Der Traum vom Glück

«Bill umschlang sie mit seinen muskulösen Armen und preßte sie an seine Brust Mit einem tiefen Seufzer bot sie ihm die Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuß...»

Seufzend ließ Edward Robinson den Roman Sieg der Liebe sinken und starrte durch die Fensterscheibe der Untergrundbahn. Sie fuhren gerade durch Stamford Brook. Edward Robinson dachte an Bill. Das war der hundertprozentig virile Mann, wie ihn Romanschriftstellerinnen sehen. Edward beneidete ihn um seine Muskeln, sein männliches Äußeres und seine phantastische Leidenschaftlichkeit . Er nahm das Buch wieder auf und las noch einmal die Beschreibung der stolzen Marchesa Bianca (derjenigen, die ihre Lippen dargeboten hatte) . Ihre Schönheit war so hinreißend, ihr Zauber so berauschend, daß starke Männer von Liebe übermannt vor ihr hinsanken wie Kegel auf einer Kegelbahn.

Natürlich, dachte Edward, ist das alles dummes Zeug. Alles dummes Zeug. Und trotzdem möchte ich mal wissen...

Seine Augen bekamen einen traumerischen Glanz. Gab es vielleicht doch irgendwo eine Welt voll Romantik und Abenteuer? Gab es Frauen, deren Schönheit einem berauschend zu Kopf stieg? Gab es Liebe, die einen verzehrte wie eine Flamme?

Das hier ist das wirkliche Leben, dachte Eciward resigniert. So ist es nun einmal. Man muß sich einfach darein schicken, wie alle anderen Menschen auch.

Im großen und ganzen mußte er sich wohl als einen vom Schicksal begünstigten jungen Mann betrachten. Er hatte einen ausgezeichneten Posten als kaufmännischer Angesteller in einem florierenden Unternehmen. Er war gesund, er brauchte für niemanden zu sorgen, und er war mit Maude verlobt.

Bei dem bloßen Gedanken an Maude jedoch flog ein Schatten über sein Gesicht. Zwar hätte er es nie zugegeben, aber er fürchtete sich etwas vor ihr. Er liebte sie, das schon – noch immer erinnerte er sich, mit welchem Schauder des Entzückens er bei ihrer ersten Begegnung auf Maudes Nacken geblickt hatte, der schlank und weiß aus dem Kragen der billigen Bluse emporragte. Er hatte im Kino hinter ihr gesessen und der Freund, mit dem er dort war, hatte sie gekannt und sie beide einander vorgestellt. Ganz ohne Zweifel, Maude war eine fabelhafte Person. Sie sah gut aus, war intelligent und sehr damenhaft, und sie hatte immer recht, in allen Dingen. Genau der Typ von Mädchen, wie alle Welt ihm versicherte, der eine ausgezeichnete Ehefrau abgeben würde.

Edward überlegte, ob wohl die Marchesa Bianca eine ausgezeichnete Ehefrau abgegeben hätte. Irgendwie bezweifelte er das. Er konnte sich die sinnliche Bianca mit ihren roten Lippen und ihren schwellenden Rundungen nicht vorstellen, wie sie beispielsweise für den maskulinen Bill die Hemdenknöpfe annähte. Nein, Bianca war eine romantische Phantasiegestalt, dieses hier war das wirkliche Leben. Er und Maude würden bestimmt sehr glücklich miteinander werden. Sie war so praktisch und vernünftig...

Aber trotzdem wünschte er manchmal, sie wäre nicht so – nun, so kategorisch in ihrer Art. So schnell bereit, ihm ‹über den Schnabel zu fahren›.

Das lag natürlich an ihrem vorausschauenden, praktischen Wesen. Maude war sehr vernünftig. Und Edward war für gewöhnlich ebenfalls sehr vernünftig, aber manchmal... Er hatte zum Beispiel schon dieses Jahr zu Weihnachten heiraten wollen. Maude dagegen hatte ihm erklärt, wieviel vernünftiger es doch sei, noch ein Weilchen zu warten – ein Jahr oder auch zwei vielleicht. Sein Gehalt war nicht sehr hoch. Er hatte ihr einen teuren Ring schenken wollen – sie war entsetzt gewesen und hatte ihn gezwungen, den Ring zurückzubringen und gegen einen billigeren einzutauschen. Sie besaß nur Qualitäten, aber Edward wünschte manchmal, sie hätte mehr Fehler und weniger Tugenden. Es war ihre Vortrefflichkeit, die ihn manchmal zu verzweifelten Entschlüssen trieb.

Zum Beispiel...

Schuldbewußte Röte überzog sein Gesicht Er mußte es ihr sagen – und zwar bald. Sein schlechtes Gewissen bewirkte bereits, daß er sich seltsam benahm. Morgen war Heiligabend, der erste von drei Feiertagen. Maude hatte ihm vorgeschlagen, den Tag mit ihr und ihrer Familie zu verbringen, und auf eine plumpe, dumme Art, eine Art, die fast zwangsläufig ihr Mißtrauen erregen mußte, hatte er sich herausgeredet – hatte ihr eine langatmige Geschichte von einem Freund aufgetischt, der auf dem Land lebe und den zu besuchen er fest versprochen habe.

Es gab gar keinen Freund auf dem Land. Es gab nur sein schlechtes Gewissen.

Vor drei Monaten hatte Edward Robinson sich zusammen mit ein paar hunderttausend anderen jungen Männern an einem Zeitungspreisausschreiben beteiligt. Zwölf Mädchennamen sollten in der Reihenfolge ihrer Beliebtheit angeordnet werden. Und da hatte Edward einen glänzenden Einfall gehabt. Sein eigenes Urteil war mit Sicherheit falsch – diese Erfahrung hatte er bei ähnlichen Wettbewerben schon oft gemacht. Er hatte also die Namen zuerst in der Reihenfolge aufgeschrieben, die seinem eigenen Geschmack entsprach, und sie sodann ein zweites Mal notiert, wobei er jeweils zwischen den ersten und den letztplazierten Namen seiner ursprünglichen Liste abwechselte. Als das Ergebnis verkündet wurde, hatte Edward von den zwölf Namen acht richtig getroffen und erhielt den ersten Preis von fünfhundert Pfund. Er ließ es sich nicht nehmen, dieses Resultat, das man ohne weiteres einem glücklichen Zufall hätte zuschreiben können, als direktes Ergebnis seines «Systems» zu betrachten, und war außerordentlich stolz auf sich.

Das nächste Problem war: Was sollte er mit den fünfhundert Pfund anfangen? Er wußte sehr gut, was Maude sagen würde. Lege es an als Startkapital für unsere Zukunft. Und Maude hätte natürlich ganz recht, das war ihm klar. Doch Geld, das man in einem Preisausschreiben gewonnen hatte, das war seinem Gefühl nach etwas Besonderes.

Hätte er das Geld durch eine Erbschaft erhalten, so würde er es selbstverständlich bis auf den letzten Penny in Staatsanleihen oder Sparbriefen angelegt haben. Aber ein Glückstreffer, den man durch ein paar Federstriche erzielt hatte, gehörte für Edward ungefähr in die gleiche Kategorie wie der Sixpence, den man einem Kind zusteckte, damit es sich ‹etwas Schönes› dafür kaufe.

Und in einem bestimmten Schaufenster, an dem er tagtäglich auf dem Weg ins Büro vorbeiging, befand sich ‹etwas Schönes›, der Traum aller Träume, ein kleiner Zweisitzer mit langer, spiegelblanker Kühlerhaube und darauf in dicken Ziffern der Preis: 465 Pfund.

«Wenn ich reich wäre», hatte Edward Tag für Tag zu dem Auto gesagt, «wenn ich reich wäre, dann gehörtest du mir.»

Und nun war er – wenn schon nicht reich, so doch im Besitz einer Summe, die es ihm erlaubte, seinen Traum zu verwirklichen. Der Wagen, dieses wunderschöne, chromglänzende Prachstück, war sein, er brauchte ihn nur zu bezahlen.

Er hatte vorgehabt, Maude von dem Geld zu erzählen. Damit wäre er vor jeder Versuchung gefeit gewesen. Angesichts ihrer Mißbilligung, ja, ihres Entsetzens, hätte er niemals den Mut aufgebracht, seine verrückte Idee in die Tat umzusetzen. Aber zufällig war es dann Maude selber, die die Entscheidung herbeiführte. Er hatte sie ins Kino eingeladen – auf die besten Plätze. Darauf hatte sie ihm freundlich aber bestiinmt die verwerfliche Torheit seines Benehmens vor Augen geführt – drei Shilling und sechs Pence gegenüber zwei Shilling und vier Pence, wo man von den hinteren Plätzen doch genauso gut sehen konnte!

Edward nahm die Vorwürfe mit verbissenem Schweigen entgegen. Maude hatte das befriedigende Gefühl, daß ihre Worte Eindruck auf ihn machten. Man durfte nicht zulassen, daß Edward seinen extravaganten Lebensstil beibehielt. Maude liebte Edward, aber sie wußte, er war schwach, und so oblag es ihr, ihm stets zur Seite zu stehen und ihn auf den rechten Weg zu geleiten. Sie beobachtete sein demütiges Verhalten mit innerer Genugtuung.

Edward benahm sich in der Tat wie ein getretener Wurm. Er krümmte sich. Zwar hatten ihn ihre Vorwürfe tief getroffen, doch genau in diesem Augenblick faßte er den Entschluß, den Wagen zu kaufen.

‹Verdammt!› sagte er zu sich selbst ‹Einmal in meinem leben werde ich tun, was mir paßt. Da kann sich Maude auf den Kopf stellen!›

Und so geschah es, daß er am folgenden Morgen jenen gläsernen Palast mit seinen chromblitzenden, lackglänzenden Herrlichkeiten betrat und mit einer Nonchalance, die ihn selbst erstaunte, sein Traumauto kaufte. Es war wirklich das Einfachste auf der Welt, sich ein Auto zu kaufen!

Das war vor vier Tagen gewesen. Seither ging er, obzwar er sich nach außen hin nichts anmerken ließ, innerlich wie auf Wolken. Und Maude hatte er noch keine Silbe davon gesagt .

Täglich benutzte er seine Mittagspause, um Unterricht im Gebrauch des Prachtvehikels zu nehmen, und er erwies sich dabei als überaus gelehriger Schüler.

Morgen, an Heiligabend, würde er seine erste Ausfahrt aufs Land machen. Er hatte Maude belogen, und er würde sie, wenn es sein mußte, wieder belügen. Er stand mit Leib und Seele im Bann seines neuen Besitztums. Es verkörperte für ihn Romantik und Abenteuer, all die Dinge, nach denen er sich immer vergeblich gesehnt hatte. Morgen würden sich er und seine neue Geliebte zusammen auf den Weg machen. Sie würden durch die kalte Winterluft brausen und, das nervenaufreibende Getümmel von London weit hinter sich lassend, in die menschenleere Welt entschwinden...

In diesem Augenblick war Edward, ohne es selbst zu wissen, fast ein Poet.

Morgen...

Er blickte auf das Buch in seiner Hand – Sieg der Liebe. Lachend steckte er es in die Tasche.

Der Wagen, die roten Lippen der Marchesa Bianca und die erstaunlichen Heldentaten von Bill, all dies schien irgendwie miteinander verwoben. Morgen...

Das Wetter, das für gewöhnlich optimistische Erwartungen zu enttäuschen pflegte, war Edward wohl gesonnen. Es lieferte ihm einen Tag, wie er ihn sich erträumt hatte, einen Tag mit glitzerndem Rauhreif, blaßblauem Himmel und einer primelgelben Sonne.

So fuhr Edward denn, die Brust von Abenteuerlust und Wagemut geschwellt, zur Stadt hinaus. Es gab kleinere Schwierigkeiten am Hyde Park Corner und eine betrübliche Panne bei Putney Bridge, es krachte öfters mal im Getriebe, die Bremsen quietschten häufig, und zahlreiche andere Autofahrer überschütteten Edward mit Verwünschungen, doch für einen Anfänger machte er seine Sache nicht schlecht. Schließlich erreichte er eine jener geraden, breiten Straßen, die das Herz jedes Autofahrers höher schlagen lassen. An diesem Tag herrschte wenig Verkehr. Edward fuhr dahin, immer weiter und weiter; trunken von seiner Herrschaft über dieses Gefährt mit den schimmernden Flanken raste er durch die kalte, weiße Welt wie in einem göttlichen Rausch.

Es war ein phantastischer Tag. Er machte einmal Rast, um in einem altmodischen Gasthof zu Mittag zu essen, und legte danach nur noch einmal eine kurze Teepause ein. Endlich trat er widerwillig die Heimfahrt an zurück nach London, zurück zu Maude, zu den unvermeidlichen Erklärungen, den Vorwürfen.

Er schob den Gedanken seufzend von sich. Das hatte Zeit bis morgen. Heute war heute. Und was konnte faszinierender sein als diese schnelle Fahrt durch die Nacht, während die Scheinwerfer sich voraus ins Dunkle bohrten. Das war überhaupt das Beste von allem!

Nach seiner Rechnung blieb ihm keine Zeit mehr, um irgendwo zum Abendessen einzukehren. Dieses Fahren bei Dunkelheit war eine knifflige Sache. Er würde länger zurück nach London brauchen, als er gedacht hatte. Es war gerade acht Uhr, als er durch Hindhead kam und zum Rand der Devil's Punch Bowl gelangte. Der Mond schien, und der Schnee von vorgestern war noch nicht geschmolzen.

Er hielt an und blickte sich staunend um. Was machte es, wenn er nicht vor Mitternacht nach London zurückkam? Was machte es, wenn er überhaupt nicht zurückkam? Von dem hier würde er sich nicht so schnell losreißen.

Er stieg aus dem Wagen und trat an den Rand des Abhangs. In verführerischer Nähe sah er einen gewundenen Pfad, der ins Tal führte. Edward gab der Versuchung nach und wanderte die nächste halbe Stunde wie berauscht durch eine verschneite Wunderwelt. Niemals hatte er sich vorgestellt, daß es dergleichen geben könnte. Und all dieses gehörte ihm, ihm allein, ein Geschenk seiner strahlenden Geliebten, die oben auf der Straße getreulich seiner harrte.

Endlich kletterte er wieder bergauf, stieg in sein Auto und fuhr weiter, noch immer ein wenig benommen von der Entdeckung einer Schönheit, die er eben erlebt hatte und die dem prosaischsten Menschen zuweilen widerfuhr.

Mit einem Seufzer kam er dann wieder zu sich und streckte die Hand in das Seitenfach des Wagens, in das er irgendwann im Lauf des Tages einen WolIschal gestopft hatte.

Aber der Schal war nicht mehr da. Das Fach war leer. Nein, doch nicht – es steckte etwas Kratziges, Hartes darin, wie ein Haufen Kieselsteine.

Edward griff mit der Hand tiefer hinein. Einen Augenblick später starrte er entgeistert auf das Ding, das zwischen seinen Fingern baumelte und im Mondlicht in hundert Feuern funkelte. Es war ein Brillanthalsband.

Edward starrte es minutenlang an, aber es war kein Zweifel möglich. Ein Brillanthalsband im Wert von wahrscheinlich Tausenden von Pfund hatte da einfach so im Seitenfach seines Autos gelegen!

Aber wer hatte es dort hineingetan? Als er aus der Stadt wegfuhr, war es mit Sicherheit noch nicht dagewesen. Während er im Schnee spazierenging, mußte jemand vorbeigekommen sein und das Ding absichtlich ins Auto gelegt haben. Aber warum? Hatte der Besitzer des Halsbands sich geirrt? Oder – war es möglicherweise gestohlen?

Noch während ihm alle diese Gedanken durch den Kopf schossen, zuckte Edward plötzlich zusammen, und es überlief ihn eiskalt. Dies war gar nicht sein Wagen.

Er war sehr ähnlich, gewiß. Er war vom gleichen leuchtenden Rot – rot wie die Lippen der Marchesa Bianca -, er besaß die gleiche lange, glänzende Kühlerhaube, aber an tausend Kleinigkeiten erkannte Edward, daß es sich nicht um sein eigenes Auto handelte. Die glänzende Lackierung wies hier und dort kleine Kratzer auf, der ganze Wagen zeigte unverkennbar Spuren eines längeren Gebrauchs. In dem Fall...

Ohne länger zu zögern, setzte Edward zum Wenden an. Dieses war jedoch nicht seine starke Seite. Sobald er den Rückwärtsgang einlegte, verlor er unweigerlich den Kopf und drehte das Lenkrad in die falsche Richtung. Außerdem verirrte sich sein Fuß häufig zwischen Gaspedal und Bremse, was fatale Folgen zeitigte. Schließlich jedoch gelang ihm das Manöver, und der Wagen brummte gehorsam wieder den Berg hinauf.

Edward entsann sich, vorhin in einiger Entfernung einen anderen Wagen bemerkt zu haben, dem er zu der Zeit jedoch keine sonderliche Beachtung geschenkt hatte. Auf dem Rückweg von seinem Spaziergang war er aus dem Tal über einen anderen Pfad heraufgeklettert und oben, wie er gemeint hatte, direkt hinter seinem Auto angekommen. Tatsächlich mußte es aber das fremde Auto gewesen sein.

Etwa zehn Minuten später befand er sich wieder an der Stelle, wo er vorhin geparkt hatte.

Aber jetzt stand überhaupt kein Auto mehr am Straßenrand. Der Eigentümer dieses Wagens mußte in dem von Edward davongefahren sein vielleicht auch er irregeführt durch die Ähnlichkeit. Edward holte das Brillanthalsband aus der Tasche und ließ es ratos durch die Finger gleiten.

Was sollte er jetzt tun? Zum nächsten Polizeirevier laufen? Die Begleitumstände erklären, das Halsband abliefern und die Nummer seines eigenen Wagens angeben.

Übrigens, wie lautete eigentlich seine Wagennummer? Edward zerbrach sich den Kopf, doch sie wollte ihm auf den Tod nicht einfallen. Ihm wurde unbehaglich zumute. Er würde sich bei der Polizei reichlich lächerlich machen. Es war eine Acht in der Nummer, das war alles, woran er sich erinnern konnte. Natürlich kam es im Grunde nicht darauf an – zumindest... Er warf einen beklommenen Blick auf die Brillanten. Womöglich würden die glauben – ach nein, das war ja ausgeschlossen... oder etwa doch nicht... daß er den Wagen und die Brillanten gestohlen hatte. Denn schließlich, wenn man sich's genau überlegte, würde wohl irgendein Mensch bei rechtem Verstand ein wertvolles

Brillanthalsband nachlässig in das offen Seitenfacheines Autos stopfen?

Edward stieg aus und ging um den Wagen herum. Die Nummer war XRJ 0061. Abgesehen von der Tatsache, daß es sich dabei mit Sicherheit nicht um seine eigene Autonummer handelte, sagte ihm das gar nichts. Er ging nun daran, systematisch sämtliche Ablagefacher des Wagens zu untersuchen. Dort, wo er die Brillanten gefunden hatte, machte er eine weitere Entdeckung – einen kleinen Papierzettel, auf den in Bleistift ein paar Worte gekritzelt waren.

Im Licht der Scheinwerfer konnte Edward sie leicht entziffern.

‹Treffpunkt: Graene, Ecke Salter's Lane, zehn Uhr.› Der Name Graene kam ihm bekannt vor. Er hatte ihn unterwegs auf einem Ortsschild gelesen.

Eine Minute später stand sein Entschluß fest. Er würde zu dieser Ortschaft Graene fahren, die Salter's Lane suchen, dort auf die Person, die den Zettel geschrieben hatte, warten und die Situation erklären. Das wäre weitaus besser, als sich auf dem nächsten Polizeirevier unsterblich zu blamieren.

Fast vergnügt fuhr er los. Schließlich war dies ein Abenteuer, etwas, das nicht alle Tage passierte. Das Brillanthalsband machte das Ganze spannend und geheimnisvoll.

Er hatte einige Schwierigkeiten, bis er Graene und dort die Salter's Lane fand, aber nachdem er in zwei Häusern nach dem Weg gefragt hatte, gelang es ihm schließlich.

Dennoch war es ein paar Minuten nach der angegebenen Zeit, als er vorsichtig eine enge Straße entlangfuhr und scharf nach links Ausschau hielt, wo, wie man ihm beschrieben hatte, die Salter's Lane abzweigen sollte.

Nach einer Straßenbiegung stieß er tatsächlich auf die Abzweigung, und schon als er stoppte, eilte eine Gestalt aus der Dunkelheit auf ihn zu.

«Endlich!» rief eine Frauenstimme. «Das hat ja eine Ewigkeit gedauert, Gerald!»

Während die Frau sprach, trat sie mitten in das grelle Scheinwerferlicht, und Edward stockte der Atem. Sie war das schönste Geschöpf, das er je gesehen hatte.

Sie war noch ganz jung, mit nachtschwarzem Haar und wundervollen roten Lippen. Der schwere Pelzmantel, der sie umhüllte, klaffte vorne auseinander, und Edward sah, daß sie in großer Abendtoilette war das enganliegende, feuerrote Kleid betonte ihre makellose Figur.

Um ihren Hals schloß sich eine Kette ausgesucht schöner Perlen.

Plötzlich fuhr die junge Frau erschrocken zusammen.

«Oh!» rief sie aus. «Sie sind ja gar nicht Gerald.»

«Nein», sagte Edward hastig. «Ich möchte die Sache erklären.» Er zog das Brillanthalsband aus der Tasche und hielt es ihr entgegen. «Mein Name ist Edward..

Weiter kam er nicht, denn das Mädchen klatschte in die Hände und fiel ihm ins Wort.

«Edward, ach, hatürlich! Ich freue mich ja so. Aber Jimmy, dieser Idiot, hat mir am Telefon gesagt, er würde Gerald mit dem Wagen herüberschicken. Ich finde es wirklich fabelhaft anständig von dir, daß du gekommen bist. Vergiß nicht, ich habe dich zum letztenmal gesehen, als ich sechs Jahre alt war. Aha, da hast du ja das Halsband. Steck's wieder ein. Der Dorfpolizist könnte vorbeikommen und es sehen. Brr, es ist eiskalt hier draußen! Laß mich rein.»

Wie im Traum öffnete Edward die Tür, und sie kletterte leichtfüßig zu ihm in den Wagen. Ihr Pelz streifte seine Wange, und ein flüchtiger Duft wie von regenfeuchten Veilchen stieg ihm in die Nase.

Er hatte keinen Plan, nicht einmal einen festen Gedanken. Ohne eine bewußte Entscheidung hatte er sich von der ersten Minute an mit Leib und Seele dem Abenteuer verschrieben. Die junge Frau hatte ihn Edward genannt – was tat es, daß er der falsche Edward war? Sie würde es schnell genug herausfinden. Er nahm den Fuß von der Kupplung, und sie fuhren los.

Nach kurzer Zeit fing die junge Frau an zu lachen. Ihr Lachen war genauso wunderbar wie alles übrige an ihr.

«Man merkt, daß du nicht viel von Autos verstehst Es wohl keine da draußen?»

Was mochte mit «da draußen» gemeint sein, fragte sich Edward. Laut sagte er: «Nicht viele.»

«Laß lieber mich fahren», schlug sie vor. «Es ist ziemlich kompliziert, sich in diesen engen Gassen zurechtzufinden, bis man wieder auf die Hauptstraße kommt.»

Er überließ ihr nur allzu gerne seinen Platz. Bald brausten sie mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit, die Edward insgeheim schaudern machte, durch die Nacht. Sie sah ihn von der Seite an.

«Ich fahre gern schnell. Du auch? Weiß du, du siehst Gerald kein bißchen ähnlich. Kein Mensch würde euch für Brüder halten. Du bist überhaupt ganz anders, als ich dich mir vorgestellt habe.»

«Zu gewöhnlich wohl, stimmt's?»

«Nicht gewöhnlich – anders. Ich werde nicht recht klug aus dir. Was macht unser armer Jimmy? Hat das Ganze wahrscheinlich tüchtig satt, wie?»

«Ach, Jimmy geht's ganz gut», entgegnete Edward aufs Geratewohl.

«Das sagt sich so leicht – dabei ist so ein verstauchter Knöchel schon ein gemeines Pech. Hat er dir die ganze Geschichte erzählt?»

«Kein Wort. Ich tappe völlig im dunkeln. Wie ist es denn passiert?»

«Oh, das Ganze hat fabelhaft geklappt. Jimmy, schön herausstaffiert in seinen Frauenklamotten, ging zur Haustür hinein, und zwei Minuten später kletterte ich dann die Wand hinauf zum Fenster. Drinnen war die Zofe von Agnes Larella gerade dabei, ihr Kleid und ihren Schmuck herauszulegen. Dann gab's unten plötzlich großes Geschrei, der Knallfrosch ging los, und alle schrien Feuer. Das Mädchen raste hinaus, ich sprang hinein, packte das Halsband und war im Nu wieder unten. Dann rannte ich durch die Gartenpforte auf der Rückseite, nahm die Abkürzung durch die Punch Bowl und stopfte im Vorbeilaufen schnell das Halsband und die Nachricht mit unserem Treffpunkt ins Autofach. Und dann ging ich wieder ins Hotel zu Louise – nachdem ich erst die Pelzstiefel ausgezogen hatte, natütlich. Sie hatte überhaupt nicht gemerkt, daß ich fort gewesen war. Ein perfektes Alibi.»

«Und was passierte mit Jimmy? »

«Na, davon weißt du bestimmt mehr als ich.»

«Er hat mir kein Wort gesagt», erklärte Edward leichthin. «Ach, in dem ganzen Durcheinander hat er sich doch tatsächlich mit dem Fuß in seinem Rock verheddert und sich den Knöchel verstaucht. Man hat ihn zu seinem Wagen tragen müssen, und der Chauffeur von den Larellas fuhr ihn heim. Stell dir bloß vor, der Chauffeur hätte zufälligmit der Hand in das Seitenfach gefaßt!»

Edward stimmte in ihr Gelächter ein, doch seine Gedanken arbeiteten emsig. Er verstand die Geschichte jetzt so ungefähr. Den Namen Larella hatte er schon gehört – es war ein Name, der gleichbedeutend mit Reichtum war. Das Mädchen hier und ein unbekannter Mann namens Jimmy hatten gemeinsam einen Plan ausgeheckt, um das Halsband zu stehlen, und es war ihnen geglückt. Wegen seines verstauchten Knöchels und der Anwesenheit des Chauffeurs der Larellas war Jimmy nicht in der Lage gewesen, in das Seitenfach des Wagens zu schauen, ehe er das Mädchen anrief – wahrscheinlich hatte er auch gar nicht die Absicht gehabt, es zu tun. Aber es war nahezu sicher, daß der andere Unbekannte namens Gerald dies bei nächster Gelegenheit nachholen wurde. Und er würde darin Edwards Schal finden!

«Schnell gegangen», bemerkte das Mädchen.

Eine hellerleuchtete Trambahn ratterte vorbei – sie befanden sich bereits in den Außenbezirken von London. Der Wagen schlängelte sich durch den Verkehr, daß Edward das bis in den Hals hinauf schlug. Sie fuhr ausgezeichnet, diese junge Frau, aber wie riskant!

Eine Viertelstunde später hielten sie vor einem imposanten Haus an einem vornehmen kleinen Platz an.

«Wir können ein paar von unseren Klamotten hierlassen», sagte das Mädchen, «ehe wir weiterfahren zu ‹Ritson's›.»

«‹Ritson's?›» Edward wiederholte fast ehrfürchtig den Namen des berühmten Nachtclubs.

«Ja, hat Gerald dir das nicht gesagt?»

«Das hat er nicht», erwiderte Edward streng. «Was soll ich anziehen?»

Sie runzelte die Stirn. «Hat man dir denn gar nichts gesagt? Wir werden dich irgendwie ausstaffieren. Wir müssen die Sache durchziehen.»

Ein würdevoller Butler öffnete ihnen die Tür und trat beiseite, um sie hereinzulassen.

«Mr. Gerald Champneys hat angerufen, Mylady. Er wollte sie dringend sprechen, hat aber keine Nachricht hinterlassen wollen.»

Kein Wunder, daß er sie dringend sprechen wollte, dachte Edward. Auf jeden Fall kenne ich jetzt meinen vollen Namen. Edward Champneys. Aber wer ist sie? Der Butler hat sie mit Mylady angeredet Wozu braucht sie dann ein Halsband zu klauen? Bridgeschulden?

In den Romanheften, die er gelegendich las, wurde die schöne, adelige Heldin stets von Bridgeschulden zur Verzwefflung getrieben. Edward wurde von dem würdigen Buder fortgeführt und einem geschniegelten Kammerdiener übergeben. Eine Viertelstunde später gesellte er sich wieder zu seiner Gastgeberin, angetan mit einem wundervoll sitzenden Abendanzug, der einem bekannten Schneideratelier in der Savile Row entstammte.

Herrgott, was für eine Nacht!

Sie fuhren mit dem Auto zum berühmten «Ritson's». Wie alle, hatte auch Edward schon unzählige skandalträchtige Zeitungsgeschichten über das «Ritson's» gelesen. Jeder, der einen Namen hatte, kreuzte früher oder später im «Ritson's» auf. Edwards einzige Sorge war, daß jemand, der den echten Edward Champneys kannte, auftauchen würde. Er tröstete sich mit der Überlegung, daß der echte Edward offensichtlich seit einigen Jahren außerhalb von England gelebt hatte.

Sie saßen an einem kleinen Tisch an der Wand und tranken Cocktails. Cocktails! Für Edwards schlichtes Gemüt war dies die Quintessenz mondänen Lebens. Die junge Frau, die einen wundervollen bestickten Schal um sich geschlungen hatte, nippte lässig an ihrem Glas.

Plötzlich ließ sie den Schal von ihren Schultern gleiten und stand auf.

«Wir wollen tanzen.»

Nun war Tanzen das einzige, was Edward wirklich zur Vollkommenheit beherrschte. Wenn er und Maude auf der Tanzfläche im Palais de Danse erschienen, blieben die übrigen Paare stehen und schauten ihnen bewundernd zu.

«Beinahe hätte ich's vergessen», sagte die junge Frau plötzlich. «Das Halsband.»

Sie streckte die Hand aus. Völlig verdattert zog Edward das Schmuckstück aus der Tasche und gab es ihr. Zu seinem fassungslosen Erstaunen legte sie es sich ungerührt um den Hals.

Dann lächelte sie ihm berückend zu.

«Jetzt wollen wir tanzen», sagte sie leise.

Sie tanzten. Und im ganzen «Ritson's» gab es kein vollkommeneres Paar.

Als sie schließlich an ihren Tisch zurückkehrten, trat ein dandyhafter alter Herr auf Edwards Begleiterin zu.

«Ah, Lady Noreen – die unermüdliche Tänzerin! Ja, ja. Ist Captain Folliot heute abend hier?»

«Jimmy ist gestürzt – hat sich den Knöchel verstaucht»

«Was Sie nicht sagen! Wie ist das passiert?» «Weiß noch nichts Genaueres.»

Sie lachte und ging weiter.

Edward folgte ihr. In seinem Kopf drehte sich alles. Jetzt wußte er Bescheid. Lady Noreen Eliot, die berühmte Lady Noreen persönlich, wahrscheinlich die Frau in England, von der man am meisten sprach. Eine gefeierte Schönheit, berühmt für ihren Wagemut – Anführerin der Clique, die man die «Jungen Mondänen» nannte. Ihre Verlobung mit Captain James Folliot, V. C., von der Household Cavalry, war erst kürzlich bekanntgegeben worden.

Aber das Halsband? Das mit dem Halsband verstand er noch immer nicht. Selbst auf die Gefahr hin, sich zu verraten, das mußte er unbedingt herausfinden.

Als sie sich wieder an ihrem Tisch niederließen, deutete er darauf.

«Warum, Noreen?» fragte er. «Das würde ich gern wissen.»

Sie lächelte träumerisch, noch immer unter dem Zauber ihres Tanzes stehend.

«Wahrscheinlich ist das für dich schwer zu verstehen, aber man wird es so leid – immer das gleiche, immer und ewig das gleiche. Treasure Hunts waren ja ganz nett für eine Weile, aber man gewöhnt sich an alles. Das ‹Einbruch-Spiel› war meine Idee. Fünfzig Pfund Einsatz, und es wird gelost. Das ist unser dritter. Jimmy und ich haben Agnes Larella gezogen. Du kennst die Spielregeln. Der Einbruch ist innerhalb von drei Tagen auszuführen und die Beute mindestens eine Stunde lang in der Öffentlichkeit zu tragen, andernfalls muß man hundert Pfund Strafe zahlen. Pech für Jimmy, daß er sich den Knöchel verstaucht hat, aber wir holen uns den Gewinn, das steht fest»

«Ach so.» Edward holte tief Luft «Ich verstehe.»

Noreen erhob sich plötzlich und legte ihren Schal um.

«Fahr mich mit dem Auto irgendwohin. Hinunter zu den Docks. Irgendwohin, wo es scheußlich auftegend ist. Warte einen Moment...» Sie nahm die Brillanten vorn Hals. «Hier, steck du das lieber wieder ein. Ich möchte nicht deswegen ermordet werden.»

Gemeinsam verließen sie das ‹Ritson's›. Der Wagen stand in einer engen dunklen Seitengasse. Als sie auf dem Weg dorthin um die Ecke bogen, hielt neben ihnen ein anderes Auto, und ein junger Mann sprang heraus.

«Gott sei Dank, Noreen, daß ich dich endlich finde», rief der junge Mann. «Alles ist schiefgelaufen. Dieser Esel Jimmy ist mit dem falschen Wagen davongefahren, und kein Mensch weiß, wo diese verflixten Brillanten jetzt stecken. Wir sitzen ganz schön in der Tinte.»

Lady Noreen starrte den jungen Mann an.

«Wie meinst du das? Wir haben die Brillanten das heißt, Edward hat sie.»

«Edward?»

«Ja» Sie deutete mit einer knappen Bewegung auf ihren Begleiter.

Jetzt bin ich derjenige, der in der Tinte sitzt, dachte Edward. Ich wette zehn zu eins, das hier ist Bruder Gerald.

Der junge Mann starrte ihn an.

«Was soll das heißen?» sagte er langsam. «Edward ist in Schottland.»

«Oh!» stieß Noreen hervor. Sie blickte Edward mit weit aufgerissenen Augen an. «Oh!»

Ihr Gesicht wurde abwechselnd rot und blaß.

«Dann sind Sie also echt?» flüsterte sie.

Edward brauchte nur einen Augenblick, um die Situation zu erfassen. Im Blick der jungen Frau lag Ehrfurcht – ja, etwas wje Bewunderung. Sollte er alles erklären? Nein, das wäre langweilig! Er würde das Spiel zu Ende spielen.

Er verneigte sich förmlich. «Ich danke Ihnen, Lady Noreen», sagte er in schönster Raubrittermanier, «für diesen bezaubernden Abend.»

Dabei warf er einen schnellen Blick auf den Wagen, aus dem der andere soeben ausgestiegen war. Ein knallroter Wagen mit glänzender Motorhaube. Sein Wagen! «Und damit möchte ich mich von Ihnen verabschieden!» Ein rascher Satz, und er saß im Auto, den Fuß auf der Kupplung. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Gerald stand wie gelähmt da, doch Noreen war schneller. Als der Wagen an ihr vorbeiglitt, schwang sie sich blitzschnell auf dasTrittbrett.

Der Wagen geriet ins Schleudern, schoß blindlings um die Ecke und stoppte. Außer Atem von der Anstrengung Sprungs, legte Noreen die Hand auf Edwards Arm. «Sie müssen es mir wiedergeben – oh, bitte, geben Sie es mir. Ich muß es Agnes Larella zurückgeben. Seien Sie nett – wir hatten doch einen schönen Abend zusammen – wir haben getanzt – wir waren...

Freunde. Sie geben es mir doch, ja? Bitte... für mich.»

Eine Frau, deren Schönheit einen berauschte. Es gab also wirklich solche Frauen...

Im übrigen war Edward selbst brennend daran interessiert, das Halsband loszuwerden. Eine gottgesandte Gelegenheit für eine elegante Geste.

Er nahm das Halsband aus der Tasche und ließ es in Noreens ausgestreckte Hand gleiten.

«Wir waren... Freunde», sagte er.

Ihre Augen leuchteten auf. Dann neigte sie sich unerwartet über ihn. Für einen Augenblick hielt er sie in den Armen, spürte ihre Lippen auf den seinen...

Dann sprang sie ab. Der rote Wagen tat einen Satz nach vorn und raste davon.

Romantik!

Abenteuer!

Am ersten Weihnachtstag um zwölf Uhr mittags betrat Edward Robinson das kleine Wohnzimmer eines Hauses in Clapham mit dem herkömmlichen Gruß: «Fröhliche Weihnachten.»

Maude, die damit beschäftigt war, einen Stechpalmenzweig neu aufzuhängen, empfing ihn kühl.

«Hast du einen angenehmen Tag auf dem Land verlebt, mit diesem Freund von dir?»

erkundigte sie sich.

«Hör zu», sagte Edward. «Das war alles gelogen. Ich habe ein Preisausschreiben gewonnen - fünfhundert Pfund, und mir ein Auto davon gekauft. Ich hab dir nichts davon gesagt, weil ich wußte, daß du ein Mordstheater machen würdest. Das ist Punkt eins. Ich habe ein Auto gekauft, und damit ist jede weitere Diskussion überflüssig. Und der zweite Punkt wäre – ich gedenke nicht noch jahrelang zu warten. Meine beruflichen Aussichten sind durchaus zufriedenstellend. und ich beabsichtige, dich nächsten Monat zu heiraten. Hast du verstanden?»

«Oh», hauchte Maude.

War das – konnte das Edward sein, der in diesem herrischen Ton zu ihr sprach?

«Willst du?» fragte Edward. «Ja oder nein?»

Sie starrte ihn fasziniert an. In ihren Augen standen Ehrfurcht und Bewunderung, und als Edward diesen Blick sah, fühlte er sich wie berauscht. Verschwunden war jene mütterliche Nachsicht, die ihn immer so in Rage gebracht hatte.

Genauso hatte ihn Lady Noreen gestern abend angeblickt. Aber Lady Noreens Gestalt war in weite Ferne gerückt, entschwunden ins Reich der Romantik, wo sie Seite an Seite mit der Marchesa Bianca weilte. Dies hier war die Wirklichkeit. Dies hier war sein Weib.

«Ja oder nein?» wiederholte er und trat einen Schritt näher.

«J-ja», stotterte Maude. «Aber, Edward, was ist bloß mit dir geschehen? Du bist heute so ganz anders.»

«Ja», sagte Edward «Vierundzwanzig Stunden lang war ich ein Mann an Stelle eines Wurmes - und, bei Gott, das sich gelohnt!»

Er schloß sie in die Arme, beinahe so, wie Bill, der Superes getan haben könnte.

«Liebst du mich, Maude? Sag mir, liebst du mich?» «Oh, Edward!» hauchte Maude. «Ich bete dich an...»