Prolog

Im Juni 2008 treffen sich der Schauspieler und Kabarettist Serdar Somuncu und der TV-Produzent Ulrich Otto, um an einem Konzept für eine neuartige Internetshow zu arbeiten. Das Besondere an der dabei entstandenen Idee ist, dass anders als bei bisherigen Internetformaten Fernsehen nicht reproduziert und imitiert wird, sondern das Internet als Raum scheinbar grenzenloser Freiheit genutzt und somit dem Medium eine eigene Bedeutung und Qualität verliehen werden soll.

Schon bald steht Hatenight als Titel fest, steht doch die Umkehrung des klassischen Begriffs der Latenight in Hatenight für die besondere Idee und die ungewohnte Perspektive, die in der Internetshow enthalten sein soll.

Tatsächlich betrachten Somuncu und Otto die Hatenight von Anfang an als eine Art Gegenöffentlichkeit, in der Meinung gemacht, kommentiert und hinterfragt wird. Ein wiederkehrendes Thema in Somuncus bisherigen Bühnenarbeiten ist der Umgang der Menschen mit den zunehmenden Möglichkeiten der Massenmedien, ihre Überforderung und der Missbrauch. Fragen hierzu tauchen auch in der Hatenight immer wieder auf und werden hier ungefiltert aus den verschiedensten Perspektiven bearbeitet.

Die Show baut sich anfangs noch aus einem Studiopart auf, in dem Fragen an Somuncu formuliert werden, verändert sich aber zunehmend zu einer Collage, bestehend aus Einspielern und Monologen, bis hin zur vollkommenen Umkehrung des gängigen Showbegriffs, in der sich das Gezeigte nicht mehr an einen Rezipienten zu richten scheint, sondern zunehmend unabhängig von der Sichtweise und Einflussnahme der Zuschauer präsentiert wird. Wie zum Beispiel in Folge 8, in der der Zuschauer aufgrund einer angeblichen Selbstzensur nur ein verschlüsseltes Bild zu sehen bekommt.

Ebenso entstehen bewusst herbeigeführte Interaktionen zwischen Zuschauern und Produzenten so wie in Folge 26, die live vor eigens dazu eingeladenen Zuschauern stattfindet und durch animierte Störungen und Buhrufe den konventionellen Showbegriff erneut ad absurdum führt.

Die Hatenight entwickelt sich so unter Anteilnahme einer immer größer werdenden Zuschauerschar zu einem spannenden Medien-experiment und verändert weiter ihr Gesicht.

Zu der sich immer weiter veränderten Form der Sendung kommen improvisierte Stand-ups hinzu, die Somuncu im Auto fahrend zeigen und in denen er spontan seine Wut über Ungerechtigkeiten, die Absurditäten des Boulevards und politisch überkorrekte Denkweisen formuliert.

Im Gegensatz zu den vorher eindeutigeren Positionen des Moderators lockt er dabei nun immer wieder den Blickwinkel des Zuschauers in Fallen und treibt den Begriff der Satire auf die Spitze, indem er ohne Rücksicht auf eventuelle Befindlichkeiten drastische Meinung äußert, formuliert und greifbar macht, sei es auch, um dadurch das Gegenteil seiner Haltung kenntlich zu machen und Widerstand zu erzeugen. Die zunehmenden Debatten, die mit dem steigenden Bekanntheitsgrad der Show entstehen, bestätigen diesen Ansatz und machen die Hatenight nebenbei auch zu einem Mittel der Entlarvung. Indem sie vor allem eine meist oberflächliche Empörung der Betroffenen hervorruft, zeigt sie zugleich in der Differenz und Variabilität der wechselnden Ansichten und Angriffe die unmittelbare Vergänglichkeit der Haltung, die nur solange zu existieren scheint, wie das Gesagte den eigenen Lebensbereich betrifft. Vor allem aber entlarvt sie auch die Ignoranz der nicht Betroffenen.

»Bei mir hat sich noch kein Schwuler darüber beschwert, dass ich Judenwitze mache!« (Serdar Somuncu).

Dass diese Herangehensweise Schwierigkeiten im Verständnis, aber auch den Versuch einer Sanktionierung mit sich bringen würde, scheint logisch, und so wurde die Hatenight immer wieder zensiert und verboten. Zunächst vom Internet-Videoportal YouTube, das ohne Ankündigung den mittlerweile über 10 000 Abonnenten umfassenden Kanal sperrte und sämtliche Videos löschte, später von anderen Portalen bis hin zur Abmahnung durch den Jugendschutz, der immer wieder beklagte, dass die Hatenight jugendgefährdende Inhalte verwendet, obwohl sämtliche gezeigten Ausschnitte aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen und dort nicht verboten wurden.

Die folgenden Proteste der Zuschauer über die Einseitigkeit der gesetzlichen Auffassung von Meinungsfreiheit machen die Hatenight somit auch zu einem spannenden Diskurs um den Umgang mit prekären Inhalten im öffentlichen Raum.

Mittlerweile läuft die Hatenight in der dritten Staffel und die Zahl der Zuschauer hat sich weiter gesteigert. Pro Folge klicken ca. 150 000 Menschen die Sendung an und bestätigen somit die anfängliche Idee einer Gegenöffentlichkeit, die sich nicht an der imaginären Quote einer erreichten relevanten Zielgruppe messen lässt, sondern einzig und allein an der Gültigkeit und dem Wert ihrer kontroversen Inhalte.

Die vorliegende Schriftfassung gibt erstmalig einen vollständigen Überblick aller bisherigen Folgen sowie der nicht gesendeten oder zensierten Episoden.

Das daraus entstandene Werk dokumentiert eine einzigartige Vielfalt an Themen und sprachlicher Auseinandersetzung, die auch denjenigen einen Zugang gewährt, die die Hatenight bisher nicht kannten oder sie in der Unübersichtlichkeit des Internets verpasst oder verloren haben.

Vorwort

Meine Name ist Spikester und ich bin überzeugter Hassist. Nicht allein deshalb wurde ich vom Hassias zum ersten Hasstor der hassistischen Gemeinde ernannt. Im Folgenden möchte ich euch meinen Werdegang zum Hasstor schildern und einen kurzen Einblick in die Grundlagen des Hassismus geben, um so einen Zugang zur hassistischen Glaubensgemeinschaft zu schaffen.

Ich bin im Sommer 2010 zur Hatenight gekommen. Zuvor war mir Serdar Somuncu schon durch seine Lesereise mit Hitlers Mein Kampf aufgefallen, mit der er für viel Wirbel sorgte. Außerdem kannte ich seine Bühnenperformance, die sich weder in das Genre der Comedy noch des klassischen Kabaretts einordnen lässt und mich besonders durch seine alternativen Stand-up-Nummern ansprach.

Ich registrierte mich schon bald auf der Hatenight-Seite (www.hatenight.com) und war gleich fasziniert von dem sich mir öffnenden Konzept, entrichtete meine »Abhassgebühr« und kaufte mir damit eine zertifizierte Identität als Hassist. Die ersten beiden Monate schaute ich mich quer durch die vorhandenen Videos im Archiv. Parallel begann ich im Internet zu recherchieren, was genau es mit diesem aggressiven Ansatz – Hassismus – auf sich hat. Ich las dazu viele Interviews und schaute mir einige der Auftritte von Serdar Somuncu in Talkshows und auf der Bühne an.

Ich erkannte damals – es ist auch allzu offensichtlich –, dass hinter den Schimpftiraden eine grandiose darstellerische Qualität und ein wohl durchdachtes und perfekt umgesetztes künstlerisches Konzept stecken müsse. Dieses Konzept – den Hassismus – vollkommen zu erfassen, es bis in seine letzte Konsequenz zu erforschen, daran arbeite ich im ständigen Selbstbezug bis heute.

Von Hitler bis Hassias – laut unseres Propheten eigener Aussage waren es die Erfahrungen seiner Lesereise mit Hitlers Mein Kampf, die den Grundstein zur Idee des Hassismus und zur Figur des Hassias legten. Somuncu war zuvor nämlich sechs Jahre lang in 1428 Lesungen auf Lesereise mit dem bis heute wohl am meisten mystifizierten Buch der deutschen Geschichte. Während der intensiven Beschäftigung Serdar Somuncus mit dem »deutschen Trauma« entstand die Idee zu einem satirischen Gegenentwurf einer pseudodemokratischen Diktatur mit humoristischem Dogma und selbstironischem Welteroberungsanspruch. Die gleichzeitige Konfrontation mit Neonazis, die dieser Ideologie heute weiter anhängen und sogar so weit gehen, Serdar Somuncu Gewalt anzudrohen, so dass er auf seiner Lesereise oftmals nur mit kugelsicherer Weste und unter Polizeischutz auftreten konnte, setzten in ihm die Saat zu dem Konzept eines kreativen Widerstandes in Form des Hassismus.

Dabei war die Lesereise mit Mein Kampf nur der Beginn einer intensiven Auseinandersetzung mit Meinung, ihren Machern, ihrer Korru(m)ption und ihrem Missbrauch. Die folgenden Lesungen von Goebbels Sportpalastrede bis zu seinem Bühnenprogramm BILD lesen, vertieften diesen Ansatz.

Der rote Faden in seiner Arbeit ist seitdem der Umgang mit Information und ihrer Verarbeitung. Die Frage danach, wo und wer die Verführer sind, damals und heute.

Irgendwann in dieser Zeit muss es »klick« gemacht haben und die Idee Intoleranz, Inkonsequenz und Unmenschlichkeit zu antizipieren, sie vorwegzunehmen und wiederzugeben, muss als künstlerisches Konzept herangereift sein.

Bis zur Geburt der Figur des Hassias gingen noch einige Jahre ins Land, doch in der Zeit der Lesereise mit Hitlers Mein Kampf und den Folgeprogrammen muss Serdar Somuncus Gehirn befruchtet worden sein mit der Vorstellung, eine Figur zu erschaffen, die ein besserer Nazi ist als der Nazi auf der Straße und nebenan.

Serdar Somuncu entwickelte so seine Rolle des Hassias. Die Figur eines maßlos aggressiven Hasspredigers fußt dabei auf der Anwendung der »immanenten Dekonstruktion«, einer von Somuncu entwickelten Technik, die darauf basiert, dass sich jede extreme Kraft nur zerstören lässt von extremeren Kräften, die ihr ohnehin innewohnen. Und so gibt es für ihn auch keine pseudomoralischen Grenzen und für den Zuschauer keine Relativierung. Thematisch bedient sich Somuncu eines breiten Themenspektrums gerade heikler Gegenstandsbereiche, nimmt dabei immer wechselnde Positionen und Perspektiven ein, verschweigt nichts und wechselt so von der Rolle des anklagenden Opfers in die des anklagbaren Täters. Stattdessen agiert und agitiert er, über die bloße Reaktion hinausgehend, antizipierend, wütend und doch zugleich aufklärerisch. Zudem treibt er dieses Spiel eben nicht als Kritiker von außen, sondern schert aus dem Inneren der Herde als hassistischer Wolf im Proletentum-Schafpelz gekleidet aus, um diese von dort her auseinanderzutreiben.

So erlangen er und wir als Zuschauer stellvertretend mit ihm und durch ihn Katharsis und Befreiung von all dem Wahnsinn der Welt, indem er wertfrei und ungerecht um sich schlagend die diffusen Ängste widerspiegelt, sie auflöst und zerstreut und dabei durch seine schauspielerischen Qualitäten authentisch, aufrichtig und wahrhaftig wirkt.

Die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung, vor allem ausgelöst durch die Ablehnung der Fremdsteuerung durch das Mittel Angst, ist ein weiterer zentraler Gedanke hinter dem Hassismus. Dieser immer gegenwärtige Missbrauch unserer Psyche wird in der ständigen Wiederholung der wiedergebenden Teilnahme, der Ablehnung, der Betroffenheit und Weiterentwicklung eben dieser fremd geschürten Ängste in den Hasspredigen gespiegelt.

Der Hassismus ist aus der Idee entstanden, ein besserer Hassprediger zu sein als die Hassprediger, die man in den Medien vorgesetzt bekommt, um eine bessere, dogmatischere und inkonsequentere Religion zu schaffen als alle Religionen und ihre Dogmen zusammen. Der Hassismus ist als die einzig wahre, alles umfassende Religion gegründet worden, die sämtliche wesentlichen Eigenschaften anderer Religionen aufrichtig und wahrhaftig in sich vereinigt: »Glaube, Gier und Größenwahn« (s. S. 98 ff.).

Der Hassismus soll Denkstrukturen ändern, zu Reflexionen durch das Mittel der Entfremdung anregen, indem Grenzen gesprengt werden durch die vulgäre Sprache und indem der alltägliche Wahnsinn widergespiegelt wird, mit dem wir medial in Kontakt geraten.

»Sie müssen unterscheiden, was ich meine und was nicht! Das ist eine leichte Übung für Demokraten« (Serdar Somuncu).

Hassismus ist somit die Reaktion auf die Abstumpfung, den schon immer latent vorhandenen und immer mal wieder aufkeimenden Faschismus, den Rassismus, die Intoleranz und die Ignoranz im Alltag. Er nimmt diese Dinge vorweg, spiegelt sie wider und dieses besser und radikaler als ihre eigentlichen Protagonisten. Der abgestumpfte Mitläufer bei alldem wird durch die hassistische Ansprache mit höherer Wahrscheinlichkeit mitgenommen und erreicht, als dieses Zwang oder der erhobene moralische Zeigefinger jemals könnten.

Wir Hassisten und insbesondere der Hassias erzeugen Meinung, indem wir tausendfach wiedergekäute Einstellungen aufgreifen und so darbieten, dass sie mit den Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten der Konsumenten spielen und so zum Nachdenken anregen können.

»Seid aufgeklärt und haltet es aus, eine eigene Meinung zu haben!« (Serdar Somuncu).

Der Rezipient sollte vor allem in der Lage sein, zu verstehen, was ernst gemeint ist, was ernst gemeint sein könnte und was nicht ernst gemeint sein kann. Er sollte fähig sein, sich seines Verstandes zu bedienen, indem er sich Gedanken darüber macht, ob die präsentierten Inhalte mit seinen eigenen Werten wie die der Würde des Menschen, Toleranz, Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit zu vereinbaren sind. Und selbst wenn der Rezipient von sich selbst und seinem Menschsein insofern entfremdet ist, dass er mit diesen Werten nichts anzufangen weiß, so sollte er Widersprüchlichkeiten und Inkonsistenzen im Dargebotenen erkennen, sich Gedanken machen und eine Meinung bilden, denn in dem Dargebotenen stecken sowohl Rolle als auch Selbst und beide Ebenen sind sehr stark miteinander verwoben – diese zu beurteilen, einzuordnen und im Selbstbezug zu bewerten liegt am Empfänger selbst.

Diese Herangehensweise ist ungewöhnlich und nicht für jedermann zu begreifen. Vor allem aber ist sie erfolgreich. Einerseits wird Serdar Somuncu bewundert und gefeiert, oft genug –  allzu oft leider – erfolgen jedoch unreflektiert reflexartige Reaktionen. Einerseits stehende Ovationen bei den Vorstellungen der Hassprediger-Tournee(n). Tausende, die sich vom Werk Serdar Somuncus, seinen Auftritten, Büchern und Videos inspiriert fühlen, die sich tiefergehende Gedanken machen, Hoffnung und Kraft schöpfen, wie unzählige Zuschriften belegen. Andererseits existieren haufenweise Fans, die unreflektiert alles Gesagte für bare Münze nehmen und sich in ihren Vorurteilen bestätigt fühlen, und andere, die Ansprüche stellen und überzogene Erwartungen hegen wie zum Beispiel viele Einträge auf der Facebook-Seite Serdar Somuncus und Einträge auf der Klagemauer seiner Internet-Repräsentanz aufzeigen (s. S. 312 ff.)

Serdar Somuncu und seine Arbeit werden mit Beschimpfungen und Drohungen aus allen Lagern konfrontiert: Linke bezeichnen ihn als »homophob, frauenfeindlich, rassistisch und rechts«. Rechte diffamieren ihn als »Kanaken, undeutsch und links«. Türken beschimpfen ihn als »einen sich bei den Deutschen einschleimenden Kuffar«, übereifrige Muslime (und auch Christen) verdammen ihn als »Ausgeburt des Teufels«.

Verleger, Redakteure, Veranstalter und Videohoster, wie YouTube oder MyVideo, die Serdar Somuncu in vorauseilendem Gehorsam zensieren, machen deutlich, dass das Recht der flächendeckenden Diskriminierung als Mittel zum aufklärenden Zweck noch nicht auf allen Ebenen angekommen ist.

So ist zwar Serdar Somuncu der wohl am meisten eingeladene und dabei am wenigsten gesendeste Künstler im deutschen Fernsehen, aber besonders staatliche Zensur schafft zusätzliche Nachfrage, die Ignoranz der Redakteure und Sender bleibt wirkungslos, da er weiterhin eine breite Öffentlichkeit erreicht.

So wie der Hassias befinden sich alle, die Satire betreiben und sich der Stilmittel Ironie, Zynismus und Sarkasmus bedienen, im ständigen Spannungsfeld von missverstanden und bewundert werden, gelobt und verachtet werden, wobei es jedoch nicht die Aufgabe eines Künstlers sein kann – auf gar keinen Fall sein darf –, sich ständig zu erklären, weder den Bewunderern oder Verächtern noch den staatlichen Instanzen gegenüber, da sonst jede Kunst zu administrativer Tätigkeit verkäme, man deswegen als Kreativer in ständigem Rechtfertigungszwang lebte und dies den ersten Schritt darstellte, die künstlerische Freiheit aufzugeben, da man in Versuchung geriete, in vorauseilendem Gehorsam die »Schere im Kopf« zu betätigen, und letztendlich Selbstzensur betriebe. Kunst muss laut Somuncu kompromisslos, konsequent und extrem sein, denn sonst verfiele sie in Beliebigkeit.

Auch der Hassismus ist wie das Leben es viel zu oft ist: dreckig, gemein, ungerecht, wechselhaft, launisch, erbarmungslos, unberechenbar, verlogen, bigott, verbittert und entfesselt und all dies noch bis in die Superlative gesteigert.

Die Herausforderung, Dargestelltes vom Darstellenden zu unterscheiden, stellt sich insbesondere bei der Technik der »immanenten Dekonstruktion«, denn es wird nicht mehr nur von außen kritisiert und dargestellt, sondern der Hassias geht da hin, »wo es weh tut«: Unser Hassias greift aus der Mitte der Zielgruppe heraus Zustände an, indem er den »hassistischen Wolf im Proletentum-Schafpelz« spielt, wenn er mit Duktus und Verhalten der Zielgruppe in dieselbe eintaucht, von innen heraus Widersprüche aufdeckt und so zum Reflektieren oder zu entlarvenden, reflexhaften und unreflektierten Reaktionen anregt. Indem er provoziert und polarisiert und sich dadurch Angriffen aussetzt, opfert sich unser Hassias, Serdar Somuncu, in geradezu heldenhafter Manier für den Erhalt und den Ausbau der humanistischen Werte auf, denn die Zügellosigkeit, Ziellosigkeit und das Zerstörerisch-Rücksichtslose sollen im Endeffekt konstruktiv wirken, indem sie beim Rezipienten Reflexionen auslösen oder auch nur eben angesprochene entlarvende reflexartig unreflektierte Reaktionen provozieren und – so oder so – zu Diskussionen zwischen den Einzelnen und zum Nachdenken beim Individuum führen.

Hassismus ist so als Essenz unserer nichtigen Existenzen, als Signatur und Signalfeuer unseres Wirkens in dieser Welt zu verstehen, nicht verzweifelt und zweifelnd, sondern anzweifelnd.

Was dürfen wir vom Hassismus in Zukunft erwarten? Die absolute Weltherrschaft! Meines Erachtens ist es nicht die Frage ob, sondern wann und wie wir die Welt erobern und wann und wie wir alle Religionen, jedwede Ideologie und sämtliche menschliche Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten überflüssig machen, da wir sie unter dem Dach unseres heiligen Tempels der Hatenight vereinigt haben.

Weniger darf nicht unser Anspruch sein als Hassisten, denn dies wäre Verrat an der Idee des Hassismus, dem geheiligtem Hassias, dem künstlerischen Konzept und Serdar Somuncu, der sich dafür mit Leib und Leben einsetzt. Aufgrund der Auslegung des Hassismus und seines Anspruches »Hass ist unsere Leidenschaft, weil unser Hass dem Leid der Welt Abhilfe schafft« kann nur die absolute und uneingeschränkte Weltherrschaft das Ziel sein ... oder meinetwegen zunächst einmal Deutschland ... oder auch nur als mittelfristiges Mindestziel die Besetzung Helgolands durch die hassistisch-revolutionären Garden und die Umbenennung der Sprit-Insel in »Hassoland«, um dann von dort aus Deutschland und die Welt zu missionieren, denn schließlich werden wir immer mehr Hassisten, von Tag zu Tag, da es bei jeder Predigt unseres Hassias, geschickt getarnt als Bühnenprogramme und spaßige Videos, zu Massenbekehrungen Ungläubiger kommt.

Des Weiteren erfolgt die Verbreitung des Hassismus nicht nur durch die Predigten des Hassias auf der Bühne und in Videos, sondern auch wir Hassisten wirken als Multiplikatoren im Privaten oder auf der Arbeit. So ist zu erwarten, dass bis spätestens 2050 die Mehrheit aller Deutschen bekehrte Hassisten sein wird. Um dies zu ermitteln, hatten wir Sarrazin 2010 unsere Zahlen untergeschmuggelt, weil wir zu faul zum Rechnen sind, und er hat diese zur Berechnung der Entwicklung des Bevölkerungsanteils mit Migrationshintergrund in seinem Comedy-Kracher »Deutschland lacht sich schlapp« oder wie das Teil hieß verwendet – danke Thilo noch mal für die Rechenarbeit!

Darum: Heiligt den Exzess, geheiligt sei der Hassias!

Zu guter Letzt – fast geschafft: Ich wünsche allen nun viel Vergnügen und ein ausreichendes Reflexionsvermögen beim Lesen dieses Buches. Darüber hinaus möchte ich euch alle noch herzlich einladen, an der Hatenight (unter http://www.hatenight.com) teilzuhaben sowohl lesend als auch schreibend.

Zuletzt geht mein Dank an den geheiligten Hassias, Serdar Somuncu, ihm sei besonders gedankt für sein Schaffen im Bereich Kunst und Kultur in den letzten mehr als 25 Jahren, in denen er sich unermüdlich für Werte wie Solidarität, Toleranz und Menschlichkeit – um nur einige wenige stellvertretende zu nennen – eingesetzt hat.

Es gilt, dass die hier abgedruckten Texte grundsätzlich als Satire zu betrachten sind. Wie offen man für diesen Ansatz ist, wie bereit im Selbstbezug zu analysieren und eigene Denkstrukturen und -muster zu ergründen, bleibt jedem selbst überlassen.

Der Hassismus ist ein existierendes Mittel, ein Angebot, die eigene Ohnmacht gegenüber der postmodernen Ambivalenz zu erforschen, zu hinterfragen und zu überwinden.

HEIL HASSIAS, GEHEILIGT SEI SEIN SAMEN IN UND AUF DEN DAMEN!

Spikester, Hasstor im Mai 2012