi, »Der Harem in uns. Die Furcht vor dem anderen und die Sehnsucht der Frauen«.

Daß und warum sich Säkularisierung und Rückkehr von Religion nicht ausschließen, sondern vielmehr aufeinander bezogen sind, beschreibt Riesebrodt, allerdings ohne durchgehende Unterscheidung zwischen privater Religionsausübung und öffentlicher Ordnungsstruktur: Riesebrodt, S. 48ff.

Schulze umschreibt dieses Geschehen folgendermaßen: »Die Idee der Nation hat religiöse Anklänge; da die Nation nicht unmittelbar sichtbare Realität ist, muß sie geglaubt werden; der Nationalismus ist die säkulare Religion des Industriezeitalters. Nicht mehr von Gott empfing der neue Staat seine Rechtfertigung, sondern von der Nation.« Schulze 1995, S. 172.

Altermatt, S. 110. Die Austauschbarkeit von Religion und Nationalismus wird an derselben Stelle folgendermaßen beschrieben: »Der Nationalismus ist scheinbar in der Lage, Religion zu ersetzen, weil er das religiöse Sinn- und Gemeinschaftsbedürfnis befriedigt. In dem Maße, wie sich die Menschen von den etablierten christlichen Religionen und ihrer alltäglichen religiösen Praxis distanzierten, begannen sie nach Ersatzlösungen zu suchen. Der entscheidende Wendepunkt war in fast allen Ländern die Industrialisierung, die die religiöse Indifferenz förderte und die Beziehung zu den Kirchen lockerte. Daraus entstand ein geistiges Vakuum, das in Europa mit nationalistischen Glaubensinhalten aufgefüllt wurde.«

Gellner 1999, S. 24. Zum nationalen Erwachen wird an derselben Stelle weiter präzisiert: »Der ›Schlummerzustand‹ des Nationalen ist, obwohl dieser Begriff selten gebraucht wird, eine der ganz zentralen Lehren des Nationalismus. Und das ist wahrlich kein Zufall: Ohne diese Doktrin wäre der Nationalismus verloren. Ohne sie könnte man den natürlichen, erhabenen und universellen Rang, der dem nationalistischen Prinzip zugeschrieben wird (und das der Nationalist mit Leidenschaft hervorhebt), kaum mit dem Umstand vereinbaren, daß es in der Geschichte häufig überhaupt nicht beachtet wurde. (Dies räumen die Verfechter der schlummernden Nation nur widerwillig und mit Bitterkeit ein, um es rasch mit der Bemerkung beiseite zu schieben, es handele sich um eine oberflächliche Wahrheit, die bedauerlich sei und schnellstens korrigiert werden müsse.)« (S. 25) (Klammern durch den Autor gesetzt).

Kallscheuer nennt als Grundprinzip der amerikanischen Religion die »persönliche Gotteserfahrung statt eines Credo an fixierte Dogmen« und weist darauf hin, daß diese Methode gleichsam in |268|Serie produziert worden sei: »Die Erschütterung des Herzens, in der der erste große Theologe Amerikas, der koloniale Puritaner Jonathan Edwards, das Indiz wahrhafter Religiosität erblickte, ist in der amerikanischen Moderne zum reproduzierbaren Muster geworden, bis hin zum heutigen elektronischen Pfingstfeuer des Jimmy und Donny Swaggart sowie zahlloser anderer Fernsehprediger und TV-Schamanen. Vor allem aber mit dem Evangelisten Amerikas, Billy Graham, dessen ›Predigt der Wiedergeburt‹ es sogar gelang, ganz Osteuropa in ein Camp Meeting zu verwandeln.« Kallscheuer 1994, S. 136f.

Casanova, S. 207f. (Klammern durch den Autor gesetzt).

In einem Aufsatz über Entstehungsprozesse von Identität erklärt Berten, in der Regel sei Identität eine Mehrfachidentität, wenn nicht ideologische oder andere Einflüsse diese Mehrfachidentität hemme. So könne man sich »einer bestimmten Klein- oder Großfamilie, einer bestimmten Abstammungslinie, einem Familienverband, einer Klasse, einer Region, einer Religion, einer Rasse, einem bestimmten Land, einem bestimmten Geschlecht oder einer bestimmten sexuellen Minderheit, einer ethnischen Gruppe, einer bestimmten Fan-Gruppe, einem bestimmten Unternehmen usw. zugehörig fühlen, ohne daß eine dieser Identitäten allumfassend ist und alle anderen ausschließt«. Berten, S. 58. Es fehlt nicht der Hinweis, daß aufgestachelte und monolithische Identitäten in der Geschichte zu unsäglichen Katastrophen geführt haben. Der Aufsatz geht auf ein Referat an einem Kolloquium zum Thema »Identität und Differenz im demokratischen Europa« zurück, welches im Mai 1991 in Brüssel stattfand, also vor Ausbruch der Kriege im Balkan. Zweifellos wäre der Geschichtsbezug andernfalls durch einen Gegenwartsbezug ergänzt worden.

Münch weist darauf hin, daß nirgendwo sonst in der Welt eine größere Bereitschaft von Zuwanderern bestehe, die Identität des Ziellandes zu erwerben, und auch nirgendwo eine größere Bereitschaft der Einheimischen, »die Impulse einer Vielzahl von Herkunftsidentitäten aus der ganzen Welt zwecks Erneuerung in sich aufzunehmen. Im allgemeinen herrscht der Optimismus vor, daß die Auslese durch den Wettbewerb und die Attraktivität des American way of life ohnehin alle, die das Land betreten, zu erfolgsbesessenen Amerikanern machen werden.« Münch, S. 92 (Hervorhebung durch den Autor).

Das Phänomen wurde für Deutschland insbesondere anhand von rußlanddeutschen Aussiedlern und von türkischen Einwanderern untersucht: Regina Römhild in »Die Zeit« vom 14. 3. 2002. Altermatt |269|bezeichnet Personen mit einer derartigen Mehrfachidentität als »Bindestrich-Bürger«: Altermatt, S. 245. Im theoretischen Bereich hat Habermas unterschieden zwischen der kulturellen Lebensform der Herkunft, welche auch Einwanderern durchaus belassen werden müsse, wenn sie sich nur auf die politische Kultur der neuen Heimat einlassen würden, denn »die Identität des politischen Gemeinwesens, die auch durch Immigration nicht angetastet werden darf, hängt primär an den in der politischen Kultur verankerten Rechtsprinzipien und nicht an einer besonderen ethnisch-kulturellen Lebensform im ganzen«. Habermas, S. 27.

Unter dem Titel »Vom Schmelztiegel zur Salatschüssel« zeigt Sieglinde Geisel den Wandel des multikulturellen Selbstverständnisses in den USA auf: »Neue Zürcher Zeitung« vom 21./22. 10. 2000.

Münch spricht von einer »Subkultur der Gewalt«, die in den Vereinigten Staaten mittlerweile ein Standarduntersuchungsgegenstand geworden sei, und er bringt diese in Zusammenhang mit Drogenhandel sowie Kriminalität von Banden unterschiedlicher Herkunft: »Der Kampf der Herkunftsgruppen um ihre soziale Stellung verbindet sich mit der amerikanischen Idee des Erfolgs im Wettbewerb mit den anderen, untergräbt jedoch die Idee der individuellen Verfügung über gleiche Bürgerrechte, unabhängig von jeder vorgängigen Gruppenzugehörigkeit.« Münch, S. 94 (Hervorhebung durch den Autor).

Lubbers beschreibt, wie die zeitliche Begründung nationaler Identität der Vereinigten Staaten, die religiös verankert war, später durch eine räumliche überlagert wurde: »Quer zu der zeitlichen Imaginations-Achse entstand ab etwa 1800 eine räumliche, die den konkreten transkontinentalen Expansionismus vorwegnahm, begleitete und rechtfertigte. Ihr entlang wurde bald kühner imaginiert als entlang der zeitlichen Achse. Unter anderem ließ sich auf der Raum-Achse auch die tatsächliche Appropriierung immer größerer Territorien im Westen antizipieren. Ich bezweifle, daß die teleologische Abrundung des US-amerikanischen Identifikationsmodells derart glatt gelungen wäre, hätte sich die in der puritanischen Bündnistheologie fundierte Zukunftsorientiertheit nicht ins Räumliche umbiegen und damit augenfällig beziehungsweise handgreiflich, das heißt manifest machen lassen.« Lubbers, S. 95.

Eine direkte – wenngleich tragische – Linie führt von diesem USamerikanischen Phänomen zurück zu jenem Volk, das im alten Testament tatsächlich das »auserwählte Volk Gottes« ist, das in langen Wanderungsbewegungen schließlich das »gelobte Land« erreicht |270|hat, und dem die »Auserwähltheit« US-Amerikas nur nachempfunden war. Die Eroberung von Land durch individuellen Siedlungsbau, verbunden mit individueller Verteidigungsbereitschaft, wurde auch im modernen Israel betrieben. Zur bewußten Strategie soll dies in einem Zeitpunkt geworden sein, in welchem die zuvor äußerst seltenen Einwanderungen aus den Vereinigten Staaten zugenommen hätten. Wie dem auch immer sei: Jedenfalls sind diesen beiden Staaten zwei Elemente gemeinsam: einerseits die individuelle Verteidigungsbereitschaft von – historischen bzw. zeitgenössischen – Siedlern und andererseits eine nationale Identität, die auch über religiöse Wurzeln verfügt. Meistens wird die besondere Affinität zwischen diesen beiden Staaten darauf zurückgeführt, daß die jüdische Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten sehr einflußreich sei. Dies trifft ohne Zweifel zu, doch sind die ideengeschichtlichen Parallelen daneben nicht zu unterschätzen.

Verschiedene Autoren betonen, daß die Identität Europas nur anhand der Brüche und Spaltungen verstanden werden kann, die in der langen Geschichte dieses Kontinentes immer wieder stattgefunden haben. Eine Zusammenfassung findet sich bei Liessmann, »Der Aufgang des Abendlandes. Eine Rekonstruktion Europas«.

Gellner 1999, S. 109.

Im 17. Jahrhundert bezeichnet der Begriff in Europa offensichtlich das Herkunftsland, so daß die Stadt Mannheim Einwanderern »ohne Unterschied von Nationen« verschiedene Privilegien zusicherte, vgl. »Das Mannheimer Experiment. Einwanderung, Zuwanderung, Multikulti in Deutschland? Die Stadt zwischen Rhein und Neckar hat im 17. Jahrhundert gezeigt, daß das geht«, in »Die Zeit« vom 31. 1. 2002.

Gellner 1999, S. 114 (Hervorhebung durch den Autor).

Das Zitat ist wiedergegeben bei Böckenförde 1999, S. 48.

Gellner 1995, S. 119f.

Eisenstadt umschreibt diese Einheit von Staat und König folgendermaßen: »In vielen der kontinentalen Regimes wurde dem Staat eine exklusive, säkular definierte Souveränität zugesprochen, auch wenn die absolutistischen Könige eine Form göttlicher Legitimierung, das ›Königtum von Gottes Gnaden‹, für sich in Anspruch nahmen. Im Souverän – dem König oder dem Staat (l’état c’est moi) – sah man, wenn auch niemals ganz unangefochten, die spätere so genannte volonté générale, das Gemeinwohl, verkörpert. Eine weitere Neuerung, die Idee der Volkssouveränität, führte (…) die Großen Revolutionen herbei.« Eisenstadt, S. 41.

|271|In einem Artikel zur Minderheitenfrage in Europa umschreibt de Munck diese historische Situation folgendermaßen: »Im Laufe der bürgerlichen Revolutionen übernimmt das demokratische Ideal allmählich die nationale Form, um schließlich ganz mit ihr zu verschmelzen; das neue Regime nimmt den Zentralstaat als Erbe der von ihm gestürzten Könige in Besitz, um seine Entwicklung voranzutreiben (…)«, um dann vielsagend weiterzufahren: »So wird als ein Grundzug unserer historischen Dynamik ein Bündnis begründet, das dennoch den Keim tiefgehender Widersprüche in sich trägt«, De Munck, S. 88f.

Habermas umschreibt diese Umwandlung folgendermaßen: »Die Bedeutung von ›Nation‹ hatte sich damit aus einer vorpolitischen Größe zu einem Merkmal gewandelt, das für die politische Identität des Bürgers eines demokratischen Gemeinwesens konstitutiv ist. (…) Die Staatsbürgernation findet ihre Identität nicht in ethnisch-kulturellen Gemeinsamkeiten, sondern in der Praxis von Bürgern, die ihre demokratischen Teilnahme- und Kommunikationsrechte aktiv ausüben. Hier löst sich die republikanische Komponente der Staatsbürgerschaft vollends von der Zugehörigkeit zu einer vorpolitischen, durch Abstammung, geteilte Tradition und gemeinsame Sprache integrierten Gemeinschaft. Von diesem Ende her betrachtet, hatte die anfängliche Verschmelzung des Nationalbewußtseins mit der republikanischen Gesinnung nur eine katalysatorische Funktion.« Habermas, S. 13.

Eine zusammenfassende Darstellung dieser Veränderungen findet sich bei Böckenförde 1999, S. 48ff., eine umfassende bei Schulze 1995.

Schulze 1995, S. 171f.

Daß auch die deutsche Nation letztlich auf dem Willen zur Nationenbildung beruht, erläutern Kallscheuer und Leggewie: »Der deutsche politische Code der Vergemeinschaftung der/zur Nation ist (…) in statu nascendi nicht weniger ›voluntaristisch‹ als das ›tägliche Plebiszit‹ Ernest Renans. Aber der subjektive Wille zur Nation ist zunächst ein Kulturwille, dessen Staatlichkeit utopisch und großspurig daherkommt und dennoch prekär bleibt.« Kallscheuer/Leggewie, S. 160 (Hervorhebung durch die Autoren).

Das Beispiel ist dem Buch von Altermatt entnommen, der im Jahre 1996 darauf hinweist, daß eben diese Konstellation für den Betroffenen nicht unbedingt von Vorteil ist: Altermatt, S. 36.

Eine ausführlichere Darstellung der Entwicklung in Mittel- und Südosteuropa findet sich bei Altermatt, S. 53 ff, sowie bei Gellner 1999, S. 68ff.

|272|De Munck verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Aufhebung der Gleichung Nationalstaat = Recht: »In Straßburg und Luxemburg sprechen europäische Richter supranationales Recht. Es handelt sich um eine neue Aktualisierung des Universalitätspotentials des liberalen Rechts: Diese von uns aufgezeigte, im Rahmen des Nationalstaats bestehende Dimension, die sich von ihrer ersten Matrix gelöst hat, sieht nunmehr einem neuen Schicksal entgegen.« De Munck, S. 94. Von dieser Bewegung »nach oben« und »nach unten« spricht Theo Sommer analog im Zusammenhang mit den Souveränitätsrechten der Staaten in »Die Zeit« vom 22. 10. 1998.

Unter dem Titel »Europa braucht keine gemeinsame Identität« hat Richard Herzinger verschiedene dieser Gründe zusammengefaßt in »Die Zeit« vom 6. 8. 1998. In einer Hinsicht ist der Ausgangspunkt hier allerdings ein anderer: Herzinger lehnt eine europäische Identität auch deshalb ab, weil sie auf eine Abgrenzung abziele, insbesondere von den USA. Im Rahmen einer romantisch verstandenen europäischen Identität wäre dies tatsächlich schädlich, vor allem auch für Europa selbst. Die staatspolitische Identität hingegen bringt eine transatlantische Abgrenzung mit sich, die sich noch verstärkt, wenn sich diese Identität auch auf der europäischen Ebene entfaltet.

Mit harten Worten beschreibt Dahrendorf die Situation: »Das Phänomen, das wir gegenwärtig beobachten, ist nicht der Lokalismus im engeren Sinne, sondern vielmehr der Regionalismus, den ich ganz besonders ablehne, weil er die Werte der liberalen Ordnung auf heimtückische Weise bedroht. Wenn es nur um die Selbstbestimmung von Städten und Gemeinden ginge, wäre das Problem weniger brisant. Aber hier treten angebliche Verfechter einer regionalen Autonomie oder – in extremen Fällen – sogar Befürworter der ethnischen Säuberung auf den Plan. (…) Wir beobachten heute einerseits die Abwanderung politischer Entscheidungen von den Nationalstaaten nach außen, zu oftmals unbekannten und fernen Instanzen, andererseits und gleichzeitig eine Verlagerung der politischen Entscheidung nach innen, in Richtung auf politische Einheiten, die oft in sich nicht demokratisch sind. Ich denke dabei nicht nur an die Aggressivität von Leuten wie Bossi und Haider, sondern an einen diffusen regionalistischen Romantizismus, der nichts Liberales an sich hat. Das gilt auch für den schottischen oder walisischen Nationalismus.« Dahrendorf 2002, S. 28f.

Der Gedanke, politische und kulturelle Identität im Rahmen der Europäischen Union zu trennen, ist keineswegs neu. Auf einem Kolloquium zum Thema »Identität und Differenz im demokratischen |273|Europa«, welches im Mai 1991 in Brüssel stattfand, äußerten sich verschiedene Referenten in dieser Richtung, so zum Beispiel Ferry: »Dagegen könnte die europäische Gemeinschaft vielleicht die identitätsbezogenen, nationalen oder regionalen partikularistischen Forderungen ganz einfach dadurch entschärfen, daß sie klar zwischen dem juristischen Bereich der politischen Gemeinschaft und dem kulturellen Bereich der nationalen Identität trennt.« Ferry, S. 33. Auch Schulze führt zur Zukunft der Nation folgendes aus: »Nicht die Idee der Nation muß in Europa überwunden werden, sondern die Fiktion der schicksalhaften, objektiven und unentrinnbaren Einheit von Volk, Nation, Geschichte, Sprache und Staat.« Schulze 1995, S. 337. Eine analoge Überlegung in etwas anderem Zusammenhang findet sich bei Steinvorth: »Solange die prägende soziale Form der Stamm oder die Kaste war, gehörte das Individuum diesen an und war kaum fähig, ihren Werten nicht den Vorrang zu geben. Für sie ist Herders Nationalismus die angemessene Einstellung; in ihnen waren Kollektivschuld und Kollektivverdienst möglich. Die Industriegesellschaft, die den modernen Staat und seine Nation erst schaffen konnte, hebt die segmentabhängige soziale Kohäsion auf und verlangt von den Individuen die direkte Kommunikation miteinander. Sie schliesst aus, dass Nationen von denselben emotionalen Bindungen zusammengehalten werden wie Stämme und Kasten. Sie macht aus ihren Individuen nicht nationale oder Volksgenossen, sondern Rechtsgenossen. Einen Nationalismus verlangen heisst, aus einer Nation einen Stamm machen zu wollen.« Steinvorth, S. 82 (Hervorhebung G. H.).

Liessmann, S. 126 (Hervorhebung durch den Autor).

Vgl. Anmerkung 2.

Neben verschiedenen anderen Elementen nennt Gellner auch die »Entterritorialisierung« als geeignete Entwicklung zur Vermeidung von Nationalismus: Gellner 1999, S. 177.

Zum »Schlummerzustand« und zum »Erwachen« vgl. Anmerkung 119.

Regina Römhild verweist auf die »Frankfurter Türken«, ein Beispiel nebeneinander bestehender kultureller Identitäten: »Die Zeit« vom 14. 3. 2002.

Dazu wie auch zur eben erwähnten kulturellen Mehrfachidentität vgl. Anmerkung 124.

Diesbezüglich spricht Ferry von einer »Differenzierung zwischen Staatsangehörigkeit und Bürgerstatus«, Ferry, S. 33.

Während jedes in Frankreich geborene Kind über die französische Staatsbürgerschaft verfügt, werden an den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft hohe formale Anforderungen gestellt. |274|Allerdings werden beide Konzepte in Frage gestellt, und es ist nicht auszuschließen, daß längerfristig eine Angleichung in dem Sinne erfolgt, daß das reine »ius soli« in Frankreich durch Bedingungen ergänzt und umgekehrt die Anforderungen in Deutschland abgeschwächt werden.

Der Miteinbezug von Nicht- oder Noch-nicht-Staatsbürgern ins öffentliche Leben erfolgt vor allem über bürgergesellschaftliche Aktivitäten, vgl. dazu die Ausführungen im vierten Kapitel, Abschnitt »Die Rolle der Staatlichkeit«, Unterabschnitt »Die ›Zivilgesellschaft‹«.

Vgl. dazu im selben Kapitel den Abschnitt »Gemeinschaft und Staatlichkeit«, Unterabschnitt »Die Rückkehr der Religion«.

Daß die Ablösung der Staatlichkeit von der Nation im Rahmen des Säkularisierungsprozesses gesehen werden kann, ist durchaus kein neuer Gedanke. Unter dem Titel »Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation« hat Böckenförde bereits 1976 folgendes geschrieben: »Der Vorgang der Säkularisation war zugleich ein großer Prozeß der Emanzipation, der Emanzipation der weltlichen Ordnung von überkommenen religiösen Autoritäten und Bindungen. Seine Vollendung fand er in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Sie stellte den einzelnen auf sich selbst und seine Freiheit. Damit aber mußte sich, prinzipiell gesehen, das Problem der neuen Integration stellen: Die emanzipierten einzelnen mußten zu einer neuen Gemeinsamkeit und Homogenität zusammenfinden, sollte der Staat nicht der inneren Auflösung anheimfallen, die dann eine totale sog. Außenlenkung heraufführt. Dieses Problem blieb zunächst verdeckt, weil im 19. Jahrhundert eine neue einheitsbildende Kraft an Stelle der alten trat: Die Idee der Nation. Die Einheit der Nation folgte der Einheit aus der Religion und begründete eine neue, allerdings mehr äußerlich-politisch gerichtete Homogenität, innerhalb deren man noch weithin aus der Tradition der christlichen Moral lebte. Diese nationale Homogenität suchte und fand ihren Ausdruck im Nationalstaat. Inzwischen hat die Idee der Nation, nicht allein in vielen Staaten Europas, diese Formkraft verloren.« Böckenförde 1976, S. 59f. Späteren Publikationen desselben Autors ist zu entnehmen, daß er der Nation für den Zusammenhalt der Gesellschaft durchaus wieder eine Rolle zuweist: Böckenförde 1999, S. 58.

Ferry, S. 36. Zur französischen Nation führt der Autor an derselben Stelle aus: »Nicht durch eine autonome Bewegung der die Nation bildenden regionalen Kulturen hat sich die Universalie in das Fleisch des [französischen] Volkes eingebrannt, wenn man so sagen darf, sondern durch die Akkulturation der ihrem Ursprung |275|entrissenen Individuen. Dies konnte nur durch den dogmatischen Prozeß einer ›bestimmenden‹ und nicht ›reflektierenden‹ Bewegung im kantischen Sinne erfolgen, deren Richtung von oben nach unten, vom Staat zur Gesellschaft, von der Politik zur Kultur verlief. Aus diesem Grunde konnte die derart gezimmerte Identität nur einen Monokulturalismus zulassen, in dem das nationalistische Prinzip konstruktionsbedingt präsent ist.«

Zum »Schlummerzustand« und zum »Erwachen« vgl. Anmerkung 119.

Ein Beispiel ist das im Oktober 2001 verabschiedete ungarische Gesetz zur materiellen Unterstützung der magyarischen Minderheiten jenseits der Grenze, das vom damaligen ungarischen Ministerpräsidenten unter anderem damit begründet worden ist, man wolle die politischen Grenzen »überwölben und so die Teile der ungarischen Nation neu (…) vereinigen«, ohne aber die politischen Grenzen verändern zu wollen: »Neue Zürcher Zeitung« vom 30. 10. 2001.

Vgl. Anmerkung 126.

So hält denn auch die Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz der nationalen Minderheiten ausdrücklich fest, daß dieser Schutz den Personen zukomme, welche Minderheiten angehörten, und daß diese Personen ihre Rechte einzeln oder zusammen mit anderen Personen ausüben könnten. Dies bedeutet auch eine Absage an das Konzept von Gruppenrechten.

Der andere Staat, der in der europäischen Diskussion über Minderheiten – insbesondere im Rahmen des Europarates – dieselbe Position vertreten hat, ist die Türkei. Diese Haltung ist weitgehend auf die Kurdenfrage zurückzuführen, da der türkische Staat nicht bereit war, dieser ethnischen Gruppe einen Minderheitenstatus einzuräumen.

Altermatt hat es – in Begriffen, die auf Mittelosteuropa zugeschnitten sind – kurzerhand folgendermaßen formuliert: »Man kann föderalistisch sein, ohne multinational zu sein. Wenn der Staat aber multinational ist, muß er föderalistisch sein.« Altermatt, S. 244.

Kallscheuer 1994, S. 134.

Auch das Kriterium der Staatsangehörigkeit ist dafür letztlich nicht entscheidend. Vgl. dazu im selben Kapitel den Abschnitt »Die Zukunft der Nation in Europa«, Unterabschnitt »‹Säkularisierung‹ der Nation?«

Morin weist darauf hin, daß im Zusammenhang mit derartigen Erfahrungen auch die Schuldfrage zu stellen ist: »Europa hat einige Begriffe auf die Spitze getrieben und sie in die Welt verbreitet: die |276|atemberaubende und wahnsinnige Suche nach dem Heil, die religiöse Intoleranz, den Kapitalismus, den Totalitarismus, den Industrialismus, die Technokratie, das zügellose Trachten nach Gewinn, den frenetischen Mythos des Wachstums, die Zerstörung der menschlichen Kulturen und der Umwelt. Europa hat auf der ganzen Welt Unheil verbreitet, das zurückgeht auf eine übertriebene Vereinfachung, auf die Einseitigkeit und auf die Zuspitzung all seiner Entwicklungen und historischen Verwirklichungen. Wir selbst haben die Schäden erlitten, die wir verursacht haben, und haben die Tragödie der Nationalismen und der Totalitarismen bis zum bitteren Ende erleben müssen; wir fangen nun langsam an, uns Gegengifte gegen die Übel, die wir selber verursacht haben, auszudenken und wir können allmählich anfangen, der Welt dazu zu verhelfen, sich des Unheils, das wir ihr zugefügt haben, zu entledigen.« Er zeigt aber auch auf, daß sich daraus zukunftsweisende Perspektiven ergeben können: »Wenn es ein für allemal auf die Rolle des privilegierten Zentrums der Welt verzichtet, kann Europa für immer ein Zentrum der Reflexion und Innovation werden, dazu bestimmt, den Menschen zum Frieden zu verhelfen, Gastfreundschaft (wieder) herzustellen und unsere Heimaterde zu zivilisieren.« Morin, S. 220f. (Klammer durch den Autor gesetzt).

In einem Artikel zum 350. Jahrestag des westfälischen Friedensschlusses führt Heinz Schilling aus: »Die Säkularisation des Politischen aber prägte die historisch-politische Kultur des Kontinentes nachhaltig – bis auf den heutigen Tag. Jeder Europäer erschrickt zutiefst, wenn ein Glaubenskrieg, etwa in Nordirland oder auf dem Balkan, aufflackert oder anderswo religiöser Fundamentalismus dazu aufruft. Mit dem Westfälischen Frieden wurde ein Modell geboren, mit dem auch zukünftige Konflikte wenigstens eingegrenzt und einer Lösung zugeführt werden konnten. Damit war eine visionäre Dynamik der Friedenssuche freigesetzt, die sich nicht mehr ersticken ließ. So betrachtet, fußen sowohl Kants großer Entwurf ›Zum ewigen Frieden‹ von 1796 als auch die vertrauensbildenden Maßnahmen und Konferenzen über Gewaltverzicht des ausgehenden 20. Jahrhunderts auf der Leistung des Münsteraner und Osnabrücker Kongresses.« in »Neue Zürcher Zeitung« vom 24./25. 10. 1998.

»Das staatliche Gewaltmonopol wird von unten und von oben ausgehebelt und kann sich nur noch in einem schrumpfenden Mittelbereich einigermaßen halten«, führt Eppler aus, der auch vorrechnet, daß in Deutschland auf einen Polizisten ein Angestellter privater Sicherheitsdienste kommt, während in den Vereinigten |277|Staaten das Verhältnis bereits 1:3, in Kalifornien sogar 1:4 für die Privaten beträgt: Eppler S. 28 und 80.

»In Amerika ist man eher verfassungs- als demokratietreu. Man spricht von der Demokratie, aber das ist eine gewisse Abstraktion. Die Verfassung hat sich seit mehr als 200 Jahren bewährt. Daraus wächst Vertrauen. Ohne daß die Leute so genau wissen, was die Verfassung sagt – aber sie glauben daran«, sagt Fritz Stern in einem Interview: »Die Zeit« vom 16. 11. 2000. Anläßlich eines Demokratie-Forums in Prag im Juni 2000 hat sich Frankreich geweigert, die sogenannte »Warschauer Deklaration« zu unterzeichnen, welche das offizielle Ergebnis der Konferenz beinhaltet. Der Bericht über diesen Anlaß gibt die entsprechenden Standpunkte folgendermaßen wieder: »Die amerikanische Außenministerin Albright hatte als Leiterin einer Podiumsdiskussion von 29 Außenministern unter anderem gefordert, in der Uno und anderen internationalen Organisationen müssten die demokratischen Staaten eine Interessengruppe bilden, um ihrer Weltanschauung zu mehr Geltung zu verhelfen und die Sache der Demokratie effizienter vertreten zu können. Frankreich hingegen meinte, die Konferenz solle nicht als Startschuss zu einem ›Aktionsprogramm‹ verstanden werden. In einer offiziellen Stellungnahme hieß es, die Schaffung adäquater Bedingungen für die Förderung der Idee der Demokratie sei eine komplexe Angelegenheit und erlaube keine Verallgemeinerungen. Außenminister Védrine meinte an einem Pressebriefing, manchmal bestehe im Westen die Tendenz, Demokratie als eine Art Glauben zu sehen, zu dem man sich lediglich bekehren müsse. Doch handle es sich um einen evolutionären Prozess, für den zudem niemand eine Zauberformel habe.« In »Neue Zürcher Zeitung« vom 28. 6. 2000.

Kersting 1984, S. 205. Der Begriff der »objektiven Rechtslosigkeit« – obwohl vom Autor zweifellos nicht so verstanden – umschreibt genau besehen nicht unzutreffend das US-amerikanische Rechtsverständnis in einer Sichtweise, die dogmatisch von einer strikt kontinentaleuropäischen Rechtstradition ausgeht. Auch hier sei jedoch nochmals angemerkt, daß die transatlantischen Unterschiede im Rechtsverständnis mit den Unterschieden zwischen dem kontinentaleuropäischen und dem anglo-amerikanischen Rechtskreis nur sehr beschränkt zu tun haben. Der einzige historische Zusammenhang besteht darin, daß die Auswanderer in die Neue Welt mehrheitlich vom englischen Rechtssystem ausgegangen sind. Gerade die Überlegungen zur Bedingtheit des Rechtsverständnisses durch vorangegangenen oder eben nicht vorangegangenen Souveränitätsverzicht machen deutlich, wie |278|europäisch das britische Rechtsdenken letztlich ist: Nicht nur ist die britische staatspolitische Identität schon fast sprichwörtlich, die Briten gehören darüber hinaus geradezu mit zu den Erfindern des Souveränitätsverzichtes. Ihre diesbezügliche Haltung – und nicht vor allem jene des damals noch herrschenden französischen Adels und Königtums – war es, von welcher sich die Auswanderer in die Neue Welt bewußt distanzierten. Vgl. dazu im zweiten Kapitel den Abschnitt »Recht und Moral«, Unterabschnitt »Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit«.

Dewandre/Lenoble, S. 6.

Šarčević 2001, S. 334.

»Neue Zürcher Zeitung« vom 27. 5. 2002.

Als »Vetorecht« hat Stahn dieses Instrument bezeichnet, dem er über die Blockierung der Legislative hinaus auch ganz grundsätzlich die Förderung der nationalistischen Sichweise zuschreibt: »In Verbindung mit den ohnehin schwachen Kompetenzen des Gesamtstaates hat das Konzept der ›ethnischen Demokratie‹ im Ergebnis weniger zur Integration als zur Trennung der verschiedenen Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina beigetragen; ja schlimmer noch, es hat fast den Anschein, als habe es zur Legitimation des auf der Gliedstaatenebene praktizierten ethnischen Nationalismus beigetragen.« Stahn 2000a, S. 677f.

In ihrer Stellungnahme zur Aufnahme Bosnien-Herzegowinas in den Europarat, welche dem Beitritt im April 2002 voranging, hat die Parlamentarische Versammlung betont, die Institutionen des Gesamtstaates müßten verstärkt werden, wobei ausdrücklich auch eine Verfassungsrevision in Betracht gezogen wird.

Schulze wird dazu deutlich: »Selbst eine der am meisten verbreiteten westlichen Annahmen scheint widerlegt: Daß nämlich der dringende Bedarf an westlichem Kapital und westlichen Investitionen ausreichend Druck auf osteuropäische Staaten ausüben werde, um nationalistische Ambitionen zu schwächen und sich auf friedliche Weise westlichen Demokratiemodellen anzunähern. Die westeuropäischen Wohlstandsmaterialisten müssen erkennen, daß nationale Gefühle stärker sein können als ökonomische Interessen.« Schulze 1995, S. 333.

Einen Überblick über entsprechende Entwicklungen vor allem in Deutschland gibt Teubner, »Polykorporatismus: Der Staat als ›Netzwerk‹ öffentlicher und privater Kollektivakteure«. Eppler meint dazu: »Einer europäischen Demokratie muß eine neoliberale Welle, wenn sie früh genug auf Gegenwind stößt, gar nicht schaden. Da wird es immer etwas zu deregulieren geben, was vielleicht einmal einen Sinn hatte, seine ursprüngliche Funktion aber |279|um Jahrzehnte überlebt hat. Im übrigen sind vor allem westeuropäische Staaten – man denke an Frankreich – so im Bewußtsein ihrer Bürger präsent, daß sie nicht so rasch zusammenbrechen. Sie verlieren nur einen Teil ihrer Handlungsfähigkeit – und ihrer Steuern –, wenn sie als einer von vielen Standorten um das weltweit agierende Kapital konkurrieren müssen.« Eppler, S. 83

Mit dem Verweis auf Jean Bodin, Thomas Hobbes und Hugo Grotius, deren Schriften er als »Schwellendokumente« bezeichnet, »in denen sich der Übergang vom theologisch-konfessionellen Zeitalter in die Ära des rationalen Naturrechts spiegelt«, hält Kersting weiter fest, daß mit dem Westfälischen Frieden diese Revolution rechtlicher Denkart zur politischen, verfassungsrechtlichen Wirklichkeit geworden sei: Kersting 2000, S. 64. Betreffend Afrika und Asien stellt Eppler denselben geschichtlichen Bezug her: »Die Kriegsherren Afrikas und Asiens sind, ähnlich wie die am Ende des Dreißigjährigen Krieges, Unternehmer und Kommandeure in einem.« Eppler, S. 52.

Mit »Rückzug des Staates, Vormarsch der Religion« ist im Artikel von Jörg Lau über den »Mitfühlenden Konservatismus« der Teil überschrieben, in welchem er die zur Zeit in den Vereinigten Staaten angestrebte Übertragung der Wohlfahrt von staatlichen Stellen an kirchliche oder »glaubensbasierte« Organisationen erläutert: »Die Zeit« vom 20. 12. 2000.

Gellner 1995, S. 10. Hier wird auch detailliert erläutert, von welchen Phänomenen die Zivilgesellschaft sorgfältig abgegrenzt werden sollte.

Die Interpretation geht von der »civil society als weltliche, säkular gewordene politische Ordnung« (Böckenförde 1999, S. 259) bis zu einer Beschreibung als »eigene Identität außerhalb des politischen Bereichs« (Reese-Schäfer, S. 287) oder die »Akteure (…) im vor- und nichtstaatlichen Raum, also im intermediären Bereich zwischen Individuum und Staat« (Puhle, S. 326). Nochmals anders weist Altermatt der Zivilgesellschaft die Pflege der kulturellen Toleranz zu, für welche der Staat lediglich den politischen Rahmen zur Verfügung stelle (Altermatt, S. 244f.), und Müller bezeichnet die »globale Öffentlichkeit« als »civil society« (Müller, S. 192). Gelegentlich wird sogar darüber diskutiert, ob auch die Wirtschaft zur »Zivilgesellschaft« zu zählen sei oder nicht. Die historischen Wurzeln des breiten Interpretationsspielraumes erklärt Teubner damit, daß bereits vor der Französischen Revolution Montesquieu und John Locke verschiedene Zivilgesellschafts-Modelle entworfen haben, der erstere ein Modell als Kern der politischen Gesellschaft, der zweitere ein Modell als eine vorpolitische |280|Gesellschaft außerhalb der politischen Wirklichkeit: Teubner, S. 347f. Diese beiden Grundmodelle sind es denn auch, welche die Verhältnisse diesseits und jenseits des Atlantiks unterschiedlich geprägt haben.

So Reese-Schäfer, S. 285. Der Autor zieht den Begriff der »Bürgergesellschaft« – die auf Ralf Dahrendorf zurückgehe – demjenigen der Zivilgesellschaft vor, weil er auch erlaube, das Militär im Sinne der Staatsbürgerrolle einzubeziehen.

Berger/Neuhaus/Novak (Hg.).

Joyce/Schambra, S. 25f.

Novak, S. 138 und 141. »Civic« organizations – was mit »staatsbürgerlich« übersetzt werden kann – meint Vereinigungen, die auch im europäischen Sinn das Gemeinwohl im Auge haben, hier aber ebenfalls als Bestandteil der Civil Society erscheinen.

Zum »Mitfühlenden Konservatismus« vgl. »Das Land der gerechten Sünder« in »Die Zeit« vom 20. 12. 2000, sowie »Neue Zürcher Zeitung« vom 5./6. 8. 2000, welche darauf hinweist, daß in Texas unter Gouverneur George W. Bush bereits ein Teil des Fürsorgebudgets an kirchliche Organisationen umgeleitet worden ist. Die Forderung nach einem größeren Engagement der Kirche in der Sozialpolitik sei durchaus nicht auf die Partei des heutigen Präsidenten beschränkt, sondern sie habe ihren Widerhall auch in der Kampagne des Gegenkandidaten Al Gore gefunden.

Priddat nimmt Bezug auf die gegenwärtigen Diskussionen über neue Formen der Zusammenarbeit staatlicher und nichtstaatlicher Instanzen und Institutionen und umschreibt den transatlantischen Unterschied in der Bedeutung des Begriffes der Zivilgesellschaft folgendermaßen: »›Zivilgesellschaft‹ ist der Name für die Delegation von Verantwortung an die Gesellschaft. Für uns Europäer schwingt noch das Wagnis mit, der Staat sollte vertraute Domänen abgeben. In der amerikanischen Tradition der Staatsferne der communities hat Zivilgesellschaft eine andere Bedeutung: Welche Verantwortung geben die Bürger überhaupt an den Staat? Eine europäische Kopie dieser Mentalität scheint fraglich. Unsere Traditionen berichten von einem Spannungsverhältnis zwischen Bürgertum und Staat (des Adels); es ging um Machtteilung, nicht um Machtdelegation. Der Staat steht über der Gesellschaft oder ihr gegenüber.« Priddat, S. 1028. Hier kommt einmal mehr das »Dritte« zum Ausdruck.

Thürer formuliert diesen Gedanken – im Zusammenhang mit der Wechselwirkung zwischen der Rechtsordnung, der Internationalen Gemeinschaft und dem Staat – so: »Wie kann eine rechtliche und demokratische Kultur gedeihen außerhalb des reichhaltigen |281|›Dickichts‹ und ›Gehölzes‹ oder auch des aufstrebenden Geästs von politischen Traditionen und Werten, die oft eng mit dem Staat verbunden sind? Das ›weite Feld‹ der Märkte jedenfalls oder die ›civil society‹ allein vermögen Gerechtigkeit und Demokratie letztlich nicht herzustellen und zu gewährleisten. Vielmehr ist es, so glaube ich, ein Postulat heutiger Rechtsgestaltung, neuartige Konzentrationen der wirtschaftlichen Macht nach Vorbildern des rechtsstaatlichen Verfassungsrechts neu zu erfassen (…) In den vielgestaltigen Erscheinungsformen der europäischen Integration wurden zukunftsträchtige Formen neuartiger Ordnungssysteme entwickelt.« Thürer 2001, S. 55f. Klar fomuliert es Eppler bezüglich des afrikanischen Kontinentes: »Europäer, die als Heilmittel die Stärkung der Zivilgesellschaft empfehlen, bekommen gerade in Afrika meist eine ernüchternde Antwort: Wo Staaten zerfallen, ist die Zivilgesellschaft – wenn es Ansätze dazu gibt – nichts, was dem Staat entgegenzusetzen wäre, was ihn ersetzen könnte.« Eppler, S. 56.

Die Formel existiert seit Jahren wenn nicht seit Jahrhunderten. Bewußt wahrgenommen habe ich sie zum erstenmal anläßlich eines der halbjährlich stattfindenden Treffen der Außenminister des Europarates in einer Rede des deutschen Außenministers Klaus Kinkel, der damit die Zielsetzung dieser Organisation umschrieb: Ersetzung des Rechtes des Stärkeren durch die Stärke des Rechts.

Der deutsche Botschafter in Washington Jürgen Chroborg wird folgendermaßen zitiert: »›Nur starke Partner werden ernst genommen‹, wird er nicht müde seinen Besuchern aus Deutschland einzuhämmern. ›Erst hier in Amerika‹, setzt er hinzu, ›habe ich richtig verstanden, wie wichtig der europäische Integrationsprozeß ist. Es bleibt uns nichts übrig, wir müssen uns auf unsere eigene Kraft in Europa besinnen.‹ Und dann kommt wieder der Refrain: ›Nur starke Partner werden ernst genommen.‹« In »Die Zeit« vom 10. 2. 2000.

»Die Zeit« vom 31. 5. 2000.

Egon Bahr, Dresdener Rede vom 10. 3. 2002. Den Text mit dem Titel »Die Vergangenheit darf die Zukunft nicht behindern« hat der Autor dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Vgl. dazu auch Gunter Hofman in »Die Zeit« vom 27. 3. 2002.

»Die Zeit« vom 7. 2. 2002.

Auch außerhalb dieser Bereiche sind vielfältige Ansätze einer US-Amerikanisierung der europäischen Rechtskultur vorhanden. Zum Privatrecht führt beispielsweise Wolfgang Wiegand aus: »Will man verhindern, daß amerikanische Modelle die Konzepte europäischer |282|Rechtstradition und damit auch gesellschaftspolitische Lösungsansätze europäischer Kultur nach und nach verdrängen, ist eine Vereinheitlichung der Grundlagen des europäischen Privatrechts von allergrößter Bedeutung. Dies zum einen deshalb, weil damit eine unerläßliche Bedingung für das reibungslose Funktionieren des europäischen Binnenmarktes erfüllt werden könnte, dessen Effizienz den zukünftigen Einfluß Europas in den Weltmärkten maßgebend bestimmen und damit auch die geopolitische Positionierung das alten Kontinentes beeinflussen wird. Zum anderen ist wohl nur auf diese Weise ein den veränderten regionalen und globalen sozio-ökonomischen Gegebenheiten gerecht werdendes Rechtssystem auszubilden, das in der Lage ist, adäquate Lösungen anzubieten und sich damit im Rahmen der konzeptionellen globalen Konkurrenz zu behaupten.« Wiegand, S. 17.

So äußert sich zum Beispiel die Harvard-Professorin Mary Ann Glendon kritisch zur amerikanischen Tradition, aus politischen Forderungen Rechtsansprüche abzuleiten in »Rights Talk. The Impoverishment of Political Discourse«, New York 1991. Auch Ignatieff – ebenfalls Harvard-Professor – kritisiert die Sicht, daß Menschenrechte als Trumpfkarten in der politischen Auseinandersetzung betrachtet werden: Ignatieff, S. 46.

Kontinentaleuropäisch wird unterschieden zwischen dem öffentlichen Recht, welches die Dinge in der Tendenz »zwingend« regelt, während das Privatrecht jene Handlungen regelt, für die man sich frei entscheiden kann.

»Neue Zürcher Zeitung« vom 1. 2. 2002.

Unter dem Titel »Globalisierung – Notwendigkeit eines neuen ›ius gentium‹« greift Thürer die Frage nach der Einbindung multinationaler Gesellschaften in den internationalen Menschenrechtsschutz auf. In den »codes of conduct« für ethisches Verhalten der Wirtschaftsträger sieht er grundätzlich neue Entwicklungsmöglichkeiten, um dann aber folgendes festzuhalten: »Selbstregulierung des Unternehmensverhaltens und unverbindliche Verhaltensstandards, seien sie privater oder öffentlicher Natur, genügen auf die Dauer nicht, die dynamischen Abläufe einer globalisierten Wirtschaft in festen Bahnen zu halten.« Thürer 2000, S. 588.

Natürlich kann der Staat auch Opfer sein, zum Beispiel bei Vermögensdelikten, aber dann betrifft ihn das Delikt in gleicher Weise, wie es einen Privaten betreffen würde.

»Notstandsfest« sind das Recht auf Leben, das Verbot der Folter, der Sklaverei und Zwangsarbeit, das Rückwirkungsverbot strafrechtlicher Gesetze, das Verbot der Schuldhaft sowie die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.

|283|So bezeichnen Stahn/Eiffler das Völkerstrafrecht, S. 269.

Die Geschichte der Entstehung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist wiedergegeben bei Ignatieff, »Die Politik der Menschenrechte«.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beeinflußt vor allem die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Oft muß das Recht eines Staates in der Folge eines Urteils angepaßt werden, wohingegen sich die finanzielle Entschädigung der Beschwerdeführer manchmal eher symbolisch ausnimmt.

Stahn/Eiffler, S. 254 (Hervorhebung G. H.). Die Sicht, daß ein funktionierendes Staatswesen die beste Garantie für den Schutz der individuellen Menschenrechte ist, findet sich auch in USamerikanischen Publikationen, so bei Ignatieff, S. 48.

Die im Mittelalter noch übliche Unterscheidung zwischen gerechten und ungerechten Kriegen wurde damit überwunden und durch das Völkerrecht ersetzt. Tönnies führt dazu erläuternd aus: »Es liegt eine Ironie darin, daß im Zuge der Entwicklung, die zur generellen Kriegsächtung führte, nicht zunächst der ungerechte, sondern ausgerechnet der gerechte Krieg geächtet wurde. Dieser Hergang ist aber plausibel: Die historische Erfahrung hatte gezeigt, daß die moralische Betrachtung die Konflikte nicht verminderte, sondern im Gegenteil vermehrte. Insbesondere der moralische Appell an Neutrale, Partei zu ergreifen, hatte sich als eskalationsgefährlich erwiesen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem die religiös verpackte Moral so eine verhängnisvolle Rolle gespielt hatte, wollte man sich nicht mehr darüber hinwegtäuschen, daß die Frage von Krieg und Frieden in Wirklichkeit von der Staatsräson entschieden wird. In dieser Frage wurde deshalb die Einhaltung striktester Wertneutralität verabredet.« Tönnies, S. 831.

Die langsame Entwicklung des Souveränitätsbegriffes seit 1648 beschreibt Meister, S. 326ff.

Presseberichten zufolge seien bereits mehrere Al-Kaida-Mitglieder auf Wunsch der Vereinigten Staaten an »Länder übergeben worden, zu deren Geheimdiensten die CIA gute Verbindungen hat und in denen Folter erlaubt ist«. In »The Guardian« vom 12. 3. 2002, wiedergegeben in »Le Monde diplomatique«, deutschsprachige Ausgabe, Mai 2002, S. 3.

Unter dem Titel »Der hohe Preis der Moral« analysiert Kurt Imhof den Einzug der Moral in Politik und Wirtschaft. Er verwendet die Begriffe »Empörungskommunikation« sowie »Empörungsbewirtschaftung«, und er weist darauf hin, daß diese Entwicklung auch eine Folge der Deregulierung sei: »Neue Zürcher |284|Zeitung« vom 7. 6. 2002. Deregulierung bedeutet eine Abschwächung rechtlicher Ordnung. Für die Menschenrechte dürfte ein analoger Bezug ebenfalls gegeben sein: Remoralisierung geht auch hier Hand in Hand mit Deregulierung. Auf einen interessanten Aspekt weist Eppler im Zusammenhang mit dem Ausdruck »failed state« hin, der zur Bezeichnung zusammenbrechender Staatlichkeit üblich geworden ist: »Das englische ›fail‹ hat, wie sein deutsches Pendant ›fehlen‹ einen starken moralischen Beigeschmack. ›Ich habe vielfältig gefehlt‹ war noch im 19. Jahrhundert ein Sündenbekenntnis. ›Fail‹ kann mit ›scheitern‹ oder mit ›versagen‹ übersetzt werden. Beide Übersetzungen, die zweite mehr als die erste, enthalten eine moralische Komponente: Da ist jemand seinen Aufgaben nicht gerecht geworden. (…) Im ›failed state‹ steckt die ganze Geringschätzung des Staates und seiner Funktionen, die in den letzten Jahrzehnten Mode geworden ist.« Eppler, S. 83f. (Hervorhebung G. H.).

Preuß 2000, S. 136 (Hervorhebungen durch den Autor).

Vor einem »Menschenrechtsfundamentalismus« als Antwort auf einen Fundamentalismus, der sich in massiven Menschenrechtsverletzungen manifestiert, warnt Günther 1994, S. 142ff. Zum selben Begriff äußert sich auch Brunkhorst: »Während der Menschenrechtsfundamentalismus die demokratische Solidarität elitär und expertokratisch überragt, ist die Kultur der Menschenrechte mit der Demokratie auf gleicher Augenhöhe. Statt in einer anthropologisch verordneten Menschenwürde finden die Menschenrechte nur mehr im Verfahren ihrer demokratischen Positivierung eine Legitimationsbasis. (…) Deshalb bindet Kant 1795 den menschenrechtlichen Frieden an die Republik. Wer die Republik nicht will, so könnte man mit Kant sagen, wird den Frieden nicht bekommen.« Brunkhorst 1996, S. 259f.

Brunkhorst unterscheidet die beiden Einsatzformen auch dahingehend, daß der militärische Einsatz hard power auf soft law abstütze, während umgekehrt der polizeiliche Einsatz auf hard law basiere und soft power einsetze. Zu diesen Begriffen Brunkhorst 1996, S. 269.

Ein Beispiel dafür nennt Brunkhorst im Zusammenhang mit dem NATO-Einsatz gegen die Bundesrepublik Jugoslawien: »Wird internationales Notrecht mißbräuchlich in Anspruch genommen, kann ihm vielleicht im Fall der Bundesrepublik Deutschland durch Gerichtsbeschluß Nachachtung verschafft werden, kaum aber im Fall Chinas oder der USA. Deshalb war es ein Glücksfall, der dem entschlossenen Handeln einiger kontinentaleuropäischer Regierungen zu verdanken ist, daß die Militäraktion der |285|NATO durch eine nachträgliche Resolution des Sicherheitsrates vom 10. Juni zumindest indirekt legitimiert werden konnte. Ohne dieses Ergebnis, das durch eine Umfunktionierung der G 7-Wirtschaftsorganisation zu einer G 8-Organisation für Krisenmanagement politisch durchgesetzt wurde, ist zumindest eine irreparable Beschädigung des UN-Sicherheitssystems vermieden worden.« Brunkhorst 2000, S. 208.

»Neue Zürcher Zeitung« vom 19./20. 5 2001. Der Aufsatz von Imre Kertész findet sich unter dem Titel »Zeit der Entscheidung. Wird es auferstehen?! – Europa, von Osten aus betrachtet« in »Neue Zürcher Zeitung« vom 20./21. 1. 2001.

Diese Art der Einsicht wird auch als »Verfassungspatriotismus« bezeichnet. Eine Zusammenstellung verschiedener diesbezüglicher Konzepte findet sich bei Frankenberg, S. 146f.

Böckenförde 1976, S. 60.

Kants Gesammelte Schriften ab 1902, Akademie-Textausgabe, Berlin 1968, Kritik der praktischen Vernunft, Bd. V, S. 161. Biographische Hintergründe zu diesem Satz finden sich bei Carola Meier-Seethaler, S. 52ff.

Wenn hier von Europa die Rede ist, so muß der Vollständigkeit halber auch erwähnt werden, daß die Charta der UNO auf genau derselben Wertung basiert, daß nämlich das Universale den Vorrang hat vor dem Partikularen. Die sehr heikle und heute fast nicht mehr ansprechbare Frage, wie dieser Grundsatz während des Kalten Krieges zur Anwendung gelangte und warum er heute Gefahr läuft, in Vergessenheit zu geraten, erläutert Tönnies in ihrem Aufsatz »Weltfrieden und Völkerrecht«.

Vgl. das Zitat von Gellner, Anmerkung 132.

Das US-»State Department« ist nur für die Außenpolitik zuständig, im Außenverkehr bedient man sich der weltweiten Verkehrsform des traditionellen Nationalstaates.

Der Artikel in »Die Zeit« vom 15. 11. 2001 gibt die Rede wieder, welche Helmut Schmidt am 9. 11. 2001 in Lausanne gehalten hat, anläßlich der Verleihung einer Medaille durch die »Fondation Jean Monet pour l’Europe«, welche gleichzeitig an den früheren deutschen Bundeskanzler und den früheren französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing vergeben wurde.

Schutz des Lebens und der körperlichen Integrität beispielsweise gehören unzweifelhaft zum absoluten Kerngehalt. Umgekehrt nennt Otfried Höffe Situationen, in welchen die Berücksichtigung kultureller Traditionen zu anderen Beurteilungen führen können, als man sie im gesamten Westen vornehmen würde: »Dort, wo das Gemeinschaftsbewußtsein so stark wie in Afrika |286|ausgebildet ist, könnte ein Verstoß gegen die Menschenrechte sein, was im Westen als rechtsmoralisch legitim gilt, nämlich einen Straffälligen für viele Jahre hinter Gittern zu isolieren. Oder: Wo die Großfamilie heilig ist, verstößt gegen die Menschenrechte, wer Eltern im hohen Alter in ein Heim abschiebt. Ebenso wird dort der Gedanke der Menschenrechte verletzt, wo eine Kolonialregierung akephalen (›häuptlingslosen‹) Stämmen das Institut des Häuptlings aufzwingt.« Otfried Höffe: »Kein Geschenk, sondern Gabe. Identität im Verschiedenen – Menschenrechte im interkulturellen Diskurs« in »Frankfurter Rundschau« vom 1. 10. 1996 (Klammer durch den Autor gesetzt). Auf eine unterschiedliche kulturell-staatspolitische Gegebenheit Europas im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten wurde bereits im zweiten Kapitel hingewiesen: Freiheitsrechte, insbesondere die Religionsfreiheit finden ihre Grenze in Europa an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, eine Schranke, die in den Vereinigten Staaten wenn überhaupt, dann viel zurückhaltender gehandhabt wird.

Im Hinblick auf die europäische Einigung sagt Eppler im Sinne einer Schlußfolgerung seines Buches: »Wir brauchen sie dringend, und die übrige Welt auch. Wenn wir uns einmal an so etwas wie europäische Innenpolitik gewöhnt haben, wird uns Welt-Innenpolitik nicht mehr schwerfallen.« Eppler, S. 154. Vgl. auch Anmerkung 167.

»Erneuerung verspricht nur das Volk, verstanden als ursprüngliche und reine Kraft. (…) Das Volk ist nur als Einheit, sonst ist es nichts. Damit sind alle demokratischen Partizipationsrechte zugunsten eines imaginären ›wir‹ getilgt. Weil es als imaginäres aber nur ›von oben‹ geschaffen werden kann, dient es letztlich als Legitimationsgrundlage einer autoritären Regierung.« So Christian Schlüter in »Die Zeit« vom 5. 10. 2000 (Hervorhebung durch den Autor).

Den Begriff »Betriebsangehöriger« verwendet Thomas Assheuer in »Die Zeit« vom 4. 4. 2002.

Zum Begriff der »Rechtsperson« vgl. Anmerkung 70.

Richard Herzinger: »Der Haß zum Tode. Liberale Diskursgesellschaft und rechte Gewalt« in »Die Zeit« vom 10. 8. 2000. Der Hinweis auf die aggressive Verwerfung der Aufklärung ist ebenfalls diesem Artikel entnommen.

Müller, S. VIII.

In einem 1988 erschienenen Aufsatz beschreibt Blanke die religiösen Grundlagen des amerikanischen Sendungsbewußtseins über die Jahrhunderte hinweg. Unter Berufung auf Henry Kissinger geht er davon aus, daß sich diese Tendenz eher abschwächen |287|werde, so daß er das folgende Zitat aus einer eigenen Publikation als die Vergangenheit betreffend wiedergibt: » Die McCarthyisten begannen damals ihren moralischen Kreuzzug gegen den ›Weltkommunismus‹; sie bezichtigten die Sowjetunion einer weltweiten Verschwörung gegen die ›Kinder des Lichts‹. Unter der Einwirkung dieser Rhetorik mit ihren simplizistischen Gegensatzpaaren von Gut und Böse, Lüge und Wahrheit, Licht und Finsternis, Freiheit und Knechtschaft gewann die amerikanische Weltpolitik damals Züge eines für das ›Welttheater‹ geschriebenen Moralitätenstückes.« Der Autor konnte damals nicht wissen, daß er bereits die Zukunft beschrieb, wie sie schon bald wieder zu beobachten sein sollte: Blanke, S. 203.

Stüwe, S. 469.

Kodalle, S. 21(Hervorhebung durch den Autor).

In einem Ausblick auf das 21. Jahrhundert beurteilt Ulrich Schmid diese Situation folgendermaßen: »Daß die USA das kommende Jahrhundert noch einmal in dem Maße dominieren werden wird wie das zu Ende gehende, ist dennoch unwahrscheinlich. Länder wie China und Indien, eventuell sogar ein vereintes Europa und, etwas später, auch Rußland könnten das globale Kräfteverhältnis deutlich zu ihren Gunsten verschieben. Dies würde wohl dazu beitragen, daß Amerika den Rest der Welt wieder etwas bewußter wahrnehmen wird. Zu den erstaunlichsten Phänomenen des ausgehenden 20. Jahrhunderts gehört nämlich die Tatsache, daß inmitten von Globalisierung und Internationalismus, inmitten des Kults der computergesteuerten neuen ›Kommunikation‹ in Amerika die Abwendung von der Außenwelt das Leben bestimmt. Was Europa oder Asien tun oder denken, ist sekundär; was interessiert, ist Amerikanisches. Aus dieser kulturellen Introspektive werden die USA wohl erst wieder erwachen, wenn sich der Rest der Welt wieder etwas selbstbewußter zu Wort meldet.« In »Neue Zürcher Zeitung« vom 24./25. 7. 1999.

Das im zweiten Kapitel erwähnte »Statement of Interest« des Präsidenten der Vereinigten Staaten, in welchem dieser die Gerichte des Landes auffordert, anhängige Klagen gegen deutsche Unternehmen wegen Entschädigung von Zwangsarbeitern zu beenden und neue Klagen nicht mehr zuzulassen, weil dies »im Interesse der US-Außenpolitik« liege, ist vor diesem Hintergrund durchaus wirkungsvoll. Vgl. dazu auch Anmerkung 65.

Der Begriff »pragmatisch« wird meistens in positivem Bedeutungszusammenhang verwendet. In kritischem Bedeutungszusammenhang verwendet ihn der tschechische Präsident Václav Havel, der die beiden Begriffe »pragmatisch« und »moralisch« |288|gegenüberstellt, und zwar in einem Aufsatz über »Beneš und das ›tschechische Dilemma‹«: »Ich neigte immer und neige auch heute eher zu einer kritischen Meinung über seine (Beneš’) Entscheidungen in diesen schicksalhaften Momenten. Diese Entscheidungen hatten nämlich etwas Gemeinsames: der moralischen wurde die sogenannte pragmatische Lösung vorgezogen. Was mich heute jedoch viel mehr als die ständige Kritik an Beneš wegen seiner Kapitulation vor dem Bösen interessiert, ist der Ursprung dieses Übels, dessen Entwicklung und die gesellschaftlichen Mechanismen seines Tolerierens.« In »Neue Zürcher Zeitung« vom 19. 4. 2002.

Die Situation ist erwähnt im »Bericht an die Parlamentarische Versammlung des Europarates zur Aufnahme Bosnien-Herzegowinas«, welcher dem Beitritt im April 2002 voranging (Avis de la Commission des questions juridiques et des droits de l’homme vom 5. 12. 2001).

Stüwe, S. 465. Die Vereinigten Staaten sind so sehr eine Glaubenssache, daß sogar einer der wenigen in der Beurteilung des Folgegeschehens der Terroranschläge »dissidenten« US-Parlamentarier seine Kritik in der Form eines Gebetes formulierte: »Laßt uns beten, daß unser Land diesen Krieg beendet. Wir haben nie einem endlosen Krieg zugestimmt, nie einen Angriff gegen den Irak, Iran oder Nordkorea autorisiert oder die Bombardierung afghanischer Zivilisten beschlossen. Wir haben nie für eine permanente Kriegswirtschaft, für Militärtribunale, für die Einschränkung unserer Verfassung gestimmt. Laßt uns beten für ein Amerika ohne Massenvernichtungswaffen, das keine ›Achse des Bösen‹ jagt, keine internationalen Verträge bricht, sondern eine Achse der Hoffnung bildet.« In »The Nation« vom 1. 3. 2002, wiedergegeben in »Le Monde diplomatique«, deutschsprachige Ausgabe, Mai 2002, S. 3.

Bender, S. 896.

Schulze 1990, S. 57.