Anpassungsfähigkeit sichert das Überleben
Die begrenzte Nahrungsgrundlage in der Taiga schränkt die Anzahl der Tiere ein, die hier ein Auskommen finden. Auf 1 km2 Taiga leben nur einige wenige hundert Vögel. Besonders arm an Tieren sind die Lärchenwälder im Nordosten Asiens. Zu den häufigsten Säugetieren im Nadelwaldgürtel gehören Nagetiere wie Rötelmäuse oder Hörnchen, die von Pflanzen und deren Samen leben. An den zahlreich vorhandenen Tümpeln, Seen und Flüssen finden Wasser liebende Tiere wie Biber und Fischotter einen Lebensraum. Auch Stech- und Kriebelmücken sowie Gnitzen entwickeln sich in den Gewässern. Ebenfalls findet man viele Pelztiere wie Nerze, Zobel sowie Bisamratten, Füchse, Luchse, Braunbären oder den Sibirischen Tiger in der Taiga.
Inhalt
Den Winter überstehen: Tiefschlaf und andere Strategien
Der Elch: König der nordischen Wälder
Braunbären: flexible Allesfresser
Vielfraße: Einzelgänger mit großem Revier
Biber: Holzfäller, Baumeister und Landschaftsgestalter
Der Bartkauz: lautloser Jäger der Taiga
Der Sibirische Tiger: Herrscher der östlichen Taiga
Zobel: Räuber im seidenweichen Pelz
Blickpunkt: Wenn die Lachse Heimweh haben
Das Hermelin: Pelzträger mit weltweiter Verbreitung
Das Gewöhnliche Gleithörnchen: Leben in den Wipfeln
Der Burunduk: A- und B-Hörnchens Cousin
Die Polarrötelmaus: ein Leben im Untergrund
Die Schellente: unterwegs zwischen Taiga und Meer
Das Auerhuhn: Beerenkost im Sommer, harte Nadeln im Winter
Riesenseeadler: Charaktervogel Kamtschatkas
Der Sperlingskauz: ein draufgängerischer Zwerg
Der Kreuzschnabel: Nahrungsspezialist im Nadelwald
Die Tannenmeise: agiler Höhlenbrüter mit gutem Gedächtnis
Borkenkäfer und andere Nadelholzschädlinge
Die Tiere der nordamerikanischen Taiga
Waldbison: Wiederbelebung eines fast ausgestorbenen Säugetiers
Wapitis: Grasfresser zwischen Berg und Tal
Der Mink: seidenweiche Jagd unter Wasser und zu Lande
Nordamerikanischer Fischotter: ein eleganter Wassermarder
Nordamerikanischer Baumstachler (Urson): ein wehrhafter Einzelgänger
Das Tannenhuhn: genügsam und kältefest
Den Winter überstehen: Tiefschlaf und andere Strategien
In der Taiga wechseln mit den Jahreszeiten auf extreme Weise auch die Lebensbedingungen für ihre Bewohner. Diese müssen im ausgedehnten Winter sowohl monatelanger Eiseskälte als auch dem extremen Nahrungsmangel trotzen. Zahlreiche Säugetiere der Taiga legen sich deshalb zum Winter hin besonders dicke Pelze zu. Eine besonders wichtige Rolle spielt die Schneedecke, die nahezu den gesamten Winter über den Boden bis zu mehrere Meter hoch bedeckt. Für viele Tiere steht nun keine Nahrung mehr zur Verfügung. Viele Taigavögel ziehen daher im Herbst in den Süden, während sich einige an die kargen Nahrungsverhältnisse angepasst haben. Manche Tiere nutzen indessen sogar den Schnee als Isolationsschicht gegen die kalte Lufttemperatur und die eisigen Winde. So geht für kleinere Wirbeltiere unter der Schneedecke das Leben weiter. Andere Tiere wie Bären, Streifenhörnchen oder Wirbellose entgehen dem strengen Nordwinter, indem sie sich für mehrere Monate zur Winterruhe oder zum Winterschlaf an einen geschützten Ort zurückziehen.
Ihre Fähigkeit zu fliegen nutzen viele Vögel zu ausgedehnten Wanderungen, bei denen sie erstaunliche Leistungen vollbringen. Der regelmäßige Vogelzug gibt vielen Arten überhaupt erst die Möglichkeit, Lebensräume wie die Taiga zu besiedeln, die ihnen zeitweise kaum Nahrung bieten. Dementsprechend entzieht sich ein Großteil der Taigavögel dem langen Winter durch den Zug in den Süden. Ausgeprägte Zugvögel haben meist lange und spitze Flügel, die sich Energie sparend auf die Aerodynamik des Langstreckenfliegens auswirken. Die kräftigen Brustmuskeln, die Hauptflugmotoren, setzen sich überwiegend aus schnellen Muskelfasern mit hoher oxidativer Kapazität zusammen und sind daher besonders leistungsstark. Zuvor angefressene Fettdepots dienen als Energiereservoir auf der Flugreise. Sie werden durch spezielle Fettstoffwechselwege optimal ausgenutzt.
Zu den Vögeln, welche den harten Winterfrösten in der borealen Zone trotzen, gehören viele echte Baumbewohner wie die Kreuzschnäbel (Loxia spec.), Spechte wie der Dreizehenspecht (Picoides tridactylus) sowie die Hakengimpel (Pinicola enucleator) und die Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes). Sie sind in der Lage, die nahrhaften Samen aus den im Winter verfügbaren Koniferenzapfen herauszulösen. In schlechten Samenjahren der Fichten ziehen einige von ihnen wie der Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra) sehr weiträumig auf Nahrungssuche umher (sog. Mangelfluchten). Der zirkumpolar verbreitete Europäische Seidenschwanz (Bombycilla garrulus) ernährt sich überwiegend von Insekten und ist durch sein ausgedehntes Nomadisieren bis in die gemäßigten Breiten hinein bekannt. Die Raufußhühner (Tetraoninae) bleiben ebenfalls in der Taiga, weil sie hier hinreichend Knospen und Koniferennadeln finden, die ihnen als, wenn auch sehr karge, Winternahrung ausreichen.
Schneeschuhe und Schneemäntel
Für Säugetiere, die keinen Winterschlaf halten, stellt sich während der zahlreichen Schneemonate das Problem des Vorankommens. Um tiefes Einsinken in die Schneedecke und dadurch einen hohen Energieverbrauch zu vermeiden, haben schwere Tiere wie Elche oder Rentiere, aber auch kleinere wie Luchse und Moorschneehühner verbreiterte Füße entwickelt. Wie auf Schneeschuhen verteilen sie dadurch gleichmäßig ihr Körpergewicht. Gegen die Winterkälte isolieren sich die Säugetiere durch ein dickeres und längeres Fell sowie durch eine mächtige Schicht Unterhautfettgewebe. Bei den Schneeschuhhasen z. B. erhöht sich dadurch die Isolationswirkung um 27 %. Viele Tiere wie Schneehühner und Wölfe lassen sich sogar einschneien, um sich vor dem Erfrieren zu schützen. Die locker niederfallenden Schneeflocken schließen Luft in die sich bildende Schneedecke mit ein, die dann wie eine Isolationsschicht gegen die teilweise eisigen Temperaturen der Umgebungsluft wirkt. Und auch unter der Schneedecke geht das Leben weiter.
Leben unter der Schneedecke
Die winterlichen Schneefälle können in der Taiga so heftig ausfallen, dass eine teilweise mehrere Meter dicke Schneedecke den gesamten Waldboden bedeckt. Da zwischen den lockeren Flocken immer reichlich Luft eingelagert ist, wirkt diese Masse allerdings wie eine Wärmeisolationsschicht. Während an der Oberfläche Temperaturen von weniger als –25 °C herrschen, bleibt es im Luftraum unter einer 20 cm dicken Schneeschicht bei für kleinere Säugetiere »angenehmen« 0–3 °C. Wenn der Schnee frühzeitig fällt, verhindert er, dass der Boden dauerhaft gefriert. Tiere, die oberhalb der Schneedecke rasch erfrieren würden, haben unter der weißen Schutzschicht ihre ökologische Winternische gefunden. Vor allem Wühl- und Spitzmäuse sowie Lemminge sind den gesamten Taigawinter über in ihren selbst angelegten Tunneln im Schnee aktiv. Sie ernähren sich überwiegend von Pflanzenresten, die sie hier »frisch gekühlt« vorfinden.
Aas als Winterfutter
Was des einen Leid, gereicht dem anderen zum Vorteil. Ein wichtiges Nahrungsreservoir für die Räuber der Taiga stellen die verendeten Mitbewohner ihres Lebensraums dar. So ist der Vielfraß (Gulo gulo), der ohnehin kein sonderlich geschickter Jäger ist, speziell im Winter auf Aas angewiesen. Um genügend Nahrung zu finden, muss der große Marder allerdings weite Wanderungen unternehmen. Immerhin schützen ihn seine behaarten Pfoten vor einem allzu beschwerlichen Einsinken im Schnee.
Stoffwechsel auf Sparflamme
Andere Säugetiere entziehen sich der Nahrungsknappheit des Taigawinters durch Winterschlaf oder Winterruhe. Bei echten Winterschläfern werden verschiedene physiologische Parameter in teilweise dramatischer Form verändert. Zum einen ist ihre Körpertemperatur drastisch herabgesetzt und liegt vielfach nahe dem Gefrierpunkt bei Werten zwischen 0,2 °C und 5 °C. Bären halten beispielsweise eine Winterruhe. Da sie ihre Körpertemperatur während ihres Rückzugs im Winter nur um wenige Grade senken, zählen sie jedoch entgegen weitläufiger Meinung nicht zu den Winterschläfern. Bei diesen verringert sich nicht nur die Körpertemperatur, sondern der gesamte Stoffwechsel wird auf »Sparflamme« gesetzt, d. h., der komplette Energieumsatz ist drastisch vermindert. Dadurch reduziert sich auch der Sauerstoffbedarf des Winterschläfers: Die Atemfrequenz wird nicht nur geringer, sondern die Atemzüge auch unregelmäßiger. Zwischen den einzelnen Herzschlägen eines Winterschläfers kann eine halbe Minute vergehen.
Die Regulation der Körpertemperatur des Schläfers erfolgt über Regelkreise. Im Hypothalamus, dem für die Temperaturregulation verantwortlichen Gehirnabschnitt, wird beim Übergang in den Winterschlaf der Sollwert heruntergeschaltet. Wenn nun infolge des Absinkens der Umgebungstemperatur der Winterschläfer Gefahr läuft zu erfrieren, wacht das Tier bei einer für jede Art spezifischen Körpertemperatur auf. Entscheidend ist hierbei die Bluttemperatur im Hypothalamus.
Das Tier, z. B. ein Erdhörnchen, läuft dann entweder kurzzeitig umher, um sich durch Muskelarbeit aufzuwärmen, oder es fährt seinen Stoffwechselumsatz gleichsam passiv für kurze Zeit hoch.
Zwar ist der Stoffwechsel eines Winterschläfers reduziert, dennoch benötigt er zur Aufrechterhaltung seiner Lebensfunktionen verwertbare Energien. Als Energiereservoir dient den Tieren die im Sommer angefressene Speckschicht. Um aus dem Winterschlaf zu erwachen, muss schnell verfügbare Energie in Form von Wärme abgerufen werden. Hierzu dient das braune Fettgewebe, das auf Signale des Nervensystems hin über spezielle Stoffwechselwege rasch Wärme zur Verfügung stellen kann. Zusätzlich erzeugt das erwachende Tier durch Muskelzittern Verbrennungswärme.
Zu den echten Winterschläfern der borealen Nadelwälder gehören das amerikanische Waldmurmeltier (Marmota monax) und das Sibirische Streifenhörnchen oder Burunduk (Tamias sibiricus), im Gegensatz zum baumbewohnenden Eichhörnchen ein Erdbewohner.
Winterruhe statt Winterschlaf
Die meisten Raubtiere und wenige Nagetiere halten keinen Winterschlaf, sondern Winterruhe. Ihre Lebensweise ist zwar zurückgezogen und ihr Ruheschlaf ausgedehnter als im Sommer, aber ihre Körpertemperatur ist dabei nur um wenige Grade abgesenkt. Da ihre physiologischen Prozesse weitgehend normal ablaufen, können sie bei Störungen meist sogleich aufwachen. Ein in seiner Höhle gestörter Bär etwa kann sich augenblicklich verteidigen. Tiere, die Winterruhe halten, haben auch kein braunes Fettgewebe wie die Winterschläfer. Da die Winterruhe den Stoffwechsel jedoch nicht auf »Sparflamme« setzt, benötigen diese Tiere für den Winter deutlich größere Vorräte an Energie.
Einige speichern hierzu Brennstoffe im eigenen Körper in Form einer Speckschicht. Fette oder Lipide besitzen hinsichtlich der vom Stoffwechsel verwertbaren Energie eine höhere Dichte als etwa Kohlenhydrate. Deshalb fressen sich die meisten Tiere ein dickes Fettpolster an, um für die nahrungsknappen Zeiten während der Winterruhe genügend Brennstoff zur Verfügung zu haben. In speziellen Fettzellen werden die Speicherfette eingelagert. Diese liegen bei den meisten Säugetieren unter der Haut. Die Unterhautfettschicht kann mehrere Zentimeter dick werden. Andere Tiere legen ihre Nahrungsvorräte außerhalb des Körpers an, z. B. Nager wie das in Kanada beheimatete Nördliche Gleithörnchen (Glaucomys sabrinus) und das Eichhörnchen (Sciurus vulgaris). Sie kommen im Winter oft tagelang nicht zum Vorschein und verschlafen die unwirtliche Zeit in ihrem Nest. Zwischendurch sind sie aber immer wieder bei extremen Minustemperaturen im Freien zu beobachten. Dann suchen die Nager ihre Vorräte auf, die sie den Sommer über an unzähligen Plätzen, etwa in Astgabeln oder Löchern in der Baumrinde, versteckt haben.
Der Elch: König der nordischen Wälder
Elche (Alces alces) bewohnen den Waldgürtel der höheren Breiten, der sich um die gesamte Nordhalbkugel zieht. In Eurasien erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet von Norwegen bis zur Mongolei und in Nordamerika von Alaska bis Ostkanada. Reine Nadelwälder suchen sie nur auf, wenn dort ausreichend krautige Pflanzen oder auch Wasserpflanzen zur Verfügung stehen. Stattdessen bevorzugen sie eher Wälder mit reichlich eingestreuten Weichholzarten wie Weiden, Pappeln und Birken sowie Bruchlandschaften an Gewässern. Daher bilden die borealen Wälder mit ihrem Mosaik aus Bäumen, Wasserflächen und Sümpfen den idealen Lebensraum für diese größte aller Hirscharten mit dem charakteristischen Schaufelgeweih.
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Zintl
Elchkuh in der kanadischen Wildnis
Ausdauernde Läufer und Schwimmer
Elche streifen als Einzelgänger umher. Im federnden, kraftvollen Trab erreichen diese stattlichen Paarhufer Geschwindigkeiten von rd. 15 km/h. In der Regel sind sie auf der Suche nach Blättern, Knospen und jungen Trieben. Diese bilden neben den Wasser- und Sumpfpflanzen ihre Hauptnahrung. Ein erwachsener Elchbulle braucht 15 bis 30 kg Nahrung am Tag. Um die im Winter aufgezehrten Energie- und Fettreserven wieder aufzufüllen, nutzt er die kurze Wachstumsperiode in der Taiga. Im Winter muss er oft Pflanzennahrung mit den Hufen bis zu 40 cm tief aus dem Schnee ausgraben.
Elch Alces alces
Klasse Säugetiere
Ordnung Paarhufer
Familie Hirsche
Verbreitung Waldgürtel der höheren Breiten der Nordhalbkugel
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 240–310 cm
Standhöhe: 140–230 cm
Gewicht 200–800 kg
Nahrung Gräser, Wasserpflanzen, Zweige, Kräuter
Geschlechtsreife mit 16–17 Monaten
Tragzeit 224–243 Tage
Zahl der Jungen 1, selten Zwillinge
Höchstalter 16 Jahre, in Menschenobhut 27 Jahre
Eher Hitzestress als Kälteschock
Am wohlsten fühlen sich Elche bei Temperaturen zwischen –22 °C und 10 °C. Da sie als Kälteschutz ein dichtes und langhaariges Fell tragen, überschüssige Körpertemperatur jedoch nicht durch Schwitzen abgeben können, geraten die Tiere leicht in Hitzestress. Die Erhöhung der Körpertemperatur bewirkt eine gesteigerte Herzfrequenz und Kreislauftätigkeit, wodurch kostbare Energie verloren geht. Daher verbringen die Tiere ihre Ruhestunden oft im Wasser oder im Morast seichter Sümpfe, um sich Abkühlung zu verschaffen. Ihre weit spreizbaren Hufe und gut entwickelten Afterklauen sorgen dafür, dass die Tiere hierbei nicht zu tief einsinken.
Der größte Hirsch der Erde
Der mächtige Hirsch erreicht eine Schulterhöhe von bis zu 2,3 m. Die verschiedenen Unterarten variieren stark in der Körpergröße: Je weiter im Norden er lebt, desto massiger wird er. Der Elch hat nur wenige natürliche Feinde, vor denen er sich durch einen Trick schützt.
Ehe er sich zur Ruhe legt, geht er ein Stück gegen den Wind und kehrt dann in einem Halbkreis zu seinem Ruheplatz zurück. Verfolgen Jäger oder Raubtiere seine Spur, müssen sie sich ihm mit dem Wind nähern, so dass er frühzeitig ihre Witterung aufnehmen und fliehen kann. Denn auch wenn ein Elch mit Tritten lebensgefährlich verletzen kann, geht er solchen Auseinandersetzungen aus dem Weg. Elche verharren angesichts eines Feindes meist reglos. Sie bewegen sich so lautlos durch den Wald, dass so mancher selbst erfahrenen Jägern entkommt.
Der anpassungsfähige Wolf (Canis lupus) kam früher auf der gesamten Nordhalbkugel vor, in Nordamerika von der kanadischen Ellesmereinsel bis in die mexikanischen Berge, in Eurasien vom Nordpolarmeer bis nach England, Portugal, die Arabische Halbinsel und Japan. Verbreitungsbarrieren waren lediglich Wüsten und Regenwälder. In den letzten 300 Jahren musste er sich bis auf wenige verstreute Populationen in die abgeschiedenen Wälder und Einöden von Taiga und Tundra zurückziehen. In den Waldgebieten Kanadas und Sibiriens leben heute mit mehreren zehntausend Tieren die größten verbliebenen Wolfspopulationen. Würden sich durch den Klimawandel die borealen Wälder weiter in den Norden zurückziehen, wären diese Rückzugsmöglichkeiten des Wolfes in Gefahr.
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Wölfe in den rumänischen Karpaten
Ein Raubtier mit meist schlechtem Ruf
Kaum ein Tier wird in Mythen und Märchen zugleich so verehrt und gefürchtet wie der Wolf. So waren dem höchsten germanischen Gott Odin, dem universalen Vater der skandinavischen Mythologie, zwei Wölfe (Geri und Freki) heilig. Andererseits symbolisierte der Wolf in der Edda aber auch das Ende der Welt.
In der römischen Mythologie wiederum rettet eine Wölfin die ausgesetzten Zwillinge Romulus und Remus, die späteren Gründer Roms, durch Säugen vor dem Hungertod.
Wolf Canis lupus
Klasse Säugetiere
Ordnung Raubtiere
Familie Hundeartige
Verbreitung Nordhalbkugel
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 80–160 cm
Gewicht 15–80 kg
Nahrung große Huftiere und mittlere, aber auch kleine Säugetiere, Abfälle
Geschlechtsreife mit 2 Jahren
Tragzeit etwa 60 Tage
Zahl der Jungen 4–7
Höchstalter 10 Jahre, in Menschenobhut 20 Jahre
Wölfe leben sehr gesellig in Rudeln, die meist aus Mitgliedern einer einzigen Großfamilie mit Eltern, Tanten und Onkeln, Halbgeschwistern und Welpen besteht. Somit sind Zusammenhalt und Bindung innerhalb der Gruppe durch die verwandtschaftlichen Beziehungen genetisch fundiert und werden über das differenzierte Verhaltensrepertoire weiter gefestigt. Die Lebensweise im Rudel ermöglicht ihnen eine gemeinschaftliche Hetzjagd, so dass sie auch Beutetiere erlegen können, die wie Weißwedelhirsch oder gar Elch wesentlich größer sind als sie selbst.
Je nach Angebot an Beutetieren liegt die Größe eines Wolfsrudels meist zwischen fünf und zehn Tieren. Im Winter schließen sich auch kleinere Rudel zu größeren Gemeinschaften zusammen, was den Jagderfolg bei knapper werdender Beute erhöht. Die ausgedehnten Reviere der Jäger umfassen zwischen 50 km2 und über 1000 km2. Gegenüber anderen Wolfsrudeln wird das Territorium durch das Absetzen von Duftmarken aus Urin und Sekreten aus den Analdrüsen abgegrenzt. Auch das weithin hörbare Heulen dient der Revierabgrenzung.
Soziale Gruppe mit Sprache und Regeln
Das Wolfsrudel ist eine der am höchsten entwickelten sozial organisierten Lebensgemeinschaften im Tierreich. Vielfältige Zeichen und Gesten wie Lecken, Berühren mit der Schnauze oder mit der Pfote, Beschnüffeln oder körperliches Aneinanderdrängen stärken den Zusammenhalt unter den Mitgliedern eines Rudels.
Das Gruppenleben ist geprägt von einer strengen sozialen Rangordnung. Getrennt voneinander fechten die beiden Geschlechter in Kämpfen diese Dominanzhierarchie aus. Die ranghöchsten Tiere werden als Alpha-Männchen bzw. Alpha-Weibchen bezeichnet. Bei der Rangfestlegung zählen soziale Freundschaften zu hohen Rudelmitgliedern ebenso wie körperliche Stärke. Die meist im Herbst ermittelte Hierarchie bleibt während des nächsten halben Jahres, der Fortpflanzungszeit, bestehen. Auseinandersetzungen werden nach der Ranzzeit meist mithilfe von ritualisierten Gebärden aus dem ausgefeilten Repertoire an Körpersprache geregelt.
Begegnet ein Wolf einem Artgenossen in gebückter Demutshaltung und mit zwischen die Hinterbeine eingezogenem Schwanz, so drückt er damit aus, dass er den höheren Rang seines Gegenübers akzeptiert. Auch wenn ein Rudelmitglied mit angelegten Ohren und einer leicht gesenkten Rute die Lefze eines Höherrangigen leckt, drückt es seine akzeptierte Unterlegenheit aus.
Ranghohe Wölfe wiederum fletschen als Drohgebärde gegen aufmüpfige Tiere durch Hochziehen der Lefzen die Zähne. Als Demutsgeste legt sich ein unterlegener Wolf auf den Rücken und bietet damit dem Rudelführer seine empfindliche Kehle, d. h. sein Leben an.
Der einsame Wolf
Manchmal können Rivalenkämpfe auch eine solche Schärfe erreichen, dass dem unterlegenen Tier nur noch die Flucht bleibt, um das eigene Leben zu retten. Der Unterlegene zieht dann allein umher. Dann muss er bald einen Geschlechtspartner zur Gründung eines eigenen Rudels finden, will er auf lange Sicht überleben. Denn als Einzeltier hat er kaum Chancen auf Jagderfolg, auch wenn er sich gezwungenermaßen mit kleinerer Beute wie Schneehühnern, Lemmingen oder manchmal sogar Mäusen und Fröschen begnügt.
Bei der Jagd verlassen sich Wölfe zunächst auf ihre hervorragende Nase, dann auf ihre Pfoten, in erster Linie aber auf das gemeinsame Vorgehen. Ihr Geruchssinn ist so fein ausgebildet, dass Wölfe noch in mehr als 2,5 km Entfernung die Witterung eines potenziellen Beutetiers aufnehmen können. Ist ein solches ausgemacht, versammelt sich das Rudel und folgt auf den festgelegten Revierpfaden dem Jagdführer, meist dem Alpha-Männchen. Zunächst folgt die disziplinierte Jagdmeute im Gänsemarsch dem Leitwolf, der mit zunehmender Annäherung an die Beute seinen Gang beschleunigt.
Die weitere Jagdstrategie des Rudels hängt vom Verhaltensmuster der Beute und vom Terrain ab. So werden Einzeltiere manchmal stundenlang abwechselnd von verschiedenen Rudelmitgliedern gehetzt, bis die erschöpften Tiere aufgeben und angegriffen werden können. Wölfe sind ausgesprochene Langstreckenläufer. Mit ihrem federnden Gang können sie stundenlang ohne Unterbrechung laufen und erreichen dabei Durchschnittsgeschwindigkeiten von 8 km/h. Bei einem Verfolgungsspurt oder auf der Flucht können sie sogar kurzzeitig bis zu 60 km/h schnell werden. Dank ihrer langen Beine und relativ breiten Pfoten verfolgen sie ihre Beute selbst durch tiefen Schnee oder in sumpfigem Gelände. Manch erfolgreiche Jagd beruht auch auf einer List: Einige Wölfe stellen sich in den Wind, was die flüchtenden Opfer geradewegs auf die in einem Hinterhalt lauernden anderen Rudelmitglieder zutreibt.
Der Jagderfolg eines Wolfsrudels wird jedoch bei weitem überschätzt. Vor allem Huftiere wie Rehe und Hirsche sind meist schnell genug, um bei rechtzeitiger Flucht zu entkommen. Und ein ausgewachsener Elch oder Moschusochse kann einen Wolf mit Huftritten bzw. Gehörn lebensgefährlich verletzen. Letztlich führen nur rd. 10 % der Jagdaktionen zum Erfolg.
Der Wolf als natürlicher Wildregulator
Wölfe reißen überwiegend krankes und geschwächtes Wild. Aber auch bei unerfahrenen und schwächeren Jungtieren stehen ihre Chancen gut – sofern diese nicht von erwachsenen Tieren gegen die Angreifer verteidigt werden. So bilden Moschusochsen mit drohend gesenkten Hörnern einen schützenden Kreis um ihre wehrlosen Kälber, wenn sie von einem Wolfsrudel angegriffen werden. Die Wölfe versuchen nun mit Scheinangriffen die Paarhufer zu irritieren und auseinanderzutreiben. Ziel der Jagdgruppe ist es, ein schwaches Tier von der schützenden Herde abzutrennen, um es dann zu erlegen. Nur wenn das Rudel geschickt und ausdauernd genug ist, gelingt es, ein schwaches Beutetier zu separieren und zu erlegen.
Somit sind Wölfe wichtige natürliche Regulatoren der Bestände großer Pflanzenfresser. Denn mit ihrer Jagdstrategie sorgen sie dafür, dass nur die schnellsten und kräftigsten Tiere überleben und zur Fortpflanzung kommen.
Der sprichwörtliche »Wolfshunger« findet in der Natur tatsächlich seine Entsprechung: Ein Wolf kann an einem Tag 10–15 kg Fleisch verzehren. Bleibt die Beute aus, vermag er wiederum viele Tage, manchmal sogar einen Monat, ohne Nahrung auszukommen. Natürliche Feinde hat er nicht, wenngleich ein altes oder krankes Einzeltier auch einmal von einem Bären getötet werden kann.
Nachwuchs ist Chefsache
Gewöhnlich paaren sich Wölfe zwischen Dezember und Februar. Während der Ranzzeit nehmen die aggressiven Auseinandersetzungen im Rudel deutlich zu. Die beiden Alpha-Tiere versuchen, Paarungen anderer Gruppenmitglieder zu verhindern und ihre Führungsrolle zu behaupten. In der Regel überleben nur die Jungen der Alpha-Wölfin. Wenn überhaupt untergeordnete Wölfinnen begattet werden und Junge werfen, tötet die dominante Wölfin meist die fremden Welpen. Die dann kinderlosen Mütter verrichten bei den Stammhaltern des Rudels häufig Ammendienste. Diese grausam anmutende Fortpflanzungsregel sichert dem Rudel den stärksten und durchsetzungsfähigsten Nachwuchs. Auf diese Weise vermehren sich nur die kräftigsten und intelligentesten Wölfe und geben ihre Gene weiter.
Wenn es der Lebensraum zulässt, gräbt das Weibchen einen langen Tunnel, der in einer flachen Höhlung endet. Manchmal muss auch eine Vertiefung zwischen Felsen, Wurzeln oder Büschen als Behausung für den Nachwuchs ausreichen. Der Wurfkessel wird nicht ausgepolstert, was den Befall der Jungen mit Parasiten minimiert. Den Kot der Jungen frisst die Mutter auf.
Integration ins Rudel
Etwa 60 Tage nach der Befruchtung werden die meist vier bis sieben blinden und hilflosen Welpen geworfen. Sie wiegen etwa 400 g. Die Milch der Mutter ist sehr nährstoffreich, so dass die Welpen rasch heranwachsen. Nach zwei Wochen öffnen sich die Augen. In der darauf folgenden Woche trägt die Wölfin die Kleinen erstmals nach draußen. Wurden sie bis dahin ausschließlich gesäugt, erhalten sie nun zusätzlich hervorgewürgte Fleischbrocken. Bei der Versorgung der Jungen helfen vor allem ältere Jungtiere. Sie bringen nicht nur Futter und passen auf die Jungen auf, sondern dienen den Rudelnachkömmlingen auch als erste Spielgefährten und Übungsobjekte. Kommt die Mutter um, so übernehmen andere weibliche Rudelmitglieder ihre Aufgaben. Im Lauf der nächsten Tage und Wochen werden die Welpen allmählich in das Rudel integriert und erlernen und verfeinern das komplexe Verhaltensrepertoire ihrer Art. Die kleinen Wölfe lernen die Gerüche der einzelnen Rudelmitglieder zu unterscheiden und zu deuten und werden in die tradierten Revierpfade, das Ausmachen potenzieller Beute, die verschiedenen Jagdstrategien sowie in die Hierarchie des Rudels eingeweiht. Im Herbst ist der Nachwuchs dann annähernd ausgewachsen.
Braunbären: flexible Allesfresser
Braunbären (Ursus arctos) bewohnen heute die letzten großen zusammenhängenden Wälder von den arktischen Waldtundren über die Taiga bis hin zu den gemäßigten Zonen Europas, Asiens und Nordamerikas. Selbst in der baumlosen Tundra und in verschiedenen Gebirgsregionen kann man sie finden. Verbreitungsschwerpunkt ist jedoch der Laub- und Nadelwaldgürtel. Die größten Exemplare wiegen mit über 750 kg etwa 100 kg mehr als ein ausgewachsener Tiger. Dennoch können die nach dem Eisbären zweitgrößten Landraubtiere kurzzeitig Sprints mit 50km/h hinlegen.
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Typisch für Braunbären: der muskulöse Buckel über den Schultern, der den Vorderbeinen zusätzliche Kraft verleiht
Braunbär Ursus arctos
Klasse Säugetiere
Ordnung Raubtiere
Familie Bären
Verbreitung Eurasien, nördliches Nordamerika
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 200–300 cm
Standhöhe: 90–150 cm
Gewicht 70–800 kg
Nahrung Allesfresser
Geschlechtsreife Männchen mit 4, Weibchen mit 4–6 Jahren
Tragzeit 6–8 Wochen, inkl. Keimruhe 180–270 Tage
Zahl der Jungen 1–4, meist 2–3
Höchstalter 30 Jahre, in Menschenobhut bis 50 Jahre
Braunbär ist nicht gleich Braunbär
Einst durchstreifte der Braunbär weite Teile der gesamten Nordhalbkugel einschließlich vieler Gebiete in Europa und sogar Nordafrikas. Veränderungen der Umwelt, etwa durch Besiedlung, sowie die Verfolgung durch den Menschen führten dazu, dass er heute in Europa nur noch vereinzelt, im nördlichen Afrika überhaupt nicht mehr vorkommt. In den übrigen Gebieten haben sich die Braunbären durch geografische Isolation sowie Anpassung an spezielle Lebensräume unterschiedlich entwickelt. So gehen manche Biologen von nicht weniger als 30 Unterarten aus. »Den« Braunbären gibt es also eigentlich gar nicht.
Die größten Braunbärenbestände weisen heute Russland sowie Nordamerika aus: Sie werden auf jeweils 50 000 Tiere geschätzt. In Eurasien nimmt die Größe der Braunbären von Westen nach Osten immer mehr zu. Mit rd. 70 kg sind die letzten Braunbären der Alpen die kleinsten eurasischen Vertreter, die Kamtschatka-Bären (Ursus arctos beringianus) ganz im Osten die größten. Dazwischen liegen z. B. die skandinavischen Braunbären mit gut 250 kg, die der europäischen Unterart (Ursus arctos arctos) angehören. In Nordamerika ist der Braunbär durch den Grizzly (Ursus arctos horribilis) vertreten.
Variabler Speiseplan
Die besten Überlebenschancen haben die schwersten Individuen: Schwere, große Männchen finden leichter eine Fortpflanzungspartnerin – vor allem, weil sie Konkurrenten besser aus dem Feld schlagen können – und schwere Weibchen bringen mehr Junge durch.
Braunbären zeigen sich deshalb in ihrer Ernährungsweise sehr flexibel. Obwohl zu den Raubtieren (Carnivora) zählend, sind sie echte Allesfresser (Omnivoren) und nehmen zu sich, was sie in ihrem jeweiligen Lebensraum vorfinden: Fleisch (vom Hirsch bis zum Erdhörnchen), Fisch, Aas, selbst Insekten und deren Larven, aber auch allerlei verfügbare Pflanzenkost wie Beeren und andere Früchte, Wurzeln, Kräuter und sogar Gras. Außerdem plündern sie mit Vorliebe die Nester von Wildbienen aus und fressen die Waben. In manchen Gebieten sind Braunbären sogar reine Vegetarier. Als Anpassung an diese Ernährung sind ihre Backenzähne flachkronig ausgebildet und eignen sich somit gut zum Zermahlen faseriger Pflanzenkost.
Der wichtigste Sinn zum Auffinden ihrer Nahrung ist für die Braunbären der hervorragende Geruchssinn. Die Riechschleimhäute sind besonders gut ausgeprägt und lassen die Tiere Duftmoleküle schon in geringsten Mengen wahrnehmen.
Feinschmecker auf Lachsfang
An den Stromschnellen des McNeil River auf der Alaskahalbinsel stehen die Braunbären jedes Jahr zwischen Juli und August stundenlang auf Felsbrocken oder im eiskalten Wasser. Manchmal bis zu 60 Grizzlys – ansonsten Einzelgänger – versammeln sich hier zum gemeinsamen Festmahl. An exponierten Plätzen warten sie in Ruhe ab, bis sich die zu ihren Laichplätzen ziehenden Lachsschwärme durch Stromschnellen vorwärtskämpfen oder zu deren Überbrückung aus dem Wasser springen. Solche günstigen Fangplätze bescheren den Bären leichte Beute. Meist besetzen besonders kräftige, alte und erfahrene Grizzlys solche Vorzugsplätze. Überhaupt herrscht in diesem kurzzeitigen Schlaraffenland eine strikte Rangordnung. Schwächere und vor allem jüngere Bären müssen mit den weniger ergiebigen Fangplätzen vorliebnehmen. Ständig entbrennen mehr oder weniger heftige Kämpfe. Dennoch lässt sich immer wieder beobachten, dass ranghohe ältere Männchen Bärenmütter mit ihren Jungen nicht sogleich wieder vertreiben. Ob es sich um eine Art fürsorgliche Toleranz handelt, ist aber zweifelhaft. Die Bärenmütter genießen auch bei den kräftigen Männchen großen Respekt, weil sie ihre Jungen bis aufs Letzte verteidigen und leicht reizbar sind.
Da sich die wandernden Lachse leicht fangen lassen und sehr fettreich sind, haben sich diejenigen Braunbären, denen dieser kurzzeitige Nahrungsüberfluss zur Verfügung steht, zu den größten Exemplaren entwickelt. Auch im Norden der kanadischen Provinz British Columbia und in Kamtschatka finden sich solche für die Braunbären erreichbaren und für wenige Wochen im Sommer von Lachsen übersprudelnden Flüsse und Bäche. Auf dem Höhepunkt der Lachswanderung kommt es vor, dass die Bären, satt von so viel Überfluss, nur noch die Eier der gefangenen Lachse fressen.
Erst schlemmen, dann fasten
Nach dem Ende der Lachszeit sieht die Nahrung der Grizzlys auf der Alaskahalbinsel deutlich karger aus: Da es hier keine Hirsche oder Dickhornschafe gibt, bleibt ihnen nur Gras, ergänzt durch einige Beeren und Pflanzenwurzeln – welch ein Gegensatz zu dem etwa sechswöchigen Lachsschmaus. Jedes Jahr im Spätsommer veranstalten aber alle Braunbären wahre Fressorgien: In dieser Zeit verdoppeln oder verdreifachen sie ihr Gewicht, um anschließend mehrere Monate zu fasten. Dieses Verhalten ist eine überlebenswichtige Anpassung der Bären an den jahreszeitlich bedingten Klimawechsel. Die Bären hoher Breiten stopfen sich regelrecht mit möglichst kalorienreicher Nahrung voll. In speziellen Fettzellen unter der Haut wird das Speicherfett eingelagert, vorzugsweise an den Oberschenkeln und am Rumpf. Diese Unterhautfettschicht kann mehrere Zentimeter dick werden und dient als gutes Polster für den Winter.
Mit dem endgültigen Einbruch des Winters suchen die Braunbären eine Höhle auf – und die Fastenzeit beginnt. Entweder beziehen sie eine Felshöhle oder graben sich selbst einen Unterschlupf in einen geschützten Hang. In kalten Taigawintern kommt es nicht selten vor, dass sich die Bären über sechs Monate zurückziehen, in gemäßigterem Klima wenigstens für einige Wochen. In den Überwinterungshöhlen nehmen die Tiere keinerlei Nahrung mehr zu sich und zehren allein von ihren Fettreserven. Ihr gesamter Stoffwechsel ist gedrosselt und sie scheiden weder Kot noch Urin aus. Die Folge ist eine stete Gewichtsabnahme.
Mitten im Winter werden im Schutz der Höhle auch die Jungen geboren, meist im Dezember oder Januar. Das mag insofern verwundern, als Braunbären keine festen Brunftzeiten haben und sich etwa ab Mai bis weit in den Sommer hinein paaren. Bei Paarungen im Frühjahr kommt es dann allerdings zu einer Keimruhe, d. h., der Keim unterbricht seine Entwicklung und nistet sich erst gegen Ende des Sommers in der Gebärmutter ein. So ist gewährleistet, dass alle Jungtiere innerhalb einer kurzen Zeitspanne zur Welt kommen. Die Tragzeit kann dadurch allerdings zwischen sechs und neun Monaten variieren, wobei die eigentliche Entwicklung nur zwei bis drei Monate dauert.
Die Paarungszeit ist übrigens – sieht man einmal von den Ansammlungen beim Lachsfang ab – die einzige Zeit des Jahres, in der die Braunbären ihr Einzelgängerdasein aufgeben. Die Paarung selbst läuft ohne großartige Rituale ab und dauert kaum fünf Minuten. In den darauf folgenden Tagen kommt es noch zu wiederholten Paarungen, wodurch eine erfolgreiche Befruchtung gesichert wird. Dann aber trennen sich die Wege der Geschlechter wieder.
Die meist zwei oder drei Jungen sind bei der Geburt nur etwa rattengroß und blind. Für die nächsten zwei Jahre wird sich die Bärenmutter mit großer Hingabe um ihren Nachwuchs kümmern. Während dieser Zeit ist sie nicht paarungsbereit, was bedeutet, dass Bären nur etwa alle drei bis fünf Jahre Nachwuchs zur Welt bringen.
Fürsorgliche Mütter
In den ersten Wochen versorgen Bärenmütter ihre Jungen in ihrem Winterlager. Etwa vier Monate lang werden sie gesäugt. Die trotz der Fastenzeit der Mutter sehr nahrhafte Bärenmilch ist besonders reich an Fett und Protein. Sie allein ist die Gewähr dafür, dass aus den nur 400 g wiegenden, hilflosen Neugeborenen innerhalb weniger Monate kleine Bären heranwachsen, die nun auch die Höhle verlassen und beginnen, ihre nähere Umgebung zu erkunden. In den folgenden Monaten lernen sie von ihrer Mutter alles, was sie zu einem eigenständigen Leben und Überleben brauchen: Nahrungssuche, Jagen, Erkennen von Gefahren und Selbstverteidigung. Droht Gefahr, verteidigt sie ihren Nachwuchs, wenn es sein muss, mit Zähnen und Klauen. Junge Braunbären sind ausgesprochen neugierig und verspielt. Mit Vorliebe erklettern sie beim Fangenspielen geschickt selbst die höchsten Bäume, wobei ihnen ihre breiten Sohlen und kräftigen Krallen gute Dienste leisten.
Kritische Jugendzeit
Nach zwei Jahren ist die geschützte Kinderzeit für die kleinen Bären vorbei. Mit Drohungen und kräftigen Prankenschlägen vertreibt nun die Mutter wiederholt ihre zunächst völlig verdutzten Jungen. Hat sie es geschafft, sie endgültig zu verjagen, sind sie auf sich selbst gestellt. Häufig bleiben heranwachsende Geschwister noch eine Weile zusammen. Doch ohne die Anleitung und Unterstützung der erfahrenen Bärin haben es Bärenjunge nicht leicht, genügend Fressen zu finden. Noch dazu müssen sie sofort beginnen, ausreichend Speck als Energiereserve für den Winter anzulegen – was oft gar nicht leicht ist, werden doch die unerfahrenen Heranwachsenden häufig sehr energisch und erbarmungslos von älteren Artgenossen von guten Futterplätzen vertrieben.
Vielfraße: Einzelgänger mit großem Revier
Der Vielfraß gehört zur Familie der Marderartigen (Mustelidae). Er ist mit einer Länge von bis zu 1 m der größte Vertreter dieser Familie und in den polaren Regionen der Nordhalbkugel, in Skandinavien, Sibirien und Kanada zu Hause. Da Vielfraße außerhalb der Paarungszeit nicht mit Artgenossen zusammenleben und jedes Tier ein Revier einer durchschnittlichen Größe von 400–750 km2 bewohnt, sieht man sie in freier Wildbahn selten.
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Ein Vielfraß beim „Schneebad“
Der Name – ein Missverständnis
Die deutsche Bezeichnung Vielfraß wird diesem Raubtier mit dem dichten dunkelbraunen Pelz nicht gerecht. Noch heute meinen viele, dass dieser Räuber wirklich ein wahrer Vielfraß sei. Das stimmt nur bedingt. Natürlich frisst sich der Vielfraß, dessen wissenschaftlicher Name Gulo gulo lautet, wie alle Raubtiere satt, wenn er die Möglichkeit dazu bekommt, aber er nimmt deshalb nicht mehr Nahrung zu sich als andere Räuber.
Vielfraß Gulo gulo
Klasse Säugetiere
Ordnung Raubtiere
Familie Marder
Verbreitung höhere Breiten der Nordhalbkugel
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 70–100 cm
Gewicht 10–20 kg
Nahrung Nagetiere, Hasen-artige, Jungtiere von Ren und Elch, Aas, Vögel
Geschlechtsreife mit 2–3 Jahren
Tragzeit 7–9 Monate
Zahl der Jungen 2–3, selten 4
Höchstalter 10 Jahre, in Menschenobhut 18 Jahre
Man vermutet, dass die Bezeichnung Vielfraß eine Fehlübersetzung des norwegischen Worts Fjeldfross sein könnte, was so viel wie Felsenkater heißt. Dieser Name ist auch weitaus passender, lebt der Vielfraß doch vor allem im Fjell, also im felsigen Hochland. Ansonsten bevorzugt er als Lebensraum jedoch die borealen Nadelwälder, dringt aber auch – besonders im Winter – in die Tundra vor. Er hält sich in den Wäldern meist am Boden auf, obwohl er auch ein guter Kletterer ist. Unterschieden wird zwischen den Vielfraßen in Europa und Asien und den in Nordamerika lebenden Tieren. Allerdings handelt es sich dabei nicht um zwei Arten, sondern nur um Unterarten.
Vielfraße haben weitläufige Reviere, die sie mit Kot und Duftstoffen markieren. Die der männlichen Tiere sind zumeist deutlich größer als die der Weibchen: In Einzelfällen können sie sogar bis zu 2000 km2 umfassen und überlappen zumeist mit denen von drei bis vier weiblichen Vielfraßen. Weibchen mit Jungen besetzen in der Regel kleinere Reviere als solche ohne Nachwuchs. Zudem scheint die Reviergröße auch mit der Jahreszeit zu variieren. So sind erfahrungsgemäß die Bezirke dann größer, wenn die Nahrung knapp ist. Vermutlich ist die Reviergröße zudem abhängig von der Topographie der Region sowie von den Möglichkeiten, Höhlen anzulegen oder zu finden. Höhlen sind für Vielfraße, vor allem für die Geburt und Aufzucht der Jungen, von großer Bedeutung.
Nahrung: von Rentier bis Beeren
In erster Linie sind Vielfraße Fleischfresser. Im Sommer ernähren sie sich hauptsächlich von kleineren Nagetieren wie Mäusen oder Lemmingen, von Rentierkälbern und von Kadaverresten, die andere Raubtiere übrig gelassen haben. Im Winter gehören auch schon einmal im Tiefschnee nur langsam vorankommende erwachsene Rentiere oder seltener sogar ein Elch zu ihrer Beute. Bei solch großen Beutetieren verbeißen sich diese Marder mit ihrem kräftigen Gebiss so lange im Nacken, bis diese vor Schwäche zusammenbrechen. Dann zerteilen sie die Beute und bringen die Stücke in Verstecken am Boden oder auch in Bäumen in Sicherheit.
Warum ist ihnen im Winter das Jagdglück eher hold? Im Schnee sind sie mit ihren großen Pfoten, zwischen deren Zehen eine Haut gespannt ist, sehr beweglich, sie sacken kaum ein und pirschen sich leise an ihre Opfer heran. Im Sommer sind ihre Schritte wesentlich leichter zu hören, so dass Beutetiere rascher gewarnt sind. Falls sie im Sommer keine Beute machen können oder kein Aas finden, ernähren sich Vielfraße auch schon einmal von Beeren oder räumen die Nester bodenbrütender Vögel aus.
Verfolgt von den Menschen
In ganz Skandinavien gibt es mittlerweile lediglich noch etwa 500–700 Vielfraße. Rentier-, aber auch Schafzüchter jagen unerlaubt Vielfraße, da diese auch zahme Rentiere schlagen. Mittlerweile gibt es jedoch vielerorts Programme, die den Züchtern ihren Schaden ersetzen, um das selten gewordene Raubtier zu schützen.
Wie viele Tiere es in Nordamerika und Asien gibt, ist nicht genau bekannt, klar ist jedoch, dass sie dort auch seltener geworden sind. Neben der Jagd ist es die Einschränkung des natürlichen Lebensraums, die dem Vielfraß zu schaffen macht.
Biber: Holzfäller, Baumeister und Landschaftsgestalter
Großflächige Nagespuren an Bäumen sowie durch Dämme aus kunstvoll ineinander verschachtelten Baumstämmen und Ästen aufgestaute Bäche oder Flüsse sind ein sicheres Anzeichen, dass hier Biber am Werk waren. Diese größten Nager Europas standen Ende des 19. Jahrhunderts am Rande der Ausrottung, weil sie wegen ihres Fells und Fleisches stark gejagt wurden und außerdem ihr Lebensraum durch Rodungen immer mehr zurückging. Doch dank strenger Schutzmaßnahmen und Wiederansiedelungen sind sie in den Wäldern wieder heimisch geworden. Die Bestände haben sich sogar so weit stabilisiert, dass die Tiere in Nordamerika wieder eingeschränkt mit Fallen gejagt werden dürfen.
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Biber sind gute Schwimmer.
Beim Biber geht man von der Existenz zweier Arten aus: Der Eurasische Biber (Castor fiber) lebt in den Weichholzbeständen entlang von Flüssen der Nadelwaldzone von Skandinavien bis nach Ostsibirien, aber auch in Wäldern der gemäßigten Breiten Ost- und Mitteleuropas und den Steppenzonen der Nordmongolei. Den Nordamerikanischen Biber (Castor canadensis) trifft man an Gewässern in den Wäldern von Alaska bis in den Norden Mexikos an.
Wichtigstes Werkzeug der Biber sind ihre auffallend großen, etwa 35 mm langen und über 5 mm breiten Nagezähne. Diese sind nur an der Außenseite von einer harten orange-gelben Schmelzschicht überzogen. Dadurch nutzt sich die weichere Innenseite beim Nagen stärker ab, und die Schneidekante wird sozusagen durch die Nagetätigkeit immer wieder geschärft. Aufgrund der offenen Wurzeln weisen die Nagezähne Dauerwachstum auf. Mithilfe ihrer kräftigen Kiefer können Biber mühelos selbst größere Bäume fällen.
Baumeister der Burgen
Ihren Bau legen Biber am liebsten in Erdwällen am Ufer an. Ist dies nur eingeschränkt oder gar nicht möglich, verstärken sie den Bau mit Ästen und Zweigen oder bauen aus diesem Material eine völlig frei im Wasser stehende Behausung, die Biberburg. Die Eingänge liegen immer unter Wasser, so dass potenziellen Feinden wie Wölfen oder Bären kein Zugang möglich ist, obwohl der Wohnkessel über der Wasserlinie liegt.
Vom Eingang führt eine Röhre zur Wohnhöhle, die einen Durchmesser von bis zu 2,5 m haben kann. Der Boden des Wohnkessels wird mit Holzspänen, Gras und Moos ausgepolstert. Egal ob Sommer oder Winter: Im gut isolierten Wohnkessel kann es die Biberfamilie sowohl bei Hitze als auch bei Temperaturen von unter –15 °C gut aushalten. Der Bau kühlt selbst bei Frost nur auf etwa –2 °C bis +3 °C ab. Für gute Luft im Kessel sorgt eine von der Decke ziemlich senkrecht nach oben steigende, schmale Belüftungsröhre.
Kunstlandschaften
Damit der Eingang zum Bau geschützt bleibt, muss der Wasserspiegel immer hoch genug sein – am besten 50–100 cm. Um dies zu gewährleisten, greifen die nachtaktiven Biber selbst regulierend ein, indem sie Dämme bauen und ihren Wohnfluss stauen. Dazu gehen sie an Land und nagen die Stämme von Weichholzbäumen wie Pappeln und Weiden so lange sanduhrartig an, bis diese an der dünnsten Stelle brechen. So fällen die bis zu 30 kg schweren Säuger Bäume mit einem Durchmesser von 1 m. Dann schleppen sie Stämme, Äste und Pflanzenmaterial ins Wasser, schichten sie geschickt zu einem Damm auf und verkleistern das Gerüst mit Lehm. Eine solche Staumauer ist häufig ca. 1,5 m hoch und zwischen 5 m und 50 m lang. Hinter dem Damm staut sich ein Teich. Hier können Wasserpflanzen wachsen, die der Biber neben Rinde und Zweigen gerne als Nahrung annimmt.
Weil die Nager am matschigen Ufer auf den immer wieder gleichen Pfaden die Äste ins Wasser zerren und wieder an Land gehen, entstehen zunächst Gräben, die sich mit Wasser füllen, dann kleine Kanäle. Die nutzen sie ähnlich wie menschliche Holzfäller Flüsse: Sie lassen darin Äste und kleine Stämme zu ihrer Burg oder zum Damm treiben. Außerdem erreichen die Baumeister durch die neuen Wasserwege ihre Nahrungsplätze schwimmend viel schneller als zu Fuß. Besonders wenn mehrere Biberfamilien in einem Gebiet leben, bauen sie oft noch weitere Dämme, hinter denen sich wiederum Teiche bilden. So vergrößern und verändern die großen Nager ihren Lebensraum stetig.
Verlassen die Biber ihr Revier, weil es nicht mehr genug Nahrung bietet, verlanden die Teiche nach einiger Zeit. Denn die Staumauer wird nun nicht mehr von ihren Erbauern gepflegt und repariert. Es entstehen immer mehr und immer größere Löcher, durch die das Wasser abfließt und Erde sowie lockere Äste mit sich führt. Wie Zoologen herausfanden, bringt das Geräusch, das beim Fließen von Wasser durch solche Löcher entsteht, die Biber dazu, ihren Damm wieder auszubessern. Irgendwann hat der Fluss den verlassenen Biberdamm schließlich völlig weggewaschen.
Noch größer als der Biber: das Capybara
Der Biber wird in der Familie der Nagetiere an Größe und Gewicht nur noch von einer Art übertroffen, dem südamerikanischen Wasserschwein oder Capybara (Hydrochaeris hydrochaeris). Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 100–130 cm überragt es den Biber um etwa ein Drittel, aber in punkto Gewicht erreicht es leicht das Doppelte: 50–70 kg.
Lebensraum Wasser
Biber entfernen sich nie weiter als etwa 50 m vom Wasser, denn an Land sind sie mit ihren kurzen Beinen wesentlich unbeholfener und deshalb stärker gefährdet. Dagegen können sie hervorragend schwimmen und tauchen. Da Ohren, Augen und Nase hoch am Kopf in einer Linie liegen, nimmt der Biber beim Schwimmen seine Umwelt wahr, ohne den ganzen Kopf aus dem Wasser recken zu müssen. Der massige Körper bleibt dabei unter Wasser, so dass der Nager seinen Feinden nicht so schnell auffällt. Ihre Ohren sowie ihre Nasenlöcher können Biber verschließen und eine durchsichtige Nickhaut schützt das Auge unter Wasser, ohne die Sicht zu beeinträchtigen. Während sie ihre Vorderpfoten durch den gegenüberstellbaren Daumen wie Hände geschickt zum Greifen benutzen können, dienen die Hinterpfoten als Paddel zum Schwimmen. Das sehr dichte Fell der Biber – es ist schwarzbraun bei der eurasischen und rötlicher bei der kanadischen Art – bietet eine hervorragende Wärmeisolierung in den kühlen Gewässern. Dafür sorgen nicht weniger als rd. 23 000 Haare pro cm2 auf der Bauchseite. Zusätzlich wasserabweisend wird es durch das Einölen mit einem Sekret der Analdrüsen, dem sog. Bibergeil.
Für weiteren Antrieb im Wasser sorgt der flach abgeplattete, etwa 15 cm breite und beschuppte Schwanz. Er dient auch als Stütze beim Nagen an Bäumen und sogar zur Kommunikation. Bei Gefahr warnen sich die Tiere, indem sie mit dem Schwanz auf die Wasseroberfläche klatschen.
Biber Castor fiber
Klasse Säugetiere
Ordnung Nagetiere
Familie Biber
Verbreitung Eurasien und Nordamerika
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 80–110 cm, Schwanzlänge: über 30 cm
Gewicht 17–31 kg
Nahrung Wasser- und Uferpflanzen, Rinde
Geschlechtsreife mit 3 Jahren
Tragzeit 15 Wochen
Zahl der Jungen 1–5, meist 3
Höchstalter über 30 Jahre
Schwere Kost
Biber leben in Familiengruppen. Mit drei Jahren sind die Tiere geschlechtsreif und suchen sich zu Jahresbeginn einen Partner, mit dem sie für den Rest ihres Lebens monogam zusammenbleiben. 15 Wochen nach der Begattung, die natürlich auch im Wasser stattfindet, bringt das Weibchen durchschnittlich drei Junge zur Welt. Sie hatten während der Schwangerschaft genug Zeit, sich zu entwickeln, und kommen nicht nackt und blind wie viele andere Nagetiere auf die Welt, sondern mit offenen Augen und Körperbehaarung. Die Biberbabys wiegen bereits zwischen einem und anderthalb Pfund.
Obwohl die Kleinen schon nach zwei Wochen beginnen, Pflanzen zu fressen, ist das endgültige Abstillen nach knapp drei Monaten die kritischste Phase in einem Biberleben: Viele Jungtiere überleben die komplette Umstellung auf reine Pflanzennahrung nicht. Diese enthält nicht nur große Mengen schlecht verwertbarer Cellulose, sondern auch noch verschiedene Schutzstoffe, wie etwa die Salicylsäure in der Rinde von Weiden. Behilflich bei der Verwertung der Cellulose und der Entgiftung der Schutzstoffe sind den Bibern spezielle Mikroorganismen, die vor allem in den auffallend großen Blinddärmen leben. Nur mit ihrer Hilfe können die Nager auch aus Rinde und Holz Energie zum Leben gewinnen. Dazu müssen sie allerdings täglich ein Fünftel ihres Körpergewichts an Grünzeug zu sich nehmen. Während sie sich im Sommer an zarterem Grün wie Wasserpflanzen und jungen Trieben von Büschen und Bäumen laben können, bleibt ihnen im Winter nichts anderes übrig, als sich mit Rinde und Ästen zu begnügen. Haben die kleinen Biber die Nahrungsumstellung hinter sich, bleiben sie noch zwei Jahre bei den Eltern. Diese ziehen in dieser Phase weiterhin in jedem Frühjahr einen Wurf Biberbabys groß und werden nun von den Erstgeborenen bei der Aufzucht der nächsten beiden Generationen unterstützt. In dieser Zeit lernt der ältere Bibernachwuchs von den Alttieren das Bäumefällen und Dämmebauen und alles andere Lebensnotwendige. Mit drei Jahren haben die jungen Biber die Geschlechtsreife erreicht und verlassen den Heimatbau, um eine Familie zu gründen.
Dezimierung und Schutz
Die Nachfrage nach Bibergeil und Biberpelzen sowie die Lebensraumzerstörung führten dazu, dass die Biber zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und Nordamerika so gut wie ausgerottet waren und sich nur noch in kleinen Restpopulationen halten konnten. Ausgehend von diesen haben sie sich mittlerweile durch strenge Schutzmaßnahmen in vielen Gegenden wieder erholt. Zudem wurden sie in anderen Gebieten, in denen sie ehemals vertreten waren, wieder angesiedelt, vermehren sich dort gut und erobern viele ihrer einstigen Lebensräume zurück. Zum Leidwesen von Artenschützern wurden aber manche der Wiederansiedelungsmaßnahmen mangels Eurasischer Biber mit ihren nordamerikanischen Vettern durchgeführt. 1997 betrug der Biberbestand in Finnland wieder 10 000 Tiere – von denen allerdings 90 % der nordamerikanischen Art angehörten. Daher kommt es vielfach zu einer Vermischung der beiden Arten, die letztlich zu einer unerwünschten Reduktion der genetischen Vielfalt führt.
Der Bartkauz: lautloser Jäger der Taiga
Der Bartkauz (Strix nebulosa) ist ein Charaktervogel der weitläufigen Nadel- und Birkenwälder der eurasischen und nordamerikanischen Taiga. Er ist überall anzutreffen, wo ihm ausreichend Freiflächen wie Lichtungen oder Moore Gelegenheit zur Mäusejagd geben.
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Bewegungslos lauert der Bartkauz auf Beute.
Gewölle
Viele Vögel würgen die harten und unverdaulichen Reste ihrer Nahrung wieder hervor. Am bekanntesten sind die Gewölle der Eulen. Eulen schlingen ihre Beute in der Regel ganz oder in großen Stücken herunter. Da ihre nicht übermäßig aggressive Verdauungsflüssigkeit die harten und nur schwer verdaulichen Bestandteile ihrer Opfer wie Knochen, Fell, Federn oder auch die Chitinpanzer von Insekten nicht auflösen kann, müssen diese wieder aus dem Verdauungstrakt entfernt werden. Die Eulen würgen diese nicht verwertbaren Überreste als fest zusammengepresste Speiballen wieder hervor, meist in der Nähe ihrer Schlaf- oder Brutplätze. Feine Knöchelchen oder sogar vollständige Säugetier- oder Vogelschädel können darin enthalten sein.
Auffallend groß ist sein Kopf, seine leuchtend gelben Augen hingegen sind vergleichsweise klein. Der sie umgebende eulentypische Gesichtsschleier tritt durch seine schmalen konzentrischen Ringe besonders auffällig hervor. Diesem Federkranz kommt beim Erhören der Beutetiere eine besondere Bedeutung zu. Er bündelt ankommende Schallwellen und leitet diese an das hervorragend entwickelte Gehör weiter. Der Gesichtsschleier ist mit Bewegungen der Ohrklappen verbunden, die ihrerseits wie kleine, bewegliche Schalltrichter funktionieren. Auf diese Weise kann der Bartkauz selbst das leiseste Rascheln hören und die genaue Richtung der Geräuschquelle orten – auch unter lockerem Schnee kann er eine Maus ausmachen. Damit ist er hervorragend an seine Hauptjagdzeit in der Abend- und Morgendämmerung angepasst.
… und Sehen
Der Bartkauz kann seinen Kopf extrem weit um seine Körperachse drehen, bis zu 270 °. Trotz ihrer unbeweglichen Augen haben die Ansitzjäger beim aufrechten Sitzen auf ihren Warten dadurch eine große Rundumsicht. Im Gegensatz zu anderen Vögeln sind die Augen der Eulen nach vorn gerichtet, wodurch ein sehr enges Gesichtsfeld entsteht. Die extreme Überlappung der beiden Sehfelder verschafft dem häufig auch bei Tag jagenden Bartkauz allerdings eine ausgezeichnete Tiefenschärfe beim Erspähen seiner Beute. Außerdem ermöglicht sie dem geschickten Flieger zwischen den zahllosen Bäumen eine hervorragende räumliche Wahrnehmung und Orientierung.
Auf leisen Schwingen
Das Gefieder des Bartkauzes ist auf einen nahezu lautlosen Flug spezialisiert. Die erste Handschwinge ist mit einem gezähnten Federrand versehen, der die durch den Flügelschlag erzeugten Luftdruck- oder Schallwellen bricht. So kann er meist unbemerkt herabfliegen. Mit den scharfen, gekrümmten Krallen ergreift er seine Beute. Etwa drei bis sieben Wühlmäuse nimmt ein Bartkauz jeden Tag zu sich. Nur in Notzeiten werden auch Insekten genommen.
Bartkauz Strix nebulosa
Klasse Vögel
Ordnung Eulenvögel
Familie Eulen
Verbreitung Nadel- und Birkenwälder in Eurasien und Nordamerika
Maße Länge: 70 cm; Spannweite 135–155 cm
Gewicht Männchen: 900 g, Weibchen: 1200 g
Nahrung hauptsächlich Wühlmäuse, auch andere kleine Säugetiere, selten kleine Vögel
Zahl der Eier 1–7
Brutdauer 28–30 Tage
Höchstalter in Menschenobhut 27 Jahre
In fremden Nestern
Gewöhnlich bezieht der Bartkauz verlassene Nester anderer Vögel. Nur wenn keine fertigen Nester zur Verfügung stehen, richtet sich die Eule selbst auf einem Baumstumpf ein. Der Bartkauz führt eine Saisonehe. Die Balz findet im Frühjahr statt. Anfang Mai bis Mitte Juni legt das Weibchen seine Eier. Die Anzahl der gelegten Eier richtet sich nach dem aktuellen Nahrungsangebot: Meist sind es drei bis sechs. Ausschließlich das Weibchen bebrütet das Gelege. Nach etwa 30 Tagen schlüpfen die Jungen. Sie sind zunächst blind und vollständig von einem schütteren ersten Federkleid bedeckt. Die erste Zeit bringt das Männchen die Beute für die Jungen, die vom Weibchen gefüttert werden. Erst ab etwa der dritten Woche unterstützt es seinen Partner dabei, die hungrigen Schnäbel zu stopfen.
Während viele Tiere der Taiga zirkumboreal, also im Nadelwaldgürtel der Alten wie auch der Neuen Welt, verbreitet sind, beschränken sich andere auf eines der beiden Gebiete. So finden wir z. B. unter den marderartigen Raubtieren Vielfraß und Hermelin auf beiden Kontinenten. Ein ausschließlich im eurasischen Teil der borealen Nadelwälder vorkommender Vertreter ist der Zobel (Martes zibellina); das Feuerwiesel (Mustela sibirica) bewohnt nur Wälder im östlichen Teil des asiatischen Kontinents. Ähnlich sieht es bei größeren Raubtieren aus. Wolf und Braunbär sind mit verschiedenen Unterarten zirkumboreal anzutreffen, wohingegen vom Tiger die sibirische Unterart (Panthera oder Neofelis tigris altaica) nur in einigen Waldgebieten im äußersten Ostasien Zuflucht findet. Ebenfalls in der östlichen Taiga Asiens streift das Moschustier (Moschus moschiferus) durchs Unterholz. Die meisten Vögel der Taiga sind in ihrer Lebensweise eng an Bäume gebunden wie Spechte oder Kleiber.
Spezialisierte Insekten und Vögel
Den meisten Insekten der Nadelwälder dienen Nadeln und Holz der Bäume als Nahrungsgrundlage, manchmal sind sie sogar auf ganz bestimmte Pflanzenteile spezialisiert. Von den im absterbenden Holz der Bäume lebenden Kerbtieren werden vor allem Spechte angelockt: neben einem der Charaktervögel der Taiga, dem Dreizehenspecht (Picoides tridactylus), auch der Schwarzspecht (Dryocopus martius), der Große Buntspecht (Dendrocopos major) und im Süden der Kleinspecht (Dendrocopos minor). Birkhuhn (Lyrurus tetrix) und Auerhuhn (Tetrao urogallus) sind in den südlicheren Nadelwäldern der eurasischen Taiga zu finden. Im Winter ernähren sich diese Raufußhühner ausschließlich von Nadelblättern. Auf das Aufbrechen von Zapfen haben sich die Kreuzschnäbel mit ihren charakteristischen gekreuzten Schnäbeln spezialisiert.
Viele Eulen sind ebenfalls eng an die Wälder gebunden, und auch unter ihnen gibt es auf bestimmte Nahrung spezialisierte Formen. So bilden Fische die Hauptbeute des fast adlergroßen Mandschurischen oder Riesenfischuhus (Ketupa blakistoni). Seine Zehen sind, für Eulen untypisch, nicht befiedert – eine Anpassung an sein feuchtes Jagdrevier. Er fängt aber auch andere Wirbeltiere und größere Insekten, meist vom Boden. Der Fischuhu bewohnt die ostasiatische Taiga von Stanowoj-Gebirge bis zur Mandschurei und ist auch im Norden Japans heimisch.
Mäuse und andere Nager
Zahlreich vertreten in der eurasischen Taiga sind sowohl Nagetiere wie Hörnchen: das auch in Mischwäldern und Parks weit verbreitete Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), das Sibirische Streifenhörnchen oder Burunduk (Eutamias sibiricus) oder das Gewöhnliche Gleithörnchen (Pteromys volans). Zu den häufigsten hier lebenden Nagern zählt die Graurötelmaus (Clethrionomys rufocanus). Mit ihren nahezu wurzellosen Backenzähnen ist sie an die harte Pflanzenkost aus Gräsern und Moosen bestens angepasst. Ihr Hauptfeind ist die zirkumpolar verbreitete Sperbereule (Surnia ulula).
Die Nähe der reichlich vorhandenen Gewässer bevorzugt die Ostschermaus (Arvicola terrestris), eine etwa rattengroße Wühlmaus, die auch unter dem volkstümlichen Namen »Wasserratte« bekannt ist. Sie kann ausgezeichnet schwimmen und tauchen und nimmt vor allem Schilf, Rohrkolben und Binsen, aber auch viele andere Wasserpflanzen zu sich. Zusätzlich ernährt sie sich – naheliegend für einen Nager, der weit verzweigte unterirdische Gangsysteme baut – von unterirdischen Pflanzenteilen. Ebenfalls an Wasser gebunden ist die Wasserspitzmaus (Neomys fodiens), die, wie Igel und Maulwurf zur Verwandtschaft der Insektenfresser (Insectivora) gehört. Die Spitzmaus legt sich sogar Nahrungsvorräte in Form von verletzten und nicht mehr zur Flucht fähigen Beutetieren, wie z. B. Regenwürmern, an.
Der Sibirische Tiger: Herrscher der östlichen Taiga
Ein Tiger im Schnee, dazu noch der größte seiner Art: Wie der Löwe in der Savanne ist der Sibirische Tiger (Panthera oder Neofelis tigris altaica) in der fernöstlichen Taiga der »Herrscher der Wildnis«. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt heute in einem etwa 650 000 km2 großen Waldgebiet im Einzugsbereich der beiden Flüsse Amur und Ussuri. Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von bis zu 2,9 m, die sich mit Schwanz auf 3,9 m Gesamtlänge aufaddiert, sowie einer Schulterhöhe bis zu 1,1 m und bis zu 320 kg sind die Männchen dieser Tigerunterart die größten Raubkatzen.
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Auch im Schnee ist der Sibirische Tiger ein gefährlicher Jäger.
Von der Taiga in die Apotheke
Wurde der Sibirische Tiger früher in erster Linie wegen seines kostbaren Pelzes verfolgt, wird er heute – wie seine übrigen Artgenossen – größtenteils für die Arzneimittelschränke traditioneller chinesischer Apotheken gewildert. In China, Taiwan und Korea werden horrende Summen für Tigerknochen gezahlt. Diese werden getrocknet und pulverisiert und zu einer angeblich vielseitig stärkenden, als »Tigerwein« bekannten Volksmedizin verarbeitet. Sie wird gegen Erkrankungen wie Rheuma oder allgemeine Immunschwäche eingesetzt. Höchstpreise erzielt allerdings der Penis der Raubkatze. Auch dieses Körperteil wird getrocknet und zu einem traditionellen Arzneimittel verarbeitet. Heilmittel aus Tigerpenis sollen sexuell stimulierend sein.
Im Lebensraum des Sibirischen Tigers, den ausgedehnten Taigawäldern im äußersten Osten Russlands, sinkt das Thermometer im Winter gewöhnlich auf –20 °C, manchmal sogar auf –40 °C. Als Schutz gegen die extreme Kälte entwickelt diese Unterart des Tigers im Winter ein sehr dichtes Fell aus längeren Haaren.
Nicht selten behindert eine Schneedecke von einem halben Meter Dicke den Sibirischen Tiger auf der Beutejagd, doch erleichtern ihm feste Wegenetze in seinem Revier das Vorankommen. Hat er den Neuschnee erst einmal festgetreten, kann er auf diesen Routen zügig sein Revier durchstreifen.
Pirschjäger auf festen Pfaden
Auf der Suche nach Beute legt die reviertreue Großkatze täglich rd. 20 km, manchmal sogar bis zu 100 km zurück. Sie bevorzugt als Jagdgebiet Mischwälder, in denen die Vielfalt an Beutetieren größer ist. Bevorzugte Beute sind der Rot- und Sikahirsch, der ziegenartige Goral und das Moschustier; gelegentlich fällt dem Sibirischen Tiger aber auch ein Elch zum Opfer. Als Mitglied der Katzenfamilie ist er ein klassischer Pirschjäger. Lautlos schleicht er mit wachen Sinnen auf seinem Pfadnetz durch das Revier. Hat er eine potenzielle Beute ausgemacht, pirscht er sich tief geduckt bis auf rd. 10 m an. In wenigen Sätzen fällt er über das meist völlig überraschte Tier her, krallt sich mit den Klauen seiner Vorderpfoten im Opfer fest und reißt es mit seinen breiten Pranken zu Boden. Mit einem raschen Genickbiss oder durch Erwürgen wird die Beute schnell getötet.
Sibirischer Tiger Panthera tigris altaica
Klasse Säugetiere
Ordnung Raubtiere
Familie Katzen
Verbreitung Osten Russlands und angrenzende Gebiete in Nordchina und Nordkorea
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 1,8–2,9 m, Schwanzlänge: 1 m, Standhöhe: bis 1,1 m
Gewicht bis 320 kg
Nahrung Säugetiere, vor allem Wildschweine und Hirsche
Geschlechtsreife mit 4 Jahren
Tragzeit etwa 100 Tage
Zahl der Jungen 2–4
Höchstalter 18 Jahre, in Menschenobhut bis 25 Jahre
Wilde Leidenschaft
Der Sibirische Tiger lebt auch außerhalb der Ranzzeit in kleinen lockeren Familiengruppen von meist einem Männchen und zwei Weibchen. Fremde Männchen werden heftig bekämpft. Zur Paarung nähern sich die beiden Geschlechter mit einer Mischung aus zärtlich anmutendem Umschmeicheln mit Aneinanderreiben der Köpfe und Körper und ruppigem Balgen. Zur eigentlichen Kopulation beißt sich das Männchen regelrecht im Nacken des niederkauernden Weibchens fest. Nach einer Tragzeit von fast 100 Tagen bringt das Weibchen zwei bis vier Junge zur Welt. Der Nachwuchs wird etwa ein halbes Jahr gesäugt und bleibt meist ein Jahr bei der Mutter. Er begleitet sie auf die Jagd und lernt so alles Notwendige für die eigene Selbständigkeit.
Im russisch-chinesischen Grenzgebiet
War der Sibirische Tiger früher auch in China beheimatet, ist er bis auf wenige verstreute Exemplare heute nur noch in den Wäldern an den russischen Berggebieten in Küstennähe zu finden.
Durch intensive Bejagung und illegalen Holzeinschlag war die Zahl der Sibirischen Tiger 1940 auf unter 30 Tiere zusammengeschmolzen. Erst dann wurden sie unter Schutz gestellt und Schutzgebiete geschaffen: das 3740 km2 große Sichote-Alin- und das 1165 km2 umfassende Laso-Reservat. Angesichts der Reviergröße der Tiger muten diese Schutzzonen als unzureichend an. Zwar hat sich durch die Gesamtheit der Schutzmaßnahmen der Bestand auf insgesamt rd. 450 Tiere erholt, doch noch immer werden etwa 50 Tiger pro Jahr gewildert.
Zobel: Räuber im seidenweichen Pelz
Der bevorzugte Lebensraum des Zobels sind die riesigen, dichten und dunklen Nadelwälder. Wegen seines seidigen Pelzes wurde er so stark bejagt, dass seine Populationen stark gefährdet waren. Nachdem er 1936 in der ehemaligen Sowjetunion unter Schutz gestellt wurde, haben sich seine Bestände so weit stabilisiert, dass heute ein kontrollierter Handel mit seinem Fell wieder erlaubt ist.
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Medvedev
Der Zobel lebt in den Nadelwäldern Nordasiens.
Spezialist am Boden
Der Zobel (Martes zibellina) ist ein ausgesprochener Bodenbewohner. Hier lauert er seiner Beute auf und verfolgt sie mehr springend als laufend. Mit gekrümmtem Rücken springt er auf dem Waldboden hinter Lemmingen, Rötelmäusen und Eichoder Streifenhörnchen her. Seltener erbeutet er auch Reptilien oder Vögel. Auf der Erde ist er ein deutlich erfolgreicherer Jäger als im Geäst der Bäume. Zwar ist der Zobel auch ein schneller und beweglicher Kletterer, aber auf den Bäumen sind ihm Eichhörnchen und Flughörnchen meist eine Nasenlänge voraus, zumal diese im Gegensatz zu ihrem Verfolger von Baum zu Baum springen können. Sind Beutetiere Mangelware, ernährt sich der Zobel überwiegend von den Früchten der Zirbelkiefer, frisst aber auch Nüsse und Beeren sowie Insekten. Bei ausreichendem Nahrungsangebot nimmt der Marder täglich etwa ein Zehntel seines eigenen Körpergewichts zu sich. Eine Zobelpopulation auf der russischen Halbinsel Kamtschatka hat sich sogar auf den Fang von Lachsen spezialisiert, wenn diese zur Laichzeit die Flussläufe hinaufziehen.
Innerhalb der größtenteils unberührten Waldgebiete findet der Zobel genügend Baumhöhlen, umgestürzte Bäume oder ausgehöhlte Baumstümpfe, in denen er wechselweise Unterschlupf finden kann. Je nach Nahrungsangebot besetzt er ein festes Revier von 5–30 km2 Größe. Hier legt der Marder sowohl tagsüber als auch nachts täglich bis zu 15 km bei seiner Nahrungssuche zurück. Die Ranz fällt in den Sommer zwischen Mitte Juni und Mitte August. Die Begattung erfolgt eher ruppig: Der Rüde spürt ein brünftiges Weibchen auf und verbeißt sich nach einigen Begegnungsritualen regelrecht in seinem Nacken. Die Kopulation kann einige Stunden dauern. Nach der Befruchtung und den ersten Entwicklungsschritten verbleibt der Keim für einige Monate in einem Ruhestadium, um das harte Winterklima zu überbrücken. Die Einnistung in die Gebärmutter findet erst im folgenden Februar statt. Dann benötigt der Keim nur noch etwa 28 Tage, bis er sich voll entwickelt hat. Die Tragzeit der Zobelweibchen verlängert sich durch die Keimruhe auf bis zu 300 Tage. Mit dem nahenden Frühjahr im April werden meistens zwei bis drei hilflose, blinde und taube Welpen geboren. Nach etwa sieben Wochen verlassen die kleinen Zobelwelpen erstmals ihr schützendes Nest. Die Sterblichkeitsrate des Zobelnachwuchses ist recht hoch. Das harte Klima und periodisch auftretender Nahrungsmangel lassen nur etwa jeden fünften Zobelwelpen im dritten Lebensjahr geschlechtsreif werden.
Zobel Martes zibellina
Klasse Säugetiere
Ordnung Raubtiere
Familie Marder
Verbreitung meist Nadelwälder, aber auch Birkenwälder in Nordasien
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 40–50 cm
Gewicht 0,5–1 kg, Männchen sogar bis 2 kg
Nahrung Nagetiere, auch Wirbeltiere bis Hasengröße und Früchte
Geschlechtsreife mit 3 Jahren
Tragzeit bis 300 Tage (Keimruhe)
Zahl der Jungen 3–4
Höchstalter 15 Jahre
Begehrter Kälteschutz
Verwandtschaftlich steht der Zobel als Vertreter der Familie der Marder (Mustelidae) dem in Mitteleuropa heimischen Baummarder (Martes martes) sehr nahe. Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 40–50 cm ist er jedoch kleiner als sein Vetter und wirkt mit seinem breiten Kopf und seinen runden Ohren gedrungener. Sein Gewicht schwankt zwischen 500 und 1000 g, ausgewachsene Männchen können bis zu 2 kg schwer werden. Sein vom Menschen seit Jahrhunderten begehrtes, zugleich seidenweiches und strapazierfähiges Fell ist dunkelbraun. Im Sommer ist es spärlicher entwickelt und kürzer. Um der Kälte im Winter trotzen zu können, entwickelt sich im Herbst eine extrem dichte und kräftige Unterwolle.
Der Zobel lebt in den Nadelwäldern Nordasiens, vom Ural bis in den Osten Sibiriens, in der Mongolei, dem Altai, in Korea und auf den nördlichen japanischen Inseln. Man kann ihn aber auch in Birken- und Mischwäldern sowie in Moorgebieten antreffen. Die Nähe des Menschen meidet der Marder. Einstmals auch in den Wäldern Skandinaviens beheimatet, wurde der Zobel hier durch exzessive Bejagung ausgerottet.
Wertvolle Zobelpelze
Der weiche Zobelpelz galt zu allen Zeiten als edle Kostbarkeit. Geschickte Kürschner konnten den Pelz so fein zurichten, dass er sich durch einen Wappenring hindurchziehen ließ. Grundsätzlich unterlagen alle Zobelfelle dem Monopol des russischen Kaisers. So oblag es auch dem Kaiser von Russland, Ehrenpelze an ausgewählte Herrschaften und Ehrengäste zu verschenken. Vor allem ab dem 15. Jahrhundert wurde der Zobel derart intensiv bejagt, dass sich sein Bestand verringerte und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ehe er unter Schutz gestellt wurde, sogar sein Fortbestand bedroht war. Der größere Pelz der Männchen ist meist dichthaariger und deshalb wertvoller. Der Pelzwert steigt außerdem, je dunkler das Haar ist. Besonders kostbar sind diejenigen Felle, bei denen nur die längsten Haare weiß sind. Diese sog. Silberzobel tragen in sich den Beweis, dass sie nicht künstlich nachgefärbt worden sind. Noch heute preisen kommerzielle Safari-Unternehmen die Pelztierjagd durch abgerichtete Hunde, z. B. rund um den Baikalsee, an.
Lachse gehören zu den anadromen Wanderfischen, ziehen also zur Eiablage in die Flüsse, während sie den größten Teil ihres Lebens im Meer verbringen. Bei diesen Wanderungen legen viele Arten beträchtliche Entfernungen zurück, wobei der Quinnat (Oncorhynchus tschawytscha), der auch Königslachs genannt wird, wohl den Rekord halten dürfte, denn viele Exemplare dieser Art wandern alljährlich den Yukon River bis zu den Quellflüssen in Kanada hinauf – insgesamt ein Weg von bis zu 4000 km.
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Springende Lachse überwinden Stromschnellen und Fischtreppen.
Der Königslachs ist eines der Staatssymbole Alaskas, des nördlichsten US-amerikanischen Bundesstaats. Die ersten zwei oder manchmal auch drei Lebensjahre verbringen die jungen Königslachse in dem kalten Gewässer, in dem sie geschlüpft sind. Anschließend ziehen die Fische in den Nordpazifik, wo sie im Alter von vier bis sieben Jahren geschlechtsreif werden. Jetzt haben viele Exemplare ein Gewicht von bis zu 25 kg erreicht, einige sind sogar noch schwerer. In ihren Jagdgebieten im Meer vermischen sich zwar die Lachse aus den verschiedensten Flüssen, doch nach der Geschlechtsreife schwimmt dann erstaunlicherweise jeder Fisch wieder in das Gewässer zurück, in dem er einst aus dem Ei geschlüpft ist und seine ersten Lebensjahre verbracht hat.
Wie es den Lachsen gelingt, den Weg dorthin zu finden, ist nach wie vor nicht ganz geklärt. Fest steht, dass ihnen ihr guter Geruchssinn zumindest eine große Hilfe ist. Das gilt vor allem, wenn sie die Flüsse erst einmal erreicht haben, denn dort finden sie beispielsweise die richtige Abzweigung zu »ihrem« Nebenfluss mithilfe des Riechvermögens – verstopft man ihnen die Nase, gelingt ihnen das nicht. Man weiß aber inzwischen auch, dass das Magnetfeld der Erde die Orientierung der Lachse beeinflusst. Möglicherweise wird auch der Sonnenstand zur Orientierung benutzt. Ebenfalls nicht völlig geklärt sind die Umstände, die die jungen Lachse zum Abwandern ins Meer veranlassen. Vermutlich ist eine wärmere Wassertemperatur einer der Hauptgründe, denn bei sehr niedrigen Temperaturen in den Spätwintermonaten bleiben die jungen Lachse länger in den Flüssen. Während es bei vielen Lachsarten zu starken äußerlichen Veränderungen kommt, wenn sie ins Süßwasser zurückkehren – etwa zu einer völligen Umgestaltung der Kiefer, die ein Schließen des Mauls nicht mehr möglich macht – behält der Quinnat sein Aussehen. Und obwohl Königslachse die längsten Laichwanderungen zurücklegen, zeigen sie nicht so starke körperliche Verfallserscheinungen wie die meisten ihrer Verwandten. Daher hat man auch schon Exemplare gefunden, die nach der Fortpflanzung in den Flüssen wieder ins Meer zurückgeschwommen waren, also die lange Wanderung zum dritten Mal auf sich genommen hatten. Allerdings ist bisher kein Fall bekannt, in dem ein Königslachs noch ein weiteres Mal in sein Laichgewässer zurückgekehrt wäre. Im Normalfall sterben aber auch die meisten Quinnats bald, nachdem sie sich fortgepflanzt haben. Sie machen auf diese Weise Platz für eine neue Lachsgeneration, die sich ein paar Jahre später ebenfalls auf die lange, beschwerliche und gefährliche Reise begibt.
Das Hermelin: Pelzträger mit weltweiter Verbreitung
Das Hermelin verdankt seinen Bekanntheitsgrad seinem Winterpelz. Der weiße Hermelinpelz wurde ursprünglich von hohen Richtern und Adeligen in Großbritannien getragen. Das stets schwarz verbleibende Schwanzende wurde als besonders schmückende Zierde dem reinweißen Pelz aufgenäht. Noch 1937 wurden zur Krönungsfeier Georgs VI. über 50 000 Hermelinpelze aus Kanada eingeführt. Bis heute entstammen alle Hermelinpelze Tieren, die in freier Wildbahn erlegt wurden. Sie werden nicht auf Farmen gezüchtet.
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Der Hermelin ist ein gefährlicher Räuber.
Eleganter Bodenjäger
Das Hermelin (Mustela erminea), auch als Großwiesel bezeichnet, bevorzugt abwechslungsreiches Gelände und zieht in der Taiga die aufgelockerten Ufergebiete von Flussläufen und Seen den dichten Waldabschnitten vor. Obwohl der Marder die Nähe von Wasser bevorzugt, ist er auch nahe menschlicher Siedlungen zu finden, nicht nur in Hühnerställen, sondern auch in Kulturlandschaften und größeren Parkanlagen. Vorzugsweise lebt und jagt das Großwiesel am Boden, wo es sich meist mit kurzen Sprüngen, aber auch schnell laufend fortbewegt. Seine extrem biegsame Wirbelsäule verleiht ihm bei seinen Bewegungen nicht nur Eleganz, sondern auch große Wendigkeit und Geschick.
Der lang gestreckte und schlanke Marder ist auf der nördlichen Halbkugel weit verbreitet: von Alaska über Nord- und Mitteleuropa bis nach Japan und sogar bis in den Nordosten Grönlands, also auch bis in die Tundra.
Der Schwanz bleibt schwarz
Ohne Schwanz ist ein Hermelin gut 20–30 cm lang. Im Sommer ist sein Fell unterseits weiß und oben kastanien- bis zimtbraun gefärbt. Zum Winter hin färbt es sich weiß. Auf den geschlossenen Schneedecken der nördlichen Breiten ist der Räuber daher hervorragend getarnt und kaum auszumachen, wenn er nach Mäusen und kleinen Nagern unter der Schneedecke jagt. Lediglich in wärmeren Gefilden hellt sich das Sommerfell zum Winter hin nur etwas auf. Die dichte, dunkle Schwanzquaste bleibt aber stets schwarz. Zum Schlafen rollt das Hermelin seinen schlanken Körper eng zusammen und legt den Kopf auf den Schwanz. Diese Haltung sorgt dafür, dass möglichst wenig Körperwärme verloren geht.
Mutige Jäger
Wie für Marder charakteristisch, tötet ein Hermelin seine Beute, die oft wesentlich größer ist als es selbst, schnell mit einem gezielten Biss in den Nacken. Das Opfer wird meist nicht an Ort und Stelle verzehrt, sondern in einen sicheren Unterschlupf verbracht. Lediglich austretendes Blut wird sogleich aufgeleckt. Das Hermelin kehrt so lange zum Ort des Beuteerfolgs zurück, bis es keine Opfer mehr ausmachen kann. Das kann für einen Hühnerstall schon einmal bedeuten, dass der Marder den gesamten Geflügelbestand niedermacht. Dieses Verhalten hat dem kleinen Räuber gemeinhin einen blutrünstigen Ruf eingebracht. Doch bilden vor allem in den unendlichen Wäldern der Taiga Nagetiere seine hauptsächliche Beute. Dank seines schlanken Körpers kann er seine Beutetiere sogar bis in ihre Baue hinein verfolgen. Damit ist das Hermelin ein wichtiger Regulator in diesem Ökosystem und verhindert u. a. Schäden an der Vegetation durch Überhandnehmen von Wühlmäusen. Als Mäuse- und Rattenvertilger wird es schon seit früher Zeit vom Menschen in seiner Nähe geduldet – und trotz mancher Verluste weitgehend verschont. Wenn nicht ausreichend kleine Nagetiere zur Verfügung stehen, weicht das Hermelin problemlos auf Vögel und deren Eier, Frösche oder sogar die für viele Tiere weniger schmackhaften Spitzmäuse aus. Das Hermelin ist selbst gegenüber größeren Feinden – wozu auch der Mensch zählt – nicht scheu, sondern eher angriffslustig. Um größer zu erscheinen, richtet es sich auf seine Hinterbeine auf. Nach drohendem Zischen und Schreien geht es auch bei einem wesentlich größeren Gegenüber zum Angriff über.
Hermelin Mustela erminea
Klasse Säugetiere
Ordnung Raubtiere
Familie Marder
Verbreitung gemäßigte und subarktische Zonen der Nordhalbkugel: Alaska, Nordosten Grönlands, Nord-, Mittel- und Osteuropa, Nordrussland, Japan; in Neuseeland und Australien eingebürgert
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 20–30 cm, Schwanzlänge: 4–12 cm
Gewicht 40–360 g
Nahrung kleine Säuger, Vögel, Eidechsen, Fische und Insekten
Geschlechtsreife Weibchen mit 2–3 Monaten, Männchen mit 1 Jahr
Tragzeit 280 Tage (Keimruhe)
Zahl der Jungen 3–13
Höchstalter 7 Jahre
Strikte Einzelgänger
Je nach dem regional jahreszeitlich unterschiedlichen Nahrungsangebot besetzen die sehr ortstreuen Hermeline feste Reviere: Die der lebhafteren Männchen (Rüden) sind mit durchschnittlich 20 ha etwa doppelt so groß wie die der Weibchen (Fähen). Abgegrenzt werden die Territorien gegenüber Artgenossen durch ein aus den Analdrüsen ausgeschiedenes Sekret.
Als strikte Einzelgänger tun sich Hermeline auch zur Paarung im Frühjahr und Sommer nur für wenige Stunden zusammen. Wie viele Marder hat auch die Hermelinfähe eine durch die winterliche Keimruhe verlängerte Tragzeit von rd. 280 Tagen. Etwa 30 Tage nach der Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut ist der Embryo voll entwickelt. Zwischen Mitte Februar und Mitte Mai werden dann meist sechs, höchstens 13 Welpen geboren. Eine biologische Besonderheit ist die manchmal auftretende frühe und zugleich erfolgreiche Befruchtungsfähigkeit von nur etwa fünf Wochen alten Weibchen. Dies dient wohl vor allem in Jahren mit guter Nahrungslage der Populationsverdichtung und damit langfristig dem Arterhalt. Besonders in härteren nördlichen Lebensräumen wie der Taiga liegt die durchschnittliche Lebenserwartung nur bei etwa eineinhalb Jahren.
Das Gewöhnliche Gleithörnchen: Leben in den Wipfeln
In der sehr formenreichen Familie der Hörnchen (Sciuridae) nehmen die Gleithörnchen der Unterfamilie Petauristinae allein schon wegen ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit zum Gleitflug von Baum zu Baum eine Sonderstellung ein. Die weiteste Verbreitung hat das Gewöhnliche Gleithörnchen (Pteromys volans): Es lebt nicht nur in Asien, sondern auch in Teilen Europas, nämlich in Finnland und Nordrussland. Der Verbreitungsschwerpunkt dieses possierlichen Akrobaten liegt jedoch in der Taiga Nordasiens.
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Dank seiner Flughäute kann das Gleithörnchen von Ast zu Ast gleiten.
Als strikt baumlebendes Waldtier hat das ungefähr goldhamstergroße Gewöhnliche Gleithörnchen in der Taiga einen idealen Lebensraum gefunden. Seine Fähigkeit, Lücken im Geäst oder lichte Stellen im Wald auf direktem Luftweg zu überbrücken, bietet ihm wesentliche Überlebensvorteile: Zum einen kann es alle Winkel und damit auch sämtliche Nahrungsquellen in seinem Wohngebiet erreichen, ohne jemals auf den Boden hinuntersteigen zu müssen, was viel Energie spart. Zum anderen kann es sich auf gleitfliegende Weise geschickt vor seinen ärgsten Fressfeinden wie Mardern und dem Zobel in Sicherheit bringen. Als eingebautes Segel dient dazu eine seitlich am Körper liegende Flughaut. Sie ist voll behaart und erstreckt sich beiderseits des Leibes vom Handgelenk der Vordergliedmaßen bis zum Fußgelenk der Hintergliedmaßen. Von der Handwurzel geht zudem noch ein Knorpelstab aus, der den seitlichen Vorderrand der Gleithaut versteift und zusätzlich abspreizt.
Zielgenauer Gleitflug
Die Hörnchen gleiten auf ihren ausgebreiteten und angespannten Häuten wie mit einem Gleitschirm durch die Luft. Ihre Arme sind länger als die der gleich großen Baumhörnchen, wobei die Unterarme im Verhältnis vergrößert sind. Neueren Studien zufolge vermag das Gleithörnchen bis zu dreimal so weit horizontal zu gleiten, wie es an Höhe verliert; dabei sind Strecken von 10–50 m durchaus üblich. Da das Hörnchen in der Luft nur sehr wenig steuern kann – lediglich mit den Beinen und dem Schwanz –, peilt es sein Ziel vor dem Start genau an. Vor der Landung muss es mitten in der Luft abbremsen, indem es den Anstellwinkel seines Körpers verändert. So kann es unbeschadet auf dem Zielbaum landen.
Beim Klettern und beim Laufen im Geäst ist die Flughaut eher hinderlich und wird dann nah an den Körper gezogen, um sie nicht zu verletzen. Sie dient nicht nur der Fortbewegung, sondern wird auch als Fettspeicher für den Winter genutzt.
Gewöhnliches Gleithörnchen Pteromys volans
Klasse Säugetiere
Ordnung Nagetiere
Familie Hörnchen
Verbreitung Waldgebiete Eurasiens von Finnland bis Japan
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 14–20 cm, Schwanzlänge: gut 10 cm
Gewicht 90–170 g
Nahrung Flechten, Blätter, Knospen, Blüten, Früchte, Samen
Geschlechtsreife mit 1 Jahr
Tragzeit 5–6 Wochen
Zahl der Jungen 2–4
Höchstalter etwa 5 Jahre
Jungenaufzucht
Tagsüber schläft das nachtaktive Tier in einem Kugelnest aus Flechten, Gräsern, Moos und Federn in 1,5–9 m Höhe, das es bevorzugt in verlassenen Spechthöhlen einrichtet. Dort bringen die Weibchen auch nach einer Tragzeit von fünf bis sechs Wochen im Frühjahr zwei bis vier Junge zur Welt. Diese sind bei der Geburt vollkommen nackt; ihre Augen sind fest verschlossen und sie wiegen nur etwa 5 g. Die Flughaut ist jedoch schon deutlich zu erkennen. Erst nach zwei Wochen ist das Fell vollständig ausgebildet, nach viereinhalb Wochen öffnen sich die Augen und nach sechs Wochen beginnen die Jungen, die allein von der Mutter versorgt werden, die Umgebung des Nestes zu erkunden. In diesem Alter werden sie auch von der Mutter entwöhnt, sie bleiben aber noch geraume Zeit, in manchen Fällen sogar noch den Winter über, mit ihr zusammen. Das nunmehr dicke, wärmende Fell ist am Bauch immer weißlich gefärbt, am Rücken im Sommer graubraun, in den Wintermonaten Dezember bis April eher silbergrau.
Aktiv auch im Winter
Charakteristisch für das Gewöhnliche Gleithörnchen sind Baumgemeinschaften: Außerhalb der Fortpflanzungszeit finden sich auf einzelnen Bäumen häufig mehrere erwachsene Tiere desselben Geschlechts. Im Winterhalbjahr bewohnt dann meist ein Paar oder ein Weibchen mit seinen halbwüchsigen Jungen eine Baumhöhle. Durch das Aneinanderkauern wird der tägliche Energieverbrauch der Tiere deutlich gesenkt, da der Wärmeverlust geringer ist. Auch im hohen Norden halten die Gleithörnchen keinen Winterschlaf. Sie sind daher gezwungen, sich umfangreiche Futtervorräte hauptsächlich aus Flechten und unterirdisch wachsendem Pilzgewebe anzulegen, die sie entweder in Baumhöhlen oder unter der Erde verstecken und durch Sekrete der Schweiß- und Talgdrüsen markieren. Im Frühjahr wird die karge Kost durch Knospen, junge Blätter und Blüten, im Sommer durch frisches Grün und junge Zweige, im Herbst durch Baumsamen und Nüsse ergänzt.
Der Burunduk: A- und B-Hörnchens Cousin
Der Burunduk (Tamias sibiricus), auch Sibirisches Streifenhörnchen genannt, gehört innerhalb der Unterfamilie der Baum- und Erdhörnchen (Sciurinae) zur Gattung der Backen- oder Streifenhörnchen. Es handelt sich um eine ursprüngliche Tiergruppe mit recht kleinen Tieren, die allesamt ein helldunkel gestreiftes Fell und große Backentaschen besitzen. Obwohl sie ausgezeichnete und flinke Kletterer sind, spielt sich ihr Leben vorwiegend auf oder sogar im Waldboden ab. Einziger Vertreter in der Paläarktis, dem altweltlichen Teil der Nordhalbkugel bis zum nördlichen Wendekreis, ist der Burunduk. Sein Verbreitungsgebiet reicht von Russland über China bis nach Japan.
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Der gestreifte Burunduk ist im Wald gut getarnt.
Durch seine bräunlich graue bis ockergelbe Fellfärbung am Rücken ist der Burunduk im Wald gut getarnt. Die Längsstreifung über den gesamten Rücken und den Schwanz sowie seitlich am Kopf lässt ihn sowohl am Boden als auch im Geäst fast mit der Umgebung verschmelzen. Seine deutlich verbreiterten Zehenballen und scharfen Krallen deuten auf eine Anpassung an das Baumleben hin. Dennoch hält er sich meist am Boden auf und legt dort auch an geschützter Stelle seine Erdbauten an. Ein etwa 50 cm tiefer, um 45 Grad geneigter Zugang führt zu einem Gangsystem, das 1–2 m lang und mehrfach verzweigt ist und eine Nest- sowie eine oder mehrere Vorratskammern umfasst.
Winterruhe in Etappen
Burunduks sind recht klein und können daher im Körper nicht genug Fettreserven speichern, um bis zum Frühjahr nur von diesen zu zehren. Sie halten daher ihre Winterruhe in mehreren Etappen: Etwa alle vier Tage wachen sie auf, knabbern an den Vorräten und legen sich dann wieder schlafen. In Sibirien verschläft der Burunduk so etwa fünf Monate.
Ein reich gedeckter Tisch
Da die Schneeschmelze mitunter sehr lange auf sich warten lässt, sorgt das Sibirische Streifenhörnchen reichlich vor. Die überwiegend pflanzliche Nahrung schafft es in seinen geräumigen Backentaschen in den Bau und sortiert sie meist nach Futtersorten in unterschiedliche Vorratskammern. Teilweise scharrt es seine Vorräte jedoch auch im Boden ein.
Aufgrund des anatomischen Baus seines Darms und dank neuerer ernährungsphysiologischer Erkenntnisse hat man festgestellt, dass der Burunduk kein reiner Pflanzenfresser (Herbivor), sondern vielmehr ein Allesfresser (Omnivor) ist, der auf die Aufnahme von tierischem Eiweiß angewiesen ist. Er frisst demnach auch Insekten und Reptilien und raubt gelegentlich Jungvögel und kleine Mäuse aus ihren Nestern.
Gefährliche Vorratswirtschaft
Seine Vorratshaltung wird dem Hörnchen in Sibirien oft zum Verhängnis. Hungrige Braunbären spüren im zeitigen Frühjahr die dann oft noch mehrere Kilogramm schweren Vorräte auf, graben sie aus und fressen dabei den noch ruhenden Burunduk gleich mit. Auch im Sommer muss er vor seinen Feinden wie Mardern, Füchsen, Eulen und dem Mäusebussard auf der Hut sein. Das rein tagaktive Tier verbringt etwa 80 % seiner Wachzeit mit dem Sammeln von Futter. Bei trockenem Wetter nimmt der Burunduk gern Staubbäder und wälzt sich in Rückenlage im Sand. Bei Regenwetter bleibt er jedoch in seinem Bau.
Paarung im Sommer
Die Paarungsaktivität beginnt um die zweite Aprilhälfte und die Weibchen werfen nach einer Tragzeit von 28–40 Tagen Ende Mai oder Anfang Juni vier bis sechs Junge, die nach etwa vier Wochen das Nest verlassen. Die ortstreuen Burunduks haben ein relativ großes Aktionsgebiet, das sie regelmäßig zur Nahrungssuche durchstreifen, und ein bedeutend kleineres Kerngebiet, das sog. Territorium, das sie gegenüber Artgenossen verteidigen. Die Tiere sind zwar nicht direkt gesellig, aber doch untereinander verträglich. Lediglich während der Brunft sind insbesondere die Männchen sehr reizbar. Typisch für die Burunduks ist auch ihr breites Lautspektrum. Das häufig zu hörende »Tschip« klingt fast wie ein Vogelruf und hat vermutlich dem eng mit dem Burunduk verwandten amerikanischen Chipmunk – der Vorlage für Disneys A- und B-Hörnchen – zu seinem Namen verholfen.
Burunduk Tamias sibiricus
Klasse Säugetiere
Ordnung Nagetiere
Familie Hörnchen
Verbreitung Waldgebiete von Russland bis Japan
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 12–19 cm
Gewicht 50–150 g
Nahrung Samen, Nüsse, Pilze, Früchte, auch Insekten, junge Mäuse und Vogeleier
Geschlechtsreife mit 1 Jahr
Tragzeit 28–40 Tage
Zahl der Jungen 4–6
Höchstalter 2–3 Jahre
Die Polarrötelmaus: ein Leben im Untergrund
Die Lappen nennen das im nördlichen Eurasien und arktischen Nordamerika beheimatete possierliche und flinke Tierchen auch »Eichhörnchenmaus«. Diesen Namen trägt die Polarrötelmaus (Clethrionomys rutilus) nicht von ungefähr: Zum einen hat sie ein auffallend brandrotes Fell und zum anderen gräbt sie weniger und klettert mehr als andere Wühlmausarten, zu deren Verwandtschaft sie gehört. Sie hat vergleichsweise einfache Backenzähne, die bei den erwachsenen Tieren Wurzeln bilden und nicht wie bei den meisten anderen Wühlmausarten dauerhaft nachwachsen.
In der Wahl ihres Lebensraums ist die Polarrötelmaus sehr anspruchsvoll und bevorzugt gras- und krautreiche Wälder. Dort ernährt sie sich vorwiegend von den Beeren zahlreicher Sträucher. Daneben bereichern Blätter, Knospen und Zweige von Büschen ihren Speisezettel. Im Frühsommer, vor der Beerenreife, machen Moose und Flechten einen Großteil der Nahrung aus und Insekten bilden eine wertvolle Eiweißquelle. Der Spätsommer liefert zudem noch reichlich Pilze, die dann sogar manchen Beeren vorgezogen werden. Indem die Polarrötelmäuse intensiv nach unterirdisch wachsenden Pilzen wie Trüffeln suchen, werden diese im Lebensraum der Tiere sogar weiterverbreitet. Dies ist vor allem in ökologisch gestörten Waldgebieten von Nutzen, da so auch die Verbreitung von Mykorrhiza gefördert wird, also von Symbiosen zwischen Pflanzenwurzeln und Pilzfäden. Für Notzeiten unterhalten die Rötelmäuse das ganze Jahr über einen Futtervorrat im Nest. Die Polarrötelmaus macht sich hauptsächlich bei einbrechender Dämmerung und im Schutz der Nacht auf die Nahrungssuche.
Bodenbelag als Versteck
Zum Schutz vor den allgegenwärtigen Feinden, zu denen insbesondere marderartige Raubtiere wie Dachs, Fichtenmarder, Zobel, Hermelin und Mauswiesel gehören, aber auch Eulen und in der Dämmerung Habichte, bewohnen die Polarrötelmäuse Gebiete mit einer recht hohen Bodenstreu. Diese ist vor allem in der Strauchvegetation und in offenen Taigawäldern zu finden. Da die Streuschicht nicht nur Rückzugsmöglichkeiten vor Fressfeinden, sondern auch einen gewissen Schutz vor ungünstiger Witterung bietet, findet man die kleinen Wühler weder auf Sukzessionsflächen – das sind Flächen, die z. B. nach dem Rückzug von Gletschern neu von Pflanzen besiedelt werden – noch in geschlossenen Wäldern ohne Unterwuchs. Bei einer Störung stoßen die Tiere eine Art zwitscherndes Bellen aus, das man allerdings nur aus nächster Nähe hören kann. Je nach Situation suchen sie ihr Heil in der Flucht oder verharren reglos, bis die Gefahr vorbei ist.
Im warmen Nest
Während des Winters nutzen die Polarrötelmäuse dickes Moos und Polsterpflanzen wie eine Decke gegen die Kälte und bauen darin ein kugelförmiges Nest aus Gras und Moos. Da die Tiere keinen Winterschlaf halten, sondern den ganzen Winter über aktiv bleiben, legen sie oft auch lange Gangsysteme unter dem Schnee an. Sommerbaue werden meist in geringer Tiefe in den Boden gegraben oder unter einem schützenden Stein oder einer Wurzel eingerichtet. Die Eingänge werden mit Blättern, Zweigen und Steinen getarnt.
Polarrötelmaus Clethrionomys rutilus
Klasse Säugetiere
Ordnung Nagetiere
Familie Wühler
Verbreitung nördliche Holarktis von Skandinavien über Sibirien und Alaska bis nach Kanada
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 8–11 cm, Schwanzlänge: 2–4 cm
Gewicht 10–30 g
Nahrung Beeren, Moose, Flechten, Pilze, Samen, Knospen, Insekten
Geschlechtsreife Weibchen mit wenigen Wochen
Tragzeit knapp 3 Wochen
Zahl der Jungen 5–7
Höchstalter 1 Jahr
Zahlreicher Nachwuchs
Während des gesamten arktischen Frühlings und Sommers, also von Mai bis Anfang September, widmen sich die Polarrötelmäuse der Fortpflanzung und Jungenaufzucht. Wann der erste Wurf nach einer Schwangerschaft von nicht einmal drei Wochen das Licht der Welt erblickt, hängt von der Witterung und vom Nahrungsangebot ab. Durchschnittlich sechs Junge säugt das Weibchen 18 Tage lang.
Ein kurzes Mäuseleben
Im Frühjahr geborene Mäuse erreichen ihre Endgröße schon im Alter von etwa fünf Monaten, im Sommer geborene wegen der schlechteren Nahrungsbedingungen im folgenden Herbst und Winter erst mit knapp einem Jahr. Es hängt also vom Zeitpunkt der Geburt ab, wann eine Rötelmaus ausgewachsen ist und eigene Junge in die Welt setzt. Unter besten Bedingungen kann ein Weibchen pro Jahr etwa fünf Würfe aufziehen. Wenn die Schneeschmelze sehr früh eingesetzt hat, pflanzen sich ca. 20 % der Weibchen des ersten Wurfes noch im selben Sommer fort. Ist die Populationsdichte der Mäuse sehr hoch, so kann sich die Geschlechtsreife der Weibchen verzögern oder die Tiere wandern ab und begeben sich auf die Suche nach einem neuen geeigneten Lebensraum. Die Lebenserwartung beträgt nur wenig mehr als ein Jahr und zur Zeit der Schneeschmelze besteht die Gesamtpopulation lediglich noch aus den Jungtieren des Vorjahres.
Die Schellente: unterwegs zwischen Taiga und Meer
Die wegen ihres hell leuchtenden Augenrings im englischen Volksmund auch Goldauge genannte Ente wird in die Gattungsgruppe der Meeresenten (Mergini) gestellt. Ihren deutschen Namen erhielt die Schellente (Bucephala clangula) wegen des charakteristischen Geräusches, das die schlagenden Flügel beim Flug erzeugen. Wie etwa ein Drittel aller Enten brütet auch sie in Baumhöhlen. Dieses Brutverhalten hat ihre Verbreitung auf Wälder beschränkt, insbesondere auf die gesamte nördliche Nadelwaldzone.
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Gaellman
Schellente mit dem typischen Fleck zwischen Schnabel und Auge
Spechte als Wohnungsbauer
Enten haben von ihrer ganzen Anatomie her keine Möglichkeit, selbst Höhlen in Bäumen anzulegen, sondern müssen sich darauf beschränken, schon vorhandene Höhlen zu nutzen. In erster Linie handelt es sich dabei um verlassene Behausungen des Schwarzspechtes (Dryocopus martius). Spechte ernähren sich fast ausschließlich von Insekten und diese wiederum findet man in entsprechender Anzahl in naturbelassenen Wäldern mit hohem Totholzanteil. Ideale Bedingungen sind demnach im weitläufigen und nicht sehr intensiv forstwirtschaftlich genutzten Taigagürtel gegeben.
Keine Kostverächter
Neben dem geeigneten Nistplatz ist auch ein ausreichendes Nahrungsangebot für die Auswahl des Brutgebiets maßgebend. Das Nahrungsgewässer muss nährstoffreich sein, aber keinen zu dichten Schwimmblattbewuchs aufweisen. Die Schellenten sind aber recht anpassungsfähig, was die Auswahl der Nahrung betrifft: Sie fressen hauptsächlich Insektenlarven, Schwimmkäfer, kleine Krebstierchen, Schnecken und Würmer. Beste Voraussetzungen für diese Art der Nahrung bieten kalte, klare Waldseen, seltener auch Fließgewässer. Dort tauchen die Schellenten bis zu 6 m tief senkrecht unter und drehen am Grund Steine um, unter denen viele Kleinlebewesen verborgen sind.
Bevorzugte Nistplätze
Idealerweise sollte der Nistplatz nicht allzu weit vom Nahrungsgewässer entfernt sein. Schellenten bevorzugen daher Nistbäume in Ufernähe, nehmen aber auch Wege von bis zu 2 km in Kauf. Der Höhleneingang darf nicht größer als 25 cm sein, um genügend Schutz zu bieten. Die bevorzugte Nisthöhe beträgt in der Regel 6–8 m. Ist erst einmal ein Platz gefunden, der vorteilhaft erscheint, zeigen die Schellenten eine starke Bindung zum Brutgebiet und eine ausgeprägte Nistplatztreue. Das ist schon deshalb von Nutzen, weil die Vögel den unwirtlichen Winter weiter südlich an der Nord- und Ostsee bzw. am Kaspischen und am Schwarzen Meer verbringen und so bei ihrer Rückkehr nicht lange nach Nistplätzen suchen müssen. Sie können also den kurzen Sommer ohne Zeitverzögerung zur Jungenaufzucht nutzen.
Finden Altvögel oder die Jungvögel des vergangenen Jahres keine geeignete Nisthöhle, kommt es zum Brutparasitismus, wie er beim Kuckuck sprichwörtlich ist: Die Enten legen ihre Eier teilweise in fremde Nester der eigenen Art, teilweise auch in artfremde Nester; dann entstehen sog. Mischgelege. Da zu große Gelege aber den Bruterfolg stark vermindern, weil das brütende Entenweibchen nicht alle Eier gleichzeitig wärmen kann, regelt sich auf natürliche Weise die Bestandsdichte der Höhlenbrüter.
Schellente Bucephala clangula
Klasse Vögel
Ordnung Gänsevögel
Familie Entenvögel
Verbreitung gesamte Nadelwaldzone der Nordhalbkugel, im Süden bis in Mischwälder hinein
Maße Länge: 40–50 cm
Gewicht 500–1300 g
Nahrung Schnecken, Würmer, Krebse, Insekten und deren Larven, auch kleine Fische und Pflanzenteile
Geschlechtsreife mit 1 Jahr
Zahl der Eier 8–11
Brutdauer 30 Tage
Höchstalter 17 Jahre
Aufzucht der Jungen
Nach Balz und Paarung im zeitigen Frühjahr werden die Eier meist zwischen April und Mai in die nackte, nur mit Daunen ausgekleidete Höhle gelegt. Der Erpel verteidigt anfangs noch die Höhle gegen Konkurrenten, verlässt die Partnerin aber nach Ablage des letzten Eies und überlässt das Brutgeschäft und die Jungenaufzucht gänzlich ihr. Nach etwa 30 Tagen schlüpfen die weit entwickelten Jungen, die schon innerhalb der nächsten beiden Tage ihrer Nisthöhle den Rücken kehren. Die Mutter verlässt den Baum als Erste und fordert die Jungen mit lauten Rufen auf, ihr zu folgen. Mit ihren spitzen Zehennägeln erklimmen die Küken den Rand der Nisthöhle und stürzen sich in die Tiefe. Der gesamte Trupp, die sog. Schofe, macht sich dann auf den Weg zum Nahrungsgewässer.
Die Jungen sind durch ihre olivbraune Färbung zwar recht gut getarnt, fallen aber dennoch oft Raubfeinden wie Krähen, Elstern oder Greifvögeln zum Opfer. Erst im Wasser sind sie wieder sicherer. Als geschickte Schwimmer und Taucher ernähren sie sich von Anfang an selbst, werden aber noch etwa zwei Wochen lang von der Mutter geführt. Im Spätjahr folgen dann die Weibchen und Jungtiere den schon vorangeflogenen Erpeln in die Überwinterungsgebiete.
Das Auerhuhn: Beerenkost im Sommer, harte Nadeln im Winter
Überall in den gemäßigten Breiten, borealen und arktischen Zonen der nördlichen Hemisphäre trifft man auf Vertreter der Raufußhühner. Die einzelnen Arten sind dabei hervorragend an die verschiedenen Wald-, Tundra- und Steppentypen sowie an unterschiedliche Höhenlagen und Breitengrade angepasst. Häufig geht die Spezialisierung so weit, dass sympatrische Arten – also Arten, die gleiche oder zumindest überlappende Lebensräume bewohnen – überhaupt nicht konkurrieren, weil sie jeweils andere Ansprüche an den Lebensraum und die Nahrung haben. So überschneiden sich z. B. die Habitate von Auerhuhn (Tetrao urogallus) und Birkhuhn (Tetrao tetrix) in den nördlichen eurasischen Waldgebieten erheblich.
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Auerhahn bei der Balz
Von seiner Gestalt her ist das Auerhuhn ein typischer Hühnervogel. Innerhalb der Unterfamilie der Raufußhühner (Tetraoninae) ist es der größte Vertreter: Die Hähne können über 80 cm groß und bis zu 6 kg schwer werden. Alle Raufußhühner zeigen besondere Anpassungen an den kalten und im Winter besonders schneereichen Lebensraum.
Dazu gehört beispielsweise die Befiederung der Beine und teilweise auch der Füße. Diese schützt zum einen vor der Kälte, zum anderen aber auch vor dem Einsinken im weichen Schnee. Dieser Schneeschuheffekt wird zusätzlich durch seitlich von den Zehen abstehende, kleine Hornstifte verstärkt.
Auerhuhn Tetrao urogallus
Klasse Vögel
Ordnung Hühnervögel
Familie Fasanenartige
Verbreitung zusammenhängende lichte Waldgebiete in Europa und Nordasien
Maße Länge: Hahn bis 100 cm, Henne bis 60 cm; Spannweite: Hahn über 1 m
Gewicht Hahn bis 6 kg, Henne bis 2,5 kg
Nahrung Blätter, Beeren, Samen, Sprösslinge, Insekten, vor allem Waldameisen, im Winter Nadelblätter
Zahl der Eier 5–12, selten 15
Brutdauer etwa 28 Tage
Höchstalter 15 Jahre
Hohe Ansprüche an den Lebensraum
Die robusten Auerhühner sind zwar recht flexibel, was ihre Nahrung betrifft, aber anspruchsvoll bezüglich ihres Lebensraums. Es handelt sich dabei ausschließlich um relativ offene, lichte und stufige Wälder mit hohem Nadelbaumanteil. Zu dichten Waldbeständen fehlt wegen des mangelnden Lichteinfalls der erforderliche Unterwuchs aus Heidelbeersträuchern. Deren Blätter und Beeren sind im Sommer die bevorzugte Nahrung des Auerhuhns und sie bieten gleichzeitig Schutz und Verstecke. Dichte Wälder mit eng stehenden Bäumen sind aber auch wegen der beträchtlichen Flügelspannweite der Hähne von über 1 m nicht als Lebensraum geeignet.
Da die Vögel die Sommernächte auf Bäumen verbringen, müssen ausreichend viele Bäume mit stabilen, waagerechten Ästen vorhanden sein. Auch kleinere Freiflächen ohne Bewuchs sind erforderlich. Dort können die Vögel ausgiebige Staubbäder zur Gefiederpflege nehmen und auch kleine Kieselsteine aufpicken, die sie zum Aufschließen der z. T. schwer verdaulichen Nahrung benötigen.
Schwere Kost
Während im Frühjahr, Sommer und Frühherbst ausreichend vitaminreiche Kost in Form von Blättern, Beeren, Grassamen und jungen Sprösslingen vorhanden ist, liegt die Vegetation im Spätherbst und Winter meist unter einer tiefen Schneedecke. Dann bilden die harten, schwer verdaulichen und nährstoffarmen Nadeln von Kiefern und Tannen die Hauptnahrung des Auerhuhns. Diese enthalten sehr viele ätherische Öle und Harze, die für viele andere Tiere in größeren Mengen giftig sind. Das Auerhuhn ist aber daran angepasst: Der scharfe Hornschnabel rupft das Pflanzenmaterial ab und zerkleinert es etwas. Im relativ großen Kropf wird die Nahrung zunächst gespeichert, bis sie in den kräftigen Muskelmagen gelangt. Dort wird sie mithilfe der aufgenommenen Magensteine weiter zerkleinert und in die beiden außergewöhnlich langen Blinddärme geleitet, wo die pflanzlichen Fasern chemisch abgebaut werden.
Umhegter Nachwuchs
Die fünf bis zwölf Küken eines Geleges schlüpfen nach einer Brutdauer von ca. 28 Tagen zwischen April und Mai. Die am Waldboden bestens getarnte Henne kümmert sich allein um die Aufzucht. Die Jungen sind zwar Nestflüchter und besorgen sich ihre Nahrung selbst, müssen jedoch wegen ihrer unzulänglichen Wärmeregulation bei Kälte noch von der Mutter unter ihren Fittichen gewärmt werden.
Riesenseeadler: Charaktervogel Kamtschatkas
Die Markenzeichen dieser durch Bejagung und Waldzerstörung selten gewordener Taigabewohner sind der große, gelbe, hakenförmig gebogene Schnabel, das weiße Gefieder an den Schultern und den Beinen sowie der weiße Stirnfleck über dem Schnabel. An diesen Besonderheiten sind die Greifvögel von anderen Adlerarten leicht zu unterscheiden – und natürlich wegen der imposanten Erscheinung: Mit einem Gewicht von bis zu 9 kg und einer Flügelspannweite von fast 3 m macht der Riesenseeadler seinem Namen alle Ehre.
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Der Riesenseeadler bevorzugt Flüsse und Seen als Jagdreviere.
Ein Freund der Küste
An den Küsten der Halbinsel Kamtschatka lebt mit 2000 Riesenseeadlern (Haliaeetus pelagicus) gut ein Drittel des weltweiten Bestands. Kaum zu glauben, aber die Ursache dafür liegt in der Nutzung der Region durch das russische Militär: Nur weil die Halbinsel lange Zeit militärisches Sperrgebiet war, konnten sich die großen Greife weitgehend ungestört vom Menschen entwickeln. Obwohl sich das Verbreitungsgebiet des Riesenseeadlers im Osten von Kamtschatka mit dem des Seeadlers (Haliaeetus albicilla) überschneidet, konkurrieren die verwandten Arten kaum miteinander um Beutetiere.
Denn der Seeadler bevorzugt Flüsse und Seen als Jagdreviere, während es seine größeren Verwandten ans Meer und in die Mündungsgebiete der Flüsse zieht. Außerdem sind die Riesenseeadler am Beringmeer zu finden, am Ochotskischen Meer, an den Nordküsten von Sachalin, am unteren Amur und auf den Schantar-Inseln sowie an den Küsten Nordkoreas und Japans.
Balzen, bauen, brüten
Im Februar und März fliegen die imposanten Raubvögel in großen Kreisen über die Waldgebiete und Klippen an den Küsten. Sie zeigen ihre fantastischen Schwingen und stoßen durchdringende Rufe aus – es ist Balzzeit. Muss ein Adlerpaar ein neues Nest, einen Horst, bauen, bezieht es die Suche nach dem richtigen Platz und die Bautätigkeit in die Balz ein. Dabei ist Bautätigkeit kein übertriebener Begriff, denn der Horst ist größer als manches Gartenhaus. Am liebsten auf Bäumen, hoch oben in den Kronen, aber auch auf Felsklippen bauen die beiden Adler aus Ästen ihren riesigen Horst, der jedes Jahr wieder benutzt und dann nur ausgebessert wird.
Die Nistmulde mit rd. 35 cm Durchmesser wird von den Altvögeln sorgfältig mit Gräsern, Blättern und Rindenstückchen ausgepolstert. Dort hinein legt das Weibchen ab April nach und nach zwischen einem und drei weißgrünlichen Eiern. Das kann bis zu sechs Wochen dauern und falls die Eier geraubt wurden, legt das Adlerweibchen noch Eier nach. Das ist unverzichtbar für den Bestand der Art, denn im Schnitt überlebt nur ein Junges.
Ein bequemer Jäger
Die grauweißlichen Küken schlüpfen nach einer Brutzeit von etwa sechs Wochen. Ihr Daunenkleid wird nach einem Monat durch ein Gefieder ersetzt und einen weiteren Monat später ist der Nachwuchs flügge, aber noch längst nicht selbstständig. Auch in den nächsten zwei Monaten leben die Jungen im und am Nest, werden von den Altvögeln versorgt und absolvieren ein Flugtraining. Erst dann lösen sie sich von den Eltern und finden sich zu Jugendtrupps zusammen. Da sie immer noch nicht richtig jagen können, sitzen sie am Ufer und warten auf das, was das Meer ihnen auftischt.
Die jungen Riesenseeadler sind leicht als solche zu erkennen, denn ihr Gefieder ist bis auf die weißen Spitzen der Flügeldecken überall dunkelbraun und der Schnabel wechselt ebenso wie die Beine und Füße erst mit der Zeit von schwarz über schmutziggelb zu gelb. Erst im Alter von acht bis zehn Jahren besitzen die Adler ihre endgültige Färbung. Als ausgewachsene Riesenseeadler mit einer Länge von 85–110 cm erreichen die Weibchen ein Gewicht von 7–9 kg, die Männchen nur 5–6 kg.
Riesenseeadler Haliaeetus pelagicus
Klasse Vögel
Ordnung Greifvögel
Familie Habichtartige
Verbreitung Küstenregionen Nordsibiriens bis nach Korea und Japan
Maße Länge: bis 110 cm; Spannweite: bis 2,8 m
Gewicht Männchen 5–6 kg, Weibchen 7–9 kg
Nahrung Lachse, kleine Säugetiere, auch Aas
Geschlechtsreife mit 4–5 Jahren
Zahl der Eier 1–3
Brutdauer etwa 6 Wochen
Höchstalter gut 25 Jahre
Aber auch die erwachsenen Adler versorgen sich am liebsten auf einfache Art mit Nahrung: Sie sitzen an den Laichplätzen der Lachse und greifen sich die nach langer Wanderung schwach und erschöpft ankommenden Fische. Oder sie schnappen sich an den Küsten bei Ebbe zurückgebliebene Fische aus dem Flachwasser. Auch tote Fische oder Säuger fressen sie gern. Sind die Bedingungen weniger günstig, stürzen sich die Raubvögel auch von hohen Warten oder aus der Luft auf die Beute. Neben Fischen handelt es sich dann um Ratten, Kaninchen, Robben und Geflügel, und zwar meist um geschwächte oder kranke Tiere. So übernehmen die Riesenseeadler an den nördlichen Küsten die Aufgaben der natürlichen Auslese und der Gesundheitspolizei.
Der Sperlingskauz: ein draufgängerischer Zwerg
Er ist kleiner als ein Star, wagt sich aber an Nagetiere und Drosseln heran, die so groß und schwer sind wie er selbst. Bei Mäusemangel weicht er auf Kleinvögel aus und umgekehrt. Er legt Vorräte an wie ein Hamster und jagt bei Tageslicht: Das Fliegengewicht unter den Eulen ist ein komischer Kauz.
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Der Sperlingskauz ist meist in der Abend- und Morgendämmerung aktiv.
Überraschungsjäger
Der Sperlingskauz (Glaucidium passerinum) ist vorwiegend dämmerungs- und tagaktiv. Das dürfte mit der Tageslänge in seiner skandinavischen und sibirischen Heimat zusammenhängen: Wer so weit nördlich lebt, dass es in den Frühsommernächten überhaupt nicht dunkel wird, der ist gezwungen, bei Licht zu jagen. Die Schneeeule, die Sperbereule und andere hochnordische Eulen teilen dieses »Schicksal«. Im Allgemeinen schlafen die Käuze bei Dunkelheit und nutzen die Dämmerungsstunden für die Jagd. Tagsüber wechseln Jagd- mit Ruhephasen ab, die sie dösend in dichten Nadelbäumen verbringen.
Von einer erhöhten Warte wie der Spitze einer Fichte aus beobachten die Käuze aufmerksam die Umgebung. Haben sie eine ahnungslose Maus oder einen Kleinvogel erspäht, schießen sie im Gleit- oder Sturzflug heran und überraschen die sitzende Beute von hinten. Kleine Vögel werden sogar in der Luft gegriffen, indem der Kauz sie nach Falkenart von unten anfliegt und seine mit spitzen Krallen bewehrten Füße im letzten Moment nach oben reißt.
Während die meisten Käuze und Eulen (Familie Strigidae) Tiere bis Wühlmausgröße als Ganzes verschlucken können, müssen die winzigen Sperlingskäuze die Beute mit dem Schnabel zerrupfen.
Ihre Gewölle, Speiballen aus unverdaulichen Resten, enthalten deshalb neben Haaren und Federn kaum vollständige Schädel und Knochen, sondern viele Splitter. Die Bestimmung ihres Nahrungsspektrums anhand solcher Hinterlassenschaften ist deshalb schwieriger als bei verwandten Arten. Auch satte Käuze nutzen jede Möglichkeit zum Beutemachen. Das ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Vorratshaltung, ohne die die Sperlingskäuze bei widrigen winterlichen Bedingungen verhungern müssten. Während im Sommerhalbjahr die Beutedepots in der Regel nur einzelne tote Vögel oder Kleinsäuger umfassen, die offen in Astgabeln oder auf dickeren Ästen abgelegt werden, verstecken die Käuze vom Spätherbst an ihre Beutetiere auch in größerer Zahl und benutzen dafür z. B. verlassene Schwarzspechthöhlen oder ausgefaulte Baumstämme. Die Gefahr, dass die Vorräte von anderen Tieren geplündert werden, ist so geringer. Die Temperatur in den »Speisekammern« ist normalerweise so tief, dass die Vorräte nicht verderben. Ausnahmsweise können solche Verstecke mehrere Dutzend Beutetiere enthalten und einem Pärchen Sperlingskäuze an vielen Tagen das Überleben sichern.
So gefährlich der Sperlingskauz für die Singvögel und Kleinsäuger seines Lebensraumes ist, so wehrlos ist er selbst den Angriffen größerer Jäger ausgesetzt. Fast alle anderen Eulen und Greifvögel der Taiga können ihn schlagen und greifen zu, wenn sie nur Gelegenheit dazu bekommen.
Nachmieter in der Buntspechthöhle
Schon im Herbst markieren die Käuze ihre Reviere. Durch eifriges Rufen in der Dämmerung stecken sie ihren »Claim« ab und bekräftigen den Gebietsanspruch nochmals im Frühjahr. Da beide, Männchen und Weibchen, eine gewisse Standorttreue besitzen, ist die Chance hoch, dass die Partner vom Vorjahr wieder zusammenfinden. Andernfalls wird jedes Jahr eine neue Saisonehe geschlossen. Ihrem Weibchen bieten die Kauzmännchen meist mehrere verlassene Spechthöhlen als Nistplätze an. In eine von ihnen, oft in einer hohen Fichte oder Kiefer, legt das Weibchen in der zweiten Aprilhälfte drei bis sieben Eier, nachdem es alle Hinterlassenschaften des Vormieters entsorgt hat. Nach vier Wochen Brutzeit, in der das Weibchen vom Männchen versorgt wird, schlüpfen die Jungen.
In den folgenden vier Wochen füttert das Weibchen die Jungen hauptsächlich mit fein zerteilten Mäusen, die das Männchen zur Höhle bringt. In dieser Zeit achtet die Eulenmutter weiter auf peinliche Sauberkeit in der Kinderstube. Nahrungsreste, Gewölle und der Kot der Jungen werden regelmäßig entfernt. Erst nach einem Monat, wenn der Nachwuchs das Nest verlässt, übergibt das Männchen seine Beute auch direkt an die Jungen und beteiligt sich das Weibchen am Beutemachen. Einen weiteren Monat lang werden die flüggen Jungkäuze von den Eltern mit Nahrung versorgt. Zunächst lernen die Halbstarken, wie sie ihr Essen zerteilen müssen, dann versuchen sie selbst Beute zu machen. Da zu dieser Jahreszeit viele flügge Singvögel unterwegs sind, haben die Käuze reichlich Gelegenheit, das Schlagen von Beutetieren zu erlernen. Bis zum Herbst, wenn die Jungen geschlechtsreif werden, dulden die Eltern sie in ihrem Revier.
Sperlingskauz Glaucidium passerinum
Klasse Vögel
Ordnung Eulenvögel
Familie Eulen
Verbreitung Nadelwälder in Eurasien: von Frankreich bis Ostsibirien
Maße Länge: 16–18 cm; Spannweite: etwa 35 cm
Gewicht 60–100 g
Nahrung kleine Wirbeltiere, vor allem Mäuse und kleine Vögel
Geschlechtsreife mit 4 Monaten
Zahl der Eier 3–7
Brutdauer 4 Wochen
Höchstalter 7 Jahre
Der Kreuzschnabel: Nahrungsspezialist im Nadelwald
Innerhalb der Familie der Finken (Fringillidae) ist die Gattung der Kreuzschnäbel (Loxia) schon wegen der außergewöhnlichen Schnabelform eine Besonderheit. Im Lauf der Evolution haben diese Vögel eine erstaunliche Anpassung an ihren Nahrungserwerb vollzogen: Der Schnabel ist durch die Überkreuzung der Ober- und Unterhälfte zu einem idealen Werkzeug zum Knacken von Koniferenzapfen geworden.
Rechts- und Linksschnäbler
Wie es beim Menschen Rechts- und Linkshänder gibt, gibt es bei den Kreuzschnäbeln Rechts- und Linksschnäbler. Der Oberschnabel kann nach jeder der beiden Seiten über den Unterschnabel gekreuzt sein. Beide sind gleich gut zum Nahrungserwerb geeignet: Die Vögel stecken die gekreuzten Schnabelspitzen unter Zapfenschuppen, spreizen diese mit der Hebelwirkung des Schnabels sowie unter Hin- und Herbewegen des Kopfes ab und holen mit der Zunge die nahrhaften Samen aus dem Zapfen heraus. Dabei verfahren die Vögel, deren Oberschnabel nach links gekreuzt ist, spiegelbildlich zu den Rechtsschnäblern.
Nahrungserwerb ohne Konkurrenz
Während Kiefernzapfen sehr hart sind und derbe Zapfenschuppen aufweisen, sind die Zapfen von Fichten, Tannen und Lärchen wesentlich weicher. Entsprechend muss der Schnabel zum Erreichen der Nahrung angepasst sein. Da es in der Natur von großem Vorteil ist, sich auf eine Ressource zu spezialisieren, die von anderen Tierarten nicht genutzt werden kann, haben sich im Lauf der Evolution die entsprechenden Zapfenspezialisten herausgebildet.
Man unterscheidet den Kiefernkreuzschnabel (Loxia pytyopsittacus), den Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra), den Bindenkreuzschnabel (Loxia leucoptera) und den Schottischen Kreuzschnabel (Loxia scotica). Der Erste hat wegen der hartschuppigen Kiefernzapfen den dicksten und kräftigsten Schnabel. Er lebt hauptsächlich in trockenen Kiefernwäldern und ist nur selten mit anderen Kreuzschnabelarten vergesellschaftet, da jene mit ihren schwächeren Schnäbeln in diesem Lebensraum kein Auskommen finden. Der Fichtenkreuzschnabel besiedelt Fichtenwälder oder Nadelmischwälder, während der Bindenkreuzschnabel vorwiegend in Zirbelkiefern- und Lärchenwäldern anzutreffen ist.
Die Schnabelformen der Letztgenannten unterscheiden sich nicht so stark; mit ihren schmaleren Schnäbeln bearbeiten sie vor-zugsweise weichschuppige Zapfen. Wegen dieser Gemeinsamkeit sind diese beiden bei ausreichendem Nahrungsangebot häufig miteinander vergesellschaftet. Der kräftigere Schnabel des ausschließlich in Schottland vorkommenden schottischen Kreuzschnabels liegt in der Größe zwischen dem des Kiefern- und dem des Fichtenkreuzschnabels und zeigt eine deutliche Anpassung an die Zapfen der Schottischen Kiefer. Nur bei extremem Nahrungsmangel versuchen sich Kreuzschnäbel auch an anderen als den bevorzugten Zapfen oder fressen Bucheckern, Ahorn- oder Erlensamen sowie Blattknospen.
Zigeunervögel
Normalerweise handelt es sich bei den Kreuzschnäbeln um Stand- und nicht um Zugvögel. Besonders bei den Bewohnern des borealen Waldes kommt es wegen des schwankenden Nahrungsangebots aber häufig zu plötzlichen Wanderungen, die nicht vom Rhythmus der Jahreszeiten geprägt sind wie das normale Zugverhalten. Bei diesen sog. Zigeunervögeln endet die Wanderung nicht wie bei Zugvögeln in einem bestimmten Gebiet, sondern wird dort unterbrochen, wo das Nahrungsangebot gerade günstig ist. Derartige Massenwanderungen erregten schon zu früheren Zeiten einiges Aufsehen: Im Jahr 1251 berichtete der Chronist Matthew Paris von einer Kreuzschnabelinvasion in England, wo sich die Vögel in Ermangelung von Nadelbäumen an Apfelbäumen gütlich taten und die gesamte Apfelernte vernichteten.
Kreuzschnäbel Loxia
Klasse Vögel
Ordnung Sperlingsvögel
Familie Finken
Verbreitung gesamte Nordhalbkugel
Maße Länge: 15–18 cm
Gewicht etwa 40 g
Nahrung Samen aus Zapfen, auch Samen von Laubbäumen oder Blattknospen
Zahl der Eier 2–4
Brutdauer 14–16 Tage
Gemeinsame Brutfürsorge
Ist genügend Nahrung vorhanden, sorgen die Vögel für Nachwuchs – und zwar unabhängig von Jahreszeit und Temperatur. Entsprechend der Samenreife der Nadelbäume liegt die Hauptbrutzeit zwar im Frühjahr, sie kann sich aber auch in den Sommer und sogar in den Winter verschieben. In Russland wurden schon bei Außentemperaturen von –19 °C erfolgreich Bruten aufgezogen. Das gelingt nur durch die Zusammenarbeit beider Elterntiere: Das Weibchen muss in dem aus Gräsern, Moos und Flechten gefertigten Nest die Eier und dann die frisch geschlüpften Küken beständig wärmen, während das Männchen die Versorgung der Mutter und der Jungen übernimmt. Die Jungtiere müssen anschließend noch einige Wochen von den Eltern gefüttert werden, bis sie kräftig genug sind und gelernt haben, ihren Schnabel als Werkzeug zu benutzen.
Die Tannenmeise: agiler Höhlenbrüter mit gutem Gedächtnis
Die Familiengruppe der Meisen besteht aus den Schwanzmeisen (Aegithalidae), den Beutelmeisen (Remizidae) und schließlich den eigentlichen Meisen (Paridae). Deren wichtigste, weil umfangreichste Gattung sind die Waldmeisen (Parus). Diese im Vergleich zu anderen Singvögeln kleinen Tiere sind über weite Teile Eurasiens, Afrikas und Nordamerikas verbreitet.
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Typisch für die Tannenmeise: der weiße Fleck im Nacken
Weite Verbreitung
In ihrer Färbung ähnelt die Tannenmeise der bekannten Kohlmeise (Parus major), sie unterscheidet sich von dieser jedoch durch einen auffälligen weißen Fleck im Nackengefieder und die etwas verwaschenere, blassere Färbung. Auch das Verbreitungsgebiet beider Arten entspricht sich weitgehend: Es reicht von Nordafrika über das südliche Europa und Teile Asiens bis in den hohen Norden. Während die Kohlmeise aber Eichenmischwälder als Lebensraum bevorzugt, halten sich die Tannenmeisen vorwiegend in Nadelwäldern auf, insbesondere in Tannen- und Fichtenwäldern.
Konfliktvermeidung in Mangelzeiten
Dieser Lebensraum bietet den agilen Vögeln ein reichhaltiges Nahrungsangebot an Insekten und Spinnen. Mit Vorliebe fressen die Tannenmeisen Insekteneier; sie sind daher für die Gesunderhaltung des Ökosystems Wald von großer Bedeutung. Mit ihrem kurzen, harten Schnabel picken sie auch geschickt die Samen aus relativ weichen Tannen- und Fichtenzapfen. Dank ihrer kräftigen, kurzen Beine klettern sie auf der Jagd nach kleinen Beutetieren behände durchs Geäst. Wegen ihres geringen Gewichts können sie ihre Beute bis an die Spitzen kleiner Zweige verfolgen. Dies ist ein wesentlicher Vorteil in Gebieten, in denen mehrere Meisenarten vorkommen. Wenn das Nahrungsangebot z. B. in Wintermonaten nicht so reichlich ist, teilen die Meisen ihre Futterbäume in Zonen ein: Während die leichten Tannenmeisen an den Zweigspitzen hoch oben im Baum nach Nahrung suchen, halten die etwas schwereren Blaumeisen (Parus caeruleus) die mittleren Plätze auf den Ästen besetzt und die Weidenmeisen (Parus montanus) tun sich näher am Stamm gütlich.
Lebenswichtige Vorratshaltung
Das ist umso wichtiger, als diese lebhaften Vögel einen sehr hohen Grundumsatz haben und in kalter Umgebung ihre Körpertemperatur nur durch Aufnahme relativ großer Nahrungsmengen aufrechterhalten können.
Eine Meise kann innerhalb eines halben Tages verhungern, wenn sie in einer kalten Nacht viel Körperfett verbrennen musste, um nicht zu erfrieren. Die Tannenmeise beugt einer derart fatalen Situation vor, indem sie Nahrungsdepots anlegt. Sie versteckt dann Samen, aber auch tote Insekten hinter Borkenstückchen oder vergräbt sie im Moos. Das Problem ist allerdings, die Depots bei Bedarf wiederzufinden, was eine gute räumliche Orientierung und ein gutes Gedächtnis erfordert. In anatomischen Studien und mittels Verhaltenstests hat man herausgefunden, dass bei der sammelnden Tannenmeise im Vergleich zur nicht sammelnden Kohlmeise ein bestimmtes Hirnareal stark vergrößert ist, das ganz offensichtlich ein besseres Gedächtnis gewährleistet.
Mit dieser Befähigung können Tannenmeisen bei ausreichendem Nahrungsangebot sogar im Brutgebiet überwintern.
Zahlreiche Nachkommenschaft
Für einen typischen Höhlenbrüter wie die Tannenmeise ist der Nadelwald ein ausgezeichnetes Brutgebiet, da hier zwischen ausgefaulten Wurzelstöcken oder in Astlöchern viele natürliche Hohlräume zu finden sind und auch von anderen Tieren erschaffene Höhlen genutzt werden können. Dazu eignen sich kleine Spechthöhlen und vielfach auch Mauselöcher. In ihnen baut das Weibchen ein napfförmiges, gut mit Haaren und Federn als Wärmeschutz ausgekleidetes Moosnest. Ins Nest legt das Weibchen anschließend bis zu elf Eier.
Die Gelegegröße ist dabei von Faktoren wie der Siedlungsdichte, dem Nahrungsangebot und dem Alter des Weibchens abhängig. Da junge Weibchen mit zu vielen Nestlingen überfordert wären, haben sie in der Regel kleinere Gelege. Das Männchen versorgt das brütende Weibchen mit Nahrung und hilft auch bei der Versorgung der Jungen. Häufig schließt sich noch eine zweite Brut mit etwas weniger Eiern an. Dies ist notwendig, da der Nachwuchs bei Nahrungsmangel oder schlechter Witterung und wegen der vielen Feinde – u. a. Sperber, Eulen, Marder – meist stark dezimiert wird.
Borkenkäfer und andere Nadelholzschädlinge
Nadelbäume dominieren die Taiga und bilden in manchen Regionen sogar natürliche Monokulturen. Diese Artenarmut bietet immer wieder Angriffsfläche für Massen von Schädlingen. So kann es besonders nach natürlich auftretenden Waldschäden wie Windbruch zur Massenvermehrung von Borkenkäfern kommen. Auch in mitteleuropäischen Breiten sind sie als Forstschädlinge kommerzieller Fichtenmonokulturen gefürchtet und geächtet. Die Käferfamilie der Borkenkäfer (Ipidae [Scolytidae]) zählt zu den größten Schädlingen an Koniferen. Von den kleinen, meist kaum 1 cm großen, walzenförmigen Käfern sind weltweit rd. 4600 Arten bekannt.
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Larsson
Der Buchdrucker befällt meist alte, kranke oder vertrocknete Fichten.
Der bekannteste Borkenkäfer, der rd. 5 mm große Buchdrucker (Ips typographus), ist in ganz Eurasien bis nach Nordchina verbreitet und mit einigen Gattungsgenossen auch in Nordamerika vertreten. Normalerweise ist er ein sekundärer Schädling, der alte, kranke oder vertrocknete Fichten befällt. Nur wenn bei starker Vermehrung nicht genügend geschwächte Bäume vorhanden sind, greift er auch auf gesunde über. Das Männchen bohrt die Fichtenborke an und frisst eine rundliche sog. Rammelkammer ins Holz. Duftstoffe in seinem Kot locken die Weibchen an, die in der Kammer begattet werden. Jedes Weibchen legt von hier aus einen Muttergang an, so dass im Holz ein sternförmiges Muster entsteht. In seitliche Einschnitte legt jedes Weibchen rd. 60 Eier ab. Die schon bald schlüpfenden Larven nagen eigene, etwa 5 cm lange Gänge senkrecht zum Muttergang. Im verbreiterten Ende des Gangs verpuppt sich die Larve. Der geschlüpfte Käfer nagt zur Nahrungsaufnahme noch einen unregelmäßigen Gang durch das Holz, ehe er sich zum Ausfliegen ein Loch durch die Rinde beißt.
Häufig ist im selben Verbreitungsgebiet gleichzeitig der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) zu finden, der auch junge, gesunde Fichten befällt. Der Riesenbastkäfer (Dendroctonus micans) legt hauptsächlich in Fichten bis zu 60 Eier in Haufen ab.
Waldgärtner
Monogam lebt der Große Waldgärtner (Blastophagus piniperda) in paläarktischen Nadelwäldern. Bei dieser Käferart lockt ein Weibchen ein Männchen in die fertige Rammelkammer. Die befruchteten Eier werden anschließend in einen 15 cm langen Gang gelegt. Die geschlüpften Käfer fügen vor allem Kiefern durch Reifefraß in den Kronen Schäden zu. Junge Triebe höhlen sie so aus, dass sie beim nächsten Windstoß abbrechen. Daher der Name: Die geschädigten Bäume sehen aus wie vom Gärtner gestutzt. Der Lärchenborkenkäfer (Ipscembrae) schädigt auf ähnliche Weise seine namengebenden Brutbäume.
Borkenkäfer Ipidae
Klasse Insekten
Ordnung Käfer
Familie Borkenkäfer
Verbreitung weltweit
Maße Länge: 1 cm
Nahrung meist Holz oder Rinde, aber auch krautige Pflanzen, teilweise selbst eingeschleppte Pilze
Läuse aus Ananasgallen
Die zu den Blattläusen (Aphidina) gehörende Rote Fichtengallenlaus (Adelges laricis) bewirkt die Ausbildung von markanten Gallen am Ende von Fichtenzweigen. Bei der Eiablage abgesonderte Sekrete, die Pflanzenhormonen ähnliche Substanzen enthalten, führen zur Umprogrammierung der umliegenden Pflanzenzellen, so dass sie diese ungewöhnliche Gewebswucherung hervorbringen. Wegen ihrer stets gleichen spezifischen Form werden die bis zu 2 cm großen Pflanzengebilde auch Ananasgallen genannt. Sie enthalten in ihrem Inneren mehrere Larvenkammern. Die Larven sind dort gut geschützt und ernähren sich während ihrer Entwicklung von dem nahrhaften Gewebe ihrer Pflanzengalle. Die Rote Fichtengallenlaus ist sowohl in eurasischen als auch in nordamerikanischen Nadelwäldern beheimatet. Kleine erdbeerfarbene Gallen dagegen ruft die ebenfalls zirkumpolare Tannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae) an den Tannen Abies nordmanniana und Abies alba hervor.
Die Tiere der nordamerikanischen Taiga
An die arktische Tundrenzone schließt sich die Region der borealen Nadelwälder an. Die nordamerikanische Taiga ist mit einer Fläche von etwa 7 Mio. km2 eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete der Erde. Typisch für die Taiga sind kurze, stellenweise recht warme Sommer und lange, z. T. sehr kalte Winter, in denen die Taiga von einer geschlossenen Schneedecke bedeckt ist. Dann ist der karge Boden länger als ein halbes Jahr von lockerem, teils metertiefem Schnee bedeckt. Zahlreiche Säuger sind gut an den Wechsel der Jahreszeiten und die Kälte der langen Wintermonate angepasst.
Elche (Alces alces) sind die größten Weidegänger in den borealen Nadelwäldern. Im Sommer fressen sie Laub und Wasserpflanzen an den Ufern der Seen, im Winter ernähren sie sich hauptsächlich von Flechten, Zweigen und Knospen. Elchfleisch war seit jeher für das Überleben der Menschen in den entlegenen Gegenden der Taiga von entscheidender Bedeutung.
Nicht viel kleiner als der Elch ist ein anderer Weidegänger der Taiga: in Europa das Rentier (Rangifer tarandus) und in Nordamerika das eng verwandte Karibu (Rangifer tarandus caribou). Karibus legen von allen großen nordamerikanischen Landtieren die weitesten Wanderungen zurück. Sie bilden oft riesige Herden und sind ständig in Bewegung, um in diesen nahrungsarmen Regionen genug Futter zum Überleben zu finden. Im Frühwinter ziehen die Karibus aus ihren Sommerstreifgebieten in der Tundra nach Süden und suchen in der Waldtundra und in den nördlichen Rändern der flechtenreichen Taiga Zuflucht. Gegen Ende des Winters wandern sie meist in offenes Waldgebiet oder suchen Nahrung an riedbestandenen Seeufern oder vom Wind freigefegten Berghängen. Zu Beginn des Frühlings ziehen die Tiere dann zurück in die Tundra.
Wie Elche und Wapitis, eine Unterart des Edelhirschs, werden Karibus von Wölfen gejagt. Letztere sind allerdings nicht die größten Raubtiere der Taiga: Besonders an beerenreichen Stellen trifft man sehr oft auf Braun- und Schwarzbären.
In der Luft und zu Wasser
In der Taiga leben zahlreiche Vogelarten. Das ganze Jahr über trifft man hier auf Häher, Spechte, Eulenvögel und Raufußhühner. Zu den Tierarten, die vor dem langen Winter fliehen und nur den Sommer hier verbringen, gehören Eistaucher, Stockente, Kanadagänse und zahlreiche Singvögel. Der Sommer bringt darüber hinaus riesige Schwärme Blut saugender Insekten wie Stech- und Kriebelmücken, die Menschen und anderen großen Säugern das Leben zur Qual machen, aber als unerlässliche Nahrungsquelle für Vögel und Fische eine wichtige Funktion haben.
In den kühlen, tiefen Wassern der Taigaseen hat der Amerikanische Seesaibling (Salvelinus namaycush) seinen Lebensraum, in Bächen und Flüssen ist die Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) heimisch, die in Europa erfolgreich eingebürgert wurde. Im Frühjahr ziehen Lachse die Flüsse hinauf, um ihre Laichgebiete aufzusuchen. Früher wurden Weißfische in großer Zahl gefangen, aber aufgrund der zunehmenden Wasserverschmutzung geht der Ertrag besonders in den großen Seen inzwischen zurück. Insgesamt ist die Biomasse in der Taiga höher als in der Tundra, aber deutlich niedriger als z. B. in sommergrünen Laubwäldern.
Waldbison: Wiederbelebung eines fast ausgestorbenen Säugetiers
Die borealen Wälder des nordwestlichen Kanada und Alaska waren einst der Lebensraum einer großen Anzahl von Waldbisons (Bison bison athabascae). Heute leben allerdings nur noch wenige dieser nahen Verwandten des Präriebisons in kanadischen Nationalparks (vor allem in den Northwest Territories) – die Zahl der reinrassigen Waldbisons wird auf etwa 3000 geschätzt.
Hauptgefahr Mensch
Über die damals vorhandene Landbrücke der Beringstraße wanderten in der Eiszeit aus Eurasien stammende Vorfahren des Bisons nach Nordamerika ein. Hier entwickelten sie sich zu zwei Unterarten des Bisons (Bison bison): dem Prärie- und dem Waldbison. Bis zum Jahr 1800 stiegen die Bestände des Waldbisons auf rd. 170 000 Tiere an. Doch dann griff der Mensch ein: Die eingewanderten Europäer rotteten den Waldbison bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durch intensive Jagd nahezu aus. Nur eine Herde von rd. 300 Tieren überlebte. Daraufhin sprach die kanadische Regierung ein Jagdverbot auf Waldbisons aus, um die Art zu erhalten.
Allerdings wurden in den 1920er Jahren dann Präriebisons in der Region ausgesetzt, in der die wenigen verbliebenen Waldbisons lebten. In der Folge kam es zur Vermischung beider Arten, so dass Biologen schließlich davon ausgingen, dass der reinrassige Waldbison ausgestorben sei. Doch seit der sensationellen Entdeckung einer reinrassigen Herde von rd. 200 Tieren 1957 achten die Wildhüter heute verstärkt darauf, dass die Tiere sich nur unter ihresgleichen paaren. Trotz der Erholung der Bestände gilt der Waldbison noch immer als gefährdet.
Wald als Heimat
Anders als der Präriebison, der weite Graslandschaften bevorzugt, fühlt sich der Waldbison in den borealen Wäldern Nordamerikas am wohlsten. Allerdings ist er kein reiner Waldbewohner: Er sucht vor allem zum Fressen die inselhaft im Wald liegenden Tundraund Prärielandschaften im Norden und Süden auf. Seine Nahrung besteht vorwiegend aus Gräsern, aber er frisst auch Weidenblätter, junge Baumtriebe, Rinden und Flechten. Im Winter scharrt er mit seinen Hufen den Schnee beiseite, um an Gräser zu gelangen.
Im Gegensatz zu den Präriebisons, die sich häufig zu großen Herden zusammenschließen, lebt der Waldbison in kleineren Gruppen. Sie bestehen aus weiblichen und männlichen Tieren verschiedener Altersgruppen. Im Inneren eines Trupps halten sich zum Schutz vor Angreifern wie Wölfen oder Bären die Mutterkühe mit ihren Kälbern auf.
Waldbison Bison bison athabascae
Klasse Säugetiere
Ordnung Paarhufer
Familie Hornträger
Verbreitung Nadelwälder im Nordwesten Kanadas
Maße Kopf-Rumpf-Länge: bis 3,8 m
Standhöhe: etwa 1,8 m
Gewicht bis 800 kg
Nahrung Gräser, Blätter, Triebe, Rinde, Flechten
Geschlechtsreife mit 2 Jahren
Tragzeit 9 Monate
Zahl der Jungen 1
Höchstalter 20 Jahre
Wahre Giganten
Mit einer Länge von rd. 3,8 m, einer Höhe von etwa 1,8 m und einem Gewicht von ca. 800 kg sind die männlichen Waldbisons imposante Erscheinungen. Auch die etwas kleineren weiblichen Tiere sind – verglichen mit anderen Paarhufern wie Rindern – wahre Giganten. Waldbisons sind damit etwas größer als ihre nächsten Verwandten, die Präriebisons. Ihre Fellfarbe ist zudem von einem dunkleren Braun. Den Bullen fehlt weitgehend die für Präriebisons typische Behaarung an den Vorderbeinen, der Buckel hinter ihrem Kopf ist höher, ihr Bart läuft spitzer zu und ist im Ganzen etwas dünner als der der Präriebisons. Ihre Hörner (wobei Bullen wie auch Kühe Hörner besitzen) sind ein wenig länger. Im Gegensatz zu den Präriebisons, die früher jährliche, teils recht weite Wanderungen unternommen haben, sind Waldbisons vergleichsweise sesshaft. Die Unterschiede zwischen den beiden Arten sind insgesamt aber nicht besonders groß: Sie lassen sich problemlos miteinander kreuzen.
Geschlechtsreif mit zwei Jahren
Die weiblichen Waldbisons können im Alter von zwei Jahren trächtig werden; sie kalben in aller Regel mit drei Jahren zum ersten Mal. Auch die Bullen werden mit zwei Jahren geschlechtsreif; da sie jedoch in den Rangkämpfen mit den älteren und stärkeren Bullen noch nicht mithalten können, paaren sie sich selten vor Ablauf ihres sechsten Lebensjahres. Diese Rangkämpfe finden in der Brunftzeit zwischen Juli und September statt. Die Bullen belassen es nicht bei Drohgebärden wie Scharren, Brüllen oder Stampfen, sie kämpfen teils heftig miteinander, so dass mancher unterlegene Rivale Wunden davonträgt. Nach der Paarung des ranghöchsten Bullen mit den Kühen seiner Herde dauert es neun Monate, bis jede Kuh ein Kalb zur Welt bringt. Dieses kann gleich mit der Herde mitlaufen. Nach einer Säugezeit von etwa sieben Monaten wird es schließlich entwöhnt, bleibt aber weiterhin bei seiner Herde.
Wapitis: Grasfresser zwischen Berg und Tal
Wapiti – so lautet der alte indianische Name für die nordamerikanischen Unterarten des Rothirsches. Er bedeutet so viel wie weißes Hinterteil, eines der Kennzeichen der Wapitis. Die imposanten Wiederkäuer leben vor allem in den Gebirgsregionen im westlichen Nordamerika, dort insbesondere in den Rocky Mountains.
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Röhrendes Wapitimännchen
Die in Nordamerika lebenden Wapitis sind direkte Nachfahren der Rothirsche (Cervus elaphus) Europas und Asiens. Aufgrund der Unterschiede zu den eurasischen Rothirschen nahmen Biologen lange an, dass es sich bei den Wapitis um eine eigene Art handele, doch heute herrscht Konsens darüber, dass sie ebenfalls zu den Rothirschen gehören. Wahrscheinlich wanderten die ersten eurasischen Rothirsche während der Eiszeiten vor rd. 120 000 Jahren über die zugefrorene Beringstraße nach Nordamerika aus. Hier entwickelten sie sich weiter, so dass sie sich heute in einigen Merkmalen von ihren eurasischen Verwandten unterscheiden. So sind Wapitis größer; die Schulterhöhe der männlichen Tiere beträgt etwa 1,5 m, ihre Rumpflänge 2,7 m und sie erreichen ein Gewicht von bis zu 400 kg.
Flexibilität hilft beim Überleben
Wapitis sind anpassungsfähige Tiere, die auch in anderen Regionen und Klimaten Nordamerikas, wie z. B. in den trockenen Tälern Mittelkaliforniens, vorkommen. Ihre große Anpassungsfähigkeit zeigt sich u. a. in der Vielfalt ihrer Nahrung. So fressen sie mehr als 70 Grassorten, über 100 unterschiedliche Pflanzen, aber auch Zweige, Nadeln oder Blätter. Im Winter, wenn die Nahrung knapp ist, stehen auch Moose, Rinde und Flechten auf dem Speiseplan. Für die harten Lebensbedingungen der nordamerikanischen Taiga sind sie so bestens gerüstet.
Nutzen für die Umwelt
Wapitis spielen eine wichtige Rolle für die Natur. Die Tiere, die jeden Tag zwischen 6,8 kg und 12 kg Nahrung zu sich nehmen, sorgen durch ihren immensen Appetit für ein besseres und artenreicheres Pflanzenwachstum. Ebenso sorgen Wapitis für eine bessere Durchlüftung des Bodens, da sie ihn mit ihren Hufen praktisch »durchpflügen«.
Gewaltige Geweihe
Zu den hervorstechendsten Merkmalen der männlichen Wapitis gehört ihr Geweih, das bis zu 18 kg schwer und etwa 1 m lang werden kann. Die Bullen werfen es Anfang jeden Jahres ab, wenn der Testosteronspiegel im Blut sinkt. Dieses männliche Hormon steuert das Wachstum des Geweihs; wenn der Testosteronspiegel kurze Zeit nach dem Abwerfen des alten Geweihs wieder steigt, sprießt allmählich auch ein neuer Kopfschmuck. Das Wapiti-Geweih wächst im Sommer rd. 2 cm pro Tag. Das Geweih dient nicht nur als Waffe bei Rangkämpfen, ein ausladender Kopfschmuck zeigt auch, dass ein Bulle in der Lage ist, die besten Futterplätze ausfindig zu machen, denn das Geweihwachstum erfordert die Aufnahme großer Mengen Mineralstoffe. Zudem ist es im Hochsommer eine natürliche Klimaanlage. Zirkuliert das Blut durch die Sprossen, kühlt es ab und senkt die Körpertemperatur.
Die Bullen mit den prächtigsten Geweihen sind meistens auch diejenigen, die im September/Oktober von den Wapiti-Kühen zur Paarung auserwählt werden.
Wapiti Cervus elaphus
Klasse Säugetiere
Ordnung Paarhufer
Familie Hirsche
Verbreitung Gebirgsregionen im nordamerikanischen Westen
Maße Kopf-Rumpf-Länge: bis 2,7 m, Standhöhe: Männchen 1,5 m
Gewicht Männchen bis 400 kg
Nahrung Gräser, Kräuter, Moose, Flechten, Zweige, Blätter
Geschlechtsreife mit 2 Jahren
Tragzeit etwa 235 Tage
Zahl der Jungen 1, selten 2
Höchstalter 20 Jahre
Der Mink: seidenweiche Jagd unter Wasser und zu Lande
Der Mink, auch als Amerikanischer Nerz oder Vison bekannt, ist ein an Wasser gebundener Marder, der in Nordamerika von der Ost- bis zur Westküste und von Alaska bis Florida weit verbreitet ist. Das dichte und seidenweiche, dunkel- bis schwarzbraune Fell ist allerdings vielen der Marder zum Verhängnis geworden: Der amerikanische Vertreter der Nerze ist der Hauptlieferant der begehrten Nerzpelze. Heute stammen fast alle Nerzpelze aus speziellen Zuchtfarmen, wo unzählige der in der freien Natur sehr bewegungsfreudigen Minke ein erbärmliches Dasein fristen. Jedes Jahr werden mehr als 20 Mio. Nerzfelle in den Industriekäfigen »produziert«, davon mehr als die Hälfte in den skandinavischen Ländern.
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Mink bei der Fischjagd
Klasse Säugetiere
Ordnung Raubtiere
Familie Marder
Verbreitung gewässerreiche Nadel- und Mischwälder Nordamerikas
Maße Kopf-Rumpf-Länge: 30–50 cm, Schwanzlänge: bis 23 cm
Gewicht 0,7–2,3 kg
Nahrung Insekten, Schnecken, Reptilien, Vögel, kleine Säugetiere, Fische
Geschlechtsreife Weibchen mit 12, Männchen mit 18 Monaten
Tragzeit 35–70 Tage
Zahl der Jungen 2–10, meist 6
Höchstalter 8 Jahre
Die Gewässer in den weiten Wäldern Nordamerikas bilden den Lebensraum des semiaquatisch lebenden Minks (Mustela vison). Er bewohnt dicht bewachsene Uferregionen von Flüssen und Seen, wo er ausreichend Unterschlupfmöglichkeiten im Dickicht findet. Mit seiner lang gestreckten und kurzbeinigen Gestalt erinnert der Mink an einen Iltis. Er ist jedoch einheitlich braun gefärbt und trägt lediglich an der Körperunterseite und unter dem Kinn einige weißliche Flecken, wie der Europäische Nerz (Mustela lutreola).
Unterwasserjäger mit Fernortung
Wie sein europäischer Vetter ist der Mink in seiner Lebensweise eng an das Wasser gebunden. Obwohl er nicht über ausgeprägte Schwimmhäute zwischen den Zehen, verschließbare Ohren- und Nasenöffnungen und einen kräftigen Ruderschwanz verfügt, ist der Mink ein hervorragender Schwimmer und Taucher. Zugute kommen ihm dabei neben seinem dichten, Wasser abweisenden Fell die besonders langen Tasthaare (Vibrissen) an der Schnauze, die ihm sozusagen als »Ferntastsinn« dienen. Oft sitzt der Mink auf einem über die Wasseroberfläche ragenden Ast und streckt seinen Kopf flach über den Wasserspiegel vor. Die Spitzen der Tasthaare tauchen dabei ins Wasser ein und registrieren jede Bewegung und Strömungsänderung unter der Oberfläche. Hat er einen Fisch, Frosch oder Krebs ausgemacht, stößt er sich blitzschnell mit seinen Hinterpfoten ab und schießt wie ein Torpedo durchs Wasser. Dann schleppt er den Fang ans Ufer, um ihn dort in Ruhe zu fressen. Sogar wenn im Winter im Norden seines Verbreitungsgebiets die Gewässer zugefroren sind, begibt sich der Mink auf Unterwasserjagd. Dabei legt er tauchend unter der Eisschicht erstaunlich weite Strecken zurück.
Breites Beutespektrum
Doch nicht nur zu Wasser, auch an Land bewegt sich der sowohl tagsüber als auch nachts aktive Mink sehr wendig. Dank seiner sehr biegsamen Wirbelsäule und der kräftigen kurzen Beine erweist er sich auch am Boden als geschickter Jäger. Sein Beutespektrum variiert je nach Lebensraum und jahreszeitlichem Angebot: Es reicht von Insekten und Schnecken über Reptilien und Vögel bis zu kleineren Säugetieren wie Bisamratten. Bisweilen fällt er auch in die Brutkolonien von Seeschwalben, Möwen oder Watvögeln ein. Im Winter stöbert der Mink sogar unter der Schneedecke Wühlmäuse auf, zugleich seine Hauptbeute an Land. Während der kalten Jahreszeit ist sein Haarkleid besonders dicht und Wasser abweisend.
Ein Leben ohne festen Partner
Zur Fortpflanzungszeit (Ranz) im Februar und März streifen die Rüden auf der Suche nach einem paarungswilligen Weibchen – einer brünstigen Fähe – kilometerweit auch in fremden Revieren umher, denn die Amerikanischen Nerze bilden keine festen Paare. In der ersten Maihälfte bringt die Fähe zwischen zwei und zehn, meist jedoch sechs Junge zur Welt. Die Aufzucht ist allein ihre Angelegenheit. Erst nach etwa 30 Tagen öffnen sich die Augen der bei der Geburt nur knapp 10 g wiegenden, völlig hilflosen Welpen. Kurz darauf verlassen sie erstmalig ihr geschütztes Nest und schon bald beginnen sie zu schwimmen und zu tauchen. Wenn die Jungen etwa vier Monate alt sind, suchen sie sich eigene Reviere.
Nordamerikanischer Fischotter: ein eleganter Wassermarder
Der Nordamerikanische Fischotter bewohnt nahezu alle fischreichen, ungestörten Gewässer in Nordamerika. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Alaska bis Labrador und reicht bis zu den Südstaaten der USA. Da jedoch aufgrund der allgemeinen Gewässerverschmutzung die Fischbestände seit vielen Jahren stetig sinken, findet auch der Fischotter vielerorts nicht mehr ausreichend Nahrung. Ein Übriges richtet die Lebensraumzerstörung durch die Befestigung und Bewirtschaftung von Flussufern oder Trockenlegung von Feuchtgebieten an. Daraufhin sind in manchen Regionen die Bestände stark zurückgegangen. Mit Wiedereinbürgerungsprogrammen soll der Fischotter hier wieder angesiedelt werden.
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Motycka
Ein Fischotter lauert auf Beute.
Ausgestattet für ein Leben im Wasser
Im Unterschied zu den übrigen Vertretern aus der Familie der Marder (Mustelidae) weisen Otter (Unterfamilie Lutrinae) zahlreiche Anpassungen auf, die sie für ein Leben im Wasser prädestinieren. Zwischen den Zehen spannen sich Schwimmhäute, mit denen sich die Otter durch paddelnde Bewegungen an der Wasseroberfläche fortbewegen. Zum Tauchen legen sie die Beine an und verschaffen sich durch Schläge ihres muskulösen Schwanzes Antrieb. Beim Wechsel zwischen Wasser und Luft können sich die Augen sekundenschnell an die verschiedenen Brechungsverhältnisse des Lichts anpassen. Die sensiblen Barthaare teilen den Tieren jede Strömungsveränderung im Wasser mit. Außerdem können bei den Tauchgängen Nasen- und Gehöröffnungen verschlossen werden. So vermag der Nordamerikanische Fischotter bis zu acht Minuten unter Wasser zu bleiben.
Im Jagdrausch
Der Nordamerikanische Fischotter (Lutra oder Lontra canadensis) ist deutlich größer und dunkler gefärbt als sein eurasischer Vetter (Lutra lutra). Von Uferplätzen aus lauert er seiner Beute auf und lässt sich, wenn er einen Fisch bemerkt, lautlos ins Wasser gleiten. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd packt er seine Beute und bringt sie an Land, um sie dort zu verzehren. Neben Fischen kommen auch Krebse, Schlangen, Vögel und Säugetiere als Beute in Betracht. Der Nordamerikanische Fischotter gerät gelegentlich in einen regelrechten Jagd- und Tötungsrausch, wenn er ein Überangebot an Beutetieren vorfindet. Was in der Natur so gut wie nie vorkommt, findet der Fischjäger in teichwirtschaftlich betriebenen Gewässern vor: Beute in großer Dichte, die ihm nicht entkommen kann. Wie in seinem natürlichen Lebensraum bringt er jeden erbeuteten Fisch an Land, seine angeborenen Instinkte lassen ihn jedoch nicht eher ruhen, bis er alle erreichbaren Fische getötet hat.
Rodelvergnügen im Schnee
Wie alle Otter sind auch die Nordamerikanischen Fischotter für ihre große Spielfreude bekannt. Neben ausgiebigen Verfolgungsspielen und Balgereien an Land und im Wasser lieben sie es, rutschige oder mit Schnee bedeckte Hänge kopfüber bäuchlings herunterzurutschen. Auch auf zugefrorenen Seen nehmen die Otter gern Anlauf und gleiten über die Eisfläche. Nicht selten können die Tiere gar nicht genug von den Rutschpartien bekommen.
Nordamerikanischer Fischotter Lutra canadensis
Klasse Säugetiere
Ordnung Raubtiere
Familie Marder
Verbreitung saubere fischreiche Gewässer in Nordamerika
Maße Kopf-Rumpf-Länge: bis 1 m
Gewicht 8–9 kg
Nahrung kleine Fische, auch Krebse, Insekten, kleine Nagetiere und Vögel
Geschlechtsreife Männchen mit 2, Weibchen mit 3 Jahren
Tragzeit 60–65 Tage
Zahl der Jungen 2–3, selten 4
Höchstalter etwa 20 Jahre
Aufzucht als Nachmieter
Ihren Nachwuchs ziehen die Fischotter am liebsten in einem verlassenen Bisamrattenoder Biberbau auf. Hier bringt das Weibchen zwischen Februar und April zwei bis drei etwa 100 g schwere Junge zur Welt – nicht ohne zuvor das Männchen aus dem Bau vertrieben zu haben. Etwa zwei Monate versorgt es allein den Nachwuchs. Dann erst stößt der Rüde wieder zu seiner Familie und beteiligt sich an der Aufzucht.
Wie alle Marderwelpen sind auch die Jungen des Nordamerikanischen Fischotters Nesthocker. Sie öffnen erst mit 30 Tagen ihre Augen und verlassen erstmals um die fünfte Lebenswoche den Bau. Im Spätherbst ist der Nachwuchs selbstständig und jedes Familienmitglied geht nun seinen eigenen Weg.
Nordamerikanischer Baumstachler (Urson): ein wehrhafter Einzelgänger
Den Namen Urson verdankt der Nordamerikanische Baumstachler seinem bärenartigen Aussehen: Ursus bedeutet »Bär«. Tatsächlich erinnert der Baumbewohner bisweilen an einen kleinen Bären, wenn er im Geäst klettert. Sträubt er allerdings sein dichtes Fell, so kommt ein Stachelkleid zum Vorschein, das ihn recht wehrhaft gegenüber Angreifern macht. Ein ausgewachsener Urson kann bei einer Körperlänge von bis zu 1 m ein Gewicht von 14 kg erreichen.
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Ein Urson im Geäst
In Bäumen zu Hause
Die Nagetierfamilie der Baumstachler (Erethizontidae) kommt ausschließlich auf dem amerikanischen Doppelkontinent vor. Der ehemals nur Wälder mit überwiegend Nadelholzbestand bewohnende Urson (Erethizon dorsatum) lebt heute in einem Verbreitungsgebiet, das sich von der Waldtundra und der Taiga Alaskas bis nach Mexiko erstreckt. Der Urson ist trotz seiner Kurzsichtigkeit ein äußerst geschickter Kletterer. Als Anpassung an die überwiegend kletternde Lebensweise sind seine kurzen Beine sehr kräftig ausgebildet. Die Sohlen der großen Füße sind unbehaart und verschaffen ihm durch Wülste und Hautfalten guten Halt im Astwerk. Die Zehen tragen lange gebogene Krallen, die zusätzlich für einen sicheren Griff sorgen.
Schmerzhafte Erfahrung für Angreifer
Weil die Bewegungen des Baumstachlers eher zeitlupenhaft sind, könnte man meinen, er sei ein leichtes Opfer für Raubtiere – aber weit gefehlt. Unter seinem langen, steifen und etwas abstehenden Deckhaar verbergen sich an Rumpf und Schwanz gefährliche Verteidigungswaffen: etwa 30 000 dicke, rd. 8 cm lange, mit Widerhaken versehene Stacheln. Wenn sich ein Urson bedroht fühlt, richtet er diese auf. Weicht der Angreifer nicht zurück, so dreht er sich blitzschnell um und schlägt mit seinem gut 20 cm langen stachelbesetzten Schwanz zu. Die Stacheln dringen durch den Keulenschlag tief in das Fleisch des Angreifers ein, lösen sich ab und bleiben stecken. Durch die Widerhaken bohren sie sich sogar mit jeder abwehrenden Bewegung noch tiefer in das Gewebe hinein. Gelingt es dem so abgewehrten Angreifer nicht, diese Stacheln zu entfernen, wandern sie mit gut 2 cm pro Tag durch seinen Körper – eine äußerst schmerzhafte Tortur, die ihn zukünftig einen weiten Bogen um den wehrhaften Nager machen lässt.
Nordamerikanischer Baumstachler Erethizon dorsatum
Klasse Säugetiere
Ordnung Nagetiere
Familie Baumstachler
Verbreitung Waldgebiete Nordamerikas von Alaska bis Mexiko, auch Kulturlandschaften
Maße Kopf-Rumpf-Länge: bis 1 m
Gewicht bis 14 kg
Nahrung überwiegend Blätter und Rinde
Tragzeit 7 Monate
Zahl der Jungen 1
Höchstalter 18 Jahre
Nachtaktiver Einzelgänger
Den Tag verschläft der nachtaktive Einzelgänger meist in Erdbauten, hohlen Baumstümpfen oder Felsspalten. Nachts begibt er sich in Bäumen auf die Suche nach Nahrung, die hauptsächlich aus Blättern und Rinde, aber auch Früchten und frischen Trieben besteht. Als guter Schwimmer nimmt er im Sommer zudem gern Teichpflanzen zu sich. Die Winternahrung bilden fast ausschließlich Borke und Nadeln.
Ursons bewohnen als Einzelgänger Gebiete von rund 10 ha Größe. Trotz ihrer eher behäbigen Fortbewegungsweise unternehmen sie weite Wanderungen zu neuen Nahrungsgründen. Abgeschälte Bäume und stark riechende Urinsignale markieren die Wechsel und festen Futterbäume. Auch zum Auffinden eines passenden Geschlechtspartners legt der Urson häufig weite Strecken zurück. Vor der Paarung wird das Weibchen vom Männchen über und über mit Urin bespritzt.
Verwandte der Meerschweinchen
Nach einer Tragzeit von etwa 200 Tagen kommt in einer Baumhöhle nur ein, allerdings recht großes und bereits gut entwickeltes Junges zur Welt. Schon bald nach der Geburt kann es selbst klettern und nimmt neben der Muttermilch feste Nahrung zu sich. Und sogar die Verteidigung durch Aufstellen des Stachelkleids funktioniert schon nach wenigen Lebenstagen.
Zwar bestehen die Stacheln der Baumstachler wie bei den eigentlichen Stachelschweinen aus umgebildeten Körper- und Schwanzhaaren, aber die der Baumstachler sind deutlich kürzer und sehen anders aus. Auch von ihrem gesamten Erscheinungsbild sind die Tiere den altweltlichen Stachelschweinen nicht allzu ähnlich und leben auch nicht wie diese auf dem Boden. Die sehr klettergewandten Baumbewohner werden heute in die Meerschweinchenverwandtschaft gestellt, deren Wurzeln in Südamerika liegen.
Das Tannenhuhn: genügsam und kältefest
Als Vertreter der Raufußhühner (Tetraonidae) ist das Tannenhuhn (Falcipennis canadensis) ein typischer Bewohner des Nordens; es ist in den dichten Nadelwäldern des nördlichen Nordamerika zu Hause. In diesem von starken jahreszeitlichen Schwankungen mit teils recht warmen Sommern und harten, schneereichen Wintern geprägten Lebensraum verbringen die Vögel das ganze Jahr. Um unter diesen Bedingungen zu überleben, haben Tannenhühner spezielle anatomische, physiologische und verhaltensbiologische Anpassungen entwickelt.
Während viele andere Vogelarten nur den Sommer in den nördlichen Nadelwäldern verbringen und vor Einbruch des Winters in den wärmeren Süden ziehen, sind die Tannenhühner als Standvögel für die kalte Jahreszeit gut gerüstet: Ihr Federkleid ist sehr dicht, sogar die Nasenlöcher sind mit Federn bedeckt und auch die Läufe sind befiedert (»Raufuß«). Zudem tragen Tannenhühner an jeder Zehe zwei Kämme aus seitlich herausragenden Hornplättchen. Diese sog. Balzstifte sind kurze Federn ohne Federfahnen, die im Frühjahr abgeworfen werden und bis zum Wintereinbruch wieder nachgewachsen sind. Während die »Federunterhosen« Auskühlung verhindern, sorgen die Balzstifte dafür, dass die Vögel im tiefen Schnee nicht so leicht einsinken. Auch erleichtern sie das Graben im Schnee, eine wichtige Anpassung, denn so können sich Tannenhühner die isolierende Eigenschaft des Schnees zunutze machen: Zum Schutz vor Kälte bauen sie sich Höhlen unter der Schneedecke, um bei Annäherung eines Raubfeindes ungehindert flüchten zu können.
Karge Kost
Tannenhühner ernähren sich im Winter hauptsächlich von Koniferennadeln, vor allem Fichte (englisch »spruce«, daher auch Spruce Grouse) und Kiefer. Diese Nahrung ist schwer verdaulich: Koniferennadeln enthalten wenig Energie, dafür viel Zellulose und Abwehrstoffe (Öle und Harze), die sie für andere Vögel und Säuger ungenießbar oder gar giftig machen. Tannenhühner haben einen großen Kropf und einen Muskelmagen, den sie mangels Zähnen mit Quarzsteinchen füllen, um die Nahrung mechanisch zu zerkleinern. In ihrem besonders langen Darm und Blinddarm werden die harten Zellulosezellwände der Nadeln durch symbiontisch lebende Bakterien zersetzt und entgiftet.
Tannenhühner wechseln zwischen Winterund Sommerhabitat, die oft kilometerweit auseinanderliegen. In der wärmeren Jahreszeit, wenn die Balz sowie Jungenaufzucht viel Energie kosten, ergänzen Tannenhühner ihre Kost durch zucker- und eiweißreiche Beeren, Knospen und Blätter.
Brütende Weibchen: nur nicht auffallen
Kaum ist die Schneeschmelze vorbei, wetteifern die Hähne, die etwas auffälliger gefärbt und größer sind als die Hennen, bei der Balz lautstark um Partnerinnen. Nach der Paarung ist die Henne jedoch auf sich allein gestellt, der Hahn beteiligt sich nicht an der Aufzucht der Jungen.
Tannenhühner nisten einzeln; sie haben ein Gelege pro Jahr. Die in ihrem bräunlichen Gefieder gut getarnte Henne baut ihr Nest meist versteckt im Unterholz oder unter tief hängenden Zweigen – deshalb bevorzugen Tannenhühner in der Regel jüngere Wälder, wo die Äste noch bis zum Boden reichen – und füllt es mit vier bis zehn Eiern. Im Gegensatz zu den balzenden Hähnen verhält sich die Henne zudem sehr still, um keine Räuber auf sich und ihr Gelege aufmerksam zu machen.
Die Küken sind Nestflüchter und fressen energiereiche tierische Nahrung, vor allem Insekten. So wachsen sie rasch heran und stellen sich erst im Herbst auf die Kost aus Koniferennadeln um.
Dank ihrer großen Gelege haben Tannenhühner ein recht hohes Fortpflanzungspotenzial. In der Regel entscheiden die Witterungsverhältnisse darüber, ob viele oder nur wenige Küken durchkommen; das führt regional zu starken Schwankungen der Populationsdichte.
Ein wichtiges Glied der Nahrungskette
Tannenhühner spielen in den nördlichen Nadelwäldern als Beutetiere für Fleischfresser eine wichtige Rolle. Sie werden von Kojoten, Luchsen, Füchsen, Eulen und Greifvögeln erbeutet und auch von der einheimischen Bevölkerung wegen ihres wohlschmeckenden Fleisches als Jagdwild geschätzt, wobei ihnen ihre geringe Menschenscheu den Spitznamen »Fool Hen« – »dummes Huhn« – eingebracht hat. Der Tannenhühnerbestand gilt als nicht gefährdet, doch im südlichen Teil ihres Verbreitungsgebietes ist ihr Lebensraum durch Abholzung, Straßenbau und eine wachsende Freizeitindustrie bedroht.
Tannenhuhn Falcipennis canadensis
Klasse Vögel
Ordnung Hühnervögel
Familie Raufußhühner
Verbreitung Nadelwälder des nördlichen Nordamerika
Maße Länge: 38–43 cm
Nahrung Kiefern-, Tannenund Fichtennadeln, Beeren, Knospen, Blätter
Zahl der Eier 4–10
Brutdauer 3 Wochen