MONOTONE NADELWÄLDER

Heimat für Spezialisten

Botanisch betrachtet prägt Monotonie das Bild der Taiga, denn die borealen Nadelwälder des Nordens sind ausgesprochen artenarm. So findet man zwischen Skandinavien und Ostsibirien über tausende von Quadratkilometern immer die gleichen Bäume. Der Grund für diese Eintönigkeit ist aber nur allzu verständlich, wenn man bedenkt, mit welchen klimatischen Schwierigkeiten die Pflanzen in diesem Gebiet zu kämpfen haben. Schließlich handelt es sich bei der Taiga um ein Ökosystem, das sich bis in die Regionen jenseits des nördlichen Polarkreises hinzieht, in denen auch der Kältepol der Nordhalbkugel liegt. Aus diesem Grund schwanken die Temperaturen dieses Gebietes während eines Jahres auch zwischen –50 und +35 °C, und die Vegetationsperiode dauert durchschnittlich nur etwa 150 Tage. Mit diesen schwierigen Bedingungen kommen nur ganz bestimmte Pflanzen zurecht, so dass wir in der Taiga sehr spezialisierte Arten finden.

Inhalt

Dunkle Wälder, unendliche Moore

Das Birkhuhn: Balz im Morgengrauen

Die Waldeidechse: in vielen Biotopen zu Hause

Moorfrösche: Überleben in saurem Milieu

Blickpunkt: Leben an Flüssen und Seen

Sibirischer Winkelzahnmolch: Ein Lurch trotzt der Kälte

Störe: Kaviar und mehr

Einzigartiger Baikalsee

Die Baikalrobbe: ein Meeressäuger im Süßwasser

Der Große Ölfisch: nur im Baikalsee zu Hause

Dunkle Wälder, unendliche Moore

Auch wenn die Taiga überwiegend aus endlosen Wäldern besteht, gibt es doch auch beiderseits der Beringstraße immer wieder Gebiete, in denen die Monotonie der Nadelbaumherrschaft durch einen anderen Landschaftstyp unterbrochen wird. Ein Beispiel sind die unzähligen Moorbiotope, die in vielen Regionen recht häufig zu finden sind. Der Hauptgrund dafür ist das kalt-humide Klima, bei dem die Niederschlagsmenge höher ist als die Verdunstungsrate. So machen im finnischen Teil der Taiga die Moore oder die im Übergangsbereich zwischen Wald und Moor liegenden Gebiete etwa 40–60 % der Gesamtfläche aus. In einigen Taigaregionen wird die Landschaft außerdem durch viele große und kleine Seen geprägt, wie z. B. in Finnland. Außerdem gibt es in der Taiga Hochgebirgsregionen, etwa die Nordausläufer der Rocky Mountains in Kanada und Alaska oder die vergletscherten Gebirgsrücken in Skandinavien.

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Tundra im Denali-Nationalpark in Alaska

Im Finsterwald

Als dunkle Fichtentaiga wird ein vom äußersten Nordosten Europas bis nach Westsibirien verbreiteter Waldtyp bezeichnet, bei dem die Bäume so eng stehen, dass die Kronen aneinanderstoßen. In Nordeuropa ist die Gemeine Fichte (Picea abies) die vorherrschende Baumart dieser Wälder; weiter östlich wird sie durch die Sibirische Fichte (Picea obovata) abgelöst, wobei solche Bestände oft noch mit Sibirischen Zirbelkiefern (Pinus cembra), Sibirischen Tannen (Abies sibirica) und Sibirischen Lärchen (Larix sibirica) durchsetzt sind.

In einigen Taigawäldern wachsen die spitzkronigen Bäume so dicht nebeneinander, dass manchmal ein Kronenschluss von 70 % erreicht wird. Dadurch gelangt nur noch wenig Licht in Bodennähe, so dass größere Sträucher in diesen Wäldern zumeist fehlen. Dies hat aber nicht allein mit den Lichtverhältnissen zu tun, sondern häufig spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle, etwa die Verfügbarkeit von Wasser, Besonderheiten des Klimas mit unterschiedlich hohen oder niedrigen Temperaturen, die Bodenbeschaffenheit des jeweiligen Standortes und vor allem auch die Konkurrenz anderer Pflanzen.

Dafür gibt es in der Regel eine Kleinstrauch- und eine Krautschicht, die aber beide nicht sehr üppig ausgebildet sind. Zu den typischen Arten, die in diesen Taigawäldern vorkommen, gehören Heidel- (Vaccinium myrtillus) und Preiselbeeren (Vaccinium vitis-idaea) sowie das Schattenblümchen (Maianthemum bifolium), das Moosauge (Moneses uniflora), der Siebenstern (Trientalis europaea) und der Waldsauerklee (Oxalis acetosella). Außerdem gibt es eine Reihe Orchideen, darunter der Blattlose Widerbart (Epipogium aphyllum), die Korallenwurz (Corallorhiza trifida), das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) und die Nestwurz (Neottia nidus-avis). Fast immer sind auch Farne und Bärlappe vorhanden, etwa der Dornige Wurmfarn (Dryopteris carthusiana), der Eichenfarn (Gymnocarpium dryopteris) und Buchenfarn (Thelypteris phegopteris) sowie Sprossender Bärlapp (Lycopodium annotinum) und Gemeiner Flachbärlapp (Lycopodium complanatum).

Am üppigsten wachsen in der dunklen Fichtentaiga allerdings Moose, die den gesamten Boden häufig in einer Schicht bedecken, die eine Dicke von 30–40 cm erreichen kann. An Stellen mit besonders hohem Grundwasserstand, an denen sich die Fichten nicht optimal entwickeln können, hat die Moosschicht manchmal eine Mächtigkeit von bis zu 80 cm, wobei sich solche Wälder oft schon im Übergang zur Vermoorung befinden. Ist dieser Prozess schon sehr weit fortgeschritten, treten vermehrt Torfmoosarten (Sphagnum spec.) auf.

Nährstoffarmut und Permafrost

Die in einigen Regionen Eurasiens ebenfalls weit verbreiteten Kiefernwälder werden normalerweise als lichte Taiga bezeichnet. Hier dominiert die Gemeine Kiefer (Pinus sylvestris), die auch auf nährstoffarmen Sandböden vorkommt, wobei diese sowohl trocken als auch feucht sein dürfen. Auf nährstoffreicheren Böden wachsende Kiefernwälder zeigen in ihrer Gliederung zahlreiche Übereinstimmungen mit dem Aufbau der Fichtenwälder, während in nährstoffarmen Wäldern mit flachgründigem Boden über alten, kristallinen Gesteinen oder sehr trockenem Sandboden kaum noch Unterwuchs vorhanden ist. Der Grund ist auch hier die starke Konkurrenz der Baumwurzeln, so dass man an solchen Stellen oft nur noch Strauchflechten findet, die das benötigte Wasser aus der Luft aufnehmen können. Typische Arten dieser Standorte sind die Rentierflechte (Cladonia rangiferina) und das Isländisch Moos (Cetraria islandica).

Die dritte Hauptgruppe bilden die Wälder der hellen Lärchentaiga, die teilweise gewaltige Ausmaße haben. Allein in Sibirien sind Gebiete von etwa 2,5 Mio. km2 mit den sommergrünen Lärchen bedeckt, was rund einem Viertel der Gesamtfläche Europas entspricht. Vor allem in Ostsibirien ist die Lärchentaiga die vorherrschende Waldform, wobei die Dahurische Lärche (Larix dahurica) mit ihrem flachgründigen Wurzelsystem besonders gut an den dort vorherrschenden Dauerfrostboden (Permafrost) angepasst ist, der auch im Sommer kaum mehr als 1 m auftaut.

Das Unterholz ist in solchen Wäldern recht gut entwickelt. Häufig vorkommende Arten sind der Sibirische Wacholder (Juniperus sibirica) und die Mandelrose (Rosa acicularis), man findet aber auch Preiselbeeren, Sibirische Waldrebe (Clematis sibirica) sowie verschiedene Bärlapparten. Auf feuchteren Böden sind vor allem Sumpfporst (Ledum palustre) und Rauschbeere (Vaccinium uliginosum) zu finden; außerdem ist die Moosschicht hier gut entwickelt. Typisch ist, dass Lärchen an solchen Standorten oft Adventivwurzeln besitzen, also sprossbürtige Wurzeln, die ihnen das Überleben in feuchter Umgebung erleichtern.

Trügerischer Untergrund

Moore können sich in vielen Regionen der Taiga aus mehreren Gründen besonders gut entwickeln. So lassen die in den borealen Wäldern weit verbreiteten Podsolböden mit ihrer Ortsteinschicht das Wasser nur schlecht durch, so dass sich Niederschläge aufstauen. Ortstein ist ein durch Eisen- und Humusanreicherung steinhart verfestigter Teil der Podsole. Aber auch wenn diese Schicht fehlt oder nur schwach ausgebildet ist, kann das Wasser oft nicht versickern, weil die Böden lange gefroren sind. Dazu kommt, dass es in der Taiga viel flaches Gelände mit einem hohen Grundwasserspiegel gibt, was die Moorbildung begünstigt, besonders wenn der Abfluss in Flüsse und Bäche erschwert ist. Abhängig von der Herkunft des Wassers lassen sich die meisten Moore der borealen Nadelwaldzone zwei Hauptformen zuordnen, den topogenen und den ombrogenen Mooren. Eine Voraussetzung für die topogenen Moore (Niedermoore) ist ein hoher Grundwasserspiegel. Man findet sie daher häufig in Senken und Tälern oder in Quellgebieten. Die Vegetation kann – abhängig vom jeweiligen pHWert des Wassers – etwas unterschiedlich sein. So kommen in Mooren mit kalkreichem Wasser hauptsächlich Seggen wie die Fadensegge (Carex lasiocarpa) vor, aber auch das Zierliche Wollgras (Eriophorum gracile) und verschiedene Moose sind zu finden. An bestimmten Stellen wachsen die Strauchbirke (Betula humilis) und unterschiedliche Weidenarten (Salix spec.). Dagegen findet man in den artenärmeren Mooren mit saurem Grundwasser überwiegend Torfmoose, beispielsweise das Gekrümmte Torfmoos (Sphagnum fallax) oder das Spitzblättrige Torfmoos (Sphagnum cuspidatum).

Bei ombrogenen Mooren (Hochmooren) stammt das vorhandene Wasser ausschließlich aus Niederschlägen (Regenmoore). Weil solche Biotope sehr nährstoffarm und zudem sauer sind, wachsen dort in der Hauptsache Torfmoose, die am unteren Ende ständig absterben, so dass sich die Mooroberfläche nach und nach erhöht. Da die Erhöhung im Zentrum zumeist am stärksten ist, entstehen häufig Hochmoore mit einer typischen uhrglasförmigen Wölbung, die bei großen Mooren bis 10 m hoch sein kann.

Blütenpflanzen findet man in ombrogenen Mooren vergleichsweise selten. In den Senken wachsen manchmal die Blasenbinse (Scheuchzeria palustris) oder die Schlammsegge (Carex limosa). Auf erhöhten Standorten findet man das Scheidige Wollgras (Eriophorum vaginatum), einige Zwergsträucher wie Moos- (Vaccinium oxycoccos) oder Rauschbeere, aber auch sog. Insekten fressende Pflanzen wie den Sonnentau (Drosera spec.) und in Nordamerika vor allem die Rote Schlauchpflanze (Sarracenia purpurea).

Flechten trotzen dem eisigen Wind

Die Hochgebirgsregionen der Taiga weisen gegenüber anderen Gebirgen einige Besonderheiten auf. So fällt der Neuschnee des Frühwinters in den Alpenregionen normalerweise auf einen Boden, der noch nicht gefroren ist. Und da die Schneedecke den Untergrund während des gesamten Winters bedeckt, herrschen unter dieser isolierenden Schicht in der Regel Temperaturen von etwa 0 °C, so dass die Vegetation sowohl vor Frostschäden, aber auch vor Frosttrocknis geschützt ist.

In den meisten Hochgebirgsregionen der Taiga sind die Voraussetzungen wegen der Permafrostbedingungen völlig anders. Dort fällt der Schnee fast immer auf bereits gefrorenen Boden, der natürlich auch unter einer Schneedecke nicht wieder auftaut. Außerdem sind viele der Gebirgsregionen vergleichsweise niederschlagsarm, so dass die Schneedecke nicht sehr dick ist. Dazu kommt, dass die Winterstürme in den Hochgebirgen der borealen Nadelwälder häufig viel stärker sind als in den Alpen und die vorhandene Schneedecke dadurch an vielen Stellen zusätzlich vom Wind abgetragen wird, ebenso wie eventuell vorhandene Feinerde. Dadurch fehlt den Pflanzen nicht nur die Wachstumsgrundlage, sondern die Wirkung des strengen Frostes ist außerdem so stark, dass die meisten Arten unter diesen Bedingungen nicht existieren können. Daher findet man in den Taigagebirgen zumeist auch keine dichten Pflanzenmatten wie in den Alpen, sondern in der Hauptsache Felsen bewohnende Flechten.

Das Birkhuhn: Balz im Morgengrauen

Das Balzritual, das Birkhähne im zeitigen Frühjahr auf baumlosen Moorflächen oder Waldlichtungen aufführen, gilt als eines der ungewöhnlichsten Schauspiele in der Vogelwelt. Typischerweise umkreisen sich die großen, laut kollernden Vögel dabei mit schleifenden Flügeln und aufgefächertem Schwanz, um von Zeit zu Zeit merkwürdig anmutende, von zischenden Lauten begleitete Sprünge zu machen.

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Das Birkhuhn bevorzugt offene, locker mit Gebüsch und Bäumen durchsetzte Landschaften.

Nächte im Schnee

Das Birkhuhn (Lyrurus tetrix) gehört zur Familie der Raufußhühner (Tetraonidae), wobei sich der Familienname auf die Befiederung der Läufe und Füße bezieht – eine Anpassung an die kalten Temperaturen ihrer Heimat. Die Art hat ein sehr großes Verbreitungsgebiet: Es reicht von Westeuropa bis zur Halbinsel Kamtschatka in Sibirien. Hier sind die Vögel hauptsächlich in Mooren, Heidelandschaften und lichten Birkensümpfen heimisch, aber auch in Waldgebieten mit vielen Freiflächen sowie in einigen Gebirgsregionen. Birkhühner nehmen vor allem pflanzliche Kost zu sich. Dazu gehören junge Triebe, Knospen und Blätter, im Spätsommer und Herbst auch Früchte und Samen. Allerdings verschmähen sie auch Insekten oder Würmer nicht. In schneereichen Wintern bleibt ihnen allerdings oft keine andere Wahl, als mit den Nadeln verschiedener Koniferen vorliebzunehmen. Bei besonders strengem Frost scharren sich die Tiere nachts häufig Schneehöhlen aus oder lassen sich einschneien, um sich vor der extremen Kälte zu schützen. In Mitteleuropa sind Birkhühner durch starke Bejagung, aber auch durch die Zerstörung von Moor und Heidelandschaften inzwischen selten geworden, während man sie in der Einsamkeit der Taigalandschaft noch recht häufig antrifft.

Die bis zu 50 cm großen und maximal 1500 g schweren Hähne erkennt man an ihrem schwarzblauen Gefieder mit großen, lyraförmig geschwungenen Schwanzfedern, weißen Unterschwanzdecken und einem weißen Flügelband. Außerdem bekommen sie zur Balzzeit leuchtend rote nackte Augenwülste, die »Rosen«. Die Hennen sind kleiner und unscheinbarer braun-schwarz gefärbt.

Begehrte Plätze im Zentrum der Arena

Im Frühjahr versammeln sich die Hähne schon vor dem Morgengrauen zur gemeinschaftlichen Balz auf einem freien Platz, wo der Wettstreit um die Gunst der Weibchen ausgetragen wird. Dabei halten sich die stärksten und farbenprächtigsten Hähne stets in der Mitte dieser Balzarena auf, während die jüngeren Tiere ihre Tänze am Rand aufführen müssen. Manchmal finden sich auf solchen Balzplätzen, die oft über Jahre hinweg benutzt werden, bis zu 50 Tiere ein. Doch es gibt auch Hähne, die ihr Glück in einsamer Einzelbalz versuchen.

Bei der Balz recken die Hähne Kopf und Hals und sträuben das Gefieder. So wirken sie für die Scheingefechte mit ihren Rivalen größer. Außerdem blasen sie ihren Halsluftsack auf, der dazu dient, die Balzlaute zu verstärken. Die durch das laute Kollern und Zischen der Hähne angelockten Hennen suchen sich nach Möglichkeit einen ranghohen Partner aus, so dass besonders junge Hähne oft keine Partnerin finden.

Nach der Paarung legt die Henne bis zu zehn Eier in eine gut ausgepolsterte Bodenmulde, und brütet sie etwa drei bis vier Wochen lang allein aus. Die Nester werden gern zwischen Zwergsträuchern angelegt, wo die unauffälligen Weibchen gut getarnt sind. Die Jungen sind am Boden zahlreichen Gefahren ausgesetzt, können jedoch bereits nach ungefähr 15–20 Tagen fliegen und sich dann allein vor Füchsen oder Mardern in Sicherheit bringen. Junge Birkhühner suchen zuerst unter Anleitung ihrer Mutter nach Futter, wobei auch Junghähne zur besseren Tarnung anfangs das unscheinbare Gefieder der Hennen besitzen. Im Herbst ändert sich ihr Federkleid, sie brauchen aber anschließend noch Jahre, bis sie zu einem stattlichen, ranghohen Hahn herangewachsen sind.

Birkhuhn Lyrurus tetrix

Klasse Vögel

Ordnung Hühnervögel

Familie Raufußhühner

Verbreitung Moore und Heidelandschaften von Westeuropa bis zur sibirischen Halbinsel Kamtschatka

Maße Länge: bis 50 cm

Gewicht bis 1,5 kg

Nahrung junge Triebe, Knospen, Blätter, Früchte, Samen, auch Insekten und Würmer

Zahl der Eier 6–10

Brutdauer 24–29 Tage

Grunzende Mischlinge

Ziemlich erstaunlich ist die Tatsache, dass es Kreuzungen zwischen Birkhühnern und den sehr viel größeren, aber nah verwandten Auerhühnern gibt – und zwar nicht nur bei Tieren in Menschenobhut, sondern ungeachtet der doch sehr unterschiedlichen Balz auch in der Natur. Die Nachkommen einer solchen Verbindung nennt man Rackelhühner. Allerdings sind »Fehltritte« dieser Art nicht sehr häufig, so dass es schon etwas ganz Besonderes ist, einmal einem Rackelhuhn im natürlichen Lebensraum zu begegnen. In Wildgehegen oder Zoos kann man solche Tiere dagegen häufiger finden.

Rackelhähne sind normalerweise graubraun bis dunkelbraun und mit etwa 75 cm sowie einem Gewicht von 2000–2500 g etwas größer als Birkhähne. Während der Balz geben die Vögel raue, schnarrende Laute von sich, die einem Grunzen ähneln und sich deutlich von den Balzlauten des Birkhahns unterscheiden. Aus der Natur sind bisher nur Kreuzungen von Auerhenne und Birkhahn bekannt, die man früher übrigens für steril hielt, was aber nicht zutrifft. Zumindest die Rackelhähne sind durchaus zeugungsfähig und pflanzen sich in der Natur auch regelmäßig mit Birkhennen fort.

Die Waldeidechse: in vielen Biotopen zu Hause

Die Waldeidechse hat ein riesiges Verbreitungsgebiet – eines der größten aller Eidechsen. So kommen die Tiere von Bulgarien im Südosten und Nordspanien im Südwesten Europas bis nach Skandinavien vor, wo man sie sogar in der Nähe des Polarkreises findet. Noch gewaltiger ist aber die Ausdehnung ihres Lebensraumes von Westen nach Osten, denn dieses Gebiet erstreckt sich von Schottland und Irland bis in die sibirische Tundra.

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Waldeidechse beim Sonnenbad

Von der Meeresküste bis ins Hochgebirge

Waldeidechsen (Lacerta vivipara) sind schlanke, 16 bis 18 cm große Reptilien mit einem lang gestreckten Rumpf, kurzen Beinen und einem kräftigen Schwanz. Beide Geschlechter haben einen bräunlichen Rücken mit unregelmäßigen hellen oder auch dunklen Flecken und Längsbinden; die Männchen erkennt man daran, dass Kehle und Hals bläulich, hellrot oder weißlich sind und der Bauch eine gelbliche bis orangerote Färbung mit kleinen dunklen Flecken aufweist. Dagegen ist die Unterseite der Weibchen normalerweise weißlich, grau oder gelb und höchstens im Bereich des Schwanzes dunkel gepunktet. Die Waldeidechsen gehören zur Familie der Echten Eidechsen (Lacertidae), ebenso wie die meisten anderen bei uns heimischen Eidechsen. Bevorzugte Lebensräume der sehr anpassungsfähigen Waldeidechse sind Wälder mit Lichtungen und Schneisen; man findet die Echsen aber auch in Mooren, Sumpfgebieten, auf nicht zu trockenen Wiesen, in Dünenbiotopen, an Wegrändern, in Heidegebieten sowie auf Böschungen und an Hängen. In Gebirgsregionen wie in den Alpen und den Karpaten hat man die Tiere bis in Höhen von 2500 m nachgewiesen, wobei sie sich in diesen Ökosystemen gern auf Blockschutthalden und Grasflächen mit vielen Steinen oder Felsbrocken aufhalten. Dort kann man gelegentlich auch mehrere Tiere beim Sonnenbaden auf einem größeren Stein beobachten, denn die Art zeigt kein sehr ausgeprägtes Territorialverhalten.

Gute Augen und Ohren

Zur Beute der flinken Reptilien gehören hauptsächlich Insekten und deren Larven sowie Spinnen und Würmer. Wie fast alle Echsen hat die Waldeidechse ausgezeichnete Augen, die ihr die Jagd erleichtern, viele Beutetiere werden auch mithilfe des guten Gehörs geortet. Die Tiere müssen gut sehen und hören, um sich rechtzeitig vor ihren zahlreichen Feinden in Sicherheit bringen zu können. Zu diesen zählen vor allem Schlangen wie die Kreuzotter (Vipera berus) und die Schlingnatter (Coronella austriaca).

Variable Fortpflanzungsstrategie

Je nach Verbreitungsgebiet endet der Winterschlaf der Waldeidechse zwischen Februar und Juni, wodurch auch der Beginn der Paarungszeit sehr unterschiedlich ist. So setzt die Fortpflanzungsaktivität der Echsen in Mitteleuropa normalerweise im April oder Mai ein, während dies in Nordeuropa und in Sibirien erst mehrere Wochen später der Fall ist. Zur Paarungszeit wird die Färbung der männlichen Tiere zumeist etwas intensiver und kontrastreicher, und es kommt nun auch häufig zu Kämpfen zwischen einzelnen Männchen.

Die Waldeidechsen gehören zu den Reptilien, die lebende Junge zur Welt bringen. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zur Embryonalentwicklung der Säugetiere, denn die Keimlinge werden nicht direkt vom Muttertier versorgt, sondern sie ernähren sich vom vorhandenen Eidotter. Der Vorteil liegt darin, dass sich der Keim gut geschützt im Körper des Weibchens entwickelt. Es kommt erst zur Eiablage, wenn die Jungtiere voll entwickelt sind. Nachdem die Eihülle geplatzt ist, bringen sich die jungen Eidechsen sofort in Sicherheit und suchen nach Futter.

Um derart weit in die kalten Gebiete des Nordens und Ostens vordringen zu können, war aber noch eine zusätzliche Anpassung notwendig. Gemeint ist eine verzögerte Eiablage. Während in Mitteleuropa lebende Exemplare dieser Reptilien ihre Jungen nach einer Entwicklungszeit von ca. drei Monaten zwischen Juli und September zur Welt bringen, werden die Jungen der Waldeidechsen aus den kälteren Regionen erst im darauffolgenden Frühsommer geboren. So bleibt ihnen vor dem stets früh hereinbrechenden Winter und der damit erzwungenen Ruhephase noch genug Zeit, heranzuwachsen und sich einen ausreichenden Fettvorrat anzufressen.

Die Anzahl der Jungen ist meist vom Alter und der Größe des Weibchens abhängig. Ältere Weibchen haben manchmal bis zu 15 Nachkommen, während es bei jüngeren Tieren oft nur drei bis vier sind. Die Jungechsen besitzen eine braune bis schwärzliche Rückenfärbung, die häufig einen leichten Bronzeschimmer zeigt; der Bauch ist dunkelgrau bis bläulich, manchmal auch grün. Mit drei Jahren nehmen die Jungtiere dann die Färbung der Eltern an.

Waldeidechse Lacerta vivipara

Klasse Kriechtiere

Ordnung Schuppenkriechtiere

Familie Eidechsen

Verbreitung weite Teile Eurasiens

Maße Länge: 16–18 cm

Gewicht 3–5 g

Nahrung Insekten, Spinnen, Würmer

Tragzeit 3 Monate

Zahl der Jungen 3–12, selten bis 15 (lebend gebärend)

Höchstalter 7 Jahre

Moorfrösche: Überleben in saurem Milieu

Die Taiga, wo es in manchen Frostnächten –40 °C oder noch kälter werden kann, ist kein idealer Lebensraum für Amphibien. Dennoch findet man hier Lurche, die sich an diese extremen Bedingungen anpassen konnten. Zu ihnen gehört der Moorfrosch, dessen Verbreitungsgebiet von Mitteleuropa bis ins östliche Sibirien reicht. Seinen Namen verdankt er dem Umstand, dass er zu den wenigen Amphibien gehört, die sich so gut an die sauren Moorgewässer angepasst haben, dass sie sich dort sogar fortpflanzen können.

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Der Waldfrosch verträgt nicht so viel Kälte wie der Moorfrosch.

Überwinterung im Schlamm

Außer in Mooren kommt der Moorfrosch (Rana arvalis) auch noch auf Feuchtwiesen, in Bruchwäldern sowie in anderen Feuchtgebieten vor. Außerhalb der Paarungszeit lebt er vor allem an Land, wo er sich nachts auf die Suche nach Würmern, Spinnen, Insekten oder Schnecken macht. Normalerweise bleibt er immer in der Nähe von Gewässern, in deren Schlamm er auch überwintert.

Der Moorfrosch gehört zur Familie Ranidae (Echte Frösche), ist also mit dem bei uns häufigen Grasfrosch (Rana temporaria) verwandt, dem er außerhalb der Paarungszeit auch recht ähnlich sieht. Moorfrösche erreichen eine Länge von 5–7 cm; beide Geschlechter sind oberseits normalerweise bräunlich gefärbt, während der Bauch weiß bis gelblich ist. Allerdings ist die Färbung der Tiere sehr variabel, so dass es auch rötlich gefärbte Exemplare gibt oder solche mit einer fast schwarzen oder zumindest stark schwarz gefleckten Oberseite. Typisch sind außerdem eine helle Längsbinde und gut ausgebildete Drüsenleisten auf dem Rücken.

Paarungsrufe im himmelblauen Gewand

Die Männchen besitzen Schallblasen, die sie im Frühjahr zum Anlocken der Weibchen einsetzen. Allerdings sind diese nicht ausstülpbar wie bei vielen anderen Fröschen, so dass der nicht allzu laute Ruf eher an das Blubbern einer untergetauchten Flasche erinnert, aus der die Luft entweicht. Das typischste Merkmal des Moorfrosches ist aber sicher, dass sich die Männchen zur Paarungszeit leuchtend himmelblau verfärben. Dieser Farbwechsel kommt dadurch zustande, dass eine Flüssigkeit mit farbigen Pigmenten in spezielle Lymphräume unter der Haut gepumpt wird. Allerdings verblasst der auffällige Glanz innerhalb von wenigen Tagen wieder.

Nach der Paarung im Frühjahr, die abhängig vom Verbreitungsgebiet zu etwas unterschiedlichen Zeiten stattfinden kann, werden bis zu 2000 Eier im Laichgewässer abgelegt. Die Verwandlung der Kaulquappen zu Jungfröschen beginnt je nach Art des Gewässers nach zwei bis drei Monaten. So dauert die Entwicklung der Larven beispielsweise in saurem, nahrungsarmen Moorwasser deutlich länger als in anderen Gewässern, aber auch die jeweiligen klimatischen Bedingungen können eine Rolle spielen. Wenn der pH-Wert eines Laichgewässers allerdings unter 4 liegt, kommen selbst beim Laich des Moorfrosches zumeist keine oder nur noch sehr wenige Eier zur Entwicklung. Früher war der Moorfrosch auch in Mitteleuropa nicht selten, während er heute nur noch an vergleichsweise wenigen Stellen vorkommt.

Waldfrosch: der Vetter aus Nordamerika

Auf der anderen Seite der Beringstraße, in Nordamerika, nimmt der Waldfrosch (Rana sylvatica) die Stelle des Moorfrosches ein, denn er kommt ebenfalls bis weit in den Norden der borealen Nadelwälder vor. Nicht selten nutzen die Tiere sogar noch Tümpel in der Tundra Alaskas zur Eiablage. Auch ihr Laich kann sich, genau wie der des Moorfrosches, noch in vergleichsweise saurem Wasser entwickeln. Beide Arten ähneln sich zudem in Größe und Aussehen, wobei man die Waldfrösche bei genauerer Betrachtung an einem zusätzlichen dünnen, dunkelbraunen Streifen erkennen kann, der von der Schnauze zum Auge verläuft. Dass die Tiere die kalten Regionen im Norden besiedeln, ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sie bei sinkenden Temperaturen den Glucosegehalt ihres Blutes deutlich erhöhen können. So beginnt die Leber des Waldfrosches schon im Spätherbst mit der Produktion von zusätzlichen Zuckermolekülen, wodurch sich der Blutzuckerspiegel im Verlauf der folgenden Wochen bis auf das 250fache des normalen Werts erhöht. So wird der Gefrierpunkt des Blutes deutlich herabgesetzt und die Kältetoleranz vergrößert.

Waldfrösche gehören zu den sog. Explosivlaichern, bei denen alle paarungswilligen Tiere fast gleichzeitig in einem Gewässer erscheinen und ihren Laich in großen Ballen ablegen, die aus bis zu 3000 einzelnen Eiern bestehen. Manchmal ist die gesamte Eiablage nach einer Nacht beendet und der Tümpel schon am nächsten Tag wieder verwaist. Normalerweise erfolgt das Ablaichen im zeitigen Frühjahr, und die braunschwarzen Kaulquappen entwickeln sich dann mit den steigenden Temperaturen. Aber selbst wenn das Laichgewässer noch einmal zufriert, schlüpfen viele Kaulquappen. Normalerweise ist die Entwicklung der Larven nach etwa zwei Monaten abgeschlossen. Sollte das in einem Jahr aufgrund besonders ungünstiger Witterungsumstände nicht möglich sein, können die Larven sogar überwintern. Doch trotz dieser eigentlich guten Anpassung an ihren extremen Lebensraum beträgt die Ausfallrate bei den Nachkommen der Waldfrösche oft bis zu 95 %.

Moorfrosch Rana arvalis

Klasse Lurche

Ordnung Froschlurche

Familie Echte Frösche

Verbreitung Feuchtgebiete von Westeuropa bis Ostsibirien

Maße Länge: 5–7 cm

Nahrung Insekten, Würmer, Spinnen, Schnecken

Zahl der Eier 500–2000 je Laichballen

Höchstalter etwa 10 Jahre

Leben an Flüssen und Seen

Das Leben in und an den Flüssen Sibiriens stellt die meisten Pflanzen und Tiere vor ganz besondere Herausforderungen. Das beginnt schon damit, dass sogar die Fließgewässer viele Monate im Jahr von einer dicken Eisschicht bedeckt sind. Aber auch im Frühjahr, wenn das Eis zu schmelzen beginnt, verbessern sich die Lebensbedingungen kaum. Besonders gilt das für die viele tausend Kilometer langen Ströme wie Ob, Jenissej oder Lena, die von Süden quer durch den Kontinent ins Nordpolarmeer fließen. In ihnen türmen sich nun im Unterlauf gewaltige Eisdämme auf, weil das Eis in den südlichen Quellflüssen früher schmilzt als in der nordsibirischen Ebene. Dadurch kommt es an den Ufern regelmäßig zu gewaltigen Überschwemmungen. Einige Zeit später beginnen dann die aufgestauten Eisblöcke unter dem Druck der ständig nachströmenden Wassermassen mit lautem Getöse zu bersten und das Wasser schießt mit rasender Geschwindigkeit in Richtung Meer. Aber auch im vergleichsweise ruhigen Taigasommer ist das Leben an den Flüssen nicht einfach, weil wegen des Dauerfrostbodens eine räumliche Veränderung des Flussbettes kaum möglich ist und es beispielsweise keine Altarme gibt, die als Laichgewässer für Fische oder als Nahrungsund Ruheplätze für andere Tiere zur Verfügung stehen. Und im Herbst sind dann schon wieder Überschwemmungen an der Tagesordnung.

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Blick auf die Seenlandschaft bei Kangasala in Finnland

Fastfood für die Bären

Im Norden Amerikas ist die Landmasse von zwei großen Ozeanen begrenzt, die fast 5000 km voneinander entfernt liegen. Zwischen beiden Küsten verlaufen Gebirgszüge, die als Wasserscheide fungieren, so dass ein Teil der Flüsse in den Atlantik mündet, der andere in den Pazifik.

Und das lässt sich manchmal sogar an den Tieren erkennen, die in solchen Flüssen leben. Ein Beispiel dafür sind die Lachse. So verbringt der Atlantische Lachs den größten Teil seines Lebens im Atlantik, bevor er dann zum Ablaichen in die Flüsse aufsteigt, die in den Atlantik fließen. Dagegen findet man die pazifischen Lachse, etwa den Quinnat (Oncorhynchus tschawytscha), nur in Flüssen, die in den Pazifik münden.

Den zahlreichen Braunbären, die sich zur Lachswanderung an den Flüssen des amerikanischen Nordens einfinden, ist es allerdings gleichgültig, ob es sich bei ihrer Beute um atlantische oder pazifische Lachse handelt. Das gilt auch für den riesigen Kodiakbären (Ursus arctos middendorffi), eine Unterart des Braunbären, der fast 800 kg schwer und 3 m groß werden kann. Die gewaltigen Tiere ernähren sich den größten Teil des Jahres überwiegend von Gräsern und Wurzeln, um sich im Frühjahr, wenn die Lachse wandern, in unersättliche Fischfresser zu verwandeln.

Seen ohne Schilfgürtel

Neben vielen großen und kleinen Flüssen gibt es im Bereich der borealen Nadelwälder aber auch unzählige Seen. In einigen Taigaregionen wird die Landschaft sogar regelrecht durch Seen geprägt, etwa in Teilen Finnlands, wo nach dem Abschmelzen der Eismassen am Ende der letzten Eiszeit Zehntausende von Seen zurückblieben. Und da die meisten Taigaseen sehr nährstoffarm sind und einen großen Teil des Jahres außerdem vergleichsweise niedrige Temperaturen herrschen, die den Stoffabbau verlangsamen, ist die Verlandung der Seen nur gering. Im Uferbereich findet man dort vor allem Schachtelhalme (Equisetum spp.) und große Seggen, z. B. die Schnabel-Segge (Carex rostrata). Schilfarten fehlen, weil sie mehr Wärme benötigen.

Auf dem nordamerikanischen Kontinent gibt es im Bereich der borealen Nadelwälder ebenfalls zahlreiche sehr große Seen. Dazu gehört im Übergangsbereich von Taiga und Tundra der Große Bärensee – mit einer Fläche von über 30 000 km2 der achtgrößte See der Erde. Sein sehr kaltes Wasser ist bis zu acht Monate im Jahr zugefroren und daher vergleichsweise fischarm. Der weiter südlich liegende Große Sklavensee erreicht nicht die Ausmaße des Bärensees, ist dafür aber etwas fischreicher, wobei Forellen (Salmo spp.) und Renken (Coregonus spp.) die häufigsten Arten sind.

Sibirischer Winkelzahnmolch: Ein Lurch trotzt der Kälte

Sibirische Winkelzahnmolche haben ein riesiges Verbreitungsgebiet, denn sie kommen von der russischen Republik Komi diesseits des Ural bis nach Kamtschatka und Sachalin im Osten sowie von Nordsibirien bis hinunter nach Iran und nach Afghanistan vor. Außerdem überschreitet die Art als einziger Schwanzlurch den 66. Grad nördlicher Breite, so dass man die Tiere beispielsweise auch in der Gegend von Werchojansk in Ostsibirien findet.

Sibirischer Winkelzahnmolch Hynobius keyserlingii

Klasse Lurche

Ordnung Schwanzlurche

Familie Winkelzahnmolche

Verbreitung Norden des asiatischen Teils Russlands, japanische Nordinsel Hokkaido

Maße Länge: Männchen 16 cm, Weibchen 13 cm

Nahrung Insekten und Würmer

Geschlechtsreife mit 2–3 Jahren

Zahl der Eier 20–80

Höchstalter 30 Jahre (in Kältestarre bis 100 Jahre)

Verlangsamte Lebensfunktionen

Der Sibirische Winkelzahnmolch (Hynobius keyserlingii) hat zwar große Ähnlichkeit mit den bei uns heimischen Molchen, etwa dem Teichmolch (Triturus vulgaris), wird aber in eine sehr viel urtümlichere Gruppe gestellt, die man als Niedere Schwanzlurche (Unterordnung Cryptobranchoidea) bezeichnet. Der Teichmolch gehört dagegen zu den Höheren Schwanzlurchen (Salamandroidea). Es handelt sich um schlanke, höchstens 16 cm große Lurche mit einem seitlich zusammengedrückt wirkenden Körper und 13–15 auffälligen Rippenfurchen. Auf dem Rücken verläuft eine helle, meist bronzefarbene Längsbinde; die Flanken sind etwas dunkler gefärbt und weisen im unteren Bereich ein helles Punktmuster auf, während der Bauch grau gefleckt ist.

Die Winkelzahnmolche sind hervorragend an die in ihrem Lebensraum sehr niedrigen Wintertemperaturen angepasst. So überleben die Tiere Frostperioden mit Werten unter –40 °C in einer Kältestarre mit herabgesetztem Stoffwechsel. Man hat schon Tiere tief im sibirischen Dauerfrostboden gefunden, die nach jahrelanger Starre ihr normales Leben wieder aufnahmen, sobald man sie an die Erdoberfläche gebracht hatte. Als ein solches, in 8 m Tiefe gefundenes Exemplar mithilfe der Radiokarbonmethode auf sein Alter hin untersucht wurde, stellte man Erstaunliches fest: Der Molch, der sich sehr lange im Zustand der Kältestarre befunden haben musste, war zwischen 75 und 100 Jahre alt. Tiere, die jedes Frühjahr aus der Starre erwachen, leben höchstens 20–30 Jahre.

Versteckte Lebensweise

Außerhalb der Paarungszeit lebt der Sibirische Winkelzahnmolch sehr versteckt an feuchten Plätzen, unter Blättern, Baumwurzeln und Steinen, wobei der Unterschlupf sich meist nicht sehr weit entfernt von einem Gewässer befindet. Die behäbigen Amphibien, die schon herumzukriechen beginnen, wenn die Temperatur auf gerade einmal 1 °C ansteigt, ernähren sich hauptsächlich von Insekten und Würmern, denen sie normalerweise in den Abend- und frühen Morgenstunden nachstellen. Bei Regenwetter kann man sie aber auch tagsüber auf der Nahrungssuche antreffen. Ihre Beute finden die Tiere vor allem dank ihres guten Geruchssinns, denn die Augen sind klein und nicht sehr leistungsfähig, und das Gehör ist ebenfalls schwach entwickelt. Die Larven besitzen zusätzlich ein Seitenliniensystem, mit dem sie Druckschwankungen im Wasser wahrnehmen können. Auf diese Weise spüren sie Beutetiere auf, die sich bewegen, oder bemerken die Annäherung eines Räubers.

Fortpflanzung im Schmelzwasser

Zur Fortpflanzung suchen die Tiere oft schon während der Schneeschmelze ihre Laichgewässer auf. Häufig sind die Gewässer um diese Zeit noch von Eisresten bedeckt und weisen Temperaturen um den Gefrierpunkt auf. Daher müssen die Eier der Winkelzahnmolche recht unempfindlich gegen Kälte sein; sie überstehen sogar kurzzeitiges Einfrieren im Eis. Vor der Eiablage sucht sich das Weibchen eine Wasserpflanze mit größeren Blättern oder auch einen ins Wasser gefallenen Zweig, an dem es unter heftigem Winden und Strecken des gesamten Körpers einen 5–6 cm langen Laichsack mit 20–80 Eiern ablegt. Diese ungestümen Bewegungen sind das Zeichen für alle in der Nähe lauernden Männchen, sich auf das Gelege zu stürzen und die Eier zu besamen. Die äußere Befruchtung der Eier unterscheidet auch die Niederen von den Höheren Schwanzlurchen, bei denn bei letztgenannter Unterordnung werden die Eier im Körper des Weibchens befruchtet.

Riesensalamander

Riesensalamander sind nahe Verwandte des Sibirischen Winkelzahnmolches. Sie können eine Länge von 150 cm und ein Gewicht von über 10 kg erreichen. Die großen Lurche, die ihr ganzes Leben im Wasser verbringen, machen eine nur unvoll-ständige Metamorphose durch: Sie verlieren zwar die Kiemen und gehen zur Luftatmung über, behalten aber die Larvenbezahnung und andere Larvenmerkmale. Riesensalamander leben in der Nähe schnell fließender Gewässer, wo sie sich tagsüber in einem dunklen Unterschlupf verkriechen. Nachts kommen sie zur Jagd auf Fische, Frösche, Regenwürmer und Insektenlarven heraus. Die Weibchen legen bis zu 600 Eier, die vom Männchen bewacht werden.

Störe: Kaviar und mehr

Zur Familie der Störe (Acipenseridae) gehören die größten Fische, die man im Süßwasser finden kann. Einige Arten leben im nordostasiatischen Raum, darunter der manchmal über 5 m lange Sibirische Hausen (Huso dauricus). Er kommt hauptsächlich im Einzugsgebiet des Amur vor, der über mehr als 1000 km die Grenze zwischen Russland und China bildet.

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Der Atlantische Stör kann über 4 m lang werden.

Urtümliche Riesen

Die Störe sind eine sehr alte Fischgruppe, deren frühe Vertreter bereits vor 250 Mio. Jahren die Erde bevölkerten und die sich bis in die heutige Zeit nur wenig verändert hat. Sie weisen noch eine Reihe primitiver Merkmale auf, etwa das sog. Spritzloch, über das sauerstoffreiches Wasser für die Kiemen eingesaugt wird, oder auch die heterocerke Schwanzflosse, wie man sie von den Haien kennt: Der obere Teil der Flosse ist größer als der untere. Typisch für Störe ist außerdem der schlanke, spindelförmige Körper, der am vorderen Ende in einer ungewöhnlich lang ausgezogenen, warzigen Schnauze endet. Am unterständigen, rüsselartig ausstülpbaren Maul sitzen vier Barteln; Zähne haben die gefräßigen Fische dagegen nicht. Die Haut der Störe ist nicht von normalen Schuppen bedeckt, ihr Körper wird stattdessen durch große, von Schmelz überzogene Knochenschilde geschützt. Das Skelett besteht überwiegend aus Knorpelmasse, wie es auch bei anderen urtümlichen Fischen, etwa Haien oder Rochen, der Fall ist. Es gibt ungefähr 25 verschiedene Arten, die alle auf der Nordhalbkugel heimisch sind. Viele Störe sind Wanderfische, ziehen also zur Eiablage die Flüsse hinauf, während sie den größten Teil des Jahres im Meer zubringen. Geeignete Laichplätze sind saubere Sandbänke an strömungsreichen Flüssen.

Als Delikatesse begehrt

Störe gehören in ihrer Heimat zu den beliebtesten Nutzfischen, denn sie liefern nicht nur schmackhaftes Fleisch, sondern vor allem den begehrten Kaviar. Dabei handelt es sich um den gesalzenen Rogen (also die Eier), den man gewinnt, indem man den gefangenen Weibchen den Bauch aufschlitzt. Bereits in der Antike galt er als Delikatesse; die Römer servierten ihn beispielsweise dekorativ auf Blütenblättern. Später trat der Kaviar von den russischen Fürstenhöfen aus seinen Siegeszug ins übrige Europa an.

Zur Herstellung von Kaviar muss man den Rogen aus dem aufgeschnittenen Störweibchen herausdrücken, entfetten und durch ein Sieb streichen, um den reichlich vorhandenen Schleim zu entfernen. Anschließend werden die Eier gewaschen und gesalzen. Der teuerste Kaviar ist der Beluga-Kaviar. Aber auch der Sibirische Hausen und der Sibirische Stör wurden in der Vergangenheit für die Herstellung dieser Delikatesse in großer Zahl gefangen. Der Sibirische Hausen kann eine Länge von über 5 m erreichen und dann mehr als eine Tonne wiegen, wobei Tiere solchen Ausmaßes schätzungsweise 80 Jahre alt sind. Sie ernähren sich hauptsächlich von Fischen und Krebsen; Jungtiere dagegen fressen vor allem Insektenlarven und Würmer. Die Geschlechtsreife erreichen die Störe erst im Alter von 15–20 Jahren; das Ablaichen erfolgt normalerweise nur alle vier bis fünf Jahre. Dann werden allerdings oft mehr als 1 Mio. Eier abgelegt. Der Sibirische Stör ist deutlich kleiner als der Sibirische Hausen: Die Tiere werden normalerweise nicht länger als 2 m und wiegen dann etwas mehr als 100 kg. Es handelt sich um braungraue bis dunkelbraune, manchmal auch fast schwarze Fische mit einem weißlichen bis gelben Bauch, die ebenfalls erst mit 15–20 Jahren geschlechtsreif werden.

Sibirischer Stör Acipenserbaeri

Klasse Knochenfische

Ordnung Störartige

Familie Echte Störe

Verbreitung Flüsse und Seen Sibiriens

Maße Länge: bis 2 m

Gewicht meist ca. 100 kg, selten bis 200 kg

Nahrung Würmer, Weichtiere, Krebse, kleine Fische

Geschlechtsreife mit 15–20 Jahren

Zahl der Eier meist über 1 Mio.

Höchstalter etwa 100 Jahre, in Menschenobhut bis 150 Jahre

Gefährdung durch Überfischung

Fast alle größeren Störarten sind heute durch die starke Überfischung, aber auch durch sich ständig verschlechternde Umweltbedingungen in ihrem Bestand gefährdet. So sinkt im Amur und seinen Nebenflüssen, in denen der Sibirische Hausen heimisch ist, seit Jahrzehnten die Wasserqualität, was u. a. auf die starke Erdölförderung und auf Abwässer aus Bergwerken zurückzuführen ist. Wie dramatisch der Rückgang dieser Art ist, lässt sich an den Fangzahlen ablesen. Fing man 1881 noch knapp 600 t des Sibirischen Hausen, so waren es 1948 nur noch 61 t. Danach wurden erste Schutzmaßnahmen ergriffen, die die Bestände wieder stabilisierten.

Beim Sibirischen Stör ist der Rückgang noch dramatischer. So wurden in den 1930er Jahren im Ob jährlich noch über 1410 t dieser Art gefangen – 1997 waren es dagegen nur noch 11 t. Ähnlich gering sind die Fänge momentan im Jenissej und in der Lena, wo jeweils unter 20 t pro Jahr ins Netz gehen. Der Grund für den starken Rückgang der Populationen ist – neben den hohen Fangquoten – vor allem der Bau von Staudämmen in vielen großen russischen Flüssen, die den Stören den Weg in ihre Laichgewässer versperren.

Einzigartiger Baikalsee

Gleich mit mehreren Superlativen kann der Baikalsee aufwarten: Er ist der tiefste und älteste Süßwassersee der Erde und stellt das größte, nicht in Form von Eis gebundene Süßwasserreservoir der Erde. Die vielfältige endemische, d. h. nur in diesem See und an seinen Ufern zu findende Flora und Fauna hat ihm den Beinamen »russisches Galápagos« verliehen. Für die UNESCO war dies Grund genug, den Baikalsee 1996 als Weltnaturerbe auszuweisen. Doch der Schutzstatus konnte nicht verhindern, dass seine Tier- und Pflanzenwelt und die an den Seeufern lebenden Menschen mehr und mehr schädlichen und folgenschweren Umwelteinflüssen ausgesetzt sind.

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Schamanischer Wunschbaum auf der Insel Olchon am Kap Burchan am Baikalsee

Ein Riss in der Erdkruste

Der Baikalsee ist mit einem Alter von ungefähr 25 Mio. Jahren so alt wie die ihn umgebenden Gebirge. Er ist Teil eines 8–9 km tiefen Grabenbruchsystems, das durch die Kollision des indischen Subkontinents mit Eurasien während des Tertiärs entstand. Dieser geotektonische Prozess ist noch längst nicht abgeschlossen – immer wieder kommt es in der Region zu starken Erd- oder Seebeben – und der See wächst jährlich um etwa 2 cm in die Breite. Auch die zahlreichen Thermalquellen am Seeboden künden von der tektonischen Aktivität.

Der Baikalsee gliedert sich in drei unterschiedlich tiefe Becken, deren Boden aus Millionen Jahre alten Sedimentschichten besteht. Seit 1993 werden diese Schichten von einem internationalen Bohrprojekt, dem Baikal Drilling Program (BDP) untersucht. Die Bohrkerne erlauben Rückschlüsse über klimatische, geologische und ökologische Bedingungen in der Vergangenheit der Seeregion.

Leben im glasklaren See

Der tiefe Baikalsee gehört zu den reinsten und klarsten Gewässern auf der Erde. Besonders klare Seen, die wenig Nähr- und Mineralstoffe, aber viel Sauerstoff enthalten, werden als oligothrophe Seen bezeichnet. Im Baikalsee beträgt die maximale Sichttiefe 40 m und erreicht damit einen Rekordwert. Trotz der vielen Zuflüsse ist der Wasseraustausch über den gesamten See hinweg relativ gering und anfällig gegenüber Schadstoffanreicherungen. Der große Saubermacher im Baikalsee ist der winzige Ruderfußkrebs (Epischura baicalensis). Die Krebstierchen stellen rd. 90 % der gesamten Biomasse im See, vertilgen Algen und Bakterien in großen Mengen und produzieren Sauerstoff.

Die Zahl der an und im Baikalsee lebenden Tier- und Pflanzenarten bzw. -unterarten wird mit 2500 angegeben, davon kommen zwei Drittel nur hier vor. Zu den vielen endemischen Seebewohnern gehört neben der Baikalrobbe und dem Großen Ölfisch auch der wohlschmeckende Omul (Coregonus autumnalis migratorius); die Felchenart bildet die Lebensgrundlage der Fischer. Seine Vorfahren stammen aus einem nördlichen Urmeer, das sich einmal bis in den Süden Sibiriens ausdehnte. Am finsteren Seegrund leben neben Schalentieren und dichte Bestände bildenden Süß- und Salzwasserschwämmen Plattwürmer, die hier bis zu einem halben Meter lang werden.

Zu den vielen Landsäugetierarten zählen der Nördliche Pfeifhase, das Sibirische Streifenhörnchen sowie Zobel, Moschustier und Sibirischer Rothirsch, zu den Vogelarten Seeadler, Alpenschneehuhn, Schwarzer Milan und der Malayen-Wespenbussard. In den dichten Wäldern der Baikalseeregion wachsen vor allem Nadelbäume, darunter Lärchenarten wie Larix dahurica, Kiefernarten wie Pinus sibirica und Erlenarten wie Alnus glutinosa.

Bedrohtes Paradies

Durch eingeleitetes Abwasser aus den Papierund Zellstoffbetrieben am Ufer ist die »Perle Sibiriens«, wie der Baikalsee auch genannt wird, jedoch in Gefahr. Auch der Zufluss Selenga bringt jährlich etwa 33,2 Mio. km3 ungeklärtes Abwasser in den See ein, das vor allem aus der südöstlich gelegenen Stadt Ulan-Ude mit ihren Fabriken stammt. Am See liegen 16 größere Siedlungen und rd. 50 Industriebetriebe und Wasserkraftwerke. Viele schon seit 1987 bestehende Schutzverordnungen werden immer noch nicht umgesetzt.

Die Baikalrobbe: ein Meeressäuger im Süßwasser

Zur einzigartigen Tierwelt des Baikalsees gehört die Baikalrobbe (Phoca sibirica). Zwar leben auch andere Unterarten von Seehund und Ringelrobbe teilweise im Süßwasser, aber einzig die Baikalrobbe hat sich ganz auf diesen Lebensraum eingestellt.

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Wie die Robben in den weit von jedem Ozean entfernten Baikalsee gelangt sind, ist rätselhaft.

Baikalrobbe Phoca sibirica

Klasse Säugetiere

Ordnung Raubtiere

Familie Hundsrobben

Verbreitung nur im Baikalsee

Maße Kopf-Rumpf-Länge: 1,3 m

Gewicht etwa 65 kg

Nahrung Fische

Geschlechtsreife mit 4 Jahren

Tragzeit 9 Monate

Zahl der Jungen 1, selten Zwillinge

Rätselhafte Herkunft

Unklar ist, wie diese Robbe überhaupt den Weg ins Süßwasser gefunden hat. Einer gängigen Theorie zufolge stammt die mit einer Länge von maximal 1,3 m und einem Gewicht von ca. 65 kg kleinste aller heutigen Robben von der Ringelrobbe ab. Die Bestände sind jedoch schon seit 500 000 Jahren voneinander getrennt, und die nächsten Verwandten der Baikalrobbe, die Eismeer-Ringelrobben (Phoca hispida), leben etwa 3200 km entfernt. Wie die Tiere in den abgelegenen See kamen, ist nach wie vor rätselhaft; Forscher nehmen aber an, dass sie während der Eiszeiten aus dem Nordpolarmeer in den Baikalsee eingewandert sind. Einer anderen Hypothese zufolge soll es einen unterirdischen Kanal zwischen dem Nordmeer und dem Baikalsee gegeben haben. Bis heute ist jedoch keine der beiden Vorstellungen schlüssig bewiesen.

Eine Vorliebe für Eis

Die zur Familie der Hundsrobben (Phocidae) gehörende Baikalrobbe ist im Vergleich zu ihrer arktischen Verwandten, der Eismeer-Ringelrobbe, etwas heller gefärbt. Ihre Körperoberseite ist dunkelgrau, die Unterseite etwas heller, manchmal zeigt sich auch eine undeutliche Fleckenzeichnung, wie sie für Ringelrobben typisch ist. Baikalrobben leben bevorzugt in ufernahen Regionen und haben eine Vorliebe für das Eis. Wenn die Durchschnittstemperaturen im Januar und Februar auf –19 °C fallen, schließt sich die Eisdecke des Sees; sie bricht erst im Mai wieder auf. Bis zu 90 cm dick wird die Schicht und die Robben sind dann gezwungen, sich im Bereich von Eislöchern oder thermischen Quellen aufzuhalten, die ein Zufrieren des Sees verhindern.

Der Nachwuchs

Wegen der besseren Nahrungsbedingungen sammeln sich die Baikalrobben im Sommer im südöstlichen Teil des Sees. Dann findet man auch größere Ansammlungen der ansonsten eher allein lebenden Tiere. Bei ihren ausgiebigen Fischzügen in bis zu 300 m Tiefe kommt ihnen das im Vergleich zu anderen Robben deutlich vergrößerte Blutvolumen zugute, das viel Sauerstoff bindet. So können sie bis zu einer Stunde unter Wasser bleiben.

Im späten Winter gehen die trächtigen Weibchen aufs Eis, sobald die Decke tragfähig ist. In der Nähe eines Atemlochs graben sie sich in einer Schneeverwehung eine Höhle, die die Jungtiere vor widrigen Witterungsbedingungen wie auch vor Wölfen schützt. Dort bringen die Weibchen meist ein einzelnes Junges zur Welt. Das reinweiße Embryonalhaarkleid wird nach etwa sechs Wochen durch ein gelblich grünes Jugendfell ersetzt. Wegen der dicken Eisschicht dauert die Säugephase mit ca. zehn Wochen etwa doppelt so lange wie bei anderen Hundsrobben. Wo das Eis des Sees früher aufbricht, werden die jungen Robben kürzer gesäugt. Im Frühjahr bilden sich oft Fressgemeinschaften aus 200–500 halbwüchsigen Tieren. 1990/91 stattete man mehrere jugendliche Tiere mit Sendern aus und stellte fest, dass diese je nach Nahrungsvorkommen innerhalb weniger Monate bis zu 1600 km lange Wanderungen im See unternahmen.

Starke Gefährdung

Auf ganze 60 000 Tiere schätzen Biologen die Zahl der Baikalrobben – und verweisen auf die rasch fallende Tendenz, denn jährlich finden etwa 10 000 Tiere durch Jäger und Wilderer den Tod. Die Robbenjagd ist für viele Bajuwaken eine wichtige Einkommensquelle und noch immer legal. So überleben kaum 10 % der Jungtiere die Jagdsaison im Frühjahr, wodurch der Bestand überaltert. Mit der Industrialisierung der Gegend rund um den Baikalsee wird den Tieren auch noch der natürliche Ruheraum genommen, den sie zur Aufzucht der Jungen benötigen. Auch die Klimaerwärmung wirkt sich fatal aus, da die südliche Hälfte des Sees später zufriert und eher auftaut als früher, was die Fortpflanzungszeit für die Robben sehr stark verkürzt.

Der Große Ölfisch: nur im Baikalsee zu Hause

Mit seinem riesigen Kopf und der tiefen Mundspalte, dem lang gestreckten, schlanken und schuppenlosen Körper, so glasig und durchscheinend, dass man das Skelett erkennen kann, und mit Brustflossen, fast so lang wie der halbe Körper, bietet der Große Ölfisch (Comephorus baicalensis oder baikalensis) einen ungewohnten Anblick.

Fett für den Auftrieb

Große Ölfische sehen nicht nur seltsam aus, sie sind auch in manch anderer Hinsicht ungewöhnlich. So besitzen sie im Gegensatz zu den meisten pelagischen (im offenen Wasser lebenden) Fischen beispielsweise keine mit Luft gefüllte Schwimmblase. Diese Süßwasserfische setzen stattdessen auf Fett, um ihre Dichte zu verringern und damit ihren Auftrieb zu erhöhen: Ein Drittel bis 40 % ihres Körpers bestehen aus Fettgewebe und diesem Fettreichtum verdankt der Große Ölfisch auch seinen Namen: »Obwohl guter Schwimmer,«, heißt in »Brehms Tierleben« von 1882–1887, »vermag er nicht, bei heftigen Stürmen dem Andrang der Wogen zu widerstehen, wird vielmehr während jeden derartigen Unwetters in zahlreicher Menge an den Strand geschleudert und hier von den Anwohnern begierig aufgesammelt, weil man seinen mit öligem Fette förmlich durchzogenen Körper gleichsam als Ölfrucht ansieht und einfach presst, um Öl zu gewinnen.«

Geburt der Jungen – Tod der Alten

Große Ölfische, von den Einheimischen Golomyanka genannt, leben tagsüber in großen Schwärmen in 100–300 m, manchmal sogar in bis zu 750 m Tiefe. Dabei meiden sie Buchten und seichtes Wasser, denn das ist der Herrschaftsbereich der Baikalgroppen (Gattung Cottocomephorus), die ebenfalls im Baikalsee leben, allerdings nur in Küstennähe.

Die Weibchen des Großen Ölfisches können eine Länge von knapp 20 cm erreichen (die Männchen bleiben deutlich kleiner) und je nach Größe 1000–3000 Junge gebären. Es findet eine innere Befruchtung durch Begattung statt. Anders als die meisten Fische ist diese Art lebend gebärend (vivipar). Dazu steigen die Weibchen in die oberen Wasserschichten, die Männchen bleiben in der Tiefe. Die Geburt ihrer Jungen (September bis Oktober) ist für die Mehrzahl der Weibchen gleichzeitig das Todesurteil: Meist reißt ihr Bauchgewebe auf und sie sterben. Wegen ihres hohen Fettgehalts gehen die toten Tiere im Allgemeinen nicht unter, sondern schwimmen an der Oberfläche – ein Festmahl für Fischfresser, ob Vögel oder Säugetiere.

Da der Anteil der Männchen an der Gesamtpopulation beim Großen Ölfisch nur 3–4 % beträgt, gibt es neben ihnen nach dem Tod der meisten Weibchen fast nur Larven bzw. Jungfische. Tagsüber bleiben sie in größeren Tiefen, nachts steigen sie auf bis zu etwa 10 m unter der Wasseroberfläche empor. Mit diesen Vertikalwanderungen folgen sie ihren Beutetieren – kleinen Krebsen, vorwiegend Hüpferlingen wie Epischura baicalensis. Diese ebenfalls endemische Art bildet die Basis der Nahrungskette im See. Ältere Fische jagen mit ihren kleinen, spitzen Hakenzähnen auch Larven und Jungfische der Baikalgroppen. Wenn der Morgen graut, müssen Ölfische wieder in die eiskalte Tiefe zurückkehren, denn sobald die Sonne die Wasseroberfläche erwärmt, würden sich die Tiere überhitzen – das Fett in ihrem Körper verändert dann seine Struktur – und eingehen.

Trotz ihres Fettreichtums haben Große Ölfische keine direkte kommerzielle Bedeutung; als endemische Fischart sind sie jedoch im Baikalsee höchst erfolgreich: So machen sie 67 % der Fischbiomasse im See aus und spielen damit für dessen Ökosystem eine entscheidende Rolle.

Großer Ölfisch Comephorus baicalensis

Klasse Knochenfische

Ordnung Panzerwangen

Familie Ölfische

Verbreitung nur im Baikalsee

Maße Länge: Weibchen bis 20 cm, Männchen kleiner

Nahrung kleine Krebse, auch Fischlarven und Jungfische

Zahl der Jungen 1000–3000 (lebend gebärend)

Der kleine Verwandte

Die Weibchen des ebenfalls sehr fettreichen Kleinen Ölfisches werden nur etwa 14 cm lang; sie sind lebend gebärend und bringen ihre Jungen im Februar/März zur Welt. Anschließend sterben auch bei den Kleinen Ölfischen die Weibchen. Bei dieser Art unternehmen die Jungfische jedoch keine täglichen Vertikalwanderungen. Kleine Ölfische leben in Tiefen unter 1000 m und ihre winzigen Augen kennzeichnen sie als typischen Tiefseefisch. Diese Lebensweise ist eigentlich ungewöhnlich für Süßwasserfische, aber der Baikalsee ist mit seiner Tiefe von mehr als 1600 m auch kein gewöhnlicher See.

Begrenzter Lebensraum: Endemiten

Endemische Arten oder Populationen sind Lebewesen, deren Vorkommen auf ein eng umgrenztes Gebiet beschränkt ist. Wenn ein Lebensraum geografisch isoliert ist und sich die dort beheimateten Arten nicht ausbreiten oder abwandern können, ist Endemismus die Folge. Dazu kann es beispielsweise kommen, wenn sich in einem Gebiet eine neue Art entwickelt (Entstehungsendemismus), oder wenn früher weiter verbreitete Populationen aussterben und in einem oder einigen wenigen Restarealen Reliktpopulationen zurückbleiben (Reliktendemismus). Inseln, Gebirgstäler und Seen sind oft reich an endemischen Tier- und Pflanzenarten und so für den Naturschutz besonders wichtig, denn eine Zerstörung dieser Biotope führt zum Verlust aller nur dort vorkommenden Tier- und Pflanzenarten.