5

Die Sonne brannte durch die Wagenfenster. Es war dumpf im Innern des Autos … stickig, ein Geruch nach Blut und Schweiß.

Mabel Paerson erwachte aus ihrer Ohnmacht und wälzte sich stöhnend herum. Mit einem Schrei fuhr sie auf, als sie die Augen öffnete. Ralf lag halb über ihr … sein blasses Gesicht war schmal und verkrampft. Sein Rock, sein Hemd waren ein einziger großer Blutfleck. Liegend tastete sie nach seinem Kopf und legte die Hand auf seinen Mund. Er atmet, durchfuhr es sie, er atmet. Er lebt!

Sie schob sich empor, zog sich an der Rückenlehne hoch und bettete Dr. Bouth auf ihren Sitz. Dabei drehte sie sich um und riß die Faust in den Mund, um nicht grell aufzuschreien. Vor ihr, auf dem Führersitz, über das Steuer gedrückt, lag ein Toter. Aus seinem Rücken war aus drei Wunden Blut über den ganzen Sitz gesickert. Seine weißgelbe Hand hielt noch den Zündschlüssel umklammert, den er mit letzter Kraft herumgerissen haben mochte, um den Wagen zum Stehen zu bringen. Das Auto lag schräg in einem Wassergraben, der eine Waldschneise durchzog.

Zitternd setzte sich Mabel neben Ralf und riß ihm das Hemd von der Schulter. Ein Einschußloch war unterhalb des rechten Schulterblattes. Das Blut war geronnen. Als sie den Stoff von der Wunde entfernte, zuckte Dr. Bouths Körper leise zusammen.

Was ist denn bloß geschehen, dachte Mabel und sah sich um. Ralf verwundet … ein fremder Mann am Steuer tot … erschossen …

Sie war gelaufen … über Berge und durch Schluchten … das wußte sie. Sie hatte eine Straße erreicht … sie war frei, endlich frei von den Russen … und sie war auf diese Straße zu gestürzt, war auf die Fahrbahn gefallen und hatte, ehe es dunkel um sie wurde, noch das ferne Brummen eines Wagens gehört.

War es dieses Auto gewesen? Wo kam Ralf her. Wie kam er in diese entlegene Gegend? Wer war der fremde Tote am Steuer?

Zitternd vor Grauen beugte sie sich über die Lehnen der Vordersitze und berührte mit den Fingerspitzen Heinz Behrenz. Sie sah einen Revolver neben der Leiche liegen und nahm ihn an sich. Dann stieg sie aus, riß die Ärmel ihrer Bluse ab und tränkte sie in dem Wasser des Grabens. Damit wusch sie Dr. Bouth die Wunde aus, rieb das geronnene Blut von seinem Körper und legte ihm einen Streifen über die heiße, fiebernde Stirn. Ob sie es richtig machte, wußte sie nicht. Sie dachte nicht daran, wie man sich verhalten mußte … sie wußte nur in zitternder Eile und einsamer Ratlosigkeit, daß sie helfen mußte, daß sie irgend etwas tun mußte, um zu retten, wenn etwas zu retten gab.

Als sie Ralf versorgt hatte, stieg sie aus und wusch sich selbst in dem brakigen Wasser, das vom letzten Regen übriggeblieben sein mußte. Sie kühlte ihre aufgesprungenen Fußsohlen und spürte, wie die Kälte wohlig den ganzen Körper durchrann, wie sie Kraft aus der Kühle des Wassers empfing, Kraft und Ruhe. Dann ging sie um den Wagen herum, sah die zusammengeschossenen Reifen, versuchte, den Kofferraum zu öffnen und entdeckte zwischen einem Reservereifen und einigen noch gefüllten Benzinkanistern einen blechernen Medikamentenkasten.

Da sie den Schlüssel nicht fand, nahm sie einen spitzen Stein und hieb in mühsamer Arbeit das Schloß auf. Verbandzeug, Watte, Zellstoff, fieberlindernde Tabletten, Wundsalbe, Puder und andere wichtige Medikamente lagen in den einzelnen Abteilungen. Sie umwickelte ihr aufgeschlagenes Knie mit einer elastischen Binde, riß die Blusenfetzen wieder von Dr. Bouths Einschuß und verband ihn, so gut sie es konnte, mit den Mullbinden. Auf den Einschuß legte sie eine Lage Zellstoff, mit Wundsalbe dick bestrichen. Dem Verwundeten schien es gut zu tun, er stöhnte leise, und nach einigen Zuckungen des Körpers lag er still. Der Krampf in seinem Gesicht ließ nach.

»Ralf«, sagte sie leise. »Ralf, was haben wir getan, daß man uns so schindet?« Sie küßte ihn auf die trockenen Lippen. Dann rannte sie wieder fort, holte in dem Hut des toten Heinz Behrenz Wasser und träufelte es Dr. Bouth zwischen die Lippen. Automatisch schluckte er, aber dann lief das Wasser an den Mundwinkeln wieder heraus.

Sie hockte sich neben ihn, zog die Beine an und blickte hinaus in den vom Sonnenlicht durchfluteten Wald. In langen, goldenen Streifen brachen die Strahlen durch das dichte Blätterwerk und zauberte wunderliche Schatten auf den Boden und die Fiederblätter der hohen Farne.

Was soll ich tun? dachte sie. Was soll nun werden? Ich kann doch nicht hier sitzen bleiben, in diesem Wagen, den Toten vor mir. Man wird uns hier nicht finden, abseits der Straße. Ich weiß ja überhaupt nicht, wo wir uns befinden! Sind wir in den Rocky Mountains oder irgendwo in den kalifornischen Bergen? Sind wir an der Grenze Kanadas oder weit im Süden in der Nähe Mexikos? Wenn wir hier warten, bis uns jemand findet … ein Jäger oder ein Holzsucher oder ein Beerensammler … ist er gestorben … ist Ralf gestorben …

Sie kletterte wieder aus dem Wagen und ging die Schneise ein Stück herunter. Sie mündete in einen dichten, pfadlosen Wald.

Sie ging zurück, den Spuren des Wagens nach, die sich tief in den weichen Waldboden eingegraben hatten. Ein Pfad lief seitlich durch einen Wald weiter … die Spuren gingen über ihn in die Stämme.

Nichts. Es gab keine Straße. Warum war das Auto von der Straße abgewichen und vielleicht hunderte Meter in den Wald gefahren?

Ohne Reifen? Schleudernd und stoßend?

Plötzlich dachte sie an die Russen. Gregoronow, der Mann, der sie schlagen wollte. Zanewskij, der Frau und Kinder zu Hause hatte und es nicht konnte, sie zu erschießen.

Die Russen!

Eine unheimliche Angst erfaßte sie. Man verfolgte sie ja … mein Gott … sie streiften die Wälder ab, um sie zu suchen … Man hatte diesen Mann dort am Steuer erschossen, weil er sie rettete. Man hatte Ralf angeschossen, weil er sie von der Straße aufnahm. Man kannte keine Rücksicht mehr … man mordete.

Ralf!

Sie rannte den Weg zurück zu Behrenz' Auto. Als sie atemlos um die Ecke der Schneise bog, schrie sie jubelnd auf. Dr. Bouth stand an das Schutzblech gelehnt und drückte die rechte Hand an die schmerzende Brust.

»Ralf!« jubelte sie. »Ralf … Ralf!«

Sie rannte in seine Arme und küßte ihn. Und plötzlich weinte sie, hing sie schluchzend in seinen Armen und konnte es alles nicht fassen, was um sie herum geschah.

»Mabel.« Dr. Bouth drückte sie an sich. Sein Gesicht verzog sich schmerzhaft, aber er schwieg. »Ich habe gedacht, es sei alles umsonst gewesen. Ich habe gedacht, sie hätten dich wieder geholt. Ich war so verzweifelt … bis du um die Ecke ranntest.« Er küßte sie immer wieder auf die Augen und den Mund. »Jetzt bist du wieder da«, sagte er leise, »und ich gebe dich nie wieder her … nie wieder … nie wieder.«

Sie schmiegte sich in seine Arme. Sie hörte sein Herz schlagen … und dieses Klopfen in der Brust war schöner als alles, was sie bisher in ihrem Leben gehört hatte. Sie dachte an nichts mehr … an keinen Russen … an keine Flucht … an keine Gefahr … Es klopft, dachte sie nur … Sein Herz klopft. Sein Herz, mein Herz, unser Herz … Es klopft … O wie schön ist es weiterzuleben.

Dr. Bouth sah sich um, während er sie an sich gedrückt hielt. Er sicherte wie ein Wild, das man hetzt und im Dickicht etwas verschnaufen will.

»Wir müssen weg, Mabel«, sagte er.

»Ja, Ralf. Ich höre dein Herz.«

»Man wird die Spur des Autos finden und nachgehen. Wir sind verloren, wenn Gregoronow und Zanewskij uns finden. Wer weiß, wo die nächste Straße ist. Wir sind hier mitten in den Uinta Mountains. Ich bin zu schwach, um gegen die Russen zu kämpfen.«

»Ja, Ralf.« Sie lächelte glücklich. »Aber dein Herz schlägt so stark.«

Er löste seine Umarmung und führte sie an die Wagentür. Wieder sah sie den Toten und schauderte zusammen.

»Wer ist es, Ralf?«

»Ein Deutscher, Mabel. Heinz Behrenz. Ich verdanke ihm dein und mein Leben. Er war einmal unser Gegner. Warum er unser Freund wurde, weiß ich nicht. Er wollte es mir sagen, wenn er dich gefunden hatte. Armer, guter Junge.« Er kroch in den Wagen und holte den Rucksack ibn Menras hervor. Er war noch gefüllt mit Konserven und Zwiebackbeuteln. Aus der Tasche des blutgetränken Jacketts Behrenz' nahm er noch einen Revolver und beugte sich dann über den Toten. Ruhig suchte er alle Taschen ab und steckte die gefundenen vollen Magazine zu sich. »Wir werden sie vielleicht brauchen«, sagte er stockend. »Es ist ein weiter Weg zurück nach Santa Fé.«

Sie lächelte schwach. »Und es fing damit an, daß ich mir ein Hochzeitskleid aussuchen wollte.«

Dr. Bouth biß sich auf die Lippen. Heimlich sah er Mabel von der Seite an. Ob ich es überlebe, dachte er. Ob ich sie wirklich einmal heiraten kann?

Aus dem Kofferraum holte er zwei Decken und wickelte sie um den Rucksack.

»Wir müssen quer durch die Berge, Mabel.« Auf dem Kühler breitete er die Karte aus, die er in Behrenz Seitentasche fand. Auf den Gebieten von New Mexico und Nevada waren große Blutflecken. »Wir sind jetzt etwa hier südlich des Emmons Peaks. Von der Straße können wir gut dreißig Kilometer entfernt sein. Das ist in unserem Zustand ein Marsch von gut drei Tagen, wenn …«, er stockte … »wenn Gregoronow und Zanewskij uns nicht den Weg verlegen.«

»Wir werden es schaffen, Ralf«, sagte Mabel fest. Sie glaubte es nicht. Sie sah sein blasses, blutleeres Gesicht, das Zucken um die Augen, das Zittern der Finger, mit denen er ihr den Weg auf der Karte zeigte, die Fahlheit der Lippen, die wieder trocken waren, stumpf und rissig. Er wird Fieber bekommen, dachte sie. Sie wußte, was dies bedeutete. Er wird nicht weiterkommen, wir werden irgendwo in den Bergen liegen und warten müssen, bis sich der Griff des Todes löst – oder –. Sie blickte zur Erde. Nein, dachte sie. Nein! Es darf nicht sein! Ich bin doch bei ihm, ich kann ihm doch helfen … ich werde ihn verbinden, ich werde ihm zu essen geben, ich werde ihn pflegen, ich werde alles für ihn tun, alles, was eine Frau nur kann, wenn sie einen Mann liebt, einen Mann, der ihr alles auf dieser Welt bedeutet. Und er wird nicht sterben, er darf es nicht, weil ich an das Leben glaube, an ein Leben mit ihm … an ein glückliches, freies Leben irgendwo auf der weiten Welt.

»Ich liebe dich«, sagte sie leise, fast schüchtern.

Er sah sie groß an und verstand sie nicht in dieser Lage. Er sah den Weg, den sie flüchten mußten, er sah weiter in das kommende Grauen.

»Ich weiß es, Mabel«, sagte er kurz, fast zu hart für ihre Seele, die in diesen Augenblicken ganz für ihn geöffnet war. »Und nun komm … wir haben wenig Chancen, glatt nach Hause zu kommen.«

Er nahm den Rucksack über den Arm, aber sie blieb stehen, löste den Rucksack aus seinem Arm und setzte ihn sich selbst auf den Rücken.

»Das geht nicht, Mabel«, sagte er laut. »Er ist zu schwer.«

»Laß uns gehen.« Sie stapfte ihm voran. »Wir haben wenig Zeit.«

Er wollte noch etwas sagen, er wollte ihr befehlen, den Rucksack abzulegen und ihn ihm zu geben … aber sie hörte nicht auf ihn, sondern ging weiter in den Wald hinein … durch die hohen Farne … über den faulenden Boden … durch die schrägen Strahlen der durch das Blattwerk brechenden Sonne.

Ihr flatterndes blondes Haar glänzte wie Gold, wenn sie durch einen Strahl schritt.

Ihre Hände hielten die Tragriemen. Durch den Verband um ihr Knie kam das Blut.

Sie blickte sich nicht um. Sie hörte nur, wie er ihr mit schnellen Schritten folgte. Dann war er an ihrer Seite. Stumm, groß, blaß.

Ihre Schritte knirschten durch den stillen Wald.

*

Die Nachricht der geglückten Superspaltung Prof. Dr. Paersons flog um die Welt.

In Nagoi, in Nowo Krasnienka, in Tanarenia hielt man den Atem an.

Ein Mann, ein einzelner Mann war weitergekommen als sie alle. Er hatte sie überflügelt, um Jahre zurückgeworfen, die Arbeit von Tausenden, die Millionen Summen an Geld sinnlos gemacht.

Dr. Hakanaki und Dr. Yamamaschi saßen in ihrem Felsenlabyrinth unter der Insel Hondo und rechneten immer wieder und immer wieder die Formeln durch. General Simanuschi, der Greis mit den sterbenden Augen, hockte neben ihnen auf seinem Schemel und starrte durch die hohe Glaswand hinab in das Laboratorium, wo an langen Versuchstischen die Technik eine Revolution durchmachte. Er saß, auf seinen Stock gestützt, und ließ den Kopf hin und her schwanken, als begreife er es nicht, daß aus diesen Wunderwerken nicht der gleiche Geist entsprang wie in Los Alamos, daß Japan wieder der Unterlegene sei … Japan, das Reich der Sonne, die strahlend auf ihrer Fahne leuchtete.

Dr. Hakanaki legte den Bleistift zur Seite. Sein Gesicht drückte tiefste Niedergeschlagenheit aus.

»Es ist unmöglich«, sagte er langsam. »Es gibt kein Metall, es gibt keine Sicherung, die wir über 5.000.000.000 Volt bändigen können. Wir wissen, Exzellenz, daß im Atom eine ungeheure Kraft sitzt. Der Physiker sagt, daß jede Einheit der Atommasse eine Energie von 1.000.000.000 Elektronenvolt besitzt. Da das Uran 235 sich aus 235 solcher Einheiten zusammensetzt, so wäre die Energiemenge in einer hundertprozentigen Uranspaltung 235.000.000.000 Elektronenvolt. Was haben wir alle erreicht? Lächerliche 200.000.000 Volt Energie. Das ist nur ein Fünftel einer Masseneinheit der 235 Einheiten im Uranatom oder 1/1,75 der Atommasse! Mit anderen Worten, es gibt keinen Menschen, der mehr freispalten kann als 1/12 Prozent – rund ein 1/10 Prozent – des Atoms. Das ist nicht mehr als ein Tausendstel! Darüber hinaus versagen wir … gibt es kein Mittel mehr, die Energie zu halten. Es ist für uns alle die kritische Größe, nach der die Explosion folgt!«

Simanuschi bewegte den Kopf noch immer. Es sah gespenstisch aus, als habe er die Kontrolle über seinen Körper verloren.

»Prof. Paerson kann es«, sagte seine zittrige Greisenstimme.

»Es muß ein Bluff sein!« rief Dr. Hakanaki verzweifelt. »Man will uns auch auf dieser Ebene mit einem Nervenkrieg fertigmachen! Es gibt keinen Menschen, der 500.000.000 Elektronen-Volt freimachen kann!«

»Aber er kann eine Bombe bauen, größer als die über Hiroshima und Nagasaki.« General Simanuschi faltete die Hände über dem Stock. »Wenn man hundert Kilogramm Uran 235 nimmt und es möglich macht, daß sich alle Atome spalten, dann kann man eine Bombe haben von der Wirkung von 2.000.000 Tonnen Trinitrotoluol. Das sind 4.000.000 000 Pfund Sprengstoff auf einmal! Wissen Sie, was das bedeutet! Mit dieser Menge können Sie in einer Sekunde halb Japan auslöschen! Es gibt kein Land der Sonne mehr, wenn Prof. Paersons Entdeckung kein Bluff ist!«

»Er muß es sein, Exzellenz.« Dr. Yamamaschi schob ihm ein Blatt Papier hin. »Wir haben die genauen Zahlen der Versuche von Bikini. Als die erste Bombe explodierte, schleuderte sie eine Wassermenge von 10.000.000 Tonnen in die Luft! Die Flutwelle war so groß, daß sich das amerikanische Schlachtschiff ›Arkansas‹, das sich 170 Meter von der Explosion entfernt befand, aus dem Wasser hob. Eine schwimmende, stählerne Stadt tanzte auf der Flutwelle wie ein leichter Korken! Und das alles nur, weil man ein Gramm Materie – ein Gramm, Exzellenz – in Energie umsetzte! Glauben Sie, daß der Mensch höher nach den Sternen greifen kann? Auch uns Wissenschaftlern ist eine Grenze gesetzt.«

Der alte General sah auf seine Hände. Er schloß die Augen und blickte nach innen. Japan, sah er. Das Land, zerklüftet, Insel an Insel. Millionen auf engstem Raum. Er sah den Krieg, den Kampf, die Schlachten um Singapur, um Mindanao, um Okinawa, das Unglück von Hiroshima und Nagasaki, die Kapitulation. Er sah die Toten und die Verwundeten, die ewig Verkrüppelten, die Gezeichneten und Unheilbaren. Er dachte an den Sonnenblitz, der am 6. August 1945, 09.15 Uhr amerikanischer Zeit, über Hiroshima fiel, an die Frauen, denen die Radioaktiven und Hitzestrahlen das Muster ihrer Kimonos unlöslich in die Haut einbrannten, er dachte an die Kinder, die wimmernd herumlagen, aufgedunsen, dem Strahlentod preisgegeben. Er dachte an alles, was Japan hieß, und er senkte den Kopf auf seine Hände.

»Wissen Sie, Hakanaki, wie die Worte hießen, die man nach der Bombe von Hiroshima in Millionen Flugblättern über unsere Heimat streute? Ich habe sie auswendig gelernt, und ich werde sie nicht vergessen, bis ich aufhöre, zu denken!« Er hob den Kopf mit den geschlossenen Augen. Ein Schauder lief über die Rücken Hakanakis und Yamamaschis.

»An das japanische Volk!

Amerika fordert, daß ihr den Inhalt dieses Flugblattes sofort in Erwägung zieht.

Wir sind im Besitz des vernichtendsten Sprengmittels, das je von einem Menschen ersonnen wurde. Eine einzige unserer kürzlich entwickelten Atombomben entspricht in ihrer Sprengwirkung dem, was 2.000 unserer riesigen B-29er bei einem einzelnen Angriff zu tragen vermögen. Diese furchtbare Tatsache solltet Ihr Euch genau überlegen, und wir versichern Euch feierlich, daß sie grausame Wahrheit ist. Wir haben soeben begonnen, diese Waffe gegen Euer Heimatland einzusetzen. Wenn Ihr noch immer einen Zweifel hegt, erkundigt Euch, was in Hiroshima geschehen ist, als nur eine einzige Bombe auf diese Stadt niederging. Bevor wir diese Bombe weiter anwenden, um jede Hilfsquelle der militärischen Führung zu vernichten, durch die sie diesen nutzlosen Krieg zu verlängern vermag, verlangen wir, daß Ihr jetzt Euren Kaiser ersucht, den Krieg zu beenden. Unser Präsident hat für Euch die dreizehn Punkte einer ehrenvollen Übergabe umrissen. Wir fordern Euch dringend auf, diese Punkte anzunehmen und mit der Aufgabe zu beginnen, ein neues, besseres und friedliebendes Japan zu errichten.

Jetzt müßt Ihr Schritte unternehmen, um den militärischen Widerstand aufzugeben. Andernfalls werden wir mit aller Entschlossenheit diese Bombe und alle unsere übrigen überlegenen Waffen einsetzen, um den Krieg schnell zu beenden.«

Simanuschi sank nach vorn über. Sein Körper wirkte leblos. »Das war das Ende Japans«, murmelte er. »Es war keine Lüge, ebenso, wie es jetzt keine Lüge ist … diese neue Bombe.«

»Hören Sie auf!« schrie Dr. Hakanaki. Seine asiatische Beherrschung verließ ihn. Er schlug die Hände vor die Augen. »Wir können es nicht, General! Wir können es nicht! Das ist es! Wir sind zu dumm, wir sind zu klein! Wir sind keine Genies! Wir sind Menschen, einfache, dumme, stammelnde Menschen! Ich habe die Deutschen im Schilf des Roku gefragt … sie wissen nur, daß auch Rußland nicht weitergekommen ist. Ich habe unseren Agenten B 12 in Los Alamos gefragt … der Sender schweigt. Er schweigt seit Tagen! Ich habe alles versucht … ich habe die Zentrale in New York gebettelt – sie weiß von nichts. Heinz Behrenz ist verschwunden. Dr. v. Kubnitz in Nowo Krasnienka glaubt auch nicht an die Doppelspaltung. Er hält sie für unmöglich! Was wir getan haben, ist alles, was in unserer Macht liegt, mehr können wir nicht.«

»Dann wird Japan nie wieder das Sonnenbanner über Asien fliegen lassen!« General Simanuschi erhob sich. »Es ist zu Ende mit dem Reich des Ostens.« Er sah an Dr. Hakanaki vorbei. Sein Blick irrte zu dem krummen Samuraischwert an der Felsenwand. »Können Sie diese Spaltung noch erreichen, Dr. Hakanaki?«

»Nein!« Hakanaki schrie es. Seine Stimme brach sich an den Felsenwänden. Simanuschi nickte.

»Leihen Sie mir Ihr Schwert«, sagte er leise. Und als es Yamamaschi herunternahm und ihm mit bebenden Fingern überreichte, nickte er dankend. »Mein eigenes liegt bei Nagata. Ich habe es nicht mehr holen können, ehe man mich einfing.«

Er nahm das Samuraischwert in den Arm wie ein Kind. Er gab Dr. Hakanaki die Hand und Dr. Yamamaschi.

Dann ging er hinaus, durch den Saal, über die Treppe, durch die Schlucht, durch die Höhlengänge, bis er in die Sonne trat, an das Meer, zu dem die Felsen hinabfielen.

Die Brandung brüllte gegen die Klippen.

Simanuschi kniete auf den Steinen und verneigte sich gegen Osten.

Die Klinge des Schwertes blitzte in der Sonne.

Die Sonne, die auf Japans Fahnen weht.

*

Professor Kyrill war bleich.

Vor ihm in dem Sessel saß der Volkskommissar aus Moskau. Er war freundlich, er sparte nicht mit Lob über den Fortschritt der Anlagen.

Aber Prof. Kyrill ließ sich nicht täuschen. Er war Russe, er war Bolschewik – er wußte, daß hinter der glatten Maske biedermännischer Beredsamkeit die kalte, entblößte Brutalität wohnte. Das Entweder – oder … Der Genickschuß oder der Stalinpreis.

»Sie haben von Prof. Paerson gehört, Genossen?« fragte der Volkskommissar gemütlich. Kyrill kniff die Augen zu einem Spalt zusammen. Sein Mongolengesicht verhärtete sich.

»Ja«, sagte er steif.

»Ein kluger Kopf, nicht wahr?«

»Ein Mann mit Glück.« Dr. v. Kubnitz lenkte ein. Der Mann aus Moskau winkte ab.

»Was ist Glück? Genosse v. Kubnitz, Sie wissen doch – unsere Ansicht ist: Erfolg nur durch Arbeit! Der Mann in Los Alamos hat gearbeitet.«

»Das tun wir auch!« Kyrill trat einen Schritt näher. »Wir haben die größten Atomanlagen der Welt. Wir haben drei Riesenversuchsfelder in Sibirien, wir haben die größte Urankapazität.«

»Und Sie haben den kleinsten Erfolg!«

»Ich bitte Sie, Genosse Kommissar …« Kyrill hob beide Arme.

»Seien Sie still! Man ist in Moskau sehr erregt über die Arbeiten in Nowo Krasnienka. Man hat 2 Milliarden Rubel in Ihre Projekte und Pläne gesteckt, Kyrill! Man hat die Politik auf Ihre Prognosen aufgebaut. Man hat sich gesagt: Seien wir frech gegen den Amerikaner, wir haben ja auch die Atombombe! Wir können es uns leisten.«

»Und wir haben sie ja!« schrie Prof. Kyrill! »Kommen Sie doch mit hinaus nach Ygyetta und Tschur-Njar, nach Werinjach und Oimj. Ich zeige Ihnen, wie 50.000.000 Grad Celsius die Felsen zusammenschmelzen lassen!«

»Was Sie haben, ist ein Bömbchen.« Der Volkskommissar holte aus seiner Tasche einen Brief. »Was Sie mir vorführen, ist längst überholt. Prof. Paerson hat eine Superspaltung. Eine Bombe, die 16 Sonnen entspricht. Sechzehn Sonnen, Genosse Kyrill! Gegen diese Bombe sind wir machtlos! Sie ändert unsere Politik! Sie wirft die Weltrevolution wieder um Jahre zurück! Und nur, weil Sie unfähig sind, Genosse Kyrill!«

Der letzte Satz war geschrien. Dr. v. Kubnitz duckte sich ein wenig. Kyrill, das weiße Haar unordentlich um den gelben Schädel, die schräg stehenden Augen zusammengekniffen, sah den Volkskommissar haßerfüllt an.

»Ich kann nicht mehr leisten«, sagte er laut. »Ich stehe an der Grenze! Auch Dr. v. Kubnitz wird es bestätigen … allen Berechnungen zuwider will Paerson dieses Freiwerden von Energie aus Materie erreicht haben. Es geht nicht, Genosse Kommissar. Man will uns von Washington aus bluffen! Man will uns unsicher machen! Das ist alles! Glauben Sie es mir. Es gibt keinen Menschen, der mehr als 200.000.000 Elektronenvolt bändigen kann.«

»Das sagen Sie!«

»Das sagen alle, die etwas von Atomphysik verstehen.«

»Und wenn es doch wahr ist? Was melden Ihre Agenten?«

»Sie schweigen!«

»Aha! Und Sie haben es nicht gemeldet?«

Prof. Kyrill sah auf seinen Schreibtisch. »Doch, Genosse Kommissar. Die Familie des Piotre Zanewskij ist bereits abgeholt worden. Sie untersteht jetzt dem Machtbereich der NKWD.«

»Sehr gut. Haben Sie das nach Amerika an die beiden Agenten gefunkt!«

»Ja. Der Sender schweigt.«

Der Volkskommissar erhob sich. Er gab Dr. v. Kubnitz die Hand und reichte sie dann Prof. Kyrill.

»Ich bin von Moskau gekommen, lediglich, um Ihnen zu bestellen, Genosse Kyrill, daß Sie Genosse Stalin und Genosse Malenkow zu sprechen und zu sehen wünschen.« Kyrill erblaßte. Seine Lippen wurden weiß. »Bringen Sie bitte die neuesten Pläne mit und Ihre Vorschläge, wie Sie der neuen Paerson-Bombe entgegentreten wollen. Wir wissen, daß Paerson seit zwölf Jahren daran arbeitet. Es ist aus Los Alamos durchgesickert, daß die Bombe eine Sprengkraft von 500.000 Tonnen hat! Ich weiß, daß diese Zahl nicht stimmt … daß es mehr, viel mehr Energie ist, die freigeworden ist! Darüber möchte Sie gerne Genosse Stalin hören. Wann können Sie kommen?«

Kyrill wühlte in seinen Papieren. Er suchte nicht einen Zettel … er mußte wühlen, er mußte etwas tun, er mußte das leise Knistern hören, um nicht aufzuschreien.

Er hatte Angst.

»In einer Woche, Genosse Kommissar«, stotterte er. »Ich komme mit dem Flugzeug.«

Dr. v. Kubnitz brachte den Volkskommissar an den schweren Wagen, der ihn zurückfuhr zum nahegelegenen Flugplatz. Der Mann aus Moskau sah den Deutschen kritisch von der Seite an.

»Was halten Sie von dem Genossen Kyrill, Doktor? Tut er seine Pflicht?«

»Mehr als das.« v. Kubnitz steckte die Hände in die Tasche. »Wenn einer Paerson erreichen kann, ist es er.«

»Danke.«

Das Auto rollte an, verschwand hinter einer Fabrikmauer. Dr. v. Kubnitz ging langsam zurück zu dem Stollen, der in die Tiefe des Labors führte.

*

Tanarenia lag hinter einem Regenschleier. Die weißen Villen, glanzlos, ohne Sonne, sahen aus wie im Regen verirrte Sommerfrischler. Nur die langen Schornsteine qualmten, still wie immer, gleichgültig. Unter der Erde gab es keinen Regen. Dort brannte Uran.

Dr. Juan de Sebaio lag in einem Schaukelstuhl und rauchte eine Pfeife. Er las die neueste Zeitung, die ein Kurier druckfeucht aus Madrid holte. Dr. Hans Ebberling saß am Radio und hörte ein Schubert-Quartett aus Deutschland.

Es roch nach starkem Bohnenkaffee und gutem Weinbrand.

Auf den langen Tischen lagen die Papiere durcheinander, so, wie man sie vorhin brauchte, hingeworfen. Unaufgeräumt. Ein wenig bohèmehaft. Die Gardinen waren halb vor die großen Fenster gezogen. Man brauchte von draußen nicht zu sehen, wie gut es den Herren Physikern ging.

»Was halten Sie eigentlich von Paerson?« fragte Sebaio und unterbrach damit die Andacht Ebberlings. Der Deutsche zuckte mit den Schultern.

»Er hatte es endlich erreicht. Sie machen nur einen Fehler – sie reden zuviel. Wir wissen das ganze Problem schon seit einem halben Jahr und haben nicht einmal der Regierung die Pläne verraten. Wer so laut schreit, wird bald die Hunde auf sich gehetzt haben.«

Sebaio nickte. Er trank seine Tasse Kaffee und stopfte mit einem Bleistift den Tabak in seiner Pfeife nach. »Kezah ibn Menra hat man gefunden. Erschossen. Täter unbekannt. Glatter, sauberer Kopfschuß. Auf der Straße nach Vernal.«

»Ich habe es gelesen.« Dr. Ebberling drehte das Radio etwas lauter. »Armer Kerl. Er wird die Russen gejagt haben. Wenn man nur wüßte, wo sich Dr. Bouth und Mabel Paerson befinden. Ich glaube nicht, daß die Russen sie haben. Ibn Menra hätte sie sicher weggebracht.«

Sebaio räkelte sich in seinem Schaukelstuhl. Er ließ sich hin und her wippen. »General Monzalez hat angerufen. Er tobte.«

»Warum?«

Sebaio lachte. »Weil Paerson die neue Spaltung entdeckt hat. Er denkt, wir seien hinter dem Mond und wüßten das alles nicht.«

»Und was haben Sie gesagt? Haben Sie etwa verraten, daß wir schon seit Wochen daran arbeiten, Sie Unglücksmensch?!«

»Aber nein. ›Ruhig Blut, General‹, habe ich gesagt. ›Wenn Sie in vier Wochen mit General Franco und der Regierung hinauskommen nach Tomelloso und sehen einen Blitz, dann halten Sie sich den Hut bitte fest!‹ Da hat Monzalez ganz unchristlich geflucht und eingehängt.« Sebaio lachte laut. »Können Sie es bis nächsten Monat schaffen, Doktor Ebberling?«

»Sicher. Die neuen Mäntel liegen in Tresor V. Die Bremsvorrichtung wird nächste Woche zusammengesetzt. Wir werden nicht mehr als 100 Gramm Materie nehmen. Bei 500 Gramm fliegen in Madrid sonst die Ziegel vom Dach.«

»Sie Witzbold!« Sebaio schüttelte sich vor Lachen. »Madrid liegt dreihundert Kilometer von Tomelloso entfernt.«

Dr. Ebberling sah kurz zu Sebaio hin und schüttelte den Kopf.

»Es gibt keine Entfernungen mehr. Der neue Stern aus der Retorte überbrückt das Weltall.«

Die Klänge des Quartetts waren das einzige, was im Raume stand. Sebaio kroch in sich zusammen. Er war plötzlich ernst. Er sah zu Dr. Ebberling hinüber und zog erregt an seiner Pfeife.

Es gibt keine Entfernungen mehr, grübelte er. Er hat einen neuen Stern geschaffen, der Deutsche. Er ist ein Genie. Spanien wird unbesiegbar sein.

*

Südwestlich vom Emmons Peak, in den Uinta Mountains, liegt eine kleine Holzhütte, eines der typischen Blockhäuser, wie sie seit der Kolonisierung Amerikas an unzähligen Stellen gebaut wurden und heute als Jagdhütten und Rastplätze für Fellhändler oder Wanderer dienen. Sie bestehen aus einem großen Raum, einer offenen Feuerstelle, einem Strohlager in einer Ecke, roh gezimmerten Tischen und Bänken und zeigen keinen anderen Komfort als die Beruhigung, bei Regen trocken zu sitzen – falls das Balkendach noch dicht ist.

Diese Hütten liegen abseits jeder Straße. Sie bilden die Oasen in der Steinwüste der Rocky Mountains, die ›Hotels‹ der Bummler und Abenteuerlustigen, die dem Grisly nachspüren oder romantische Erlebnisse suchen.

In einer dieser Blockhütten lag Dr. Bouth auf dem Stroh, zugedeckt mit den beiden Decken. Er lag da mit geschlossenen Augen und um sich schlagenden Händen, mit heißer Stirn und zuckendem Körper. Wenn er die Lider hob, war sein Blick glasig, ohne Erkennen. Seit zwei Tagen lag er auf dem dumpfen, faulenden Stroh und kämpfte mit dem Wundfieber. Bis zu dieser Hütte hatte er sich geschleppt, dann war er Mabel vor die Füße gefallen und verlor die Besinnung. Mabel hatte ihn in die Hütte geschleift, neu verbunden und saß nun ratlos an dem Tisch. Was sie tun konnte, hatte sie getan … sie hatte ihn gewaschen, hatte die Wunde mit Puder und Salbe behandelt … nun wartete sie.

Auf was, wußte sie nicht.

Auf das Ende? Auf ein Wunder? Auf einen Wanderer, der vorüberkam und sie aus der Einsamkeit rettete?

Sie war hilflos in dieser Stunde, wo Hilfe am dringendsten war. Sie konnte nichts tun als neben ihm sitzen, seinen Kopf stützen, wenn er fieberte, den kalten Schweiß von seiner Stirn und seinem Körper waschen und die brennende Wunde neu verbinden.

Wenn er schlief, ging sie hinaus in den Wald, kletterte auf einen der hohen Bäume und wollte sehen, ob nicht in der Nähe die Zeichen anderer Menschen zu sehen seien. Aber wo sie hinblickte, waren Felsen, Wälder und Unendlichkeit. Kein Rauch aus dem Schornstein einer Hütte, kein zwischen den Bäumen leuchtendes Dach, kein Mensch, der auf einem Berg stand und wie sie über die Gegend schaute. Nichts.

In naher Umgebung hörte sie ein leises Rauschen. Das mußte ein Fluß sein. Vielleicht einer der Flüsse, die den See bei Myton speisen. Dort müssen Angler sein, dachte sie. Dort kann ich ein Boot treffen. Aber wie bekomme ich Ralf durch den Wald? Ich kann ihn doch nicht tragen, ich bin doch viel zu schwach dazu. Und die Russen sind auch in den Wäldern … ich kann doch nicht schießen, wenn sie mich sehen. Ich kann doch keinen Menschen töten … Ich habe doch noch nie einen Revolver in der Hand gehabt.

Sie stieg wieder von dem Baum herab und ging zur Hütte zurück.

Ralf fantasierte. Er stammelte. Er riß die Arme weit in der Luft herum. Einmal schrie er auf und klammerte sich an die ihn stützende Mabel.

Und wieder wischte sie den Schweiß von seinem Körper, verband die brandige Wunde neu, kühlte sie mit Salbe, träufelte ihm Wasser zwischen die rauhen Lippen und saß dann neben ihm, ohnmächtig, ihm weiter zu helfen, erschöpft in den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.

In diesen Nächten betete sie. Still, in sich hinein, in einer innerlichen Zwiesprache mit dem einzigen, der noch helfen konnte. Sie saß in der Ecke am offenen Feuer und starrte in die Flammen. Die Wärme strahlte über ihren schmal werdenden Körper. Aber sie fror.

Zwei Tage und zwei Nächte.

Drei Tage … vier Tage … fünf Tage …

Am sechsten Tag waren die Vorräte des Rucksackes aufgebraucht. Sie durchstreifte den Wald und schoß mit dem Revolver nach Vögeln. Bei ihrem ersten Schuß schloß sie die Augen. Und sie atmete auf, als der große Vogel – sie kannte nicht, zu welcher Sorte er gehörte – davonflog, und die Kugel durch die Zweige der Bäume pfiff. Doch dann zielte sie, dann drückte sie ab und rannte in die Gebüsche, den zerfetzten Vogelkörper aufzuheben. Sie rupfte ihn aus und briet das wenige Fleisch über dem Feuer oder legte es in die heiße Asche. Ohne Salz schlang sie es dann herunter, mit würgendem Schlucken. Das erstemal erbrach sie sich draußen vor der Hütte, aber am siebenten Tage aß sie es, weil sie Hunger hatte. Sie klopfte mit Steinen den Deckel des Medizinkastens hohl wie einen Topf und kochte in diesem Leichtmetallgefäß aus geschossenen Vögeln eine Bouillon, die sie Ralf langsam, geduldig, in stundenlangem Mühen zwischen die Lippen träufelte.

Er darf nicht sterben, dachte sie. Er muß weiterleben. Alles will ich tun, alles … Ich gehöre zu ihm auf Leben und Tod.

Am Abend des siebenten Tages ließ das Fieber etwas nach. Dr. Bouth schlief ruhig und fest, ohne zu fantasieren. In seinen Adern klopfte das heiße Blut … aber sein Körper lag still, er verkrampfte sich nicht mehr. Der Atem war rasselnd, aber gleichmäßig.

Leise erhob sich Mabel und steckte die beiden Revolver zu sich. Am Morgen hatte sie auf einem Tierpfad die Spuren von Wild gesehen. Wenn ich ein Reh schieße, können wir über zwei Wochen leben, freute sie sich. Wenn ich es schieße …

Sie deckte Ralf gut zu und verließ die Hütte. Die Dämmerung kroch über den Emmons Peak. Es hatte geregnet, die Erde roch faulig und war weich.

Sie ging vielleicht eine Viertelstunde, als sie hinter einem Waldstreifen Wasser blinken sah. Ein Fluß mit starken Stromschnellen wand sich durch ein Felsental und schoß mit großer Strömung weiter durch den Wald, aus dem er sich sein Bett gerissen hatte. Es war eine einsame, wilde Gegend, die selten ein Mensch betreten hatte. Ein Paradies für den Lachsfischer, aber eine Hölle für den Einsamen, der Menschen sucht in seiner Not.

Sie wollte die Kleider abwerfen, um sich nach langer Zeit wieder im strömenden Wasser zu baden, den Schmutz der Einsamkeit abwerfen, als es hinter ihr knackte. Sie wich zurück und nahm einen der Revolver in die Hand. Wenn es ein Reh ist, oh, wenn es doch ein Reh ist! Sie drückte sich gegen einen Baumstamm und wartete.

Aus den Büschen trat eine Gestalt.

Ein Mensch! Ein Mann! Er sah abgerissen aus in der fahlen Abenddämmerung – aber er wußte den Weg zurück … er konnte helfen. Sie würden Ralf tragen, sie würden ihn retten können.

Mabel wollte vortreten aus dem Schatten des sie schützenden Baumes, als sich der Mann umdrehte. Die Strahlen der untergehenden Sonne glitten über sein breites, mit schwarzem Bart umwachsenes Gesicht.

Gregoronow.

Ihr Entsetzen war so groß, daß sie zurück an den Baum prallte. Sie wollte schreien, aber der Ton blieb wie gefroren in der Kehle.

Wassilij Gregoronow hatte den Laut hinter sich gehört. Er schnellte herum, tierhaft, leise, von unheimlicher Geschmeidigkeit.

Seine Augen wurden groß. Er starrte in den Lauf eines Revolvers, den eine schmale, blasse Hand hielt. Dahinter war ein wilder blonder Lockenkopf und die Gestalt eines schmalen Mädchens.

»Miß Paerson!« sagte Gregoronow leise.

»Ja! Rühren Sie sich nicht!« Mabels Stimme war belegt. Was soll ich tun, wenn er auf mich zustürzt? Soll ich wirklich schießen … soll ich einen Menschen umbringen? Man wird sagen, es war Notwehr … aber ich könnte es nie vergessen … nie …

Gregoronow wich zurück. Jetzt stand er unmittelbar am Ufer des reißenden Flusses. Seine Augen waren klein, zusammengekniffen.

»Zanewskij hat sich erschossen – Ihretwegen! Weil Sie uns entkommen sind! Ich habe Sie gesucht … ich habe den Wagen gefunden mit dem toten Fahrer. Ich wußte, daß ihr hier in der Nähe seid. Und ich lasse euch nicht wieder laufen! Ich will nicht auch noch von Moskau liquidiert werden! Ich will weiterleben, und wenn es sein muß, indem ich euch umlege.«

Er blickte auf den Revolver Mabel Paersons und dachte an seine Waffe, die er in der hinteren Hosentasche trug.

»Dr. Bouth ist verwundet?« fragte er, um Zeit zu gewinnen.

»Ja. Er liegt im Sterben.«

»Um so besser.« Gregoronow sah sie lauernd an. In die Tasche greifen und so tun, als wolle man ein Taschentuch herausholen, durchfuhr es ihn. Dann den Revolver heraus. Sie wird nicht schießen. Eine Frau kann das nicht.

Er schneuzte sich und griff in die Tasche. Mabel verfolgte seine Hände und sah, daß seine Finger nicht in die Tasche, sondern nach hinten griffen.

Er nimmt seinen Revolver, durchfuhr es sie. Er wird mich gleich überwältigt haben, mich und Ralf. Und wir werden wieder herumgeschleppt, man wird uns weiter erpressen … man wird uns töten.

»Nehmen Sie die Hände hoch!« schrie sie voll Verzweiflung.

Gregoronow duckte sich. Blitzschnell fuhr seine Hand in die Hosentasche. Er riß an dem Griff des Revolvers, aber an einer schadhaften Futterstelle saß der Lauf fest. Er riß, er fluchte – es ging um Sekunden.

Mabel Paerson stand steif und wie erstarrt am Ufer. Sie hatte den Arm mit dem Revolver weit von sich gestreckt. »Tun Sie es nicht!« schrie sie plötzlich. »Ich bitte Sie, tun Sie es nicht!«

Ich bin verloren, durchjagte es sie. Ich kann nicht schießen, ich kann auf keinen Menschen schießen. Ralf, vergib mir … alles, alles habe ich für dich getan … aber das, das kann ich nicht …

Gregoronow hatte den Lauf frei und riß den Revolver aus der Tasche. In diesem Augenblick, in dem Moment des Herausreißens, sah Mabel zu ihrem grenzenlosen Erstaunen, wie ein Strahl aus dem Lauf ihres Revolvers fuhr. Sie hörte einen Knall, sie sah mit weit aufgerissenen Augen, wie Gregoronow seine Waffe fallen ließ, wie er sich an die Brust griff, wie er sich um sich drehte und stumm in den Fluß fiel. Die Strömung erfaßte ihn, drehte ihn in einem rasenden Wirbel und riß ihn dann mit sich weg in die Schnellen hinein, wo er im gurgelnden Schaum verschwand.

Fassungslos stand Mabel am Ufer. Langsam zog sie den Arm zurück und betrachtete ihren Zeigefinger. Er war umgebogen, – krumm lag er am Abzugsbügel des Revolvers.

Sie hatte geschossen … sie hatte einen Menschen erschossen. Ihr Finger … der kleine Zeigefinger hatte ein Leben ausgelöscht.

Entsetzt ließ sie den Revolver fallen. »Nein!« schrie sie auf. »Nein! Ich wollte es nicht! Mein Gott, glaube es mir – ich wollte es nicht! Ich wollte nicht töten … Ich weiß doch gar nicht, daß ich schoß … ich weiß doch von nichts … Nein … nein …«

Sie rannte durch den Wald zurück, als hetzte man sie. Die Zweige schlugen ihr blutige Striemen ins Gesicht … sie kannte keine Rast, keinen Umweg … sie rannte blind durch den Wald, immer das Bild vor Augen … Er fällt … er greift an die Brust … er stürzt in die Strömung …

Ein Mensch …

Atemlos, aufgelöst fiel sie in die Hütte neben Dr. Bouth auf das Stroh. Er schlief mit dem ruhigen Atem eines Genesenden. Schluchzend kroch sie an ihn und verbarg ihr Gesicht, in dem noch immer das Grauen stand, an seiner Brust. Sie deckte die Decken über ihren Kopf, um nichts mehr zu sehen und zu hören. Sie fühlte die Wärme seines Körpers wie tröstend zu ihr gleiten und schloß die Augen.

Erschöpft schlief sie ein, mit dem Gesicht auf Ralfs Brust.

Aber noch im Hinüberdämmern rauschte es durch ihren Körper.

Frei … endlich frei …

Kann Gott verzeihen …?

Die Sonne schien durch das blinde Fenster, als Mabel Paerson erwachte.

Ralf schlief noch. Aber seine Haut war irgendwie glatter, weniger schweißig, sondern ein bißchen getönt. Das Rasseln des Atems hatte nachgelassen.

Mabel Paerson erhob sich leise und wusch sich draußen in der Tonne, die das Regenwasser sammelte. Dann kochte sie aus zu harten Würfeln gepreßten Blättern in dem Topf aus dem Kastendeckel mit Regenwasser einen Tee und schlürfte ihn.

Wie einsam es hier doch ist, dachte sie, indem sie aus dem Fenster blickte.

Sie schrak zusammen, aus ihren Gedanken gerissen. Eine Stimme sagte leise:

»Wasser …«

Dr. Bouth hatte sich ein wenig aufgerichtet und schaute sich um. Mabel stürzte zu ihm hin und umfaßte ihn.

»Ralf«, jauchzte sie. »Ralf … du bist wieder da … Ich habe dich wieder … Oh, Ralf …« Sie küßte ihn und legte ihn zurück in das Stroh. Dann tauchte sie ein Stück Mullbinde in das Wasser und legte es ihm zwischen die Zähne. Gierig saugte Dr. Bouth das Wasser aus dem Stoff. Dabei irrte sein Blick umher, durch die Hütte, über Mabel, an das offene Fenster.

»Wo sind wir?« fragte er schwach.

»Am Emmons Peak, Ralf. Du hast lange geschlafen … und ich habe gewartet, bis du wieder aufwachtest.« Sie wusch ihm das Gesicht, das blasse, von Bartstoppeln dicht übersäte, ausgemergelte Gesicht mit den brennenden Augen darin.

»Du mußt ruhig liegen«, sagte sie und bettete ihn vorsichtig um. »Du darfst dich nicht so viel bewegen. Und nicht sprechen, Ralf … hörst du?«

Er nickte und lächelte schwach. Er sah ihren flinken Händen zu, die ihn verbanden und ihm ein Stück Fleisch gaben.

»Wie gut du bist«, sagte er leise.

»Ich liebe dich doch, Ralf.«

»Und die Russen?« Er sah sie plötzlich ängstlich an. »Wenn sie uns hier finden?«

»Sie werden uns nicht finden.« Mabel biß die Zähne aufeinander. Ich darf es ihm noch nicht sagen. Wenn er es weiß, wird er unruhig und springt vielleicht auf. Er muß ganz ruhig bleiben, ganz ruhig … »Ich glaube, Zanewskij und Gregoronow sind weit weg«, meinte sie doppelsinnig.

»Hoffentlich haben wir unsere Spur gut verwischt.« Dr. Bouth trank in langen Schlucken die heißgemachte Vogelbouillon. Er kam nicht auf den Gedanken, zu fragen, woher sie sie habe … er wußte nicht, wie lange er im Fieber gelegen hatte, er dachte an ibn Menras Rucksack und trank zufrieden.

»Das tut gut«, sagte er aufatmend und ließ sich ins Stroh zurücksinken. »Wenn es geht, ziehen wir morgen weiter, Mabel.«

»Du bist noch zu schwach, Ralf. Laß uns noch einen Tag warten.«

Dr. Bouth sah in die Flammen des offenen Feuers in der Ecke.

»Wir müssen zurück nach Los Alamos. Man wird nicht wissen, wie man sich verhalten soll. Dein Vater wird völlig zusammengebrochen sein.« Er blickte zu Mabel hin. »Vielleicht hat man das Auto mit Heinz Behrenz gefunden? Das wäre eine Hoffnung. Man wird uns hier suchen.«

Soll ich ihm sagen, daß in acht Tagen keiner gekommen ist? Daß wir hier mitten in Amerika doch am Ende der Welt leben? Oder am Anfang? Sie schüttelte den Kopf. Dr. Bouth lächelte.

»Warum schüttelst du den Kopf, Mabel?«

Sie schrak empor. »Ach. Nichts, Ralf. Habe ich mit dem Kopf geschüttelt?«

»Ja.«

»Es war aber bestimmt nichts.« Sie setzte sich zu ihm und nahm seine Hände. »Du sollst doch nicht soviel sprechen. Du sollst ganz ruhig liegen.«

Dr. Bouth lag eine Weile ruhig und schaute Mabel unverwandt an. Sie sieht schlecht aus, dachte er. Das Gesicht ist so eingefallen und schmal geworden. Tiefe Ringe liegen ihr unter den Augen. Sie hatte Angst um mich, sie dachte, ich wache nicht wieder auf. Doch dieser kurze Schlaf hat mir gut getan. Noch eine Nacht, und ich kann weiter. Wenn wir uns nach links halten, kommen wir in zwei Tagen an die Straße.

»Wie lange habe ich geschlafen?« fragte er in die Stille hinein.

Mabel schaute auf seine Hände. »Ein paar Stunden«, log sie. »Ich habe mich unterdessen ein wenig in der Umgebung umgesehen und konnte dich verbinden.«

»Hier ist es schön, nicht wahr, Mabel?« Dr. Bouth lächelte sie schwach an.

»Ja, Ralf. Hier ist es schön.«

»Etwas weiter, vielleicht zwanzig Minuten zu Fuß, ist ein Fluß.« Mabel schauderte zusammen. Dr. Bouth sah es nicht und sprach weiter. »Er ist voller wilder Strömungen und schießt zwischen zwei Felsen hindurch.«

»Du kennst den Fluß?« Mabels Zunge war schwer wie Blei. Die Worte schmerzten, als sie sprach.

»Ja. Ich habe dort zweimal geangelt. Damals war ich noch Student und verlebte meine Ferien in den Rockies, weil es eben zu einem Studenten unserer Gruppe gehörte, wenigstens einmal in den Rockies in Zelten übernachtet zu haben. Ich habe fast eine Woche an dem Fluß gelebt. Es war eine schöne, unbeschwerte Zeit.«

»Das glaube ich, Ralf.« Mabel lehnte den Kopf an seine Schulter. »Du«, sagte sie, um nichts von dem schrecklichen Fluß zu hören, »ich glaube, wir können unseren Hochzeitstermin nicht einhalten.«

Er lachte leise. Man sah, daß ihm das Lachen in der Wunde schmerzte.

»Wir sind uns ja bis heute nicht über dein Kleid einig. Ich will, daß du aussiehst wie eine Prinzessin.«

Sie schaute an sich herunter … die zerrissene Bluse, der zerfetzte Rock, die nackten, blutigen, aufgeschlagenen Beine.

»Eine Lumpenprinzessin«, lächelte sie. »Magst du mich denn noch, so, wie ich jetzt bin?«

Ich muß ihn ablenken, dachte sie dabei. Ich muß dumm reden, wie eine kleine, verliebte Gans, nur, damit er nicht an sich denkt, an die verzweifelte Situation, in der wir uns befinden. Ich muß ihn alles vergessen lassen. Ich muß ihn fröhlich und glücklich machen.

In diesen Stunden und Tagen wuchs sie über sich hinaus.

Sie küßte Ralf, sie legte sich neben ihn, drückte sich eng an ihn und ließ sich von seinen bebenden, schwachen Händen streicheln, sie ging auf in dem Opfer, ihn in diesen Stunden des Wiedererwachens zum Leben zu belügen.

Er muß ruhig sein … er darf sich nicht aufregen … Er muß denken, um uns herum ist der Frieden … die Freiheit. Er weiß ja nicht, wie schwer verwundet er ist, wie hoffnungslos er vor drei Tagen aussah.

Und während er sie küßte, dachte sie an die Möglichkeit, wegzukommen, ihn über die Berge zu schleppen, hinein in die Zivilisation … in die wirkliche Rettung.

Dr. Bouth blieb nicht lange wach. Nachdem er noch etwas gegessen hatte, schlief er wieder ein. Aber es war ein anderer Schlaf als das heiße Dämmern der vergangenen Tage. Er schlief fest und mit gesunden, tiefen Atemzügen.

Mabel erhob sich von seiner Seite, deckte ihn wieder zu und ging wieder hinaus in den Wald, um Vögel zu schießen. Nun, da sie wußte, daß Zanewskij und Gregoronow nicht mehr waren, schleppte sie auf eine Felskuppe in der Nähe der Hütte einen großen Haufen Reisig, dünne Äste, vermischt mit dickeren Stämmen, feuchte Blätter und faulendes Wurzelwerk. An trockenen Ästen brannte sie den Haufen an und schüttete dann die schwelende Flamme zu. Mächtig und breit stieg eine Rauchsäule über die Bäume in den Sommerhimmel – eine graue Wolke, dick und schwer. Sie zog in breiten Schwaden über den Wald und mußte, wenn ein Mensch in der Nähe war, gesehen werden.

Sie warf noch einige nasse Zweige auf den glimmenden Haufen. In dicken Wolken quoll der Rauch.

Er war ihre letzte Hoffnung auf fremde Hilfe.

*

General McKinney saß in dem Gästehaus von Los Alamos.

Professor Dr. Paerson hatte ihn gestern abend endlich empfangen. Die Unterredung war kurz und heftig. Nach ihr wußte McKinney, daß nicht das Atom den Menschen, sondern der Mensch das Atom besiegte.

McKinney hatte nicht lange gezögert mit dem, was er vorzubringen gedachte. Er hatte seine Aktenmappe auf den Tisch gelegt, Professor Paerson zu seiner weltumwandelnden Erfindung gratuliert und dann die Akte aus der Tasche genommen.

Die Verwendbarkeit der neuen P-Bombe im Krieg.

Professor Dr. Paerson hatte diesen Titel gelesen und die Akte unaufgeschlagen über den ganzen Tisch hinweg fortgeschoben.

»Um mir dieses vorzulegen, kommen Sie extra von Washington herüber?« fragte er.

McKinney hatte genickt. »Der Präsident wünscht es. Die außerordentliche Wichtigkeit Ihrer Erfindung macht ein schnelles und entschiedenes Handeln notwendig. Wir müssen den Vorsprung, den Amerika dank Ihrer genialen Leistung hat, nicht nur beibehalten, sondern noch mehr vergrößern.«

»Soso.« Dr. Paerson sah McKinney groß an. »Sie wollen aus meiner Erfindung eine Bombe machen?«

»Aber natürlich! Bedenken Sie – eine Bombe von der vierfachen Stärke der Hiroshimabombe! Das bedeutet, daß Amerika unangreifbar wird!«

»Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, McKinney, was es bedeutet, wenn in den Armen einer Mutter die Kinder unter einem Blitz von vierfacher Sonnenstärke verbrennen? In Nagasaki war es der Fall … heute wollen Sie nicht vier, sondern sechzehn Sonnen mit einem einzigen Strahl über diese Mutter streuen! Es werden hunderttausend Mütter mit Kindern im Arm verbrennen, ohne auch nur einen einzigen Laut des Entsetzens ausstoßen zu können, ohne in dieser Sekunde Sie, McKinney, zu verfluchen. Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?«

»Nein! Ich bin Soldat.«

»Aha! Und diese Stellung in der menschlichen Gesellschaft verbietet Ihnen das Denken?!« Professor Paerson machte eine Handbewegung durch die Luft. »Wenn Sie nicht denken können – oder wollen –, McKinney, dann brauchen wir gar nicht weiter zu sprechen.«

»Der Präsident wünscht, daß ich Ihre Pläne und Sie nach Washington bringe.«

»Der Präsident wünscht, daß Frieden in der Welt ist. Hat er das nicht immer gesagt? Diesen Wunsch will ich ihm erfüllen, wenn ich es kann … mehr aber nicht! Ein Wunsch, der gegen mein Gewissen geht, ist keine Bitte, sondern ein Angriff auf mein Ich, dem ich begegnen werde!«

»Aber warum haben Sie denn diese Spaltung der Materie erfunden?!« brüllte McKinney. Schweiß tropfte über seine Augen. Er bebte vor Erregung.

»Ich wollte den Menschen helfen. Ich wollte das Weltall besiegen. Ich wollte einen Blick hinter die Kulissen der Schöpfung werfen. Ich habe ausgerechnet, daß ich mit einem Kilogramm Materie bei einer dreißigprozentigen Spaltung von Plutonium in der Lage bin, ein viele Tonnen schweres Raumschiff bis an den Mond und zurück zu schießen. Ich habe errechnet, daß es dem Menschen möglich sein wird, andere Sterne, wie den Mars, die Venus, den Jupiter, mit hundert Kilogramm Materie zu erreichen und als Kolonie dienstbar zu machen, denn ich kann eine Sonne über jeden Stern aufhängen, dreimal stärker als unsere Sonne, die den toten Leib dieser Sterne neues Leben bringen, so, wie es vor Milliarden Jahren unsere Sonne mit dem winzigen Punkt im Weltall, der Erde, tat! Ich kann dem Menschen die Ausdehnung bringen, die er sucht … die Besiedlung der anderen Sterne.«

»Fantastisch!« stammelte McKinney ergriffen. Er sank auf seinen Stuhl zurück. Dr. Paerson winkte ab.

»Sie nennen es fantastisch. Es ist eine der Vokabeln, die Sie als Soldat außerhalb Ihres Dienstplanes noch beherrschen. Aber Sie wollen ja diese Fantastik gar nicht – Sie wollen eine Bombe aus meiner Erfindung machen und nicht der Menschheit Raum geben, sondern Sie wollen sie vernichten, auslöschen, in einer Sekunde! Das ist Ihr Plan. Zugegeben – er ist ebenso fantastisch wie meiner, er ist größer, viel größer … ich will nur Neuland suchen, öde Wüsten innerhalb der Sphäre … Sie wollen eine vieltausendjährige Kultur vernichten, Sie wollen zweieinhalb Milliarden Menschen auslöschen … Das ist ein Werk, wie es einmalig sein wird. Nur schade, daß es dann keinen Chronisten mehr gibt, der diese Tat besingen kann!«

McKinney stützte sich auf die Tischkante. Er beugte sich zu Paerson vor.

»Sie verkennen die ganze Lage, Paerson. Wir wollen Ihre Erfindung auf Eis legen. Wir wollen der Welt nur sagen: So, nun seid wirklich alle Brüder, reicht euch die Hand – Osten und Westen, Norden und Süden, setzt euch alle an einen Tisch, er kann für alle üppig gedeckt werden. Seht endlich, daß wir alle Geschöpfe Gottes sind und das verlorene Paradies in euren Händen liegt … in der Einigkeit aller Menschen!«

»Und wenn einer kommt, der sagt nein – dann werfen Sie meine Bombe!«

»Allerdings, Paerson! Wer die Gemeinschaft stört, der muß fallen … im Interesse der Völker, die den Frieden wollen!«

»Wie schön! Das gleiche hat einmal Hitler gesagt. Und auch heute sagen alle: Wir wollen den Frieden! Man sagt es in Korea, wenn man zu Verhandlungen zusammenkommt, und man geht auseinander, weil jeder eine andere Ansicht vom Frieden hat! Und dann ist einer da, der ist stark, der hat die Paerson-Bombe, und seine Meinung ist die richtige, weil er die Gegenmeinung auslöscht!«

»Der Mensch wird nur friedlich, wenn er Angst empfindet!« schrie McKinney hart.

»Und da sprechen Sie noch von Brüdern?« Professor Paerson lachte laut und schrill. »Wir werden eine einzigartige Versammlung von gezeichneten Kains sein! Man wird sich bespitzeln, man wird versuchen, dem anderen sein Geheimnis, seine Übermacht zu stehlen … man wird weiter die Töchter von Atomphysikern entführen, Assistenten überfallen und verschleppen und mit Mord und Drohung versuchen, selbst an der Sonne zu stehen … an der Sonne und am Hebel, der nach einem Druck Millionen auslöschen kann. – Nein! Mein letztes Wort, McKinney – Sie bekommen meine Erfindung nicht!«

»Man wird Sie zwingen, Professor Paerson«, schrie McKinney. Unbeherrscht trommelte er mit beiden Fäusten auf den Tisch.

»Wen wollen Sie zwingen? Es gibt kein Papier, auf dem die Formeln und die technischen Daten stehen. Sie werden keine Unterlagen finden! Es gibt nur einen Ort, wo sich die Formeln befinden, und das ist mein Kopf. Hier, McKinney, dieser Kopf! Und den wollen Sie zwingen? Sie können ihn abschlagen lassen … das ist das höchste, was Sie können, und dann ist er erst recht stumm!«

Der General schluckte. Sein Gesicht war rot, unter seinen Augen hingen die Tränensäcke.

»Wir haben Los Alamos ausgebaut«, sagte er etwas ruhiger. »Wir haben in das Atomprojekt über zwei Milliarden Dollar gesteckt. Wir haben mit 1.000 Omnibussen in einem Jahr fast 30.000.000 Menschen befördert, wir haben allein für die Clinton Engineer Works, die Ihre Uranbrenner herstellen und das Metall filtrieren, 70.000.000 Quadratmeter Bretter gebraucht – die ganze Jahresproduktion des Staates Minnesota! Wir haben für die Fundamente der Brenner und Werke 70.000 Kubikmeter Beton in die Erde gegossen, 22.500.000 Kubikmeter Erde wurden bewegt und ausgeschachtet, 40.000 Waggons beförderten des Baumaterial, das war ein Zug von 485 Kilometern Länge. 40.000 Tonnen Stahl wurden in den Bauten verarbeitet, 1.500.000 Betonblöcke und 750.000 Zementziegel bilden den Grundstock der Gebäude, an 11.000 Masten wird das elektrische Licht zugeführt, 560 Kilometer neue Straßen wurden angelegt. An den Bauten waren Juni 1944 mehr als 45.000 Mann beschäftigt … Soll das alles umsonst, für nichts gewesen sein?«

Prof. Dr. Paerson sah General McKinney lange an. Wortlos. Mit einem Blick, der tiefes Mitleid ausdrückte. McKinney wußte diesen Blick nicht zu deuten und wurde unruhig. Er spielte mit den Fingern seiner Hand.

Paerson nickte langsam. »Zwei Milliarden Dollar!« Er schnippte langsam mit den Fingern. »Was glauben Sie, wieviel Wohnungen Sie für zwei Milliarden Dollar hätten bauen können. Es gäbe keine Leute mehr, die mit Zeitungen zugedeckt auf Parkbänken und unter Brücken schlafen. Es gäbe keine Slums mehr, es gäbe überhaupt keine Not, wenn dieses Geld unter das Volk, McKinney, unter das arme, kleine, getretene Volk gekommen wäre. Mit zwei Milliarden Dollar hätten Sie das zerstörte Europa wieder aufbauen können, ohne Marshall-Plan und UNO!«

»Aber wir hätten den Krieg nicht gewonnen ohne Atombombe! Sie war der Schock, der alles besiegte.«

»Sie war ein Schock, der noch heute der Menschheit in den Knochen liegt! Die Angst vor einer noch größeren Katastrophe.« Paerson nickte. »Ich gebe zu, Sie haben von Ihrer Warte aus recht, McKinney. Aber ich habe recht, wenn ich die Gegenseite, den kleinen, wehrlosen Menschen vertrete! Alle haben recht … die für den Krieg plädieren, um den Frieden zu erhalten, und die für den Frieden sprechen, um den Krieg zu vermeiden. Es sind zwei Methoden, wahnsinnig wie die ganze Zeit, in die wir hineingeboren wurden! Das Urgefühl der Menschheit, die Zusammengehörigkeit, die Schicksalsgemeinschaft aller Völker, das ist verlorengegangen, das hat man begraben, als man erkannte, daß man mit Waffen mehr verdienen kann als mit Butter! Nein, McKinney – ich stehe da außerhalb eurer Gesellschaft, und ich bin stolz, daß ich das tue … stolz, einmal, endlich einmal ein Außenseiter zu sein, der Ideale entdeckte im Anblick einer Möglichkeit, alle Ideale zu zerstören!«

McKinney erhob sich blaß. Er ergriff seine Aktenmappe und stopfte das Aktenstück hinein. »Sie wollen uns nicht Ihre Superbombe geben?!« sagte er hart und drohend.

Prof. Paerson schüttelte den Kopf. »Ich kenne keine Superbombe. Ich habe eine neue Spaltung entdeckt, eine Anlage, die es ermöglicht, bis zu 100 Milliarden Elektronenvolt zu erzeugen. Man wird bald nicht mehr von Cyclotronen, Betatronen, Synchrotonen und Kosmotronen sprechen, auch die neue Fokus-Anlage von Brookhaven bei New York wird veraltet sein! In riesigen Magneten von dreiundzwanzig Meter Durchmesser kann ich in einer Vakuumröhre, die von sechzehn Pumpen abgesaugt wird, Protonen abschießen, positiv geladene Atomkernpartikel, die durch den Magneten gezwungen werden, innerhalb der Röhre zu rotieren. Ich werde sie mit elektrischen Stößen beschleunigen, bis sie in einer Sekunde 3.000.000mal innerhalb der luftleeren Röhre herumjagen mit einer Energie von zwei Milliarden Elektronenvolt. Mit dieser Geschwindigkeit prallen sie auf einen Berylliumblock, der in unzählbaren Mesonen zersprüht – jene Partikel, die bisher das größte Geheimnis der Atomkernphysik bedeuten … sie sind der Kitt, der den Atomkern zusammenhält. Mit anderen Worten … ich bin in der Lage, eine vollkommene Spaltung der Atome herbeizuführen … sich durch Doppelmagneten steigernd bis auf 100 ja 200 Milliarden Elektronenvolt!« Paerson sah den erstarrten McKinney lange an. »Wissen Sie jetzt, was das bedeutet? Wissen Sie, was es heißt, wenn kosmische Strahlen, die ich jetzt erzeugen kann, über die Menschheit leuchten und alles Leben einfach in Sekundenschnelle vernichten … nicht eine Stadt wie Hiroshima, sondern mit einem Schlag einen Erdteil wie Asien!« Er lächelte. »Daran denken Sie, McKinney … Vernichtung! Ich denke an die andere Seite: Aufbau! Freiheit der Menschen von allem, was sie heute noch bedrückt! Aber sie werden sie nie erlangen, denn in Ihren Händen wird mein Werk entwürdigt werden zu einem lenkbaren Gott, der Angst heißt. Die Angst der Menschheit. Die nackte Angst!«

McKinney ging zur Tür und öffnete sie. Er war beleidigt, wütend, grenzenlos enttäuscht. Bevor er das Zimmer verließ, wandte er sich noch einmal zu Professor Paerson um.

»Der Präsident wird Sie aus dem Verband von Los Alamos entlassen«, sagte er leise.

»Ich bitte sogar darum, Herr General.«

»Und man wird auf den bekannten Teilen Ihrer Forschung aufbauen und ohne Sie die Spaltung entdecken.«

»Vielleicht. Es gibt Ehrlose, die kein Gewissen haben und nur den Händedruck sehen, den sie nach geleisteter Arbeit von irgendeiner Persönlichkeit erhalten. Ein Händedruck für den Untergang.«

McKinney schloß die Tür wieder. Er machte einen letzten, verzweifelten Versuch. »Paerson«, sagte er eindringlich. »Seien Sie doch vernünftig.«

Prof. Paerson drehte sich herum. Es war eine Abkehr, wie sie deutlicher nicht ausgedrückt werden konnte. »Erinnern Sie mich nicht an meine Vernunft, McKinney«, sagte er. »Wenn ich an sie allein denken sollte, ging heute noch Los Alamos in die Luft!«

»Sie sind wahnsinnig!« schrie der General.

»Es ist ein Wahnsinn der Erkenntnis. Ein neuer, interessanter Bazillus für die Psychopathen. Es gibt eine seltene Art von Paranoia – die Angst vor sich selbst! Ich bin soweit, McKinney, ich darf in keinen Spiegel mehr sehen … ich laufe vor meinem Anblick entsetzt davon.«

»Sie müssen sich erholen, Paerson. Sie müssen ausspannen. Kommen Sie mit nach Washington. Seien Sie einer der Großen unseres Landes. Amerika kann Sie zum reichsten Mann der Welt machen. Sie können über Milliarden Dollar verfügen!«

Prof. Paerson ging zur Tür, die gegenüber McKinney in seinen Schlafraum führte.

»Bitte, gehen Sie, General!« sagte er laut. »Gehen Sie sofort, ehe ich Sie hinauswerfen lasse!«

McKinney prallte zurück. »Paerson!« schrie er. »Was fällt Ihnen ein?!«

»Gehen Sie! Ich habe Ihnen nichts, gar nichts mehr zu sagen.« Damit ließ er McKinney stehen und verließ das Zimmer. Er schloß sich ein und verbat sich, gestört zu werden.

Wie ein geprügelter Junge verließ General McKinney das Haus von Prof. Paerson und ging zurück zu dem Gästehaus von Los Alamos.

Dort saß er jetzt und blickte über die Cañons hinweg in den Himmel.

Plötzlich erhob er sich und ging in das Schreibzimmer. Er nahm den Hörer vom Telefon ab und schaute auf seine Armbanduhr.

»Bitte, direkte Leitung Washington, Nummer 34.876, Apparat 7.« Er wartete ein paar Minuten, dann knackte es in der Hörmuschel. »Hier McKinney«, sagte er. Seine Stimme hatte wieder den alten, festen Klang. »Herr Staatssekretär, ich habe Ihnen eine Hiobsmeldung zu machen. Professor Dr. Paerson weigert sich, sein Atomgeheimnis preiszugeben.«

Es war eine Zeitlang still in Washington, dann sagte der Staatssekretär langsam: »Im Interesse der Vereinigten Staaten lassen Sie Professor Paerson festnehmen und inhaftieren. Ich komme in zwei Tagen nach Los Alamos. Geben Sie Paerson Hausarrest und umstellen Sie unauffällig das Haus durch private Detektive.« Man hörte, wie schwer es dem Mann am Telefon im Weißen Haus von Washington wurde, diese Worte auszusprechen. Auch McKinney schluckte krampfhaft, als habe er einen Kloß in der Kehle.

»Und wie denken Sie sich das weitere?«

Der Staatssekretär überlegte lange. Es dauerte Minuten, ehe er antwortete. Man hörte nur seinen Atem.

»Ich weiß es nicht«, sagte er endlich. »McKinney – warum weigert er sich denn?«

»Aus Angst vor einem neuen Krieg.«

»Aus Angst?« Der Mann im Weißen Haus blickte auf seinen Schreibtisch. In einem schmalen goldenen Rahmen lachten ihn seine Frau und drei kleine Kinder entgegen. Es war eine Aufnahme, die er selbst bei einem Ausflug an die Chesapeake-Bucht gemacht hatte. Im Hintergrund sah man die Türme von Annapolis. »Aus Angst«, sagte er leise. »McKinney, ich habe ungeheure Achtung vor diesem Menschen.«

General McKinney ließ den Hörer fallen. Er kam sich klein und unnütz vor. Er fühlte sich abseits stehen. Lange blickte er an sich herunter. Der Waffenrock, die Uniformhose, die Knöpfe, die Schulterstücke, die goldenen Sterne.

Ich bin Soldat, dachte er und richtete sich an diesem einen Wort auf. Ich bin ein Mensch, der gehorcht. Ich habe Vernunft, ich habe Ehre, ich habe Gewissen, ich habe sogar einmal gesagt, ich kenne die Liebe … warum weigere ich mich, Paersons Gedanken zu verstehen? Weil ich Soldat bin? Weil ich gehorche?

Er verließ das Schreibzimmer und ging hinüber in das Kasino der Wachtruppe. Lächelnd betrat er es, jovial, lustig, aber mit jener Verkrampfung im fröhlichen Ton, daß es schwer war, ihm die gehobene Stimmung zu glauben.

Er unterhielt sich mit den Offizieren, er spielte einige Runden Billard und erörterte die politische Lage. Er rauchte Zigarren und stieß mit den Offizieren mit einem Glas Whisky an.

So verging der Tag. Er schickte keine Detektive zu Professor Paerson, er befahl keinen Hausarrest, er bewachte ihn nicht.

Zum erstenmal in seinem Leben gehorchte er nicht einem Befehl.

Und er wußte nicht, warum er es tat. Er fühlte nur, daß es Menschen gab, die stärker waren als er. Stärker nicht mit der Waffe, sondern unbesiegbar in der Kraft ihrer Seele.

Menschen, die Angst hatten. Angst, die er nie kannte.

Es war eine neue Welt, in die er gekommen war.

Und diese Welt betäubte ihn.

In dieser Nacht im Kasino von Los Alamos sah man den General McKinney zum erstenmal in seinem Leben betrunken. Es war ein Festtag für die Offiziere, die ihn singend nach Hause brachten.