»Eve!«

Kristof rutschte auf die Mitte der Eisfläche hinaus, die Arme über dem Kopf, und drehte in Straßenschuhen eine Pirouette.

Ich verschluckte ein Lachen.

»Test Nummer eins«, schrie er zu mir herüber. »Woran merkst du, dass ich ein Geist bin?«

»Daran, dass du in Trotteurs und einem Golfhemd mitten auf der Eisbahn stehst, und keiner brüllt: ›Hey, kann einer den Trottel da vom Eis holen?‹«

Er grinste und kam auf den Schuhsohlen zu mir herübergerutscht. Als er den Eingang erreichte, packte er die Kante mit beiden Händen und sprang. Fünfzehn Jahre zuvor wäre er mühelos darüber hinweggesegelt, in voller Hockeyausrüstung.

Heute, okay . . .

»Na, aber immerhin bist du drübergekommen«, sagte ich, als er aufstand.

»Weißt du, ich will ja nicht meckern«, sagte er, während er sich etwas unsichtbaren Dreck von der Hose klopfte. »Die Parzen nehmen einem diese ganzen kleinen Beschwerden und Alterserscheinungen, und das ist toll, aber würde es sie umbringen, einem auch ein bisschen Beweglichkeit zurückzugeben?«

Ich schwang ein Bein hoch und legte den Fuß auf die Bande.

»Kann mich nicht beklagen.«

Ein gespieltes Stirnrunzeln. »Angeber sind unbeliebt, Eve.

Und ich könnte jetzt darauf hinweisen, dass ich, wenn ich mit siebenunddreißig und nicht mit siebenundvierzig gestorben wäre, auch in der Lage wäre, das zu tun.«

»Gute Entschuldigung.«

»Und ich bleibe dabei. Also auf zu Test Nummer zwei.«

Bevor ich etwas sagen konnte, lief er mitten in eine Elterngruppe hinein, die an der Bande stand.

»Woran erkennst du jetzt, dass ich ein Geist bin?«, rief er zu mir zurück.

»Weil du durch Menschen durchläufst. Ich weiß das, Kris.

Es ist vollkommen offensichtlich. Wenn ich will, dass ein Geist mich für ein körperliches Wesen hält, muss ich mich benehmen, als hätte ich einen Körper. Als ich an dieser Gruppe von Leuten vor der Klinik vorbeigegangen bin, hab ich einen Bogen um sie geschlagen.«

»Ah, aber eins hast du übersehen. Letzte Demonstration.

Profistufe.«

Er rannte ein halbes Dutzend Stufen hinauf und schob sich in eine Sitzreihe auf der Tribüne. Als er sich an den Zuschauern dort vorbeidrückte, achtete er sorgsam darauf, es so aussehen zu lassen, als müsse er sich um ihre Knie herummanövrieren; ein paarmal murmelte er sogar »Entschuldigung«. In der Mitte der Reihe drehte er sich zu mir um und hob fragend die Hände.

Ich schüttelte den Kopf. »Mich hättest du getäuscht.«

»Aber nur, weil du es nie mit Heimsuchen probiert hast.

Heimsucher müssen sehr vorsichtig sein. Wenn du an den falschen Geist gerätst, wirst du gemeldet. Ich versuche es jetzt noch mal, und dieses Mal beobachte nicht mich beobachte sie.«

Er kam auf dem gleichen Weg zurück, wobei er sich immer noch an Knien vorbeidrückte und Entschuldigungen murmelte. Ich beobachtete die Gesichter der Menschen, an denen er vorbeikam, und sah nichts. Sie taten einfach, was sie eben taten, benahmen sich, als ob er

»Sie benehmen sich, als wärst du nicht da«, sagte ich. »Das ist es. Sie reagieren nicht auf dich.«

»Stimmt«, sagte er, während er die Stufen wieder heruntergetrabt kam. »Vor diesem Krankenhaus bist du an einer Gruppe von Menschen vorbeigegangen, und keiner hat auch nur in deine Richtung gesehen. Und das ist nicht normal. Schon gar nicht, wenn Männer dabei waren.«

Ein Zwinkern und ein schneller, anerkennender Blick an mir hinunter. Wäre ich noch am Leben gewesen, ich bin mir sicher, ich wäre errötet. Aber Kris lächelte nur und ging zu einer Reihe von Tipps über; das Kompliment war so beiläufig gekommen wie eine Bemerkung über das Wetter. Typisch. Kris kannte sämtliche Tricks, alle Arten, mir mitzuteilen, dass er mich zurückhaben wollte, ohne es jemals auszusprechen. Ein wie nebenher angebrachtes Kompliment, ein langer Blick, eine zwanglose Berührung alberne kleine Dinge, die es irgendwie schafften, ein schwindliges Gefühl in mir zu wecken.

Ich wollte ihn zurückhaben. Gar keine Frage. Ich hatte nie aufgehört, ihn zu wollen, und es gab Gelegenheiten, bei denen ich ihn ansah, die ziehende Sehnsucht spürte und mich fragte, warum zum Teufel ich mich eigentlich dagegen stemmte. Ich würde mich auf nichts einlassen, das ich nicht schon kannte.

Und genau das war der Grund, weshalb ich diesen nächsten Schritt nicht tun würde. Weil ich es wirklich schon kannte.

Ich war für Beziehungen nicht gemacht. Ich hatte niemals das Bedürfnis gehabt, mein Leben mit jemandem zu teilen, und hatte von anderen niemals mehr als lockere Freundschaften und berufliche Kontakte erwartet. Wenn jemand es schaffte, mir wichtig zu werden Ruth Winterbourne, später Kristof, dann Savannah , enttäuschte ich sie, indem ich Entscheidungen traf, die mir im entsprechenden Augenblick absolut richtig erschienen. So gern ich auch behauptet hätte, dass ich Kristof nur deshalb widerstand, um ihn nicht wieder zu verletzen, ich wusste, dass ich in mindestens dem gleichen Maß mich selbst schützte.

Kristof kam zum Ende seiner Liste von Tipps. »Das ist alles, was mir im Moment einfällt. Wird Zeit, dass wir es in die Praxis umsetzen.«

»Praxis? Du meinst mit diesen Heimsuchern? Danke für das Angebot, aber «

»Das ist kein Angebot, sondern eine Forderung. Du schuldest mir was.«

»Ich schulde dir was?«, platzte ich heraus.

»Ich hab versucht, dir einen Job beim Gericht zu verschaffen

einen Job, der zugleich mir die Entschuldigung geliefert hätte, ein paar Aktivitäten nachzugehen, die für einen geachteten Juristen unter anderen Umständen wenig passend gewesen wären. Du hast mich abgeschmettert und mir dadurch eine Gelegenheit zum Unfugmachen verwehrt, die erste seit «

»Stunden. Vielleicht sogar Tagen.«

Ein schnelles Grinsen in meine Richtung. »Viel zu langer Zeit jedenfalls. Jetzt hast du mir einen möglichen Ersatz geliefert, und den werde ich mir mit Sicherheit nicht entgehen lassen.«

»Ich habe dich also am Hals?«

Sein Grinsen wurde breiter. »Jetzt und bis in alle Ewigkeit.«

Ich murmelte etwas Unverständliches, griff nach seiner Hand und teleportierte uns zurück zu meiner Markierung.

Bevor wir dem Krankenhaus nahe genug waren, dass der Rausschmeißer mich hätte erkennen können, schlugen wir einen Bogen zur Rückseite. Und als wir im Gebäude ankamen, machten wir uns auf die Suche nach unseren Heimsuchern. Es dauerte nicht lang, bis wir sie gefunden hatten. Wir brauchten nur den Schreien nachzugehen.

7

W ir standen in einem abgedunkelten Therapiezimmer.

Die Stimmen kamen aus dem Nebenraum. Ich verwendete meine AspicioKräfte, um ein Guckloch in der Wand zu öffnen, und sah hindurch. Kris setzte sich auf den Schreibtisch und wartete er wusste, dass durch die Löcher, die ich schuf, nur ich selbst etwas sehen konnte.

Im Nebenzimmer befanden sich drei Leute. Die Älteste war eine Frau Mitte fünfzig, die hinter einem stählernen Schreibtisch saß. Sie trug einen sehr bunten Kaftan, riesige Creolen an den Ohren und eine Halskette mit einem hässlichen hölzernen Elefanten als Anhänger, der mit dem Rüssel voran zwischen ihre Brüste zu rutschen schien. Der Elefant sah ängstlich aus.

Ich konnte es nachvollziehen.

Die Frau lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und schrieb auf einen kleinen Notizblock. Hinter ihrem Kopf brüllte ein riesiges Plakat: YOU ARE THE CAPTAIN OF YOUR OWN SHIP. Es zeigte die berühmte Aufnahme aus Titanic, Leo und Kate mit ausgebreiteten Armen am Bug. Würde man mich zwingen, eine Stunde pro Woche vor diesem Bild zu verbringen, ich wäre auch so weit, mich freiwillig einzuweisen.

Der Therapeutin gegenüber saßen ein Mann und eine Frau, beide Ende zwanzig, beide in Jeans und Sweatshirt. Die Frau hatte einen Fuß auf den Sitz gezogen und sah so entspannt aus, wie man nur aussehen konnte. Der Mann dagegen war so angespannt, dass er über dem Stuhl in der Luft zu schweben schien, bereit, bei der geringsten Provokation aufzuspringen.

»Nein, sie ist genau hier!«, sagte der junge Mann. »Warum können Sie sie nicht sehen?«

»Erzählen Sie mir, was Sie sehen«, säuselte die Therapeutin.

»Ich hab’s Ihnen erzählt!«, sagte der junge Mann. »Ich hab’s Ihnen erzählt und erzählt und «

»Barton«, unterbrach ihn die Therapeutin. »Wissen Sie noch, was wir hier sagen? Wut hat in diesem Haus keinen Platz. Wie Müll müssen wir sie an den Straßenrand tragen.«

»Herrgott, was für ein Haufen Scheiße«, sagte die jüngere Frau und gähnte, während sie die Beine streckte. »Sag ihr doch, was für ein Miststück sie ist. Eine dumme, blinde alte Kuh«

»Sie sind blind«, sagte er zu der Therapeutin. »Wenn Sie nicht sehen können, dass sie hier sitzt «

»Um Gottes willen, Bart. Sei doch nicht so ein Feigling. Sie ist ein Miststück. Sag’s ihr ins Gesicht.«

»Nein!«

»Was, Barton?«, fragte die Therapeutin. »Was sagt sie zu Ihnen?«

Barton kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.

Die jüngere Frau beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er versuchte sie zu verscheuchen wie eine Fliege, aber seine Hand glitt geradewegs durch ihr Gesicht hindurch.

»Nun komm schon, sag’s ihr«, drängte der Geist. »Noch besser, knall ihr eine. Schlag ihr die selbstgerechte Fresse ein.

Das wäre mal therapeutisch.«

Barton sprang auf und holte aus zu dem Geist hin. Als seine Faust durch sie hindurchging, warf er die Arme hoch und heulte auf. Dann drehte er sich langsam zu der Therapeutin um, die wie wild auf ihren Block kritzelte. Der Geist krümmte sich vor Lachen.

Ich ballte die Fäuste und drehte mich zu Kristof um.

»Darf ich ihr eine scheuern? Nur eine einzige ordentliche Ohrfeige «

»Oh, wir lassen uns etwas Besseres einfallen«, sagte er. »Aber erst müssen wir die anderen finden.«

Auch diesmal verrieten die Geister sich selbst, nicht indem sie die Patienten zum Brüllen brachten, sondern indem sie herumsaßen und sich darüber unterhielten. Niemand weiß, warum manche Patienten in der Psychiatrie Geister sehen können. Vielleicht lässt die Geisteskrankheit die Barrieren zusammenbrechen, die zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen bestehen, so dass der rationale Verstand des Geisteskranken nicht mehr sofort eingreift, um seine Wahrnehmungen zu korrigieren wie bei kleinen Kindern und Tieren. Es könnte auch sein, dass diese Leute ein bisschen Nekromantenblut von ihren Ahnen geerbt haben, dass ihre Vorfahren aber den Kontakt zur paranormalen Gemeinschaft verloren haben. Wenn sie dann anfangen, Stimmen zu hören und Erscheinungen zu sehen, vermutet jeder Mensch in ihrer Umgebung ein psychisches Problem.

Als wir auf eine Gruppe von vier Leuten stießen, die sich gerade darüber amüsierten, dass sie einen Patienten dazu gebracht hatten, sich in die Hosen zu machen, wussten wir, dass wir unsere Heimsucher gefunden hatten. Entweder das, oder wir hatten stattdessen die erste psychiatrische Klinik der Welt gefunden, die ihre Belegschaft aus dem National Sadists’ Institute rekrutierte.

»Nein, nein, nein!«, sagte ein älterer Mann mit einem schneeweißen Spitzbart. »Da hatten wir noch was Besseres. Ted, erinnerst du dich an Bruce? Den du davon überzeugt hast, dass er fliegen kann?«

»Oh, yeah«, gackerte ein Geist, der mit dem Rücken zu meinem Guckloch saß.

»Was ist passiert?«, fragte ein dickliches Mädchen im Teenageralter.

Ted drehte sich, um sein Publikum besser zu sehen, und ich erkannte Jaimes kopflose Nervensäge. Ich trat einen. Schritt zurück und gab Kris mit einer Geste zu verstehen, dass ich unseren Geist gefunden hatte. Er nickte, und ich trat wieder an mein Guckloch.

». . . sauber über die Dachkante gesegelt.« Ted lachte so sehr, dass er die Worte kaum herausbrachte. »Wie Superman. Bloß hat er ziemlich schnell gemerkt, dass er eben nicht fliegen konnte. Er ist auf Petermans Jaguar gelandet. So hart, dass seine Zähne in der Gegend rumgeflogen sind wie Kaubonbons. Peterman hat sie noch Wochen später zwischen den Sitzen rausgeklaubt.

Das hatte er davon, dass er das Sonnenverdeck offen gelassen hatte.«

Die Heimsucher brüllten vor Lachen.

Der alte Mann schwenkte die Arme wie ein Vogel beim Abheben. »Der beste Moment war, als der dumme Trottel auf dem Dach aufgekommen ist. Einen Moment lang hat er einfach dagelegen und ist gestorben. Dann hat der Geist angefangen, sich zu lösen. Er hat sich umgesehen, mit dem breitesten Grinsen, das ihr je gesehen habt, hat oben auf dem Jaguar ein Tänzchen hingelegt, und dabei brüllt er: ›Ich hab’s geschafft! Ich hab’s geschafft! Ich kann fliegen!‹ Dann . . . «

Ted trat vor den alten Mann hin. »Und dann guckt er zufällig nach unten, und da unter seinen Füßen liegt ein Körper. Sein Körper. Er bleibt stehen komplett eingefroren , starrt nach unten und sagt: ›Oh . . . ‹«

»Einfach nur ›Oh‹«, kicherte der alte Mann.

Ich sah zu Kristof hin.

»Sollen wir noch ein paar Ohrfeigen verteilen?«, murmelte er.

»Das wäre zu gut für die. Meinst du, ich könnte ihnen die Eingeweide rausreißen und als Harfensaiten verwenden?«

»Du könntest es versuchen. Oder . . . «

Er legte den Kopf schief, zu der papierdünnen Wand hin.

». . . sind die Besten«, sagte jemand und seufzte dann. »Wir haben seit Wochen keine guten Neuen mehr gehabt.«

Ich sah zu Kristof hin. Wir lächelten uns an.

Weiter hinten am Gang fanden wir einen leeren Raum, in dem wir uns unterhalten konnten, ohne von den Heimsuchern gehört zu werden.

Ich setzte mich auf das Bett. »Also, einer von uns gibt den Patienten, und der andere sollte Schwester oder Pfleger oder «

»Zuerst müsste ich dich mal in Schwesterntracht sehen.«

»Ich erinnere mich nicht, vorhin eine Schwester gesehen zu haben. Ich muss nachsehen, wie die Uniform hier «

Als ich vom Bett rutschte, streckte er die Hand aus, um mich zurückzuhalten.

»Ich glaube, das kann ich übernehmen«, sagte er. »Darf ich?«

Die Fähigkeit, eine Frau in das Kleidungsstück seiner Wahl zu stecken, mag der Traum jedes heranwachsenden Jungen sein, aber Geister besitzen sie nicht es sei denn, sie haben die stillschweigende Erlaubnis der anderen Person. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich darauf, Kris meine Kleidung verändern zu lassen.

»Da«, sagte er.

Ich sah nach unten, und meine Titten sahen zurück. Na ja, jedenfalls die obere Hälfte; sie steckten in einem weißen Blusenoberteil, das so tief ausgeschnitten war, dass sie beim ersten Seufzer herausgesprungen wären. Ich trug ein hautenges weißes Schwesternkleid, das kaum meinen Hintern bedeckte.

Da rede einer noch von pubertären Fantasien. Ich stierte zu Kris hinüber. Er grinste wie ein Dreizehnjähriger.

»Hey, es ist eine Schwesterntracht«, sagte er.

»Yeah . . . aus einem Pornofilm.«

Breites Grinsen. »Gut genug für mich.«

Ich seufzte, und er kam näher; ein Finger glitt unter dem Saum des Kleides entlang, so dass der Stoff meine Oberschenkel kitzelte.

»Weißt du noch, das letzte Mal, als du Krankenschwester für mich gespielt hast?«, murmelte er. »Ich habe da gerade in der New Yorker Niederlassung gearbeitet, und du bist übers Wochenende gekommen. Wir wollten uns eigentlich zum Abendessen treffen, aber du hast angerufen «

»Ich erinnere mich«, sagte ich mit einem schnellen Schritt zur Seite. »Also, wir brauchen einen Plan «

»Oh, du hattest einen Plan.« Er trat so dicht an mich heran, wie es ihm möglich war, ohne mich zu berühren. »Ich war unterwegs zu einer Besprechung, und du hast angerufen und gesagt: ›Ich kann nicht bis heute Abend warten, Kris.‹«

Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen irgendwas , aber sein Blick hielt meinen fest, und ich fand keine Worte, so dass ich einfach dort stand, die Lippen geöffnet, das Gesicht zu seinem gehoben.

Er sprach weiter. »Du hast gesagt, ich hörte mich auch nicht so sehr gut an, und vorgeschlagen, ich sollte bei dir im Hotel vorbeikommen und dich die Krankenschwester spielen lassen.

Was du dann auch getan hast. Sehr wirkungsvoll. Hast mich ins Bett geschickt . . . und als du fertig warst, hätte ich tatsächlich nicht mehr aufstehen können, selbst wenn ich’s gewollt hätte.«

Ein nachdenkliches Grinsen. »Du allerdings auch nicht.«

Dem Himmel sei Dank für das Geisterdasein. Als Geist muss man sich keinerlei Gedanken wegen eines hämmernden Herzens, schwitzender Handflächen oder eines gepressten Atems zu machen.

Ich brauchte nichts weiter zu tun, als den Blick gesenkt zu halten, und er würde nicht wissen, wie sehr ich mir wünschte,

»Ach, zum Teufel« zu sagen und den letzten halben Zentimeter zu überwinden, der uns noch trennte.

Seine Lippen kamen näher an mein Ohr heran. »Ich erinnere mich an jede einzelne Sekunde dieses Nachmittags, Eve.

Ich habe ihn so oft in Gedanken nachgespielt . . . im Bett, in der Dusche, sogar im Auto, wenn ich im Stau gestanden habe ich habe da gesessen und eine Werbetafel von dem Hotel gesehen, in dem wir damals waren, und das Nächste, was passiert ist . . . « Ein tiefes, leises Lachen. »Jedenfalls hatte ich eine Möglichkeit gefunden, diesen Stau sehr viel kurzweiliger zu gestalten.«

Ich trat so schnell zurück, dass ich geradewegs durch die Wand hinter mir fiel. Kristof packte mich am Arm, um mich zu stützen, aber ich machte mich los, richtete mich auf und sah ihn finster an. »Herrgott, du bist «

Schnelles Grinsen. »Unverbesserlich?«

»Das war nicht das Wort, an das ich gerade gedacht habe.«

»Ich mag unverbesserlich. Viel lieber als verzweifelt. Oder scharf. Oder verzweifelt scharf.«

»Arrrgh!« Ich wechselte mit einem Lidschlag zurück in meine Jeans. »So. Besser?«

Er griff nach meiner Hand und drückte sie auf seinen Unterleib. »Keine Spur. Keine Veränderung. Hab ich jemals erwähnt, wie toll dein Hintern in dieser «

»Wenn du es tust, könntest du Bekanntschaft mit einer Energiestoßformel machen.«

»Hm.«

»Probier’s gar nicht erst.«

»Hatte ich gar nicht vor. Ich frage mich einfach, ob ich es riskieren soll, den Reißverschluss aufzumachen, oder ob ich dich einfach so weitermachen lassen soll.«

»Wie weitermachen?« Ich folgte seiner Blickrichtung abwärts und stellte fest, dass meine Hand immer noch auf seinem Unterleib lag. »Zum Teufel mit dir!«

»Verstehe ich recht, dass das bedeutet, der Reißverschluss bleibt zu?«

Ich verkniff mir die Antwort und marschierte stattdessen ans andere Ende des Raums, um meinem Hirn genug Zeit zu geben, wieder aus dem Lustnebel herauszufinden. »Ich brauche eine echte Schwesterntracht.«

»Nein, du bist die Patientin.«

»Aber du hast doch gesagt «

»Ich habe gesagt, erst müsste ich dich in Schwesternuniform sehen. Ich habe nicht gesagt, dass das irgendwas mit dem Plan zu tun hat.«

Ich verdrehte die Augen und versuchte nicht zu lachen.

»Okay, sag mir einfach, was du vorhast.«

Ich würde also die Patientin sein, schon weil dazu eine gründlichere Verkleidung gehörte immerhin hatten zwei der Heimsucher mich bereits gesehen. Fleckige, formlose Trainingshosen, verfilztes, ungewaschenes Haar und rote, eingesunkene Augen das Aussehen eines Menschen, für den Körperpflege schon seit einer ganzen Weile nicht mehr an oberster Stelle steht. Nachdem ich mit dem Blendwerk fertig war, beschwor Kris einen Rollstuhl für mich, und wir machten uns auf den Weg zurück zu unseren Heimsuchern.

8

Ihr hättet Barts Gesicht sehen sollen.«Die junge Frau, die Barton provoziert hatte, war mittlerweile zu den anderen gestoßen. »Franco hat den Bericht gar nicht schnell genug schreiben können. Sie hat am Telefon gehangen und mit Peterson geredet, bevor Chang gekommen ist und den guten alten Bart abgeholt hat.«

Kristof schob mich ins Zimmer, und es wurde still, während sich alle Augen auf uns richteten. Er trug die Uniform eines Krankenwärters und maulte leise vor sich hin etwas davon, dass die Schwestern zu viel zu tun hatten, um mir beim Bezug meines Zimmers zu helfen. Er steuerte sorgfältig und achtete darauf, nicht durch irgendetwas hindurchzufahren, bei dem die Wahrscheinlichkeit bestand, dass es fest war. In der Mitte des Zimmers ließ er mich stehen; dann griff er nach dem zusammengefalteten Bettzeug am Fuß des Bettes. Er duplizierte rasch eine Geisterversion davon, bevor er das oberste Laken zu entfalten begann. Ich saß bewegungslos da, das Kinn auf der Brust, den Blick gesenkt.

»Na, sieh mal einer an«, kicherte der kopflose Ted.

Ich hob den Kopf und musterte das Zimmer, dann sah ich stirnrunzelnd zu Kris hinüber.

»Audio haben wir«, sagte das Mädchen. »Aber ich glaube, Video funktioniert nicht.«

»Verdammt«, sagte die andere Frau.

»Mir sind die Horcher lieber«, sagte Ted, während er zu mir herübergeschlendert kam. »Viel beunruhigender, stimmt’s, Süße? Du kannst uns hören, aber sehen kannst du absolut nichts.«

»Wer wer ist da?«, fragte ich.

Ted beugte sich zu meinem Ohr hinunter. »Ich bin hier neben dir. Kannst du mich nicht sehen?«

»Nnein.«

»Na, vielleicht liegt’s daran, dass du verrückt bist.«

Die anderen lachten.

»Nur Verrückte hören Stimmen«, flüsterte Ted. »Bist du verrückt, Süße? Nicht alle Tassen im Schrank? Ein paar Schrauben locker? Irgendwas am Oberstübchen? Hast du einen Vogel, Süße? Vielleicht eine . . . Moment . . . «

»Meise«, sagte Kris.

Sie sahen alle zu Kris hinüber. Er schüttelte das nächste Laken aus und ließ es auf das Bett hinuntersinken.

»Hat er . . . ?«, fragte Ted.

»Ich glaube nicht«, sagte der alte Mann. »Vielleicht hat er einfach «

»Eine Meise«, wiederholte Kris, immer noch mit dem Rücken zu ihnen. »Der Begriff, der noch fehlt, um die Beleidigung zu vervollständigen, lautet Meise. Es gibt noch andere Möglichkeiten, aber dies ist die gängigste Version. Eine Meise haben.« Er drehte sich langsam zu ihnen um. Seine Augen strahlten neonblau. Es war ein einfacher Blendwerkzauber, aber das Mädchen keuchte und wich zurück. Kris hob beide Hände über den Kopf, und ein Schauer von Funken sprühte aus seinen Fingerspitzen. Die Geister starrten ihn an wie Höhlenmenschen, die ihre erste Sonnenfinsternis erleben. Als Kris’Hände herabfielen, verwandelte sich die Uniform des Krankenwärters, die er trug, in ein schwarzes Stehkragenhemd und schwarze Hosen. Noch eine abschließende Bewegung, und Lichtblitze fuhren aus seinen Handflächen, prallten von der gegenüberliegenden Wand zurück und sprangen im Zimmer herum wie Pingpongbälle.

Der alte Mann stürzte zur Tür. Kris hob einen Finger und beschrieb einen schnellen Kreis die Geste für eine Blockadeformel. Die eigentliche Formel ließ er leise mich sprechen.

Blockadeformeln sind Magierzauber, aber sehr verlässlich war Kris’ Version nicht, und er wusste es.

Als der alte Mann in die Barriere hineinrannte, prallte er zurück. Die Frau rannte auf die nächstgelegene Wand zu und stieß auch dort auf eine Barriere.

»Wer bist du?«, wollte Ted wissen.

»Wer ich bin?« Kris’ Stimme nahm einen Tonfall an, der schon manchen aufmüpfigen Jungmanager zur Räson gebracht hatte. »Das wagst du zu fragen? Das musst du fragen?«

»Siehst du, Liebster?«, sagte ich, während ich aus dem Rollstuhl aufstand. »Ich habe dir doch gesagt, er hat mich vorhin nicht erkannt.«

Das Mädchen starrte mich an mein neues, generalüberholtes Ich, sauber und in ein kurzes schwarzes Kleid mit chinesischem Kragen gekleidet, das zu Kris’ Kleidung passte. Ted drehte sich um und zwinkerte ungläubig.

»Du«, sagte er. »Du bist dieses Miststück aus dem «

Ich schleuderte ihm einen Energieblitz in die Magengrube.

Verletzen konnte ihn der natürlich nicht, aber er spürte ihn, vor allem, als er auf dem Boden landete. Ich schlenderte zu ihm hinüber und sprach einen Bindezauber, der ihn mitten im Aufstehen gebückt erstarren ließ.

»So«, sagte ich. »Das ist die Haltung, die man vor mir einnimmt. Verändere sie, und ich verpasse dir etwas, das den Blitz gerade eben aussehen lässt wie ein Antippen.«

Ich löste den Zauber. Aus seiner gebückten Stellung heraus sah er sich nach seinen Mitheimsuchern um, aber sie wandten alle den Blick ab.

Ted sah wieder zu mir hin. »Ich weiß nicht, welche Sorte Geister ihr seid «

»Geister!«, donnerte Kris, während er mit langen Schritten auf Ted zuging. »Erst dringt ihr in unser Territorium ein, dann haltet ihr uns für Geister?«

»Euer Territorium?«, fragte der alte Mann. »Das ist eures?

Wir haben nicht gewusst «

»Dann ist eure Ignoranz eine weitere Beleidigung. Ihr habt Grenzen verletzt, und ihr werdet dafür bezahlen.«

»Bbezahlen?«, sagte der Teenager. »Aber ich habe ich bin erst seit einer Woche hier. Sie haben gesagt, es ist okay. Sie haben gesagt, keiner würde uns stören «

Ich ließ sie in einem Bindezauber erstarren, und sie verstummte.

»Danke«, sagte Kris. »Und was den Rest von euch angeht «

»Darf ich sie haben?«, fragte ich. »Bitte! Etwas Neues zum Spielen?«

»Wartet«, sagte der alte Mann. »Wir haben das nicht gewusst.

Es war einfach ein Irrtum. Niemand hat uns gesagt «

»Niemand sollte euch das sagen müssen.«

Ich glitt zu Kristof hinüber. »Ganz so viele Schoßtiere brauche ich nicht. Vielleicht sollten wir ihnen zeigen, dass nicht nur die Götter gnädig sein können.« Ich lächelte. »Ich bin mir sicher, sie würden dafür in unserer Schuld stehen.«

»Ja«, sagte der alte Mann schnell. »Lasst uns gehen, und ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, dass wir je wieder herkommen.«

Kris sah ihm in die Augen; seine eigenen loderten immer noch. »Das will ich hoffen.«

Ich löste den Blockadezauber, und Kris wischte ihn mit einer Handbewegung fort.

»Geht«, sagte er.

Als sie auf die nächstgelegene Wand zustürzten, packte ich Ted.

»Alle gebe ich aber nicht her. Dich behalte ich.« Ich lächelte und ließ dabei die Zähne aufblitzen.

Teds Blick flog zu Kris hinüber. »Aber du du hast gesagt «

Kris zuckte die Achseln.

»Zeig mir doch noch mal deine Eingeweide«, sagte ich. »Mal sehen, wie weit ich sie rausziehen kann. Vielleicht kann ich sie dir um den Hals wickeln und als Leine verwenden.«

Ted öffnete den Mund, aber es kam nur ein Quieken heraus. »Der hier gibt ein gutes Haustier ab, Liebste«, sagte Kris, während er hinter mich trat. Er ließ eine Hand über meinen nackten Oberschenkel gleiten; als seine Finger zu meinem Hintern hinaufglitten, lehnte ich mich zurück und flüsterte ihm ins Ohr: »Mach weiter, und ich spiele stattdessen mit deinen Eingeweiden.«

Ein kehliges Lachen, als hätte ich etwas unglaublich Erotisches gesagt. Seine Hand rutschte wieder zu meinem Bein hinunter, die Finger kitzelten die Innenseite meines Oberschenkels und jagten einen Schauer durch mich hindurch.

»Gehen wir also«, murmelte er, laut genug, dass Ted es hören konnte. »Nehmen wir ihn mit nach unten und zeigen ihm sein neues Zuhause.«

Er begann mit einer erfundenen Beschwörung und unterbrach sich dann. »Vielleicht hätten wir noch einen behalten sollen. Ein Wachmann wäre hier ganz nützlich um sicherzustellen, dass keiner von ihnen zurückkommt und auch niemand anders sich hier einnistet.«

»Wachmann«, quiekte Ted. »Ich gebe einen guten Wachmann ab.« Er schob sich näher an Kris heran. »Ich passe auf.

Ich halte jeden fern, den ihr «

Kris schleuderte ihn mit einer Formel von sich.

Ich lehnte mich wieder an ihn. »Nimm du ihn. Ich finde schon wieder einen.«

»Ich finde einen für dich.«

Ich lächelte. »Noch besser. Und wenn der hier seine Arbeit nicht tut «

»Ich mache sie«, sagte Ted. »Ich bleibe hier in diesem Krankenhaus «

»Nein, du bleibst draußen«, sagte Kris. »Und du behelligst die Patienten nicht. Sie gehören uns und stehen unter unserem Schutz.«

»Wo wir gerade von unseren Leuten sprechen«, sagte ich.

»Was ist mit Jaime?«

»Gehört sie auch zu euch?«, fragte Ted. »Kein Problem. Ich halte mich fern von ihr.«

»Selbstverständlich«, sagte Kris. »Weil du nämlich hier auf dem Grundstück bleiben und es nicht verlassen wirst, bevor wir nicht zurückkommen und dir sagen, dass du gehen kannst.«

»Ich hab’s verstanden.«

Kris ließ sich von Ted einen seelenbindenden Eid schwören. Der war zwar pseudomagischer Hokuspokus, aber Ted schluckte es . . . und der Schauer aus Funken und der Donnerschlag am Ende waren hübsche, kinotaugliche Details. Dann hob Kris die Hände, ein wallender Nebel stieg vom Boden auf und verschluckte uns. Wir kehrten in die Geisterwelt zurück und stellten fest, dass wir auf einer Wiese standen.

Ich piekte Kristof in die Brust. »Du warst unglaublich!«

»Der Donnerschlag war vielleicht ein bisschen viel. Und diese Blitze.«

»Von wegen. Du warst perfekt.«

Als seine Augen aufleuchteten, lachte ich laut.

»Vermisst du das?«, fragte ich. »Die Höflinge, die dir erzählen, wie fabelhaft du bist?«

Sein Blick traf auf meinen, und seine Stimme wurde weicher.

»Ist mir nie wichtig gewesen. Du bist die Einzige, die es jemals so gesagt hat, dass es wahr sein könnte.«

Ich senkte den Blick und trat zurück. »Ich sollte gehen und Jaime sagen, dass ihr Problem sich erledigt hat. Vielen Dank für «

»Jederzeit. Das weißt du auch.«

Ich nickte. »Dann mache ich mich jetzt auf den Weg. Sehen wir uns später?«

»Bitte. Oh, noch etwas. Wenn du mit Jaime redest es gibt zwar keinen Grund, weshalb dabei mein Name fallen sollte, aber sorg besser dafür, dass er es nicht tut.«

Ich seufzte. »Was hast du ihr angetan?«

»Das war nicht ich «

»Lass es mich anders formulieren. Was haben deine Angestellten ihr auf deine Anweisung hin angetan? Das heißt, wenn ich’s mir recht überlege, sag’s mir lieber nicht.« Ich verdrehte die Augen. »Ich hätte das wohl wissen müssen wenn ich ihr nie irgendwas getan habe, dann musst du es gewesen sein. Wir beide zusammen haben es uns wohl mit etwa fünfundneunzig Prozent der paranormalen Welt verdorben.«

»Und die restlichen fünf haben wir umgebracht.«

»Wir werden an unseren Umgangsformen arbeiten müssen, Kris.«

»Aber was soll dann daran amüsant sein?«

Ich lächelte, schüttelte den Kopf und teleportierte mich in Jaimes Wohnung.

9

Wenn es mir gelingen sollte,Jaimes Stalker geist loszuwerden, würde ich in ihre Wohnung kommen und dort auf sie warten, so lautete die Abmachung. Nachdem ich Jaimes Wohnung gefunden hatte, wartete ich dort tatsächlich . . .

mindestens zehn Minuten lang. Dann begann ich nach Hinweisen darauf zu suchen, wohin sie gegangen war. Die Antwort fand ich in ihrem Kalender sie war zu einem gesellschaftlichen Anlass bei irgendeinem Mitglied des Stadtrats eingeladen.

Das half mir nicht weiter, aber ich hatte das Glück, auf ihrem Schreibtisch einen kleinen Stapel Einladungen zu finden.

Die für heute Abend lag natürlich nicht ganz oben das wäre ja auch zu einfach gewesen. Also musste ich mich mit Hilfe meiner AspicioKräfte in den Stoß hineinbohren. Das erforderte Zeit und Mühe. Ein Guckloch durch den Stoß und den Tisch hindurch zu öffnen wäre einfach gewesen, aber sich jede Schicht einzeln anzusehen, war viel schwieriger. Nach einer halben Stunde Arbeit fand ich die richtige Einladung.

Damit hatte ich immerhin eine Adresse.

Dann musste ich zu meinem Haus in Savannah zurückkehren, meine Sammlung von Stadtplänen herausholen und nachsehen, wo diese Adresse zu finden war. Ich kannte nur drei Reisecodes für Chicago, was bedeutete, dass ich nur bis auf sechs Meilen an mein Ziel herankommen konnte. Es hätte schlimmer sein können, aber es war immer noch ein hübscher Fußmarsch.

Als ich schließlich eintraf, war es nach Mitternacht. Die Straße war mit Autos zugeparkt, und Leute kamen aus dem Haus geströmt, entweder hinreichend erpicht auf frische Luft, um die Kälte in Kauf zu nehmen, oder zu betrunken, um sie zu bemerken.

Ich fand Jaime im Esszimmer, wo sie mit einer makellos gekleideten und frisierten Frau Mitte fünfzig sprach. Nun hatte ich in Jaimes Aufnahmestudio meine Lektion gelernt. Oder vielleicht sollte ich einfach zugeben, dass Jaime nicht ganz unrecht hatte mit ihren Ansichten über Geister, die sie mitten in einer Unterhaltung mit einem lebenden Menschen unterbrachen. Also hielt ich mich aus ihrem Blickfeld heraus und wartete. Wartete noch etwas. Wartete weitere dreißig Sekunden und beschloss dann, näher heranzugehen und zu sehen, ob ich vielleicht auf höfliche Weise ihre Aufmerksamkeit erregen konnte.

Als ich mich näherte, sah ich auch Jaimes Gesprächspartnerin besser. Sogar von hinten war sie unverkennbar eine gut gestellte Karrierefrau makellose Haltung, ein Designerkostüm, kurzes, dezent silbergesträhntes Haar, das auf elegante Art die mittleren Jahre erkennen ließ. Eine Frau in einer leitenden Funktion, vielleicht auch eine Juristin, vielleicht sogar die Gemeinderätin, in deren Haus ich mich befand. In ihrer Haltung und ihren Gesten zeigte sich die Selbstsicherheit einer Frau, die ihren Platz im Leben gefunden hatte und sich dort wohl fühlte. Aber als ich sie so weit umkreist hatte, dass ich ihr Gesicht sehen konnte, erzählten ihre Züge eine andere Geschichte. Tief eingegrabene Linien ließen mich ihr Alter augenblicklich um zehn Jahre nach oben korrigieren. Ihre Augen waren rot gerändert, aber trocken, das Gesicht angespannt, als bewahrte sie mit Mühe die Fassung.

»Nein, ich verstehe vollkommen«, sagte Jaime gerade. »Bitte glauben Sie mir, es geht hier nicht um «

»Ist es das Geld? Geld ist nicht das Problem, Jaime. Ich habe das schon einmal gesagt, und ich habe es «

»Es geht auch nicht um Geld.«

Die Finger der Frau schlossen sich fester um eine schmutzige Serviette. »Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht kränken «

»Das haben Sie auch nicht. Aber ich kann Ihnen nicht helfen.

Wirklich nicht. Wenn ich Ihre Tochter finden könnte «

»Es ist nicht nötig, dass Sie sie finden. Sagen Sie mir einfach, ob sie dort ist. Auf der anderen Seite. Ich muss einfach . . . Es ist so lange her. Ich muss es wissen.«

Jaime riss den Blick vom Gesicht der anderen Frau los. »Sie brauchen Klarheit. Ich verstehe das. Aber so funktioniert es nicht.«

»Wir könnten es versuchen. Es kann doch nichts schaden, es zu versuchen, oder?«

»Wenn es Ihnen falsche Hoffnungen macht, dann schon. Es

es tut mir leid. Ich muss «

Sie murmelte etwas und stürzte davon. Ich folgte ihr durchs Nebenzimmer und zur Hintertür hinaus. Sie rannte an den Leuten vorbei, die auf der Veranda standen, in den Garten hinunter und blieb erst stehen, als sie den Zaun erreichte und nicht weitergehen konnte. Dann lehnte sie sich schaudernd gegen die Holzlatten.

»Das muss grässlich gewesen sein«, sagte ich.

Ihr Kopf fuhr hoch; dann sah sie mich. Ich ging näher heran.

»Du weißt, dass du ihr nicht helfen kannst. Ich weiß, dass du ihr nicht helfen kannst. Aber nichts, was du sagst, wird sie überzeugen. Du hast wirklich getan, was du konntest.«

Jaime legte die Arme eng um die Brust und antwortete nicht.

»Ich hab übrigens deinen kopflosen Stalker erwischt«, sagte ich. »Wenn er je wieder auftaucht, sag mir Bescheid, aber ich glaube es nicht.«

Sie nickte und zitterte dabei so sehr, dass ich ihre Zähne klappern hörte.

»Willst du nicht lieber wieder ins Warme gehen?«, fragte ich.

»Nicht die Kälte. Einfach . . . « Sie schüttelte den Kopf, dann ihren ganzen Körper und richtete sich auf. »Danke für die Unterstützung. Mit dem Stalker. Du hast was gut bei mir.«

»Und ich bin mir sicher, du wirst es mir sehr bald zurückzahlen können. Ich weiß noch nicht genau, was ich brauchen werde und wann, aber wir sollten etwas vereinbaren, damit ich dich finden kann, wenn es sein muss.«

Sie stimmte zu. Die Parzen ließen mir eben genug Zeit, die Details auszumachen, bevor sie mich von den Suchern zurückholen ließen.

Die Sucher setzten mich in einem Foyer von der Größe eines Schulsportplatzes ab. Es bestand aus weißem Marmor wie der Thronsaal, war aber weder dekoriert noch möbliert ein Ort, den man auf dem Weg woandershin durchquerte.

Gerade jetzt waren eine Menge Leute dort unterwegs. Geisterhafte Schreiber zum Beispiel, deren Aufgabe es ist, unsere Welt am Laufen zu halten. Diese Schreiber sind reine Geister, Wesen, die die Welt der Lebenden niemals betreten haben, und sie ähneln den klassischen Gespenstern sehr viel mehr, als wir es tun. Alles an ihnen ist weiß. Selbst ihre Augen sind von einem so hellen Blau, dass man die Farbe nur im Kontrast zu den weißen Augäpfeln bemerkt. Ihre Kleidung und ihre Haut sind fast durchsichtig. Wenn sie vor einem Gegenstand vorbeigehen, sieht man ihn als dunklen Schatten durch sie hindurch.

Die Schreiber können nicht sprechen. Können es nicht oder tun es einfach nicht das weiß niemand. Sie können telepathisch kommunizieren, sprechen aber niemals auch nur eine Silbe, wenn eine Geste ausreicht.

Als ich durch das Foyer ging, glitten Schreiber an mir vorbei; ihre bleichen Füße huschten über den Fußboden. Manche lächelten oder nickten mir zu, aber keiner blieb stehen; alle waren mit ihren Aufgaben beschäftigt.

Von der Mitte des Raums aus dachte ich über meine Möglichkeiten nach. Es gab viel zu viele davon: mindestens ein Dutzend Türöffnungen und dazu in jeder Ecke des Foyers eine große, geschwungene Treppe. Es war kein hilfreicher Plan des Gebäudes vorhanden, nicht mal diskrete Hinweisschilder über den Türen.

»Okay«, murmelte ich, »was mache ich hier eigentlich, und wohin soll ich jetzt?«

Ohne auch nur innezuhalten, hoben die vier Schreiber, die mir am nächsten waren, ihre durchscheinenden Arme und zeigten zu der Treppe in der nordwestlichen Ecke hinüber.

»Und was ist da oben?«, erkundigte ich mich.

Ein Bild erschien schlagartig in meinem Kopf. Ein geflügelter Engel. Ob die Schreiber es mir geschickt hatten oder ob mir der Gedanke von selbst gekommen war, wusste ich nicht, aber ich nickte ihnen dankend zu und ging zu der Treppe hinüber.

Die Treppe führte zu einem Treppenabsatz hinauf, von dem aus drei Türen und eine schmalere Wendeltreppe weiterführten.

Als ich auf die nächste Tür zuging, zeigte ein vorbeikommender Schreiber nach oben.

»Danke«, sagte ich.

Ich stieg die Treppe hinauf und fand oben drei weitere Tü

ren und eine noch schmalere Treppe. Wieder zeigte mir ein Geist den Weg. Wieder führte der Weg nach oben. Noch zwei Treppenabsätze. Noch zwei Arrangements aus Türen und einer Treppe. Noch zwei hilfsbereite Geister. Ich wusste, dass ich den Horst des Engels erreicht hatte, als mir nur noch eine Möglichkeit blieb: eine einzelne, weiße Tür.

Hinter dieser Tür befand sich ein Engel. Ein echter Engel.

Ich war noch nie einem begegnet. In der Geisterwelt redeten wir nicht viel über Engel, und wenn doch, taten wir es in einem halb spöttischen und halb ehrfurchtsvollen Ton, als hätten wir Paranormalen uns gern über sie lustig gemacht, wären uns aber nicht sicher, ob wir es wirklich wagten.

Engel sind die irdischen Boten der Parzen und ihresgleichen.

Hin und wieder hörte man etwas davon, dass ein Engel geschickt wurde, um irgendein irdisches Problem zu beheben.

Was das für ein Problem war, erfuhr man nie wahrscheinlich irgendein tränenseliges Missgeschick, das sich gut für eine Episode von Ein Hauch von Himmel geeignet hätte. Die Engel stiegen herab und schwebten auf der Erde herum, verteilten Friede, Freude und Eierkuchen und brachten rechtzeitig vor der nächsten Werbepause die Welt wieder ins Lot; dann kehrten sie auf ihre Wolke zurück und warteten auf die nächste BeinaheKatastrophe.

Warum die Parzen ausgerechnet einen Engel geschickt hatten, um dieses mordgierige Miststück von einem QuasiDämon zu suchen, war mir ein Rätsel. Man hetzte doch auch keinen Schmetterling auf einen Falken. Die Nixe hatte genau das getan, was ich erwartet hätte den Engel erledigt und in Teilen zurückgeschickt. Aber die Parzen hatten ja zugegeben, dass sie einfach nicht wussten, wie sie der Nixe beikommen sollten; insofern war die Reaktion, als Erstes einen ihrer himmlischen Botschafter hinterherzuschicken, wohl verständlich.

Ich streckte die Hand nach der Tür aus, und ein Kraftstoß ging durch mich hindurch. Als ich mich wieder gefangen hatte, sah ich auf meine Hand hinunter und bog die Finger. Kein Schmerz . . . nur Überraschung. Ein mentaler Schock.

Ich streckte die Hand vorsichtig ein zweites Mal aus; diesmal war ich auf den Stoß vorbereitet. Stattdessen spürte ich eine Welle einer undefinierbaren Emotion, unbestimmbar, aber entschieden negativ. Eine magische Barriere. Statt mich körperlich zurückzustoßen, löste sie eine unterbewusste Stimme aus, die mir mitteilte, dass ich dort nicht eintreten wollte.

Aber ich wollte. Ich musste.

Also schob ich die Empfindung zur Seite und klopfte an.

Einen Sekundenbruchteil lang wurde alles dunkel. Bevor ich auch nur »Oh, Mist« denken konnte, verflog die Dunkelheit.

Die Tür war verschwunden. Ich stand in einem weißen Raum.

Dieser allerdings schien aus Backstein zu bestehen und weiß gekalkt zu sein das Muster der Steine war unter dem Putz noch zu erkennen. Auch der Boden bestand aus Ziegeln, aber er war dunkel und gemustert. In der Mitte lag ein großer Rohrteppich, umgeben von mehreren Holzstühlen mit hohen Lehnen, ein paar Tischen und einem geschnitzten Sofa mit bestickten Kissen.

In der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Fenster.

Draußen sah ich eine Wüstenlandschaft, in der ein paar kantige Pyramiden verstreut lagen. Eine Illusion, wie ich annehmen musste, aber eine sehr hübsche Illusion. Wenn die Leute, die diese psychiatrische Klinik in der Menschenwelt leiteten, genauso viel Sorgfalt auf die Umgebung ihrer Patienten verwendet hätten, dann hätten diese Heimsucher wahrscheinlich nicht so leicht ihre Beute gefunden.

»Hallo?«, fragte ich.

Niemand antwortete.

Als ich mich umdrehte und nach einer Tür Ausschau hielt, bewegte sich etwas am Fenster. Ich spähte um den Diwan herum. Auf der anderen Seite, direkt unter dem Fenster, saß mit dem Rücken zu mir eine zusammengekauerte Frau. Ein fließendes, silberfarbenes Gewand verschluckte ihre winzige Gestalt.

Sie konnte nicht über einen Meter fünfzig groß sein. Vogelzarte Handgelenke ragten aus den weiten Ärmeln. Dunkles Haar fiel ihr über den Rücken; die Spitzen reichten bis zum Boden.

Keine Flügel, soweit ich sehen konnte, aber unter diesem Gewand hätten Flügel und dazu ein Kurzreisekoffer Platz gehabt.

Eins war sicher ich hätte dieses zerbrechliche Geschöpf nicht hinter der Nixe hergeschickt.

»Janah?«, sagte ich leise.

Sie bewegte sich nicht. Ich ging vorsichtig durchs Zimmer, langsam, um sie nicht zu erschrecken.

»Janah?«

Sie hob den Kopf und drehte sich nach mir um. Riesige braune Augen hielten meinen Blick fest. Diese Augen waren so völlig ohne Denken oder Gefühl, dass ich den Blick instinktiv losriss, als könnte sie aus mir heraussaugen, was ihr selbst fehlte.

Ich ging in die Hocke, hielt mich aber in einiger Entfernung.

»Janah, mein Name ist Eve. Ich werde dir nichts tun. Ich wollte dich nur fragen «

Sie sprang. Ein Kreischen wie von einem Puma zerriss die Luft. Bevor ich mich bewegen konnte bevor ich auch nur daran denken konnte, mich zu rühren , hatte sie mich gepackt.

Ich kippte nach hinten, mein Kopf schlug hart auf dem Fußboden auf. Janah drehte mein langes Haar um beide Hände, kam auf die Füße und schleuderte mich in eine Gruppe von Tonkrügen. Geschirr ging zu Bruch, und ich segelte geradewegs über den Diwan hinweg.

»Div farzand«, fauchte Janah.

Sie stürzte sich auf mich. Ich sprang auf und warf mich aus ihrer Reichweite. Als ich einen Bindezauber sprach, wurde sie nicht einmal langsamer. Ich sprang auf den Diwan, über die Kissen hinweg und auf den Tisch. Als sie näher kam, versuchte ich, sie mit einer Formel zu blenden. Entweder funktionierte das bei Engeln nicht, oder ich hatte sie geblendet . . . und es war ihr vollkommen gleichgültig.

Ich schwang den Fuß hoch, um einen Sidekick anzubringen, aber eine innere Barrikade brachte mich dazu, auf halber Strecke innezuhalten. Einen wahnsinnigen Engel treten? Mein Moralkodex mag eine Spur lückenhaft sein, aber das war sogar für mich zu viel.

Ich sprang auf einen kleinen Tisch und sah mich nach einer Tür um. Es gab keine. Der einzige Ausweg aus diesem goldenen Käfig war das Fenster, und von dem wusste ich, dass es eine Illusion war. Hier waren Wände Wände. Auch Geister konnten sie nicht passieren.

Während ich mich mit einem weiteren Satz wieder auf den Sofatisch flüchtete, sprach ich die Formel, die mich hier hätte herausholen sollen. Sie funktionierte nicht. Ich versuchte es mit einer anderen. Die funktionierte auch nicht. Was die Parzen in der Zelle dieses Engels auch installiert haben mochten, es war offensichtlich dazu bestimmt, Janah im Inneren festzuhalten.

In Anbetracht der Umstände schien mir das nur vernünftig zu sein. Wenn ich bloß nicht mit ihr zusammen eingesperrt gewesen wäre.

»Yâflan dâdvari!« fauchte sie mich an.

»Ach ja? Selber, du verrücktes Miststück.«

Sie hielt inne und wurde vollkommen still. Dann trat sie einen Schritt zurück, hob Gesicht und Arme zur Decke und begann mit einer Beschwörung.

»Hey, so war das nicht gemeint«, sagte ich, während ich bis zur Kante des Tisches vortrat. »Wenn du die Parzen anrufen willst, das ist okay. Die haben mich geschickt.«

Etwas schimmerte in Janahs erhobenen Händen und nahm langsam Gestalt an. Es sah aus wie ein Stück Metall, mindestens einen Meter zwanzig lang und so glänzend, dass es aus sich selbst heraus zu leuchten schien. An der Seite war eine Inschrift aus Buchstaben eingraviert, die mir bekannt vorkamen.

Als der Gegenstand klarer wurde, erschien an seinem Ende ein polierter Griff. Janah packte ihn; ihre Finger legten sich um den Griff, ihre Augen schlossen sich, und sie hob das Ding über den Kopf das größte Schwert, das ich jemals gesehen hatte.

»Heiliger Bimbam!«

Der Ausruf war mir noch nicht ganz entfahren, als das Schwert durch die Tischbeine jagte, als wären sie aus warmer Butter. Als mein Zufluchtsort zusammenbrach, rettete ich mich auf einen Stuhl. Als ich über die Lehne flankte, schoss das Schwert auf meine Knie zu. Ich landete auf dem Boden. Die Spitze bohrte sich durchs Sitzpolster, zwei Zentimeter von meiner Schulter entfernt.

Janah sprang auf den Stuhl und rammte das Schwert nach unten. Geist oder nicht, ich machte, dass ich aus dem Weg kam.

Egal, für wie unverwundbar man sich hält der Moment, in dem man einem wahnsinnigen Engel mit einem 4FußSchwert gegenübersteht, ist nicht dazu geeignet, die Theorie zu überprüfen.

Ich stürzte quer durchs Zimmer und murmelte im Rennen Formeln, aber keine davon wirkte.

»Dämonenbrut!«, schrie Janah.

Dem konnte ich nicht widersprechen.

»Ungläubige!«

Darüber könnte man streiten, aber in Ordnung, einverstanden.

»Satanshure!«

Okay, das ging jetzt wirklich zu weit. Ich fuhr herum und trat zu. Dieses Mal gab mein Gewissen nach und ließ meinen Fuß vorschnellen. Ich erwischte Janah am Handgelenk. Sie keuchte. Das Schwert flog ihr aus der Hand und klirrte auf den Boden. Wir warfen uns beide darauf. Als Janahs Finger das Heft berührten, stieß ich es aus ihrer Reichweite, warf mich herum und packte die Klinge.

Weißglühender Schmerz jagte durch meinen Arm. Ich brüllte, ebenso sehr vor Schreck wie vor Schmerz. Drei Jahre lang hatte ich nicht einmal das momentane Unbehagen eines angestoßenen Zehs ertragen müssen, und ich hatte nicht damit gerechnet, es jemals wieder zu tun. Als die Schwertklinge meinen Arm in Brand zu setzen schien, brüllte ich wie am Spieß.

Aber ich ließ nicht los. Ich hob das Schwert an der Klinge hoch, während der Schmerz in meinem Arm wütete.

Dann wurde alles dunkel.

»Ich glaube, du hättest auf mich warten sollen.«

Die Stimme war männlich und so wohltönend, dass mir ein Schauer den Rücken hinunterlief. Ich sah mich um. Ich saß auf dem Fußboden auf Janahs Treppenabsatz, vor ihrer weißen Tür.

Vor mir stand ein Paar Beine in braunen Hosen, deren Saum schärfer war als Janahs Schwert. Ich sah an den Beinen hinauf bis zu einem grünen Hemd, dann weiter nach oben und in ein Paar Augen, die so tiefgrün waren wie das Hemd. Die Augen gehörten zu einem olivfarbenen Gesicht mit kräftiger Nase und vollen Lippen, die im Augenblick vor kaum verhohlener Heiterkeit zuckten. Zerzaustes, schwarzes Haar fiel über die Stirn.

Der Mann streckte die Hand aus, um mir auf die Beine zu helfen. Sein Griff war fest und warm, beinahe heiß.

»Danke für den Rettungseinsatz«, sagte ich, »aber ich glaube, ich hatte die Lage unter Kontrolle.«

Das Grinsen brach sich Bahn. »Das habe ich gesehen.« Er zeigte mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf die Tür. »Nicht ganz das, was du erwartet hattest, nehme ich an.«

»Kann man so sagen.« Ich sah auf meine Hand hinunter. Sie wirkte unversehrt, und der Schmerz war in dem Augenblick verschwunden, in dem ich die Klinge losgelassen hatte. »Das ist also ein Engel?«

»Der Aufgabe, nicht der Herkunft nach. Sie ist ein Geist so wie du. Eine Hexe außerdem . . . was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass sie so glimpflich mit dir umgegangen ist.« Er streckte mir die Hand entgegen. »Trsiel.«

Ich musste davon ausgehen, dass er sich gerade vorgestellt hatte, aber was er gesagt hatte, klang nicht wie ein Name oder auch nur ein Wort, das ich jemals zuvor gehört hatte. Obwohl ich mir ein unhöfliches »Hä?« eben noch verkniff, muss mein Gesichtsausdruck für mich gesprochen haben.

»Trisaiel«, sagte er.

Die Hilfestellung hörte sich nicht ganz so an wie das, was er beim ersten Mal gesagt hatte, aber näher würde meine Zunge seinem Namen nicht kommen.

»Ich wette, den hast du öfters buchstabieren müssen«, sagte ich.

Er lachte. »Das hätte ich sicher wenn es je nötig gewesen wäre. Ich bin kein Geist.«

»Oh?« Ich musterte ihn und versuchte dabei, es nicht zu auffällig zu machen.

»Engel«, sagte er. »Reinblütig.«

»Engel? Aber keine Flügel, was?«

Wieder ein volltönendes Lachen. »Entschuldige, da muss ich dich enttäuschen. Aber einem Engel Flügel zu geben, wäre, als ob man ein Pferd vor ein Auto spannte. Teleportation geht sehr viel schneller.«

»Stimmt.«

Ich sah zu Janahs Tür hinüber. »Aber bei ihr klappt es nicht, oder? Oder liegt es an der AntiMagieSperre?«

»An beidem. Auch bei den Reinblütigen geht es nicht immer.

Es gibt Orte « Sein Gesicht verfinsterte sich, aber er schüttelte den düsteren Gedanken ab. »Selbst die Reinblütigen können in Fallen geraten. Wie Zadkiel.«

Ich nickte. »Der Letzte, der sich auf die Suche nach der Nixe gemacht hat.«

»Normalerweise sollte er jetzt hier sein und dir helfen. Das ist seine Aufgabe bei den Inauguralquesten zu helfen. Aber aus offensichtlichen Gründen kann er es nicht tun, also hat man mich gebeten, für ihn einzuspringen. Ich werde dir bei allem helfen, das für einen Nichtengel schwierig werden könnte, zum Beispiel dabei, mit Janah zu reden.«

»Das ist also ihr Problem? Jetzt, wo sie ein Engel ist, redet sie nicht mehr mit den gemeinen Geistern?«

»Nein, das ist es nicht. Sie hat dein Dämonenblut gespürt.

Ihr Hirn reagiert falsch, verwechselt die Verbindungen, vor allem, wenn es etwas ist, das sie an die Nixe erinnert.«

»Sie hat etwas Dämonisches gespürt und den Feind gesehen?«

Er nickte. »Sie tut es sogar bei mir hin und wieder.«

Ich runzelte die Stirn.

»Es ist das Dämonenblut«, sagte er.

»Aber du hast doch gesagt, dass du ein «

»Dämon, Engel, es ist das Gleiche, wenn man nur weit genug zurückgeht oder tief genug kratzt. Aber ich würde dir nicht raten, es laut zu sagen. Mancher mag es nicht, daran erinnert zu werden. Wenn Janah dich oder mich sieht, erkennt sie einen Dämon, und für sie bedeutet das den einen Dämon, den sie nicht vergessen kann die Nixe, die sie an diesen Punkt gebracht hat. Aber in der Regel komme ich zu ihr durch. Bist du bereit für einen zweiten Versuch?«

»Nur zu.«

San Francisco 1927

D ieNixegabsichinJolynnsBewusstseineinenStoßund versuchte, wach zu bleiben, während die Frau weiter und weiter über ihr Leben schwafelte. Das Thema war sterbenslangweilig, aber das war nicht der einzige Grund für ihre Lethargie.

Sie wurde schwächer eine Vorstellung, die ihr so zuwider war, dass sie vor Wut hätte spucken können, wenn sie daran dachte. Früher einmal hatte sie das Chaos getrunken wie guten Wein. Jetzt war es für sie wie Wasser. Wenn sie zu lang darauf verzichten musste, wurde sie schwach.

Sie war zu wählerisch, was ihre Partnerinnen anging. Aber sie weigerte sich nach wie vor, ihre Ansprüche zurückzuschrauben. Die falsche Partnerin zu wählen, war, als stillte man seinen Durst aus dem Abwasserkanal.

Dieses Mal hatte sie länger gewartet als üblich, wahrscheinlich weil ihre letzte Partnerin eine solche Enttäuschung gewesen war. Deshalb war sie bei Jolynn auch ein Risiko eingegangen.

Nicht intelligenter als die letzte Partnerin, vielleicht sogar dümmer, voll von der seichten Selbstbezogenheit, die man manchmal bei jungen Frauen fand, hinter deren hübschen Gesichtern nicht viel vor sich ging. Aber Jolynn fehlte mehr als Verstand

sie hatte einen leeren Kopf und dazu eine leere Seele. Der Schöpfer hatte den Mangel vielleicht bemerkt, jedenfalls hatte er sie einem Geistlichen und seiner Frau geschenkt, als hoffte er, dass sie liefern würden, was Jolynn fehlte.

Jolynns fehlende Seele hatte sich als leere Tafel erwiesen. Ihre Eltern beschrieben die Tafel mit Gutem, und Jolynn wurde gut.

Sie heiratete einen guten Mann, einen Arzt, viele Jahre älter als sie selbst, und folgte ihm in die Wildnis Afrikas, um den Leidenden zu helfen. Aber als sie Malaria bekam, schickte er sie zur Genesung nach Hause, nicht zu ihren alternden Eltern, sondern in ein kalifornisches Sanatorium. Als sie den wachsamen Augen ihres Gatten und ihrer Eltern entzogen war, stellte sich heraus, dass Jolynns Seele in der Tat eine Tafel war; sie konnte ebenso schnell gelöscht wie beschrieben werden.

Jolynn kehrte nie nach Afrika zurück. Sie fand eine Stelle, nahm sich einen Liebhaber und schloss sich einem Freundeskreis an, der einen guten Martini mehr schätzte als eine gute Tat. Aber nach fünf Jahren begann sie sich zu langweilen. Die Nixe war auf ihrer Suche nach potenziellen Partnerinnen auf Jolynn gestoßen, und als sie sah, was die Frau zu tun erwog, um ihrer Langeweile beizukommen, hatte sie ihre Hilfe angeboten.

Jetzt saß Jolynn auf der Veranda ihrer Wohnung und schwatzte in Gedanken darüber, was sie zu der Party am Wochenende tragen würde, wen sie dort zu treffen hoffte und so weiter; die Trivialitäten strömten wie Seifenblasen aus ihrem leeren Kopf.

Die Nixe spürte, wie sie selbst mit den Seifenblasen davontrieb, wie sie schwerelos wurde vor Schwäche und Desinteresse, luftig

»Können wir es nach der Party machen?«, fragte Jolynn. Sie sprach die Frage nicht laut aus, sie dachte sie nur, an die Nixe gerichtet, die in ihr ihren Wohnsitz hatte.

Die Nixe schüttelte sich wach. »Ja, dann haben wir Zeit zum Planen. Wie willst du sie umbringen?«

Ein Schmollmund. »Ich dachte, das würdest du mir sagen.«

»Ich könnte es tun . . . und werde es tun, wenn du willst, aber du wirst es befriedigender finden, wenn die Methode für dich von Bedeutung ist.«

Anhand des Schweigens, das darauf folgte, erkannte die Nixe, dass sie über Jolynns Kopf hinweggeredet hatte . . . wieder einmal. Sie verbiss sich ein Fauchen schierer Frustration. Geduld, sagte sie sich. Nimm sie bei der Hand, zeig ihr den Weg, sie wird dich dafür belohnen.

»Wir werden uns zusammen etwas überlegen«, sagte sie.

»Aber es würde mir beim Planen helfen, wenn ich wüsste, warum du sie umbringen willst. Du bist seit Jahren mit ihnen befreundet. Warum also?«

Jolynns Gesichtsausdruck hellte sich auf. »Weil du jetzt da bist und mir hilfst.«

»Nein, ich meine, warum sie. Was haben sie dir getan?«

»Mir getan?«

»Egal«, sagte die Nixe. »Überlegen wir uns einfach «

»Nein, ich sollte einen Grund haben. Das ist ganz richtig.«

Sie sah in den hellen Himmel hinauf. »Uh, also, sie schlafen mit meinem Typen, und ich bin eifersüchtig?«

»Selbstverständlich bist du das. Das muss ein fürchterlicher Schock gewesen sein.«

»Oh nein, das weiß ich doch seit Jahren. Es macht mir nichts aus hey, ich hab sie ihm vorgestellt!« Sie machte eine Pause.

»Aber es ist doch eine gute Entschuldigung, findest du nicht auch?«

Jolynn saß in der winzigen Küche ihrer Freundinnen, trank heiße Milch und schwatzte über die Party. Etwas früher an diesem Abend hatte sie ihren Liebhaber einer hübschen blonden Krankenschwester vorgestellt, und Nellie und Dot waren nicht gerade erfreut gewesen. Jolynn verstand nicht, weshalb sie sich so aufführten. Von Bradley und seinem Geld war genug für alle da. Wenn Jolynn ihm eine kleine Torte vorstellte, die ihm gefiel, sprang für sie sogar noch mehr heraus.

Vielleicht war das ja der Grund dafür, dass Nellie und Dot jetzt sauer waren dass es nicht sie gewesen waren, die jemanden für ihn gefunden hatten. Wie auch immer, sie waren ärgerlich. Nicht so wütend, dass es Streit gegeben hätte, aber

so flüsterte die Nixe ihr zu die Situation konnte noch nützlich werden, wenn es dazu kommen sollte. Als Jolynn an ihrer heißen Milch nippte und Dot und Nellie beim Schwatzen zuhörte, wisperte die Nixe ihr Ideen ins Ohr.

». . . nicht einfach nur Eifersucht«, sagte die Nixe. »Es sollte mehr sein als das. Sie sind wütend, weil . . . wegen irgendwas mit dieser Krankenschwester. Sie hat . . . Syphilis. Das ist es. Sie haben ein Gerücht gehört, dass sie Syphilis hat.«

»Was?« Jolynn hätte sich die Milch fast in den Schoß geschüttet. »Warum hast du mir das nicht gesagt? Das ist ja furchtbar.

Wenn sie Syphilis hat, kann sie Bradley anstecken «

»Sie hat keine. Aber das ist es, was wir sagen werden, wenn etwas schiefgeht. Natürlich sind sie wütend auf dich, weil du sie dem ausgesetzt hast. Du hast versucht, ihnen zu erklären, dass es bloß ein Gerücht ist, aber sie haben dir vorgeworfen, unvorsichtig zu sein, rücksichtslos. Du wolltest gehen, aber sie haben dich nicht gelassen.«

Die Nixe plante weiter. Was für eine Vorstellungskraft! Sie war so klug. Jolynn schauderte und dankte ihren Sternen, dass die Nixe sie ausgewählt hatte. Als Kind hatte Jolynn sich immer eine erfundene Freundin gewünscht, aber sie hatte nie das Glück gehabt, eine zu finden. Sie hatte sich immer vorgestellt, wenn sie eine fände, würde sie sie Victoria nennen.

»Ich werde dich Victoria nennen«, erklärte sie.

Die Nixe hörte auf zu flüstern. »Was?«

»Ich werde dich Victoria nennen.« Jolynn zögerte. »Außer du wärst lieber Vicky, aber ich mag Vicky nicht besonders.«

»Victoria ist gut«, sagte die Nixe. »Und jetzt werden Moment, sie reden mit dir.«

Jolynn kam schlagartig in die Wirklichkeit zurück und lä

chelte ihre Freundinnen an.

»Hmm?«, sagte sie.

»Dieses Kleid, das Rachel da anhatte«, sagte Dot. »Das gleiche Kleid hast du doch bei Buzz’ Party letzten Monat getragen, oder?«

»Wahrscheinlich ist es dasselbe Kleid. Ich hab’s irgendeiner wohltätigen Organisation gespendet.«

Dot kicherte.

»Oh, und weil wir’s gerade von altem Plunder haben«, sagte Nellie. »Habt ihr Millies Handtasche gesehen?«

Dot zog die Augenbrauen hoch. »War das eine Handtasche?

Ich dachte, sie hat da ein «

Jolynn schaltete wieder ab und unterdrückte ein Gähnen.

»Kann ich sie jetzt umbringen?«, fragte sie die Nixe. »Ich schlafe gleich ein.«

»Ja. Das ist die perfekte Entschuldigung«, sagte die Nixe . . .

Victoria. »Gähn wieder, aber versteck es nicht. Wenn sie’s merken, sag ihnen, dass du wirklich gehen solltest, und steh auf.«

»Was? Gehen? Aber ich habe sie doch noch gar nicht umgebracht!«

Ein Seufzer trieb durch Jolynns Geist. Victoria erklärte ihren Plan noch einmal. Sie war so klug. Sie würden die besten Freundinnen sein. Jawohl, Freundinnen fürs Leben. Jolynn schauderte und konnte ein Grinsen kaum noch verbergen.

»Gut«, sagte Victoria. »Und jetzt gähne.«

Jolynn gähnte, hob die Hand, um es zu verbergen, und schaffte es nicht ganz.

»Oh«, sagte sie mit aufgerissenen Augen. »Es tut mir leid.«

»Ich habe das Gefühl, jemand wird ziemlich schläfrig«, sagte Dot lächelnd. »Willst du hier übernachten, Liebes?«

»Oh bitte, wenn ich darf.«

Jolynn nahm ihre Handtasche vom Stuhl und warf einen Blick hinein. Das schimmernde Metall der Pistole schien ihr zuzuzwinkern. Sie zwinkerte zurück.

»Das hat wirklich Spaß gemacht«, sagte Jolynn, als sie die Küchenschränke durchwühlte. »Hast du den Ausdruck in ihren Augen gesehen?« Sie schob die Unterlippe vor. »Zu schade, dass wir sie nicht schreien lassen konnten.«

»Nicht, wenn in der Wohnung darüber Leute schlafen. Der Schuss war schon laut genug, sogar unter dem Kissen.«

»Du hast ja recht. Und Nellie hat irgendwie ein bisschen geschrien. Das war gut.« Sie nahm zwei Messer aus der Schublade.

»Das Filetiermesser oder das Hackmesser?«

»Du wirst wahrscheinlich beide brauchen.«

»Gute Idee. Oh, und was ist mit einer Säge? Ich glaube, Dot hat eine Säge im Schrank. Eine von den kleinen, mit denen man Metall und so durchkriegt?«

»Eine Bügelsäge?«

»Genau. Soll ich die auch holen?«

»Wenn du sie finden kannst.«

Jolynn fand die Bügelsäge genau dort, wo sie sie gesehen zu haben glaubte im Schrank bei den anderen Werkzeugen.

Mit der Säge und dem Filetiermesser in der einen und dem Hackmesser in der anderen Hand kehrte sie ins Bad zurück, wo Dot in der Wanne wartete.

Das hier würde wirklich Spaß machen.

Zwei Koffer. Das war alles, was von dem Gepäck aus dem Morgenzug aus San Francisco noch da war. Zwei schwarze Koffer mit silbernen Griffen. Sie sahen nagelneu aus, nicht wie etwas, von dem man erwartet hätte, dass jemand es einfach am Bahnhof stehenließ außer, derjenige hatte einen guten Grund.

In dem Moment, in dem Samuel die beiden großen Koffer zu Gesicht bekam, wusste er, dass jemand etwas Seltsames vorhatte. Die verdammten Dinger waren groß genug, um zwei, vielleicht drei Kisten mit schwarz gebranntem Schnaps aufzunehmen. Der Besitzer hatte wahrscheinlich ein paar Uniformen im Gedränge gesehen, kalte Füße bekommen und sich empfohlen. Bei der Southern Pacific Railway hielt man nichts von den Schwarzbrennern. Als Gepäckprüfer hatte Samuel die Aufgabe, das Gepäck . . . na ja, zu prüfen. Und wenn in diesen Koffern so viele Flaschen steckten, wie er vermutete, würde das Fehlen einer davon wahrscheinlich nicht weiter auffallen.

Er marschierte zu den Koffern hinüber. Er war nur noch einen Schritt von ihnen entfernt, als seine Hand nach oben zur Nase fuhr.

Himmeldonnerwetter! Wenn das Schnaps war, würde er auf eine Kostprobe verzichten. Das roch ja, als wäre irgendwas in diese Koffer gekrochen und darin verendet. Er war überrascht, dass die Gepäckträger in San Francisco es nicht gemerkt hatten.

Aber vielleicht hatte es noch nicht so übel gerochen, bevor die Koffer den halben Tag im Gepäckwagen gestanden und in der Augusthitze vor sich hin gebraten hatten.

Als Samuel die Hand nach dem Kofferschloss ausstreckte, fuhr ein Pickup rückwärts an die Rampe heran. Ein junger Mann stieg aus, aber Samuel würdigte ihn kaum eines Blickes, sondern wandte seine Aufmerksamkeit vielmehr der Beifahrerin zu. Brünett. Ein richtiger Feger. Sah ein bisschen hochnäsig aus, wie ein Filmstar oder so was.

Das junge Paar kam auf ihn zu; die junge Frau streckte ihm einen Gepäckschein hin.

»Das sind Ihre Koffer, Ma’am?«, fragte Samuel.

Sie lächelte. »Ja, das sind sie. Es tut mir leid, dass wir so spät kommen. Ich bin aus dem Zug ausgestiegen, und dann habe ich gemerkt, dass ich mit meinem Bruder und dem Wagen wiederkommen muss, um die Koffer zu holen. Sie sind ziemlich schwer.«

»Darf ich fragen, was Sie da drin haben?«

»Oh, einfach . . . persönliche Dinge.« Sie lächelte. »Sie wissen doch, wie Frauen packen.«

Ihr Bruder schnaubte. »Zwei Koffer für einen Wochenendbesuch, man sollte meinen, sie zöge wieder zu uns.«

Der junge Mann wollte zu den Koffern hinübergehen, aber Samuel hob die Hand.

»Da kommt ein ziemlich komischer Geruch raus, Ma’am.«

Die blauen Augen der Frau weiteten sich. »Wirklich?«

»Und wie«, sagte ihr Bruder naserümpfend. »Und irgendwas sickert da unten durch. Himmelherrgott, Jo, was hast du eigentlich da drin?«

Bevor sie antworten konnte, trat Samuel an die Koffer heran.

Er griff nach dem Klappverschluss und stellte fest, dass der Koffer abgeschlossen war.

»Ma’am? Ich muss Sie bitten, die hier aufzumachen.« Jolynn starrte den Gepäckprüfer an, als habe sie ihn nicht verstanden.

Victoria? Was soll ich jetzt machen?

Sie wartete, aber ihre Freundin antwortete nicht. Sie musste sich einen Plan überlegt haben. Während Ricky und der Bahnangestellte warteten, wühlte Jolynn in ihrer Handtasche herum und tat so, als suchte sie nach den Schlüsseln.

Victoria?

»Ma’am, ich brauche die «

»Warten Sie«, schnappte sie. »Ich suche gerade danach.«

Victoria? Bitte, bitte, bitte. Wir haben ein Problem.

Nichts.

Victoria!

Der Name hallte durch die Leere ihres Gehirns.

10

sie beförderte uns beide zurück in Janahs Zimmer,wo ich wartete, während er mit Janah redete in einer Sprache, die wohl ihre eigene sein musste. Sie beruhigte sich irgendwann, was vermutlich mehr an seinem Tonfall als an den Worten lag. Trsiel verfügte über zwei Stimmlagen. Die eine davon, wahrscheinlich seine natürliche Stimme, hätte den Verkehr zum Stehen gebracht. Man hörte sie und hielt inne mit dem, was man gerade tat, einfach, um zuzuhören, und man hätte zugehört, solange er redete, ohne ein Wort zu verstehen.

Das war die Stimme, mit der er mich angesprochen hatte, und jetzt verwendete er sie, um Janah zu besänftigen. Aber wenn er zu seiner Version des Gesprächstons überging, hatte er eine normalere Stimme sie wäre immer noch der Traum jedes DJ gewesen, war aber nicht so betörend, dass man nicht mehr mitbekommen hätte, wovon er eigentlich sprach.

Irgendwann ging er in meinem Interesse zum Englischen über. Er erklärte meine Aufgabe, und mit jedem Wort wurde Janahs Blick klarer, als ihr Geist sich der Sache annahm. Dann sah sie sich nach mir um, und ihre Augen wurden schmal.

»Die wollen sie hinter ihr herschicken?« Sie schnaubte. »Und dann nennen sie mich verrückt.«

Ich setzte zu einer Retourkutsche an, aber Trsiel schnitt mir das Wort ab.

»Die Parzen wissen, was sie tun«, sagte er.

»Nein, tun sie nicht. Sie wird versagen.«

»Vielleicht, aber «

»Sie wird versagen. Kein ›vielleicht‹. Dies ist eine Aufgabe für einen Engel, und sie ist kein Engel.«

»Noch nicht.«

»Noch nicht was?« fragte ich.

»Das hier ist ihre Antrittsqueste?« Janah sprang auf. »Das ist nicht das kann nicht Narren!«

Trsiel versuchte sie zu beruhigen, aber sie stürzte sich so schnell auf ihn, dass sie vor meinen Augen zu einem verschwommenen Fleck wurde. Trsiel rührte sich nicht. Sie blieb stehen, als sie nur noch Zentimeter von ihm entfernt war, und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Damit reichte sie ihm eben bis zur Brust, was sie nicht davon abhielt, eine Tirade von Unfreundlichkeiten herunterzurasseln jedenfalls schloss ich das aus ihrem Tonfall, denn sie war wieder in ihre eigene Sprache zurückgefallen. Trsiel legte ihr die Hände auf die Arme, aber sie schüttelte ihn ab und stelzte zum Fenster zurück.

»Ohne die Gabe wird sie versagen«, sagte Janah. »Bittet mich nicht, sie ins Verderben zu schicken. Ich werde es nicht tun.« Sie ließ sich mit einem Plumps auf den Fußboden fallen, zog die Knie an und drehte den Kopf zum Fenster. Noch vom anderen Ende des Raums her konnte ich sehen, wie ihr Blick leer wurde, als ihr Geist sich zurückzog.

Trsiel legte mir die Hand auf den Unterarm, und wir verschwanden aus Janahs Zimmer.

Trsiel brachte mich nicht zurück in das Foyer, sondern in eine Art Wartebereich, der bis auf zwei weiße Sessel leer war.

»Sie hat recht«, sagte er, während er sich in einen davon fallen ließ. »Ohne die Gabe kannst du das nicht erledigen.«

»Welche Gabe?«

Er winkte mich zu dem zweiten Sessel, aber ich schüttelte den Kopf.

»Welche Gabe?«, wiederholte ich.

»Die Macht eines Engels. Die Reinblütigen besitzen sie. Die anderen erhalten sie, wenn sie aufsteigen. Die Parzen müssen wissen, dass du sie für dies hier bräuchtest, was können sie sich also . . . « Seine Stimme verklang; seine Stirn legte sich in Falten.

»Ist es das Schwert? Gegen das Schwert hätte ich wirklich nichts einzuwenden.«

Ein winziges Lächeln. »Nein, das Schwert ist ein Werkzeug.

Auch das bekommst du, wenn du aufsteigst «

»Aufsteigst?«

»Ja. Die Gabe ist eine Fähigkeit. Nicht unbedingt vonnöten bei den meisten Aufgaben eines Engels, aber Janah glaubt offensichtlich, dass du sie für diese hier brauchst, und bevor du sie nicht hast, wird sie nicht reden. Aber du wirst sie nicht bekommen, bevor du nicht aufgestiegen bist, und du wirst nicht aufsteigen, bevor du deine Antrittsqueste nicht bestanden hast.«

»Bestanden? Meinst du, ich bewerbe mich hier um den Engeljob?«

»Das ist nichts, um das man sich bewerben könnte. Man muss ausgewählt werden, und wenn man ausgewählt wurde, muss man eine erste Queste bestehen. Die Nixe zu finden ist deine.«

»Ich löse hier ein Versprechen ein, ich lege keine Eingangsprüfung ab. Die Parzen haben mir vor ein paar Jahren einen Gefallen getan, einen sehr großen Gefallen, und mit dieser Sache hier wollen sie ihn erwidert haben.«

»Vielleicht habe ich mich ja geirrt.«

Sein Tonfall teilte mir mit, dass er das keine Sekunde lang glaubte, aber ich unterdrückte das Bedürfnis, eine Diskussion anzufangen. Die Parzen würden ihn irgendwann aufklären.

Vielleicht hatten sie ihn auch absichtlich im Ungewissen gelassen vielleicht gingen sie davon aus, Trsiel würde einem künftigen Mitengel eher helfen als einer bloßen Kopfgeldjägerin.

»Diese Gabe«, sagte ich. »Was ist das also? Sehen wir doch mal, ob wir «

»Sehen!« Er setzte sich ruckartig in seinem Sessel auf. »Das ist es. Dein Vater ist Balam, stimmt’s?«

»Hat man mir jedenfalls gesagt.«

»Das erklärt, weshalb die Parzen glauben, dass wir das Problem umgehen können.« Ein leichtes Stirnrunzeln. »Vermute ich jedenfalls.« Das Stirnrunzeln vertiefte sich; dann stand er rasch auf. »Wir werden das überprüfen müssen.«

Er griff nach meinem Arm, und der Raum verschwand.

Wir landeten in einem langen, grauen Gang, der nach Schweiß und Ammoniak stank. Ein junger Mann in einem orangefarbenen Overall wischte den Boden auf, indem er Wasser ziellos in der Gegend verteilte und eine Schicht Seife über den Boden schmierte, ohne jegliches Interesse daran, die darunter liegende Oberfläche zu säubern. Am Ende des Gangs öffnete sich eine Tür, und zwei bewaffnete Wachmänner kamen heraus. Der junge Mann packte den Stiel seines Schrubbers fester und legte an Eifer sichtlich zu; er machte sich sogar die Mühe, dabei zu pfeifen.

»Was für eine Gabe ist das also genau?«, fragte ich wieder.

»Das wirst du sehen . . . hoffe ich jedenfalls.«

Trsiel führte mich durch die Tür, durch die die beiden Wachmänner gekommen waren. Auf der anderen Seite lag eine riesige, hangarartige Halle, auf beiden Seiten flankiert von Gefängniszellen in zwei Stockwerken übereinander.

»Äh, irgendwelche Tipps?«, fragte ich.

Trsiel blieb nicht stehen. »Wenn ich dir sage, womit du zu rechnen hast, wirst du damit rechnen.«

»Aha.«

Er marschierte weiter, ohne einen Blick nach rechts oder links zu werfen. Wir gingen durch zwei Panzertüren und kamen in einen weiteren Gang. In dem Augenblick, in dem wir die Tür passiert hatten, wurde es unnatürlich still, und die Temperatur fiel ab, als hätten wir eine klimatisierte Bibliothek betreten.

Aber selbst in einer Bibliothek hört man immer Geräusche

das stetige Hintergrundgemurmel von unterdrücktem Husten, raschelndem Papier und rückenden Stuhlbeinen. Hier gab es nichts dergleichen. Es war, als habe das Leben ausgesetzt und wartete mit angehaltenem Atem.

Als wir uns dem Ende des Gangs näherten, hörten wir gedämpfte Geräusche das Klappern eines Tellers, einen gemurmelten Fluch, das Schlurfen von Füßen auf Beton. Dann einen noch leiseren Laut, eine Stimme. Ein Flehen, das fast ein Schluchzen war. Jemand betete.

Wir betraten einen einstöckigen Zellenblock, der anders aussah als die anderen. Auf der Eisbahn hatte ich in dem Gefühl von Kälte geschwelgt. Hier ging mir die Kälte geradewegs bis auf die Knochen, und sie hatte wenig mit der Klimaanlage zu tun.

Jede Zelle hier enthielt nur ein Bett, und wir waren an zwei leeren Zellen vorbeigekommen, bevor wir auf einen Insassen stießen, einen Mann Ende zwanzig, den Kopf gesenkt, das Gesicht verborgen; er war es, der betete. Die Worte stürzten hervor, fast zusammenhanglos; seine Stimme war heiser, als habe er seit Tagen gebetet und erwartete keine Antwort mehr, sei aber noch nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben. Er betete, als habe er unendlich viel zu sagen und nur noch wenig Zeit, um es zu tun.

»Todestrakt«, murmelte ich.

Trsiel nickte und blieb vor der Zelle des Mannes stehen. Er wurde vollkommen still, dann schüttelte er scharf den Kopf und ging weiter. »Wir brauchen jemanden, an dem wir dies überprüfen können. Jemanden, der schuldig ist.«

»Der schul. . . Meinst du damit, er ist unschuldig?«

Mein Blick glitt zurück zu dem betenden Insassen. Ich bin nie das gewesen, was man einen religiösen Menschen nennen könnte. Ich habe mich gelegentlich durchaus etwas abfällig über den Glauben geäußert und über diejenigen, die sich in ihn flüchten. Es gibt zu viele Leute, die ihr hiesiges Leben damit verbringen, sich einen guten Platz im Jenseits zu sichern, statt sich um das zu kümmern, was sie haben. In meinen Augen sieht das nach Faulheit aus. Wenn einem das eigene Leben nicht passt, dann bringt man es in Ordnung; man fällt nicht auf die Knie und betet darum, dass jemand einem beim nächsten Mal etwas Besseres gibt.

Aber hier, als ich den Mann beten sah, so inbrünstig, mit so viel Leidenschaft, Verzweiflung und blinder Hoffnung, konnte ich nicht anders, als eine Spur Entrüstung zu verspüren.

»Ist das nicht das, was ihr Typen angeblich macht?«, rief ich hinter Trsiel her. »Unrecht gutmachen? Der Gerechtigkeit Genüge tun?«

Er wurde langsamer, drehte sich aber nicht um.

»Diese Rechtsprechung gehört in die Welt der Lebenden«, sagte er ruhig. »Wir können die Dinge nur ändern, nachdem sie sie vollzogen haben. Er wird seine Freiheit sehr bald bekommen, auf der anderen Seite.«

Trsiel stand jetzt zwischen zwei Zellen. In jeder davon saß ein Mann. Einer von ihnen war um die fünfzig, sah aber zwanzig Jahre älter aus, mit hängenden Schultern, grauem Haar und faltig herabhängender Haut als habe er in kurzer Zeit viel Gewicht verloren. Der zweite Mann war etwa dreißig und saß über einen Block gebeugt, auf den er so hektisch schrieb, wie der erste Mann gebetet hatte.

Trsiel musterte beide und nickte dann zu dem Schreibenden hin. »Er wird es tun. Ich werde als Katalysator dienen.

Durch mich wirst du sehen, was ich sehe, indem du eine höhere Ebene der AspicioKräfte verwendest. Gib mir die Hand.«

Ich streckte den Arm aus und packte seine Finger.

»Ich bin mir nicht sicher, ob oder wie gut es funktionieren wird«, sagte er. »Sei also geduldig . . . und vorbereitet.« Er wandte seinen Blick wieder dem Mann zu. »Jetzt.«

Eine Welle der Emotion ging durch mich hindurch, die so stark war, dass sie sich anfühlte wie ein körperlicher Schlag. Ich versuchte mich freizukämpfen, aber die Strömung zerrte mich in einen tobenden Strudel hinunter und spuckte mich dann . . .

in ein Kinderzimmer. Das Kinderzimmer eines Riesen mit hochragenden Wänden, Teddybären, so groß wie Grizzlys, und einem Schaukelstuhl, auf den ich kaum hätte klettern können.

Am anderen Ende des Zimmers stand eine riesige Frau neben einem Kinderbett.

»Momma!«

Das schrille Flehen pfiff mir aus der Kehle. Es war nicht meine Stimme, sondern die eines kleinen Kindes im Vorschulalter, in dem es noch schwierig ist, Jungen und Mädchen zu unterscheiden.

»Momma!«

»Pssst«, sagte die Frau leise, während sie mir über die Schulter zulächelte. »Lass mich das Baby füttern. Dann lese ich dir vor.«

»Nein! Lies jetzt!«

Sie winkte mich fort und beugte sich über das Babybett.

»Nein, Momma! Ich! Ich, ich, ich!«

Das Baby brüllte. Ich brüllte lauter, aber trotzdem übertönte es mich. Ich knirschte mit den Zähnen und heulte, ich stampfte mit den Füßen und brüllte. Und immer noch hörte sie nur ihn.

Sah nur ihn. Immer ihn. Ich hasste ihn. Hasste, hasste, hasste.

Wollte ihn nehmen und zerschmettern, wie eine Puppe, bis er zerbrach und

Das Kinderzimmer verschwand.

Eine Katze jaulte; das Geräusch schien mir mitten ins Hirn zu dringen. Ich lachte. Das Lachen eines Jungen an der Schwelle zur Pubertät. Gebäude ragten auf beiden Seiten auf und machten den Tag vorzeitig zur Nacht. Ein Durchgang. Ich ging daran entlang und lachte vor mich hin. Die Katze jaulte wieder, ein panisches Kreischen wie von einem Baby . . . einer Frau. Sie hatte das Ende des Durchgangs erreicht und versuchte an der Mauer hochzuklettern; ihre Krallen scharrten an den Backsteinen. Der Gestank von verkohltem Pelz füllte den engen Durchgang. Der Schwanz der Katze war verbrannt bis auf den Knochen, aber sie schien den Schmerz nicht mehr zu spüren, sie wollte nur noch entkommen, nur noch überleben. Sie schrie wieder. Ich schloss die Augen und nahm den Schrei in mich auf. Ich spürte ein Prickeln im Unterleib. Ein neues Gefühl, seltsam, aber nicht unangenehm. Ganz entschieden nicht unangenehm.

Ich sah zu der Katze hin. Dann ließ ich das Messer aufklappen. Die Katze schrie weiter, während sie am Fuß der Mauer hin und her schoss. Sie sah das Messer, aber sie reagierte nicht, sie wusste nicht, was das Messer bedeutete. Als ich langsam einen Schritt auf sie zu machte, kam mir der Gedanke, wie viel besser es wäre, wenn sie wüsste, was passieren würde.

»Nein!«

Der Teil, der noch mir gehörte, versuchte das Bild zu blockieren. Einen Sekundenbruchteil lang wurde tatsächlich alles schwarz. Dann schlug mir die nächste Welle von Hass entgegen. Hass und Wut und Eifersucht, untrennbar miteinander verflochten; sie bestärkten einander, wuchsen an wie ein Schneeball, der den Hang hinunterrollt.

»Schlampe! Nutte!«

Ich stieß das Messer nach unten. Sah Blut spritzen. Hörte Schreien. Das Schreien einer Frau, heiser und grell vor tierischer Angst, so verwirrt und entsetzt wie die Katze in dem Durchgang. Sie flehte um Gnade, aber die Worte gaben dem Hass nur Nahrung.

Ich stieß wieder und wieder zu, sah, wie Körperteile Fleisch wurden, wartete auf die erlösende Lust, wurde noch rasender, als sie nicht kam, stach und riss und biss zuletzt, riss mit den Zähnen

Arme schlossen sich um mich. Ich schleuderte sie von mir, sah nur das Messer und das Blut, fühlte den Hass, wollte ihn aus meinem Hirn bekommen, trat und schlug gegen das, was mich dort hielt

Ich wurde so jäh in die Realität zurückgerissen, dass meine Knie nachgaben.

Trsiels Arme legten sich fester um mich. »Eve, es tut mir so «

»Zur Hölle mit dir!« Ich riss mich los. »Wie kannst du es wagen du hättest mir sagen können zur Hölle mit dir!«

Ich stolperte durch den Raum, so wackelig auf den Beinen, als könnte ich mir immer noch nicht sicher sein, dass es meine waren. Die Visionen waren vorbei, aber ich spürte immer noch, wie sie sich in die Ritzen meines Hirns fraßen. Ich schauderte und versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren, etwas Gutes.

Aber sobald Savannahs Bild mir vor Augen trat, spürte ich ihn dort, als beobachtete er sie durch mich hindurch. Ich schob sie fort, an einen sicheren Ort. Als ich aufsah, erwartete ich, den Mörder in seiner Zelle zu sehen. Aber wir waren wieder in dem weißen Wartesaal.

»Es tut mir leid«, flüsterte Trsiel hinter mir. »Ich habe nicht

es ist normalerweise nicht so. Ich dachte, ich könnte es filtern, dich führen, aber du hast es direkt angezapft.«

Er legte mir eine Hand zwischen die Schulterblätter. Ich schüttelte sie ab und machte einen Schritt zur Seite. Die Bilder und Empfindungen begannen zu verblassen, aber mein Gedächtnis holte sie zurück, wie wenn man an einer Schorfstelle kratzt, um zu sehen, ob es noch weh tut. Ich drückte die Handflächen auf die Augen und stieß einen zitternden Seufzer aus.

»Das ist es also«, sagte ich. »Eure Gabe. Ihr seht das Böse.

Seht es, fühlt es «

»Wir lernen, es zu kontrollieren«, sagte Trsiel. »Uns so zu konzentrieren, dass wir nur sehen, was wir sehen müssen. Als du « Er brach ab, ich hörte geradezu, wie er den Rest des Satzes verschluckte. »Ich dies ist nicht Zadkiel macht das. Sich um die Antrittsquesten und die neuen Kandidaten kümmern, sie anleiten, sie lehren, die Gabe einzusetzen. Es ist nicht «

Er seufzte, und ich hörte, wie er sich auf einen Stuhl sinken ließ. Als ich mich umdrehte, lag er zusammengesackt in einem der weißen Sessel, den Kopf auf der Lehne, den Blick auf die Decke gerichtet.

Man sollte doch meinen, wenn man so alt ist, wie Trsiel es wohl sein musste, würde man über genug Erfahrung und Selbstvertrauen verfügen, um mit Entschlossenheit zu handeln auch wenn manches vielleicht nicht ausging wie geplant.

Aber er sah so frustriert aus wie jeder Mensch, dem man eine Aufgabe aufgebürdet hat, für die er nicht qualifiziert ist.

Ich ging zu dem zweiten Sessel hinüber und setzte mich auf die Armlehne. »Was macht ihr also normalerweise? Engel meine ich. Diese diese Gabe irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass ihr Typen sie dazu einsetzt, um herumzuschwirren und frohe Botschaften von Frieden und Hoffnung zu verbreiten.«

Ein langsames Kopfschütteln. »Das ist Aufgabe der Lebenden. Engel sind keine Missionare. Wir sind Krieger. Werkzeuge der Gerechtigkeit.«

»Deshalb auch die richtig großen Schwerter.«

Seine Lippen zuckten, und er drehte den Kopf zur Seite, bis unsere Blicke sich trafen. »Ja. Deshalb die richtig großen Schwerter.«

»Ihr könnt das Böse sehen, weil es das ist, was ihr bekämpft.«

»Manche von uns dieser Tage sind es nur die Aufgestiegenen. Die Reinblütigen « Er verschluckte die letzten Worte und schüttelte kurz den Kopf. »Die Dinge haben sich geändert, und «

Wieder ein heftiges Kopfschütteln. Sekundenlang wandte er den Blick ab. Bevor ich etwas sagen konnte, sprach er weiter:

»Die traditionelle Aufgabe der Engel, der Reinblütigen ebenso wie der Aufgestiegenen, ist es, auf der individuellen Ebene gewisse Regeln durchzusetzen. Offensichtlich und wie du selbst gerade gesehen hast, können wir das Böse nicht eliminieren.

Wir erhalten Aufträge, nicht unähnlich dem, den du gerade ausführst, um gewisse Seelen der Gerechtigkeit zuzuführen.«

»Himmlische Kopfgeldjäger.«

Sein Blick traf auf meinen; in seinen Augen funkelte ein winziges Lächeln. »Genau das.«

Wieder erschien Savannahs Bild in meinen Gedanken, aber dieses Mal gestattete ich ihm zu bleiben. »Dann . . . ihr habt also Zugang zur Welt der Lebenden? Könnt Leute dort schützen?«

»Innerhalb gewisser Grenzen.«

»Welcher Grenzen?«

Er zuckte die Achseln und arbeitete sich aus dem Sessel heraus. »Es ist kompliziert, aber dazu kommen wir noch. Im Augenblick nachdem wir jetzt wissen, dass du über mich Zugang zu der Gabe hast, gehen wir doch zurück zu Janah.«

11

Auch beim zweiten Besucher rledigte sie das Reden

schon weil Janah offensichtlich entspannter war, wenn sie ihre eigene Sprache sprechen konnte.

Danach brachte er mich zurück in den weißen Raum und winkte mich in einen der Sessel, während er auf der Kante des anderen saß.

»Du musst die letzte Partnerin der Nixe finden«, sagte er.

»Okay. Reden wir also mit den Parzen und finden heraus, wer «

»Solange die Partnerin am Leben ist, können die Parzen nicht wissen, wer sie ist.«

Ich seufzte. »Wäre ja auch zu einfach gewesen. Ich muss also irgendwie die letzte Partnerin finden und hoffen, dass die Nixe noch in ihr drinsteckt «

»Unsere Aussichten darauf, die Nixe zu finden, solange sie noch einen Körper teilt, sind verschwindend gering. Aber wenn sie eine Partnerin verlässt, bleibt ein Teil von ihr zurück, eine Art Bewusstseinsfragment. Vollkommen passiv und vollkommen einseitig. Sie können nicht mehr kommunizieren. Aber die Partnerin erhält noch kurze Ausblicke durch ihre Augen, sporadische Visionen.«

»Deshalb brauche ich also diese Engelgabe. Wenn ich die letzte Partnerin finde, sehen wir vielleicht, was die Nixe gerade treibt. Und da kommt auch meine Nekromantin ins Spiel. Sie kann mir helfen, die Mörderinnen der letzten Zeit zu recherchieren . . . « Ich sah zu Trsiel hinüber. »Die Parzen haben mir zwei Partnerinnen gezeigt. Beides Serienmörderinnen, beide mit männlichen Komplizen. Ist das ihre Vorgehensweise?«

Er schüttelte den Kopf und streckte die Beine aus. »Zufall.

Aber du bist auf der richtigen Spur. Zwei Partnerinnen, zwei spektakuläre Mordserien «

»Schlagzeilenmaterial. Nixen lieben das Chaos wie die meisten Dämonen je mehr, desto besser. Also begeht die Nixe ein paar scheußliche Morde und sucht sich dann etwas Neues, und wenn die Mörderin gefasst wird, umso besser. Noch mehr Spaß.«

Er zog die Brauen hoch. »Du besitzt da ein intuitives Verständnis «

»Sagen wir einfach, mein Charme war wahrscheinlich nicht der Grund, weshalb die Parzen mich ausgesucht haben.«

Wie viel wusste er eigentlich über mich? Blöde Frage angesichts dessen, was diese Gabe ihn sehen ließ. Aber wenn es ihn störte, dann wusste er es gut zu verbergen.

»Dann finde ich also die Partnerin, und dann bist du dran.«

»So haben es sich die Parzen wohl vorgestellt. Das bedeutet nicht, dass ich dir nicht helfen kann «

»Danke, aber damit komme ich klar.«

Er zögerte, als sei das nicht die Antwort gewesen, die er hören wollte. »Ja, sicher, aber ich hatte mit dieser Nixe schon zu tun.«

Als ich überrascht aufsah, zuckte er die Achseln. »Ein paarmal, kurz. Als ich sie hergebracht habe «

»Du warst derjenige, der sie aufgespürt hat?«

»Es hatte mehr etwas von einer Einlieferung als von einem Aufspüren. Ich war nach der Hexe geschickt worden, in deren Geist sie als Erstes wohnte.«

»Und das zweite Mal?«

»Hm?«

»Du hast gesagt, du hättest ein paarmal mit ihr zu tun gehabt.«

Er zögerte. »Stimmt. Aber da gibt es nicht viel zu erzählen.«

Er stand auf. »Ich werde dich jetzt arbeiten lassen. Wenn du etwas brauchst, pfeif einfach.«

»Sie können doch pfeifen, oder nicht?«, fragte ich in meiner besten LaurenBacallStimme.

Einen Moment später hätte ich mich vor den Kopf schlagen können, weil ich es bei einem Engel mit einem Filmzitat versuchte. Aber Trsiel lächelte.

»Bogie und Bacall«, sagte er. »Haben und Nichthaben.«

»Sehr gut. Und als er gestorben ist, hat sie ihm eine goldene Pfeife in den Sarg gelegt, auf der stand ›Wenn Sie mich brauchen pfeifen Sie‹.«

Einer seiner Mundwinkel zuckte, womit aus dem Lächeln ein schiefes Grinsen wurde. »Das habe ich nicht gewusst.«

»Na, jetzt weißt du es«, sagte ich. »Wenn ich dich also brauche . . . « Ich grinste. »Mache ich den Mund spitz und . . . pfeife.«

Was ich daraufhin tat. Machte den Mund spitz, pfiff und verschwand. Nicht mal die Bacall hätte mit diesem Abgang mithalten können.

12

Inzwischen war es fast zwei Uhrmorgens, also deutlich außerhalb der nekromantischen Sprechzeiten. Es wurde Zeit für meinen lang aufgeschobenen Besuch bei Savannah. Ich machte einen Abstecher nach Portland, wo ich sie schlafend antraf. Im Erdgeschoss hörte ich Paige und Lucas reden, irgendetwas von einem neuen Fall, einer Ungerechtigkeit, die behoben werden musste. Und wenn irgendwer mir seinerzeit erzählt hätte, dass ich einmal das Gleiche tun würde, hätte ich mir vor Lachen in die Hose gemacht.

Ich blieb eine Minute bei meiner Tochter sitzen und bekam Fetzen der leidenschaftlichen Diskussion im Wohnzimmer mit, dann küsste ich Savannah auf die Stirn und ging.

Mein erster Gedanke war, Kristof aufzutreiben und mir anzuhören, was er zu der ganzen Sache zu sagen hatte. Aber nachdem ich bei einem seiner Kinder vorbeigeschaut hatte, würde ich es jetzt auch noch bei den anderen tun. Kris selbst beschränkte sich auf einen Besuch im Monat; er war der Ansicht, es sei besser so. Ich war selbstverständlich anderer Meinung, aber ich versuchte seinen Standpunkt zu verstehen und erledigte seinen Teil noch mit.

Kris’ jüngerer Sohn Bryce schlief in der Villa seines Großvaters in Kalifornien. Er hätte am College sein sollen, aber er hatte das Studium letztes Jahr abgebrochen. Kristofs Tod hatte sich auf unterschiedliche Art auf seine Söhne ausgewirkt, vielleicht auch anders, als man hätte erwarten können.

Bryce war immer das schwierigere Kind gewesen; er hatte sich schon vor der Teenagerzeit von seinem Vater zu lösen begonnen, und Kris hatte diese Rebellion akzeptiert und war trotzdem immer für seinen Sohn da gewesen. Bei Kris’ Tod war Bryce Musikstudent im ersten Jahr gewesen nachdem er erklärt hatte, er habe keinerlei Absicht, seinem Vater in das Familienunternehmen zu folgen. Danach allerdings hatte er das Studium abgebrochen und in Teilzeit für die Kabale zu arbeiten begonnen. Jetzt war er Assistant Vice President, lebte bei seinem Großvater, dem Hauptgeschäftsführer, und würde im Herbst an die Universität zurückkehren aber nicht zum Musikstudium nach Berkeley, sondern zur Politikwissenschaft an die Harvard University und danach an die juristische Fakultät die Laufbahn, die auch Kris damals eingeschlagen hatte.

Als Nächstes ging ich nach New York, wo Sean gerade sein Managementstudium absolvierte. Er teilte sich eine Wohnung mit seinem Cousin Austin, aber nur Austin war da; er saß vor dem Fernseher und sah CNN. Ich wollte gerade wieder gehen, als die Wohnungstür sich öffnete, so langsam, dass ich zuerst glaubte, mir etwas einzubilden, und Sean um die Tür herumspähte.

Ich musste jedes Mal lächeln, wenn ich ihn sah. Er erinnerte mich so sehr an Kris zu der Zeit, als wir uns kennengelernt hatten, groß, hager und breitschultrig, mit dichtem blondem Haar und großen, umwerfend blauen Augen. Den hageren Körperbau hatte Kris seither eingebüßt und die Hälfte seiner Haare ebenfalls, aber die Ähnlichkeit war immer noch unverkennbar. Ihre Persönlichkeit dagegen hätte nicht unterschiedlicher sein können aber Sean teilte die Wertvorstellungen seines Vaters. Er war der einzige Nast, der sich die Mühe gemacht hatte, Savannah kennenzulernen und nicht nur das, er war zu einem Teil ihres Lebens geworden, trotz der Missbilligung seines Großvaters. Es hatte Kris so stolz gemacht, wie er es sich nie hätte träumen lassen.

Sean zuckte zusammen, als er das Licht im Wohnzimmer sah.

Er wollte sich gerade an der Tür vorbeischleichen, als Austin sich umsah.

»Hey, Casanova!«, rief Austin. »Ich dachte, du wolltest heute Abend arbeiten. Die Bibliothek schließt um elf.«

»Ich war noch auf ein paar Drinks in einer Bar.«

Austin lehnte sich über die Sofalehne und grinste. »Ein paar, ja? Wie heißen sie?«

Sean murmelte etwas und verschwand in Richtung Badezimmer. Austin nahm die Abkürzung durch die Küche, um ihm den Weg abzuschneiden.

»Komm schon. Mir kannst du alles erzählen. Was ist los?

Hast du jemand Ernsthaften kennengelernt? Granddad glaubt das. Er hat heute Abend angerufen, und als ich ihm gesagt habe, dass du nicht da bist, hat er gesagt, du sollst sie nächsten Monat mal mitbringen.«

Ein panischer Ausdruck glitt über Seans Gesicht, aber er hatte sich rasch wieder unter Kontrolle und schob sich mit einem Achselzucken an Austin vorbei.

Sean hatte tatsächlich jemanden kennengelernt, jemanden, den er seiner Familie mit Sicherheit nicht vorstellen würde. Für einen Kabalensohn gab es nur eins, das noch schlimmer war, als mit einer Hexe nach Hause zu kommen mit jemandem nach Hause zu kommen, der niemals den alles entscheidenden Erben zur Welt bringen würde.

Selbst als Teenager hatte Sean noch zu seinem Vater aufgeblickt und alles getan, von dem er glaubte, dass Kris es wollte, nicht weil Kris es verlangte oder auch nur erbat, sondern weil Sean war, wie er war freundlich und entgegenkommend.

Er war bereit gewesen, Kris’ Beispiel zu folgen, pflichtgetreu zu heiraten und den oder besser noch die Erben zu zeugen.

Aber Kris war nicht mehr da, und mit ihm war Seans einziger Grund verschwunden, gegen seine eigenen Neigungen anzukämpfen. Dennoch verbarg er sie nach wie vor; er war noch nicht so weit, dass er diesen Schritt hätte tun und in Kauf nehmen können, vom Rest seiner Familie ausgestoßen zu werden.

Aber der Tag würde kommen, an dem er den entscheidenden Schritt tun würde, und dann würde er Unterstützung brauchen.

Die Unterstützung seines Vaters. Noch ein Grund, weshalb ich eine Methode finden musste, wie wir in die Welt der Lebenden vorstoßen konnten. Das schuldete ich Kris.

Und jetzt hatte ich mir etwas Zeit mit Kristof selbst verdient.

Ich traf ihn auf seinem Hausboot an. Er lag auf seinem schmalen Kojenbett und las. An der Brille, die auf halber Höhe auf seiner Nase saß, erkannte ich, dass es etwas Anspruchsvolleres war als Comics. Natürlich brauchte Kris die Brille nicht; all unsere körperlichen Unzulänglichkeiten verschwinden mit dem Tod. Aber er hatte vor seinem Tod seit etwa zehn Jahren eine Lesebrille verwendet, und sie aufzusetzen, war zu einem Teil seiner Studienroutine geworden. Wie das Essen, das Schlafen, sogar der Sex es gibt Dinge, die wir auch als Geister noch tun, wenn die Notwendigkeit längst nicht mehr gegeben ist.

Ich stand sekundenlang in der Tür und betrachtete ihn, wie er da ausgestreckt auf dem Bett lag, die Hosen ausgezogen, das Hemd offen, die Socken dagegen noch an den Füßen, als hätte er mit dem Ausziehen angefangen und es dann über seiner Lektüre vergessen.

Ich sprach eine Verschwimmformel, um unbemerkt näher kommen zu können. Als ich es zum Fußende geschafft hatte, konnte ich den Titel seines Buches lesen: Traditional German Folklore. Ich zögerte nur eine Sekunde lang; dann sprang ich.

Kris wälzte sich zur Seite. Ich krachte ins Bett und bekam einen Mundvoll Kissen ab.

»Du hast mich gesehen?«, fragte ich, als ich den Kopf hob.

»Als du zur Tür reingekommen bist.«

»Mist.« Ich rappelte mich auf und setzte mich auf die Bettkante. »Recherchierst du über Nixen?«

»Ich dachte, ich fülle einfach ein paar Wissenslücken, und vielleicht kann ich dir zugleich ja helfen.«

»Das wäre nicht nötig gewesen «

Er hob eine Hand, um mich zu unterbrechen, aber ich war schneller. Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen.

»Was ich sagen wollte: Das wäre nicht nötig gewesen, aber danke. Was hast du herausgefunden?«

Er bestätigte mir, dass Nixen wie alle anderen Varianten von Kakodämonen vom Chaos lebten. Wobei der Ausdruck irreführend ist, wenn man ihn wörtlich nimmt sie brauchten das Chaos nicht zum Überleben. Für Kakodämonen spielt Chaos eine ähnliche Rolle wie der Alkohol für Menschen. Sie haben Vergnügen daran und verschaffen sich dieses Vergnügen, wenn sie können. Einige von ihnen sind süchtig danach, aber für die meisten ist es ein Genussmittel, etwas, das man sich in Maßen gönnt.

Kris hatte außerdem erfahren, dass Nixen über ein paar der üblichen dämonischen Kräfte verfügen. Sie können teleportieren. Wie die meisten Dämonen besitzen sie übermenschliche Kräfte. Nach dem, was die Parzen mir erzählt hatten, war ich mir sicher, dass meine Nixe nach wie vor teleportieren konnte. Und was die übermenschlichen Kräfte anging . . .

die setzte ich auf meine Liste von Dingen, die ich sie fragen musste. »Fabelhaft.« Ich beugte mich über ihn. »Ich schulde dir was.«

»Du kannst die Schuld sofort begleichen, indem du meine Neugier befriedigst. Was ist nach der Sache in der Klinik passiert?« Ich schaffte es in meinem Bericht nicht über meinen epischen Zweikampf mit Janah hinaus, bevor er loslachte.

»Ein Engel hat dich vermöbelt?«

»Freut mich, dass ich zu deiner Unterhaltung beitragen kann.

Nächstes Mal darfst du es übernehmen, diesem Schwert aus dem Weg zu gehen.«

Er lächelte. »Ich habe den Verdacht, beim nächsten Mal übernimmt Janah das Ausweichen. Ich gebe zu, ich bin neidisch.

Ich war schon immer neugierig, was diese Engel angeht.«