Kapitel 2

Als ich mich bückte, um die Schachfiguren wieder aufzustellen, schob Milo meine Hände weg.

»Ich mache das«, sagte er und nahm mir die Figuren aus der Hand. »Du wirst jetzt zuhören und Vernunft annehmen.«

»Alice?« Jack sah mich weiter fragend an.

Ich fühlte mich Peter nach wie vor nah. Und das lag nicht daran, dass es mir während unserer Bindung in Fleisch und Blut übergegangen wäre. Peter war, obwohl er bei der ganzen Sache nichts falsch gemacht hatte, von seiner Familie geächtet worden und hatte Schlimmes durchgemacht - und das alles nur wegen mir.

»Alice, du musst nicht mitgehen«, sagte Mae kopfschüttelnd.

»Ich weiß, dass ich euch in einem Kampf nicht viel nützen würde, aber vielleicht könnte ich mit ihm reden. Vielleicht kann ich ihn überzeugen, damit aufzuhören«, sagte ich.

Mae sah Ezra an, wohl in der Erwartung, dass er meine Begleitung ablehnen würde, und wahrscheinlich hatten auch Jack und Milo nur deswegen noch nicht die Beherrschung verloren. Alle drei erwarteten, dass Ezra mir für mein Angebot danken und erklären würde, es sei besser für mich, wenn ich zu Hause bliebe.

»Sie hat nicht ganz unrecht«, sagte Ezra vorsichtig. In diesem Moment drehten alle durch.

Mae packte ihn am Arm und beschwor ihn, ich sei viel zu jung, irgendwo hinzugehen, geschweige denn auf einen Kreuzzug, um Peter von seiner Selbstmordmission abzubringen. Jack sprang auf die Füße, konnte sich aber offenbar nicht entscheiden, ob er wütender auf mich oder auf Ezra oder vielleicht sogar auf Peter sein sollte. Milo hatte die Schachfiguren wieder aufgestellt und gab mir einen kräftigen Klaps auf den Arm.

»Aua!«, knurrte ich und rieb mir den Arm. »Was soll das denn?«

»Du bist so eine Idiotin!« Obwohl er jünger war als ich, hatte er schon von jeher einen übertriebenen Beschützerinstinkt, aber er war ja auch der Reifere und Vernünftigere von uns beiden.

Natürlich war es dumm, doch als ich erfahren hatte, dass Peter in Gefahr war, hatte mein Herz zu rasen begonnen. Falls ihm etwas Schlimmes zustieß, war es meine Schuld. Hätte ich seine Familie in Ruhe gelassen, wie er es wiederholt von mir verlangt hatte, so hätte er nicht fliehen müssen und wäre nicht in Schwierigkeiten geraten.

»Ezra, du kannst doch nicht ernsthaft erwägen, sie mitzunehmen«, sagte Jack. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, und in seinen Augen stand die pure Angst. Es tat ihm weh, dass ich mich um Peter sorgte, und es würde ihn buchstäblich umbringen, wenn mir etwas zustieße.

»Ich lasse nicht zu, dass ihr etwas passiert. Aber Alice könnte mir vielleicht wirklich helfen, Peter zur Vernunft zu bringen.« Ezra hatte beschwichtigend die Hände erhoben. »Ich muss alles versuchen.«

»Ich habe das so satt!«, rief Jack. »Ich hätte ihn einfach umbringen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte!«

»Jack!«, rief Mae. »Das meinst du doch nicht ernst! Sag nicht so etwas!«

»Ich würde liebend gern weiter mit euch diskutieren, aber ich muss wirklich den nächsten Flug erwischen«, übertönte Ezra uns alle. »Alice, wenn du mitkommen willst, musst du dir etwas Warmes zum Anziehen einpacken. Ich buche schon mal den Flug und kümmere mich um unsere Pässe.« Er beendete das Gespräch, indem er sich umdrehte und durch den Flur in sein Arbeitszimmer verschwand.

»Ezra!« Jack wollte hinter ihm her, doch Mae hielt ihn auf.

»Ich rede mit ihm. Du kümmerst dich um Alice.«

Sie lief hinter Ezra hier. Jack drehte sich zu mir um. Er sah mich einen Moment lang an und überlegte wohl, was er sagen sollte. Ehe er dazu kam, seinen Standpunkt zu verdeutlichen, holte ich einmal tief Luft und erklärte: »Du wirst mich nicht davon abbringen, Jack.«

Ich marschierte an ihm vorbei nach oben in mein Zimmer. Jack und Milo folgten mir. Bei meinen schnellen, unbeholfenen Schritten war es ein Wunder, dass ich nicht die Treppe hinunterpurzelte.

Jack hatte zwar nach meiner Verwandlung in Ezras Arbeitszimmer im Erdgeschoss geschlafen, doch seine Sachen waren alle noch in seinem Zimmer. Im Kleiderschrank hatten wir beide unsere Garderobe untergebracht, die sich in meinem Fall seit meinem Einzug erheblich vergrößert hatte. Ezra und Mae hatten mir ein paar Wochen zuvor ein gut gefülltes Bankkonto samt Kreditkarten übertragen und aufgrund meines neuen, schlankeren Vampirkörpers hatte ich lauter neue Kleider gebraucht.

Ich ging in den großen begehbaren Kleiderschrank und stöberte nach Taschen. Jack hatte rosarote Koffer, doch mir fehlte die Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, und ich zog mir einfach einen heraus. Jack stand in der Tür, Milo hinter ihm. Beide starrten mich düster an.

»Du packst tatsächlich?«, fragte Milo. »Du willst doch nicht wirklich mit Ezra fliegen?«

»Er hat recht. Das ist bescheuert«, stimmte Jack ihm zu. »Es ist gefährlich, und du weißt nicht einmal, wo es eigentlich hingeht!«

»Ezra hat gesagt, ich soll etwas Warmes einpacken«, rief ich ihm in Erinnerung.

Ich warf Sweatshirts, Jeans und Socken in die Reisetasche. Vampiren wird nicht so leicht kalt, ja, wir ziehen die Kälte der Wärme vor. Aber wenn wir in T-Shirt und Shorts durch einen Schneesturm spazierten, würden die Menschen sich wundem. Deshalb passen wir uns in der Kleidung den menschlichen Gepflogenheiten an.

»Jack, verbiete es ihr doch einfach!«, sagte Milo.

»Ich kann ihr gar nichts verbieten«, erwiderte Jack müde. Er wünschte sich bestimmt, es wäre anders. »Und wenn ich es versuche, dann stellt sie auf stur.«

Nachdem ich noch ein Paar Stiefel in die Tasche gestopft hatte, mühte ich mich mit dem Reißverschluss ab. Wiedereinmal hatte ich Mühe, meine neu gewonnene Kraft zu dosieren.

»Warte, ich helfe dir.« Jack kniete sich neben mir auf den Boden, um die Tasche für mich zuzumachen.

»Danke.«

»Alice, willst du wirklich gehen?«, fragte Jack.

»Er hat nichts Schlimmes getan«, erklärte ich ihm ruhig.

Jack verdrehte die Augen. »Er hätte dich fast umgebracht, Alice!«, rief er.

»Das war keine Absicht«, widersprach ich, und das war immerhin fast wahr.

Peter hatte mir tatsächlich nie wehtun wollen, sondern hatte nur nicht gewusst, wie er sich verhalten sollte. Als ich ihn bat, mein Leben zu beenden, hatte er das abgelehnt. Deshalb hatte ich mir so fest auf die Lippen gebissen, bis Blut floss, weil ich wusste, dass er nicht würde widerstehen können. Ich hatte ihn dazu getrieben, mich zu beißen. Jack war dazwischengegangen und hatte Peter daran gehindert, die Sache zu Ende zu bringen.

»Doch, Alice! Er hat dich immer nur herumgeschubst! Er hat dich wie Dreck behandelt und fast umgebracht! Was findest du daran so toll?«

»Er hat nicht darum gebeten, Jack! Er hat nicht einmal um die Gefühle gebeten, die er für mich hatte. Er wollte nur, dass es aufhört! Wenn er sich jetzt umbringen will, ist das nur meine Schuld! Ich kann ihn nicht einfach sterben lassen!«

Meine eindringlichen Worte verletzten und erschreckten Jack nur noch mehr. Er lehnte sich gegen ein Regal, das mit seinen Chucks gefüllt war. Sein Gesicht entspannte sich, und mir war klar, dass er sich mit meiner Abreise abfinden würde - was nicht bedeutete, dass er damit einverstanden war.

»Jack, hör mir zu.« Ich nahm seine Hand und sah ihm in die traurigen blauen Augen. »Ezra wird auf mich aufpassen. Und ich liebe nur dich, okay?«

»Ich will nicht, dass du gehst, Alice«, sagte Jack. »Bitte, wenn du mich liebst, geh nicht.«

Ihn so verzweifelt zu sehen, brach mir das Herz. Ich wollte ihm nicht wehtun. Wenn Ezra mein Angebot abgelehnt hätte, hätte ich nicht weiter darauf bestanden. Doch da er einverstanden war, glaubte ich, wirklich helfen zu können. Ich musste in Kauf nehmen, Jack zu verletzen, wenn auch nur eine kleine Chance bestand, dass ich Peter das Leben retten konnte.

»Es tut mir leid, Jack.«

Unten rief Ezra, wir müssten los. Ich musterte Jack mit geschürzten Lippen. Fast wünschte ich mir, er würde mich anschreien oder anflehen zu bleiben, aber das war nicht sein Stil. Er senkte den Blick und rieb mir mit dem Daumen über den Handrücken, bis ich eine Gänsehaut bekam.

»Ich fahre euch«, flüsterte Jack und stand auf.

»Was?«, fragte Milo ungläubig. »Du lässt sie so einfach gehen?«

Jack hielt weiter meine Hand und half mir auf die Füße. Dann bückte er sich und hob meine Reisetasche auf.

»Was soll ich denn sonst tun?« Jack bedachte Milo mit einem hilflosen Achselzucken, während wir an ihm vorbeigingen.

»Das habe ich dir doch gesagt! Verbiete es ihr!« Milo wurde immer unruhiger. Solch ein Verhalten war mittlerweile selten, denn es vertrug sich nicht mit seinem neu erworbenen Selbstbewusstsein.

»Na klar, du kannst es ja mal probieren«, murmelte Jack.

Auf dem ganzen Weg nach unten, wo Mae und Ezra mit seinem Gepäck warteten, hielt Jack meine Hand. Auf dem Tisch stand eine kleine Reisetasche, die mit Spezialbehältern gefüllt war.

Wir lebten überwiegend von Blutkonserven aus verschiedenen Kliniken, die ähnlich arbeiteten wie das Rote Kreuz. Die Menschen, die dort ihr Blut für Transfusionen beim Menschen spendeten, hielten in Wahrheit fast die gesamte Spezies der Vampire am Leben.

Wenn wir mit Blutkonserven auf Reisen gingen, mussten wir sie tarnen. Die Sicherheitskräfte am Flughafen wären misstrauisch geworden, wenn Ezra mit mehreren Beuteln Blut an Bord gegangen wäre. Deshalb verwendete er doppelwandige Metalldosen, die nach außen hin aussahen wie Rasierschaum und deren Inhalt von Hunden nicht erschnüffelt werden konnte. Wir konnten jeder nur eine mitnehmen; das musste eben für den Flug reichen. Nach der Landung würden wir uns Nachschub besorgen.

Ezra stand neben Mae und kontrollierte die Papiere. Schon kurz nach meiner Verwandlung hatte er alle nötigen Unterlagen besorgt, damit ich bei ihnen leben konnte, ohne Misstrauen zu erregen.

Mich hatte das sehr beruhigt, denn ich hatte meinen Nachnamen Bonham nicht in Townsend ändern wollen, den Namen, den die anderen alle trugen. Ezra und Mae war es egal gewesen, doch Jack verstand nicht, warum ich seinen Nachnamen nicht annehmen wollte, zumal Milo es getan hatte. Er konnte nicht recht nachvollziehen, dass ich so viel von meiner Vergangenheit hatte retten wollen, wie ich nur konnte, und mein Name gehörte einfach dazu.

Angenehm war, dass Ezra mich achtzehn Jahre alt gemacht hatte, ich also nicht mehr als minderjährig galt und jetzt sämtliche Rechte hatte. Mit Milo war er genauso verfahren, obwohl er bei seiner Verwandlung erst sechzehn gewesen war, auch wenn er eher aussah wie neunzehn.

Ezra, der bei seiner Verwandlung sechsundzwanzig gewesen war, hatte in seinen Papieren ein Alter von neunundzwanzig Jahren stehen. Jack, der mit vierundzwanzig Vampir geworden war, war laut Führerschein siebenundzwanzig, und Mae war angeblich einunddreißig, obwohl sie bei ihrer Verwandlung drei Jahre jünger gewesen war.

Die drei lebten bereits seit vier Jahren unter dem Namen Townsend in diesem Haus. Da es auffallen würde, dass sie nicht alterten, würden sie bald wieder umziehen müssen. Jack ging schon kaum für siebenundzwanzig durch, da würde ihm die dreißig erst recht niemand abkaufen.

»Wann hast du das letzte Mal etwas zu dir genommen?«, fragte Ezra, ohne von meinem Pass aufzublicken. Er kontrollierte das Dokument wohl auf mögliche Fehler. Direkt nach meiner Verwandlung hatte mir Ezra alles besorgt, was ich brauchte, einschließlich eines Führerscheins, einer Geburtsurkunde und eines Passes.

»Äm, gestern«, sagte ich.

Ich verspürte einen ständigen Durst, der allerdings anders war als der, den ich als Mensch gekannt hatte. Weder hatte ich einen trockenen Mund noch fühlte sich mein Magen hungrig an. Vielmehr spürte ich ein Verlangen in mir, das ich nicht recht einordnen konnte.

Am nächsten kam dieser Durst dem Gefühl, wenn ich im Sportunterricht schnell gerannt war und mir vom Sauerstoffmangel die Muskeln schmerzten. Es war eine Art Krampf, der sich langsam in mir ausbreitete. Nur dass er mit einer rasenden Begierde einherging und dass Blut Linderung brachte.

Ich bemühte mich, meine Blutgier einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. Milo und ich hatten uns besser im Griff als die meisten jungen Vampire, was Ezra und Mae erstaunte. Unser besonderes Verhältnis zu Vampiren überraschte sie immer wieder. Ezra vermutete, dass mehr dahinter steckte als nur meine Bindung zu Peter und Jack.

»Mhm.« Ezra musterte mich. »Ich möchte nicht, dass du jetzt müde wirst. Wir müssen warten, bis wir im Flugzeug sitzen. Glaubst du, du schaffst es mit leerem Magen, Menschen um dich zu haben?«

»Ich glaube schon.« Ich nickte, obwohl ich mir nicht ganz sicher war.

Da meine Verwandlung noch nicht lange zurücklag, hatte Blut noch eine starke Wirkung auf mich. Der Geschmack war fantastisch, doch danach wurde ich hundemüde und schlief oft erst einmal eine Weile. Später sollte mir das Trinken von Blut Energie spenden, statt mich umzuwerfen, doch so weit war ich noch nicht.

Dazu kam, dass ich als Vampir kaum Erfahrung mit Menschen hatte. Ich fühlte mich von Jacks Blut angezogen, dessen Puls jedoch deutlich schwächer war als der von Menschen. Da ihr Blut stärker roch und pulsierte, würde es auch verlockender auf mich wirken. Dass ich mich bis jetzt gut hatte beherrschen können, lag daran, dass ich kaum Versuchungen ausgesetzt gewesen war.

»Gut.« Ezra nickte. »Ist alles gepackt?«, fragte er Mae.

»Ja.« Sie biss sich auf die Lippe, als sie meinem Blick begegnete. Sie wollte ebenso wenig, dass Ezra ging, wie Jack mich gehen lassen wollte.

»Gut.« Er lächelte mich schwach an. »Bist du fertig?«

»Ja.« Ich nickte ihm zu.

Er steckte die Papiere in die vordere Außentasche seines Koffers und schnappte sich die Reisetaschen. Milo hatte bis dahin wohl geglaubt, dass Ezra mich in letzter Sekunde zurücklassen würde. Als er sah, dass es uns wirklich ernst war, erhob er lautstark Widerspruch.

»Ihr könnt nicht gehen!«, brauste er auf. Mae strich ihm mit der Hand besänftigend über den Rücken. »Das ist das Bescheuertste, das ich je gehört habe! Du riskierst dabei ihren Hals!«

»Milo, das reicht«, sagte Mae.

»Aber ... aber ...«, stammelte Milo und drehte sich Hilfe suchend zu ihr um. »Du weißt doch, dass es total bescheu...«

»Milo.« Ezra schnitt ihm entschieden das Wort ab. Milo verzog das Gesicht. »Verabschiede dich bitte von deiner Schwester, ehe wir losfahren.«

Milo weinte, als er mich umarmte, was die Sache nicht gerade einfacher machte. Ich wünschte mir diese Reise ebenso wenig wie er, aber ich hatte keine andere Wahl.

Als Mae Ezra küsste, hatte sie Tränen in den Augen. Sie fragte ihn noch einmal, oh er nicht lieber bleiben wolle, erhielt aber keine Antwort. Sie hatte wohl auch nichts anderes erwartet. Schniefend umarmte sie mich und nahm mir das Versprechen ab, beim ersten Anzeichen einer Gefahr zu fliehen und sie regelmäßig anzurufen, egal wie es lief.

Als wir losfuhren, hatte sie den Arm um Milo gelegt. Die beiden sahen furchtbar verloren aus, wie sie da in der Auffahrt standen. Jack hatte bei unserer Abfahrt kein Wort gesagt und behielt sein Schweigen auch auf der Fahrt zum Flughafen bei. Er hatte Ezras Lexus genommen. Ezra schien rief in Gedanken versunken zu sein.

Auf dem Flughafen von Minneapolis herrschte ein dichtes Gedränge. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Flughafen erfrischte die kalte Oktoberluft angenehm die Haut, doch über allem hing bereits der warme verlockende Duft von Blut.

Da sich mein Herzschlag beschleunigte, nahm Jack meine Hand und drückte sie beruhigend. Im Flughafengebäude wurde das Gefühl nur noch schlimmer. Ich versuchte, an tote Häschen und ähnlich traurige Dinge zu denken, um meinen Appetit in den Griff zu bekommen.

Ezra holte am Schalter unsere Tickets ab, während Jack mit mir in der Menschenmenge wartete. Er war ungewöhnlich still. Da ich alles fühlte, was er fühlte, bemühte er sich wohl darum, jeglicher Aufregung oder möglichen Hungerattacken vorzubeugen.

»Ich muss bald los«, sagte ich und sah traurig zu ihm hoch.

»Ich weiß.«

Die Menschen um uns herum blieben stehen und sahen uns neugierig an. Früher hatte es mich in den Wahnsinn getrieben, dass die Leute, wenn ich mich mit Jack in der Öffentlichkeit zeigte, ihn immerzu angafften. Nun verfügte ich über dieselbe Macht, und es war so gut wie unmöglich, nicht aufzufallen.

Jack legte mir die warme Hand auf die Wange und ich schmiegte mich an sie. Leicht drückte er seine Lippen auf meine und ich spürte seinen wunderbaren Herzschlag. Sein Kuss war sehr sanft, weil er mich auf dem belebten Flughafen nicht in Unruhe versetzen wollte. Doch nichts war süßer als seine Küsse und ich wollte immer noch mehr.

»Wir können bald an Bord gehen«, unterbrach uns Ezra, durchaus nicht unfreundlich. »Wir müssen noch unser Gepäck aufgeben und durch die Sicherheitskontrolle.«

Widerstrebend löste ich mich von Jack. Sein Blick hielt mich fest und mein Herz kreischte. In diesem Moment dämmerte mir erst, was ich vorhatte. Die Trennung von Jack würde mir unglaublich schwerfallen. So weit von ihm weg zu sein, ohne überhaupt zu wissen, wie lang - das schien mir unerträglich.

»Ich passe gut auf sie auf«, versprach Ezra, als Jack mich nicht gehen lassen wollte.

Ezra nahm meine Hand, um mich von Jack wegzuziehen und durch den Flughafen zu schleusen. Der Ort war nicht gerade ideal geeignet für den ersten Ausflug eines jungen Vampirs. Jack ließ meine Hand los. Während Ezra mich vorsichtig durch die Menge und die ersten Metalldetektoren führte, behielt ich Jack fest im Blick. Wie in einem dramatischen Musikvideo stand er mitten in der Flughafenhalle und sah mir nach.