Es brachte die Leute nicht nur in öffentliche Gesellschaft miteinander, sondern es brachte sie auch in erstaunlichen Massen in die Kirchen. Sie kümmerten sich nicht mehr vorsorglich, wem sie nah und wem sie fern säßen, welche ekelerregenden Gerüche ihnen begegneten oder in welchem Zustand die andern sich befänden, sondern sie betrachteten sich alle als tote Menschen und kamen ohne die geringste Ängstlichkeit in die Kirchen und drängten sich zusammen, als ob ihr Leben im Vergleich zu dem Werk, das zu vollbringen sie dort hingekommen waren, nichts wert wäre. In der Tat, der Eifer, den sie durch ihr Kommen zeigten, und der Ernst und die Andacht, die sie durch die Aufmerksamkeit bekundeten, mit der sie zuhörten, machte es offensichtlich, welch einen Wert die Menschen alle dem Gottesdienst beimessen würden, wenn sie jedesmal, wenn sie zur Kirche gehen, dächten, es werde das letzte Mal für sie sein.

Auch war es nicht ohne noch andere auffallende Wirkungen, räumte es doch jede Art von Vorurteil oder Gewissensbedenken hinsichtlich der Person fort, die sie auf der Kanzel fanden, wenn sie zur Kirche kamen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in einer so allgemeinen und schrecklichen Katastrophe mit den andern auch viele Geistliche der Pfarrkirchen umgekommen waren; und andere hatten nicht die Kraft gehabt auszuhalten, sondern waren, sowie sie einen Weg fanden davonzukommen, aufs Land fortgezogen. Da dann einige Pfarrkirchen ganz unbesetzt und verlassen waren, hatten die Leute keine Skrupel, solche Reformierte, denen man ein paar Jahre zuvor kraft eines Parlamentsgesetzes, Act of Uniformity genannt, alle Einkünfte entzogen hatte, nunmehr in die Kirchen zum Predigen zu holen; auch machte der Klerus in diesem Fall keine Schwierigkeiten, deren Mitwirkung zuzulassen; die Folge war, daß viele von denen, die sie die stummgemachten Prediger nannten, bei dieser Gelegenheit ihren Mund aufgetan erhielten und öffentlich zum Volk predigten.

Hier können wir die Bemerkung machen, und ich hoffe, man wird es nicht für unangebracht halten, wenn ich es einfüge, daß die Aussicht auf den nahen Tod Menschen, die den Willen zum Guten haben, bald miteinander versöhnen würde, und daß es hauptsächlich der Bequemlichkeit, die wir im Leben haben und mit der wir diese Dinge weit von uns wegschieben, zuzuschreiben ist, daß Zwist entfacht wird, Groll gehegt wird, Vorurteile, christlicher Nächstenliebe und Einheit zum Trotz, so festgehalten und so weit getrieben werden unter uns, wie es geschieht. Noch ein Pestjahr, und alle diese Differenzen wären beglichen; ein naher Umgang mit dem Tod oder mit Krankheiten, die den Tod androhen, würde die Galle aus unserem Gemüt abschöpfen, Feindseligkeiten unter uns beseitigen und uns dazu bringen, die Dinge mit anderen Augen anzusehen, als wir es bislang taten. Wie die Leute, die es immer mit der Kirche gehalten hatten, zu dieser Zeit keinen Anstoß daran nahmen, daß Reformierten erlaubt wurde, ihnen zu predigen, so waren die Reformierten, die mit einer ungewöhnlichen Voreingenommenheit von der Gemeinschaft der Kirche von England abgefallen waren, nunmehr einverstanden, in deren Pfarrkirchen zu kommen und sich an dem Gottesdienst zu beteiligen, dessen Form sie vorher mißbilligt hatten; aber sowie der Schrecken der Seuche nachließ, kehrten alle diese Dinge wieder in ihre weniger wünschenswerten alten Geleise zurück und nahmen den Lauf, den sie immer genommen hatten.

Ich erwähne dies lediglich als historische Tatsache. Ich habe nicht im Sinn, mich zu ereifern, um eine oder beide Seiten zu einem friedlicheren Auskommen miteinander zu bewegen. Ich sehe keine Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine solche Rede passend oder erfolgreich sein würde; die Kluft scheint eher größer zu werden, und die Tendenz geht eher auf weiteres Auseinanderrücken als auf Annäherung, und wer bin ich, daß ich von mir glauben sollte, ich sei fähig, die eine oder die andere Seite zu beeinflussen? Aber das möge man mich noch einmal wiederholen lassen: Es ist keine Frage, daß der Tod uns alle miteinander versöhnen wird; jenseits des Grabes werden wir alle wieder Brüder sein. Im Himmel, in den, so möchte ich hoffen, wir alle kommen werden, welcher Partei oder Konfession wir auch sind, werden wir weder Voreingenommenheit noch Engstirnigkeit finden; dort werden wir eines Glaubens und einer Meinung sein. Warum wir uns nicht einigen können, Hand in Hand zu dem Ort zu gehen, wo wir rückhaltlos ein Herz und eine Seele sein werden und einander in der vollkommensten Harmonie zugetan – ich sage, warum wir das nicht schon hier tun können, dazu kann ich nichts sagen, und ich will auch weiter nichts mehr darüber sagen, als daß es zu beklagen bleibt.

Ich könnte lange bei den Schrecknissen dieser grauenvollen Zeit verweilen und damit fortfahren, die Szenen zu beschreiben, die sich jeden Tag unter uns abspielten: die gräßlichen Absonderlichkeiten, zu welchen der Fieberwahn die Kranken trieb; wie die Straßen sich jetzt mit Schreckensszenen zu füllen begannen und Familienmitglieder einander zum Abscheu wurden. Aber nachdem ich ja bereits, wie es oben geschah, von dem einen Mann berichtet habe, der in seinem Bett festgebunden war und sich nicht anders zu befreien wußte, als mit einer Kerze, die unglücklicherweise in seiner Reichweite stand, das Bett in Flammen zu setzen und der so sich selbst im Bett verbrannte; und von dem andern, der vor unerträglichen Schmerzen, die er doch zu ertragen hatte, nackt auf der Straße tanzte und sang, die eine Ekstase von der andern nicht mehr unterscheidend; ich sage, nachdem ich diese Dinge erwähnt habe, was kann ich noch hinzufügen? Was kann man sagen, um dem Leser ein noch eindringlicheres Bild von dem Elend dieser Zeit zu geben oder ihm eine noch vollkommenere Vorstellung von einer vielgesichtigen Not zu übermitteln?

Ich muß gestehen, daß es jetzt fürchterlich wurde, daß ich manchmal am Ende all meiner guten Vorsätze angelangt war und daß ich nicht mehr die Zuversicht besaß, die ich am Anfang gehabt hatte. Wie diese Endzeit die anderen auf die Straße brachte, so trieb sie mich heim, und nachdem ich meine Reise nach Blackwell und Greenwich hinunter gemacht hatte (ein Ausflug, von dem ich berichtete), hielt ich mich hinfort fast ausschließlich im Hause auf, so wie ich es ungefähr zwei Wochen lang vorher getan hatte. Ich habe schon gesagt, daß ich es mehrere Male bereute, so wagemutig in der Stadt geblieben zu sein und nicht mit meinem Bruder und seiner Familie fortgegangen zu sein, aber es war dafür nun zu spät; und ich blieb eine ganze Weile zurückgezogen und im Hause, bevor meine Ungeduld mich hinausführte, und dann berief man mich, wie gesagt, zu diesem häßlichen und gefährlichen Dienst, und das brachte mich wieder hinaus; aber da das vorbeiging, während noch der Höhepunkt der Seuche andauerte, zog ich mich wieder zurück und verbrachte noch weitere zehn oder zwölf Tage drinnen, während derer viele grauenhafte Schauspiele unmittelbar von meinem eigenen Fenster aus auf unserer Straße zu sehen waren, so zum Beispiel das, wie aus der Harrow Alley jenes arme verrückte Menschenkind in seiner Qual singend herausgetanzt kam; und davon gab es viele andere. Kaum ein Tag oder eine Nacht verging, ohne daß dieses oder jenes Schrecknis sich am Ende dieser Harrow Alley ereignete; dort wohnten lauter arme Leute, von denen die meisten zum Metzgergewerbe gehörten oder zu Berufen, die mit der Metzgerei zu tun haben.

Ab und zu pflegten dichte Haufen von Menschen aus diesem Gäßchen herauszuquellen, die meisten davon Frauen, und ein fürchterliches Geschrei zu machen, das sich aus Kreischen, Heulen, Zurufen mischte und überkreuzte und aus dem wir nicht klug werden konnten. Beinahe die ganze Zeit der Nacht stand der Totenkarren am Ende des Gäßchens, denn wäre er hineingefahren, er hätte nicht wieder wenden können, auch wäre er ohnehin nicht weit hineingekommen. Dort, sage ich, stand er, um die Toten in Empfang zu nehmen, und da der Friedhof nur ein kleines Stück entfernt war, so pflegte er, wenn er voll davongefahren war, in kurzem wieder zurück zu sein. Es ist unmöglich, die ganz schauderhaften Schreie und den Lärm zu beschreiben, den die Leute vollführten, wenn sie die Leichen ihrer Kinder und Freunde zu dem Karren herausbrachten, und an der Zahl gemessen, hätte man glauben sollen, daß niemand mehr übriggeblieben sei, oder aber daß da eine Bevölkerung, die für eine kleine Stadt ausgereicht hätte, in dieser Straße lebte. Mehrere Male riefen sie: »Mord«, bisweilen »Feuer!«, aber man konnte leicht ersehen, daß das alles irres Gerede war, die Klagen leidender und schmerzgetrübter Menschen.

Ich glaube, es war um diese Zeit überall so, denn die Pest wütete fünf oder sechs Wochen lang noch schlimmer, als ich es bislang schilderte, und das steigerte sich so weit, daß am Ende sogar jene mustergültige Ordnung verlorenging, die ich so sehr unserer Obrigkeit zugute gehalten habe, nämlich daß zur Tagzeit keine Leichen und keine Beerdigungen auf der Straße zu sehen waren; jetzt zwang die Notwendigkeit, auf eine kurze Zeit darüber hinwegzusehen, wenn es einmal anders war.

Eines kann ich hier nicht übergehen, und ich hielt es in der Tat für außerordentlich, jedenfalls schien es ein auffallender Hinweis der göttlichen Gerechtigkeit zu sein, nämlich daß alle die Propheten, Astrologen, Wahrsager, und was sich Hellseher, Zauberer und ähnliches nannte, Horoskopsteller und Traumdeuter und solches Volk, daß sie alle fort und verschwunden waren; nicht einen konnte man davon mehr finden. Man hat mir glaubwürdig versichert, daß eine große Anzahl von ihnen in den Sturmtagen der Pest umgekommen ist, nachdem sie in der Hoffnung, große Vermögen zu machen, in der Stadt zu bleiben sich unterfangen hatten; und in der Tat war ihr Gewinn für eine Zeit nur allzu groß, durch die Verrücktheit und die Dummheit der Leute. Aber jetzt waren sie stumm; viele von ihnen waren zur immerwährenden Ruhe gegangen, ihr eigenes Schicksal hatten sie eben nicht vorherzusagen vermocht, sich selbst hatten sie das Horoskop nicht stellen können. Man ist boshaft genug gewesen zu sagen, daß alle von ihnen starben. Das zu behaupten möchte ich mir nicht erlauben; aber soviel muß ich zugeben: ich habe niemals gehört, daß auch nur einer von ihnen, nachdem die Katastrophe vorbei war, wieder aufgetreten ist.

Aber um zu den Beobachtungen zurückzukehren, die ich während dieses furchtbaren Teils der Heimsuchung für mich selber machte. Ich bin jetzt, wie gesagt, bis zum Monat September gekommen, welcher wohl der fürchterlichste September gewesen ist, den London je erlebte; denn nach allen Chroniken, welche ich von vorhergehenden Heimsuchungen, die in London waren, gesehen habe, läßt sich nichts damit vergleichen, da doch die Zahl auf dem wöchentlichen Sterberegister für die Zeit vom 22. August bis zum 26. September beinahe 40 000 betrug, und das waren nur fünf Wochen. Im einzelnen lauteten die Registereintragungen wie folgt:

Vom 22. August bis 29. August 7496
Vom 29. August bis 5. September 8252
Vom5. September bis 12. September 7690
Vom 12. September bis 19. September 8297
Vom 19. September bis 26. September 6460
38195 Dies war an sich schon eine erstaunliche Zahl, aber wenn ich nun die Gründe hinzufüge, die mich glauben lassen, daß diese Zählung mangelhaft war, und zwar um ein Beträchtliches, dann würde der Leser, wie ich selbst, keine Bedenken haben anzunehmen, daß in all diesen Wochen mehr als zehntausend in der Woche starben, und das Woche für Woche, und vorher und nachher mehrere Wochen lang eine entsprechende Anzahl. Die Verwirrung unter den Leuten, besonders innerhalb der City, war zu der Zeit unaussprechlich. So groß war das Schrecknis, daß zuletzt die Männer, die zum Fortschaffen der Leichen bestimmt waren, ihre Kraft verließ; ja einige von ihnen starben, obwohl sie die Pest gehabt und überstanden hatten, und manch einer von ihnen fiel um, als er gerade einen Toten trug, mag sein, neben dem Grab, in das er ihn eben hinabwerfen wollte; und diese Verwirrung war größer in der City, weil sie sich da mit der Hoffnung geschmeichelt hatten, sie seien schon entkommen und die Bitternis des Todes sei vorbei. Ein Totenkarren, so erzählte man uns, der nach Shoreditch herauffuhr, wurde von den Fuhrleuten im Stich gelassen, oder der eine, der noch übrig war, starb auf dem Weg, und die Pferde zogen weiter, warfen den Karren um, und die Leichen blieben liegen, hierhin und dorthin in gräßlicher Art verstreut. Ein anderer Totenwagen wurde, scheint es, in dem großen Massengrab in Finsbury Fields gefunden; der Fuhrmann war tot oder hatte sich davongemacht, und die Pferde waren zu nahe herangelaufen, so daß der Wagen hineinfiel und auch die Pferde mit hinunterzog. Es wurde die Meinung vertreten, der Fahrer sei auch mit hineingestürzt und der Wagen sei über ihn gefallen, weil man nämlich seine Peitsche unter den Leichen sehen konnte; aber das war wohl, nehme ich an, nur so eine Mutmaßung.
In unserer Aldgate Pfarre hat man mehrere Male, so habe ich gehört, die Totenkarren voll mit Leichen beladen am Friedhofstor stehen sehen, aber weder Glöckner noch Kutscher noch sonst jemand war dabei; in so einem Fall, wie auch in vielen anderen, wußte niemand, wieviele Tote man in dem Karren hatte; sie wurden ja auch bisweilen mit Stricken von Balkonen und von Fenstern hinabgelassen; und manchmal waren es die Totenträger, manchmal andere Leute, die sie zu dem Karren schafften; und, wie die Männer selber zugaben, niemand kümmerte sich darum, die genaue Zahl festzustellen. Die Wachsamkeit der Behörden wurde jetzt auf die härteste Probe gestellt, und das, so muß man offen sagen, kann auch bei dieser Gelegenheit gar nicht genug Anerkennung finden; welche Anstrengung sie auch immer dafür aufwenden mußten, zwei Dinge wurden niemals vernachlässigt, weder in der City noch in den Vororten:
1. Lebensmittel waren immer in ausreichender Menge zu haben, und auch ihr Preis war kaum nennenswert erhöht. 2. Keine Leichen blieben unbeerdigt oder unbedeckt liegen; und wenn man von einem Ende der Stadt zum andern ging, so konnte man zur Tagzeit kein Leichenbegängnis oder eine Spur davon sehen, mit wenigen Ausnahmen, wie ich oben sagte, in den drei ersten Septemberwochen.
Dieser letzte Punkt wird vielleicht kaum Glauben finden, wenn man auf die Berichte schaut, die andere seither veröffentlicht haben und in denen sie davon sprechen, daß die Toten unbegraben liegenblieben, was mit Bestimmtheit völlig falsch ist; jedenfalls muß es, wenn es irgendwo vorgekommen ist, in Häusern gewesen sein, wo die Lebenden die Toten verlassen hatten, nachdem sie Wege gefunden hatten, wie ich bemerkt habe, zu entweichen, und wo darum den Beamten keine Meldung erstattet worden war.
Aber all das hat in diesem Fall nichts zu bedeuten; denn das weiß ich ganz gewiß, da ich doch selbst ein wenig dieserhalb in meiner Pfarre zur Aufsicht herangezogen wurde – und die Verheerungen, die die Pest dort anrichtete, waren im Verhältnis zur Einwohnerzahl ebenso groß wie irgendwo sonst – ich sage, ich weiß es gewiß, daß es keine Leichen gab, die unbestattet blieben; das heißt keine, von denen der zuständige Beamte wußte; keine, aus Mangel an Leuten, die sie wegschafften, und an Bestattern, die sie in die Erde brachten und zudeckten; und das mag für diesen strittigen 2. Punkt genügen; denn wenn etwas liegengeblieben sein mag, in Häusern und Löchern wie in der Moses-und-Aaron-Gasse, so hat das nichts zu sagen; denn es ist vollkommen sicher, daß sie beerdigt wurden, sobald sie nur gefunden wurden. Was den ersten Punkt betrifft, nämlich den über die Lebensmittel und deren Knappheit und Teuerung, so muß ich, obwohl ich schon vorher davon gesprochen habe und es später wiederum tun werde, dennoch folgendes hier bemerken:
1. Besonders der Brotpreis war kaum erhöht; denn zu Anfang des Jahres, nämlich in der ersten Märzwoche, wog das PennyWeizenbrot zehnundeinhalb Unzen; und zur Zeit des Höhepunktes der Seuche bekam man es mit neunundeinhalb Unzen, und teurer wurde es nie, nein, den ganzen Sommer über nicht. Und zu Anfang November wurde es wieder mit zehnundeinhalb Unzen verkauft; dergleichen, glaube ich, hat man bisher noch nie und in keiner Stadt gehört, bei einer so furchtbaren Heimsuchung.
2. Auch gab es (worüber ich mich sehr wunderte) keinen Mangel an Bäckern oder Backöfen, die für die Versorgung der Bevölkerung mit Brot arbeiteten; dies allerdings wurde von einigen Kreisen behauptet, daß ihre Mägde, wenn sie mit dem Teig zum Backhaus gingen, um ihn backen zu lassen, wie es damals die Sitte war, bisweilen mit der Krankheit zurückkamen, das heißt mit der Pest im Leibe.
Während der ganzen Schreckenszeit gab es, wie ich vorher gesagt habe, nur zwei Pesthäuser, von denen man Gebrauch machte, nämlich eines in den Feldern hinter Old Street und eines in Westminster; und es wurde auch kein Zwang ausgeübt, um Menschen dort hinzuschaffen. Freilich war ein Zwang in diesem Fall auch gar nicht nötig, denn es gab Tausende von armen leidenden Leuten, die, da sie sich nicht selbst helfen, einrichten und versorgen konnten, sondern ganz auf Wohltätigkeit angewiesen waren, sehr froh gewesen wären, hätte man sie dort hingebracht und sich ihrer angenommen. Dies war allerdings der eine wunde Punkt, glaube ich, den man in der ganzen Art, wie die Stadtbehörden vorgingen, finden konnte, daß niemand zu dem Pesthaus zugelassen wurde, außer es wurde dafür bezahlt oder eine Sicherheit für die Bezahlung gestellt, entweder gleich bei der Aufnahme oder nach der Heilung bei der Entlassung, denn es wurden sehr viele wirklich wieder als gesund entlassen; und in diesen Anstalten wurden ausgezeichnete Ärzte eingestellt, so daß es vielen Leuten dort sehr gut erging, worauf ich noch zurückkommen werde. Den Hauptanteil der dort Untergebrachten stellte, wie ich schon sagte, die Klasse der Hausbediensteten, die sich, wenn sie zu den notwendigen Einkäufen für ihre Herrschaft unterwegs waren, angesteckt hatten und dann, sobald sie zu Hause krank wurden, fortgeschafft wurden, um die übrigen des Hauses zu bewahren; und sie wurden dort so gut gepflegt, die ganze Zeit der Heimsuchung hindurch, daß im ganzen nur 156 aus dem Londoner Pesthaus und 159 aus dem von Westminster beerdigt wurden. Wenn ich sage, es hätte mehr Pesthäuser geben sollen, so will ich damit nicht im entferntesten sagen, man hätte alle Kranken in solche Anstalten zu gehen zwingen sollen.
Hätte man das Sperren der Häuser unterlassen und die Kranken aus ihren Wohnungen raschestens in Pesthäuser geschafft, wie einige es vorgeschlagen haben, so würde es, scheint es, damals sowohl wie bei späteren Gelegenheiten, nur noch schlimmer gewesen sein als es war. Schon das Überführen der Kranken hätte eine Ausbreitung der Seuche zur Folge gehabt, und das um so mehr, als ein bloßes Fortschaffen das Haus, in dem der Kranke gelegen hatte, nicht wirksam von der Krankheit reinigen konnte, so daß die übrigen Hausgenossen, die dann ja Freizügigkeit besaßen, sie mit Bestimmtheit auf andere übertragen hätten.
Auch hätten die Methoden, die man in jedem Privathaus angewendet haben würde, um die Krankheit zu verheimlichen und die von ihr befallenen Personen zu verstecken, dahin geführt, daß bisweilen ganze Familien von der Seuche ergriffen worden wären, ehe ein Visitator oder Gesundheitsinspektor es erfahren hätte. Außerdem hätte die ungeheure Anzahl von Menschen, welche zur gleichen Zeit krank gewesen wären, die Fassungskraft der öffentlichen Pesthäuser bei weitem überstiegen, und es wäre den Vertretern der Behörden unmöglich gewesen, sie zu entdecken und fortzuschaffen.
Darüber machte man sich in jenen Tagen viele Gedanken, und ich habe oft gehört, wie davon gesprochen wurde. Der Obrigkeit machte es genug zu schaffen, die Leute dazu zu bringen, daß sie sich mit dem Sperren ihrer Häuser abfanden, und wie ich berichtet habe, täuschten sie auf viele Art die Wachmänner und gelangten heraus. Aber diese Schwierigkeit zeigte mit aller Deutlichkeit, daß auf andere Weise vorzugehen sich als undurchführbar erwiesen hätte, denn sie hätten niemals zwangsweise die Kranken aus ihren Betten und Wohnungen hinauszubringen vermocht. Die Beamten des Lordbürgermeisters hätten dafür nicht ausgereicht, sondern um das zu versuchen, hätte man eine ganze Armee von Beamten gebraucht; und die Leute hinwiederum wären aufgebracht bis zum Äußersten gewesen und hätten diejenigen, die gewagt hätten, sich in Angelegenheiten zu mischen, die sie selbst oder ihre Kinder oder Verwandten betrafen, umgebracht, was immer die Folgen davon gewesen wären; und so hätte man die Leute, die ohnehin schon in einer Gemütsverfassung von kaum vorstellbarer Verwirrung waren – ich sage, man hätte sie völlig zum Wahnsinn getrieben; statt dessen zogen die Obrigkeitsvertreter es in vielfacher Hinsicht vor, sie mit Milde und Mitgefühl zu behandeln, nicht aber mit rücksichtsloser Gewaltanwendung, wie es der Fall gewesen wäre, hätten sie die Kranken aus ihren Häusern schleppen lassen oder ihnen auferlegt, sie selbst fortzuschaffen.
Das bringt mich wieder dazu, der Zeit Erwähnung zu tun, als die Pest zuerst ausbrach, ich meine, als es gewiß wurde, daß sie sich über die ganze Stadt ausbreiten werde; damals ließen es sich zuerst die Wohlhabenderen gesagt sein und machten sich schleunigst auf, um die Stadt zu verlassen. Es war wirklich so, wie ich es beschrieb, daß das Gedränge auf der Straße so groß war, der Kutschen, Pferde, Wagen und Karren, die da Leute hinausfuhren und -zogen, so viele waren, daß es aussah, als ob die ganze Stadt davonlaufe; und wären zu dem Zeitpunkt irgendwelche Verfügungen erlassen worden, die Anlaß zur Bestürzung gegeben hätten, insbesondere solche, die sich unterfangen hätten, den Leuten Weisungen zu erteilen, die ihren eigenen Entschlüssen zuwidergelaufen wären, es hätte City sowohl wie Vororte in den wildesten Aufruhr versetzt. Aber die Obrigkeit war klug genug, den Leuten Anlaß zu geben, sich ermutigt zu fühlen, man traf sehr gute Anordnungen zur Verkehrsregelung, sah auf gute Ordnung in den Straßen und gab den Bürgern aller Klassen jede erdenkliche Möglichkeit.
Zunächst faßten der Lordbürgermeister und die Sheriffs, der Stadtrat und eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern der Gemeinderäte oder ihre Stellvertreter den Entschluß und gaben ihn bekannt, nämlich daß sie selbst die Stadt nicht verlassen, sondern stets zur Verfügung stehen würden, um überall Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten und auf jedem Gebiet für Gerechtigkeit zu sorgen; ebenso um den Armen die Gaben der öffentlichen Wohltätigkeit zuzuteilen; und, in einem Wort, um ihre Pflicht zu tun und sich des Vertrauens, das von seiten der Bürgerschaft auf sie gesetzt worden war, nach besten Kräften würdig zu erweisen.
In Verfolgung dieser Grundsätze hielten der Lordbürgermeister, die Sheriffs usw. mehr oder weniger täglich Ratssitzungen, um die Entscheidungen zu treffen, die sie für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung für notwendig erachteten; und obwohl sie die Bevölkerung mit aller nur möglichen Behutsamkeit und Sachtheit anfaßten, so wurden doch freche Schurken jeder Art, wie Diebe, Einbrecher, Leichenfledderer und Ausplünderer der Kranken gehörig bestraft, und verschiedene Ächtungserklärungen gegen solche wurden durch den Lordbürgermeister und den Stadtrat immer wieder veröffentlicht. Auch wurde allen Konstablern und Gemeindevorstehern unter Androhung schwerer Strafe auferlegt, in der Stadt zu bleiben oder solche fähigen und geeigneten Ersatzmänner zu stellen, wie sie die Anerkennung eines stellvertretenden Stadtrates oder eines Gemeinderatsmitglieds fänden, und für die sie sich verbürgen müßten; und diese Bürgschaft galt auch für den Todesfall, daß sie nämlich dann sogleich andere Konstabler anstelle der hingeschiedenen aufstellen würden.
Diese Dinge wirkten ungemein beruhigend auf die Gemüter der Leute, besonders auf ihren ersten Schrecken hin, als schon von einem so allgemeinen Auszug die Rede war, daß für die Stadt die Gefahr bestanden hätte, von allen ihren Bewohnern, mit Ausnahme der Armen, vollständig verlassen zu werden, und dem Lande die Plünderung und Verwüstung durch das niedere Volk gedroht hätte. Und die Obrigkeit zeigte kein Versagen, und sie standen alle ihren Mann, so tapfer, wie sie es versprochen hatten; der Lordbürgermeister und die Sheriffs waren dauernd auf den Straßen und dort, wo die Gefahr am größten war, und wenn sie es auch nicht gern hatten, von zu großen Besuchermassen umdrängt zu werden, haben sie doch in Notfällen den Leuten niemals den Zutritt zu sich verweigert und immer mit aller Geduld ihre Bekümmernisse und Beschwerden angehört. Der Lordbürgermeister ließ sich eigens eine niedrige Galerie in seinem Saal errichten, auf der er ein wenig Abstand von der Menge nehmen konnte, wenn er sich Beschwerden anhörte, so daß sein Erscheinen ihm möglichst geringe Gefahr brachte.
Ebenso nahmen die zuständigen Beamten, Lordbürgermeisters Dienstleute genannt, ihre Amtspflichten beständig wahr und verrichteten ihren Dienst der Dienstordnung gemäß; und wenn einer von ihnen krank wurde oder sich ansteckte, wie es bei einigen geschah, wurde sogleich ein neuer eingestellt, um seinen Platz einzunehmen und für ihn Dienst zu tun, solange bis sich entschied, ob der andere leben oder sterben würde. Auf die gleiche Art verfuhren die Sheriffs und Stadträte in ihren einzelnen Bezirken und Revieren, in denen sie ihres Amtes walteten, und die dem Sheriff unterstellten Offiziere oder Sergeanten wurden angewiesen, ihrerseits Befehle von den zuständigen Stadträten entgegenzunehmen, so daß die Rechtspflege in keinem einzigen Falle Unterbrechung erlitt. Als nächstes ließ man es sich besonders angelegen sein, dafür zu sorgen, daß die Bestimmungen über die Freiheit der Märkte eingehalten wurden, und zu diesem Zweck waren an jedem Markttag entweder der Lordbürgermeister oder einer der Sheriffs oder alle beide zu Pferde unterwegs, um über die Befolgung der Vorschriften zu wachen und dafür Sorge zu tragen, daß die Leute vom Land jede mögliche Ermutigung fanden und bei ihrer Anfahrt zum Markt und ihrer Rückfahrt danach völlig unbehelligt blieben, und daß auf den Straßen keine anstoßerregenden oder furchteinflößenden Szenen zu sehen waren, die sie hätten erschrecken und vom weiteren Kommen abhalten können.
Auch wurden die Bäcker besonderen Bestimmungen unterworfen, und der Obermeister der Bäckerinnung wurde, zusammen mit seinen Beiräten, angehalten, für die Durchführung der Magistratsanordnungen zu sorgen und auf das genaue Gewicht des Brotes zu achten, welches jede Woche vom Lordbürgermeister festgesetzt wurde, und alle Bäcker waren verpflichtet, ihre Backöfen ständig unter Feuer zu halten, unter Strafe, die Privilegien eines Freimanns der Stadt London einzubüßen.
Auf diese Weise war Brot immer in ausreichender Menge zu haben und so billig wie zu gewöhnlichen Zeiten, wie ich oben schon sagte; und die Lebensmittel gingen auf dem Markt nie aus, und das war so erstaunlich, daß ich mich oft darüber wunderte und mir selbst Vorwürfe machte, so ängstlich und vorsichtig mit dem Ausgehen zu sein, während doch die Leute vom Lande frei und unbekümmert zum Markt kamen, als ob es so etwas wie eine Seuche oder die Gefahr, sie sich zuzuziehen, in der Stadt gar nicht gäbe.
Es war in der Tat ein lobenswerter Punkt in der Amtsführung der genannten Behörden, daß die Straßen immerfort sauber und von allem, was auf irgendeine Art Schrecken erregen konnte, freigehalten wurden; so waren keine Leichen zu sehen oder sonst unziemliche oder unangenehme Dinge, außer, wenn gerade einer plötzlich auf der Straße umgefallen und gestorben war, wie ich es oben erwähnte, und diese wurden dann gewöhnlich mit einem Tuch oder einer Decke zugedeckt oder auf den nächsten Kirchhof geschafft, bis zur Nacht. Alle notwendigen Arbeiten, die die Empfindungen verletzten, weil sie sowohl grauenvoll wie gefährlich waren, wurden in der Nacht verrichtet; wenn die Leichen Pestkranker fortzuschaffen waren oder Tote zu beerdigen oder verseuchte Kleider zu verbrennen, es wurde des Nachts getan; und alle Leichen, die in die großen Massengräber auf den Friedhöfen oder Bestattungsgründen kamen, wie ich es geschildert habe, wurden in der Nacht dort hingeschafft, und alles mußte vor Tagesanbruch eingedeckt und zugeschüttet sein. So daß während der Tageszeit nicht das kleinste Anzeichen von dem Unheil zu sehen oder zu hören war, mit Ausnahme dessen, was man aus der Leere der Straßen und manchmal aus den wilden Aufschreien und bewegten Klagen der Leute, die aus den Fenstern drangen, und aus der Anzahl der gesperrten Häuser und Werkstätten entnehmen konnte.
Nun war es mit der Stille und der Leere der Straßen in der City nicht so schlimm wie weiter außerhalb, ausgenommen nur einen bestimmten Zeitabschnitt, als, wie ich es erörtert habe, die Pest nach Osten vordrang und sich über die ganze City verbreitete. Es war in der Tat eine gnädige Fügung Gottes, daß die Pest zuerst nur an einem Ende der Stadt ausbrach, wie es des langen und breiten berichtet worden ist, und dann schrittweise auf die anderen Stadtteile übergriff und bis zu uns herüber, nach Osten zu, erst kam, nachdem sie im westlichen Teil der Stadt ihre Wut ausgetobt hatte; und so ließ sie in der einen Richtung nach, während sie in der anderen anwuchs. Sie begann zum Beispiel in der Stadtgegend von St. Giles und Westminster, und sie hatte in der ganzen Gegend dort ihren Höhepunkt um die Mitte des Juli; das heißt in St. Giles in den Feldern, St. Andrew, Holborn, St. Clement Danes, St. Martin in den Feldern und in Westminster. Gegen Ende Juli ging sie in diesen Pfarren zurück; und nach Osten schreitend nahm sie zu in Cripplegate, St. Sepulchre, St. James, Clerkenwell und St. Bride und Aldersgate. Während sie in diesen Pfarren herrschte, blieben die City und alle Pfarren auf dem Southwark Ufer und ganz Stepney, Whitechapel, Aldgate, Wapping und Ratcliff kaum berührt, so daß die Leute dort unbekümmert ihrem Geschäft nachgingen, ihr Gewerbe ausübten, ihre Werkstätten in Betrieb hielten und weithin über die City, die östlichen und nordöstlichen Vororte und Southwark frei miteinander verkehrten, beinahe als ob die Pest unter uns gar nicht erschienen wäre.
Auch als der Norden und die nordwestlichen Außenbezirke dann mit voller Wucht betroffen waren, das heißt Cripplegate, Clerkenwell, Bishopsgate und Shoreditch, waren die übrigen Stadtteile immer noch erträglich daran. Zum Beispiel stand das Totenregister, alle Krankheiten Inbegriffen, für die Zeit vom 25. Juli bis zum 1. August folgendermaßen:
St. Giles, Cripplegate 554
St. Sepulchre 250
Clerkenwell 103
Bishopsgate 116
Shoreditch 110
Stepney Pfarre 127
Aldgate 92
Alle 97 Pfarren innerhalb der Stadtmauern 228
Alle Pfarren in Southwark 205
Gesamtsumme 1785

Also, um es zusammenzufassen, es starben in der Woche in den beiden Pfarren von Cripplegate und St. Sepulchre zusammen um achtundvierzig Personen mehr als in der City, allen östlichen Vororten und den Southwark Pfarren zusammengenommen. Das führte dazu, daß der Ruf der City, gesund zu sein, in ganz England und besonders in den Grafschaften und Marktflecken der näheren Umgebung, woher unsere Versorgung mit Lebensmitteln hauptsächlich stammte, sich viel länger erhielt, als die Gesundheit selbst; denn wenn die Leute vom Land bei Shoreditch und Bishopsgate oder bei Old Street und Smithfield das Stadtgebiet betraten, dann konnten sie in den Außenbezirken die Straßen leer und die Häuser und Werkstätten versperrt und die wenigen Menschen, die sich draußen zeigten, auf der Mitte der Straße gehen sehen. Wenn sie aber in die City hineinkamen, so sah dort alles besser aus, und die Märkte und die Geschäfte waren geöffnet, und die Menschen gingen auf den Straßen umher wie gewöhnlich, nur waren es nicht ganz so viele wie sonst; und das blieb so bis Ende August und Anfang September.

Aber dann wendete sich das Blatt gänzlich; die Seuche ließ im Westen und in den nordwestlichen Vororten nach, und das ganze Gewicht der Krankheit verlagerte sich auf die City und die östlichen Vororte und auf das Southwark Ufer, und zwar auf das erschreckendste.

Dann fing allerdings auch die City arg auszuschauen an, die Werkstätten wurden geschlossen, und die Straßen verödeten. Auf den Hauptstraßen freilich zwang die Notwendigkeit die Leute dazu, sich in vielerlei Angelegenheiten zu bewegen; und um die Mitte des Tages pflegte dort eine ziemliche Menge von Leuten zu sein, aber am Morgen und am Abend konnte man auch dort kaum jemand sehen, nein, nicht einmal auf der Cornhillstraße und auf der Cheapside.

Diese Beobachtungen von mir wurden reichlich bestätigt durch die wöchentlichen Sterberegister für diese Wochen, aus welchen ich, soweit sie die von mir erwähnten Pfarren betreffen und den Überlegungen, die ich anstellte, Nachdruck verleihen, einen Auszug folgen lasse.

Der Wochenbericht des Registers, der diese Abnahme der Bestattungen im Westen und Norden der Stadt aufzeigt, lautet folgendermaßen:

Vom 12. bis 19. September:

St. Giles, Cripplegate 456
St. Giles in den Feldern 140
Clerkenwell 77
St. Sepulchre 214
St. Leonard, Shoreditch 183
Stepney Pfarre 716
Aldgate 623
Whitechapel 532
In den 97 Pfarren innerhalb der Stadtmauern 1493
In den 8 Pfarren auf der Southwark Flußseite 1636
Insgesamt 6070

Hier ist eine auffallende Änderung der Dinge freilich unverkennbar, und eine traurige Änderung war es, und hätte sie noch zwei Monate länger angehalten, als es der Fall war, es wären nur sehr wenige Menschen am Leben geblieben.

Aber dann wollte es, sage ich, die gnädige Fügung Gottes, daß als die Dinge so standen, der Westen und der Norden, die am Anfang so fürchterlich heimgesucht worden waren, sich, wie man sehen kann, sehr erholten; und wie bei uns die Leute von der Straße verschwanden, so fingen sie dort an, sich wieder herauszuwagen, und nach einer oder zwei Wochen änderte sich das Bild weiter, das heißt, so daß der andere Teil der Stadt aufatmen konnte. Zum Beispiel:

Vom 19. bis 26. September:
St. Giles, Cripplegate 277
St. Giles in den Feldern 119
Clerkenwell 76
St. Sepulchre 193
St. Leonard, Shoreditch 146
Stepney Pfarre 616
Aldgate 496
Whitechapel 346
In den 97 Pfarren innerhalb der Stadtmauern 1268
In den 8 Pfarren auf der Southwark Flußseite 1390 Insgesamt 4927

Vom 26. September bis 3. Oktober:
St. Giles, Cripplegate 196
St. Giles in den Feldern 95
Clerkenwell 48
St. Sepulchre 137
St. Leonard, Shoreditch 128
Stepney Pfarre 674
Aldgate 372
Whitechapel 328
In den 97 Pfarren innerhalb der Stadtmauern 1149
In den 8 Pfarren auf der Southwark Flußseite 1201
Insgesamt 4328 Und jetzt war das Elend der City und der genannten Ost- und Südbezirke in der Tat besiegelt; denn wie man sehen kann, lag das Hauptgewicht der Seuche nunmehr dort, das heißt, in der City und in den acht Pfarren jenseits des Flusses und auch in den Pfarren Aldgate, Whitechapel und Stepney; und dies war die Zeit, in der das Totenregister auf solch ungeheuerliche Zahlen anstieg, wie ich es vorher erwähnt habe: acht- oder neun-, ja, ich glaube, zehn- oder Zwölftausend starben in der Woche; denn es ist meine feste Überzeugung, daß man niemals zu einer den Tatsachen entsprechenden Berechnung der Zahlen gelangen konnte, aus den Gründen, die ich bereits anführte. Es hat da ein ganz hervorragender Arzt neuerdings einen lateinisch geschriebenen Bericht über jene Tage und seine Beobachtungen veröffentlicht, und der sagt, es seien in einer Woche Zwölftausend Menschen gestorben und davon viertausend in einer einzigen Nacht; allerdings kann ich mich nicht entsinnen, daß es je eine einzelne Nacht von so außerordentlicher Verhängnisschwere gegeben hätte, daß so viele in ihr starben. Jedoch bestätigt all dies, was ich oben über die Ungenauigkeit der Sterberegister usw. gesagt habe, worauf ich später noch zurückkommen werde.
Und hier möge man mir erlauben, wenngleich es wie eine müßige Wiederholung erscheinen mag, mich nochmals an eine Beschreibung des elenden Zustands zu machen, in welchem sich zu der Zeit die City selbst und die Gegend, in der ich wohnte, befanden. Die City und diese anderen Stadtteile waren, ungeachtet der großen Zahl derer, die aufs Land gezogen waren, mit Menschen überfüllt, und vielleicht kam das daher, daß die Leute lange Zeit in dem festen Glauben gelebt hatten, in die City oder nach Southwark und auch nach Wapping oder Ratcliff werde die Pest gar nicht kommen; ja, so sicher fühlten sich die Leute in dem Punkt, daß viele aus den Vororten im Westen und Norden in diese östlichen und südlichen Bezirke umzogen, so als seien sie dort sicher, wodurch sie, wie mir ausgemacht erscheint, die Pest dort hinbrachten, vielleicht früher, als sie sie sonst dort bekommen hätten.
Hier sollte ich auch zum Nutzen der Nachwelt eine weitere Bemerkung hinterlassen, betreffs der Art und Weise, wie die Leute einander ansteckten; es waren nämlich nicht nur die Kranken, von denen die andern, die noch gesund waren, die Krankheit unmittelbar empfingen, sondern oft auch solche, die sich wohlfühlten. Um mich näher zu erklären: Mit den Kranken meine ich diejenigen, welche als krank bekannt waren, sich zu Bett gelegt hatten, in ärztlicher Behandlung standen oder Geschwülste und Geschwüre am Leibe hatten und dergleichen; vor diesen konnte sich jeder in acht nehmen; sie lagen entweder im Bett oder befanden sich in einem Zustand, der nicht zu verheimlichen war.
Mit den sich Wohlfühlenden meine ich solche, die sich die Ansteckung geholt hatten und sie in sich und in ihrem Blute trugen, aber in ihrer äußeren Erscheinung keine Folgen davon sehen ließen; ja, sie waren vielleicht dessen selbst nicht gewahr, wie viele es tagelang nicht waren. Diese atmeten überall und auf jeden, dem sie nahekamen, den Tod aus; ja, selbst ihre Kleider enthielten die Ansteckung, ihre Hände konnten die Dinge, die sie anfaßten, infizieren, besonders wenn sie warm und schwitzig waren, und sie gerieten gewöhnlich auch sehr leicht ins Schwitzen.
Bei diesen Leuten konnte man es nun unmöglich wissen, und manchmal wußten sie, wie gesagt, selbst nicht, daß sie infiziert waren. Diese Menschen waren es auch, die so häufig auf der Straße ohnmächtig wurden und umfielen; denn es kam oftmals vor, daß sie bis zum letzten draußen herumgingen, bis sie dann plötzlich in Schweiß ausbrachen, schwach wurden, sich an einer Tür niedersetzten und starben. Freilich nahmen sie, wenn sie sich so befanden, alle Kraft zusammen, um heim in ihre eigene Wohnung zu kommen, wo sie dann manchmal, gleich nachdem sie eingetroffen waren, verschieden; in anderen Fällen liefen sie herum, bis sich die Zeichen an ihnen einstellten, merkten es aber dennoch selbst nicht und starben eine oder zwei Stunden nach ihrer Heimkunft, obwohl sie, solange sie draußen gewesen waren, sich wohlauf gefühlt hatten. Dies waren die gefährlichen Leute; dies waren die Leute, vor denen die Gesunden sich hätten fürchten sollen; aber es war freilich andererseits unmöglich, sie zu erkennen.
Und das ist der Grund, warum es bei einer Heimsuchung unmöglich ist, die Ausbreitung der Pest, auch bei der äußersten menschlichen Wachsamkeit, zu verhindern, daß es unmöglich ist, die Infizierten von den Gesunden zu unterscheiden und daß auch die Infizierten selbst es niemals mit Sicherheit wissen können. Ich kannte einen Mann, der den ganzen Pestsommer im Jahr 1665 hindurch sich in London frei herumbewegte und ein Gegengift oder Cordial mit sich führte, um es einzunehmen, wenn er sich in Gefahr glaubte, und er besaß ein Mittel, um die Gefahr zu erkennen oder um sich warnen zu lassen, wie ich es vorher und nachher nie wieder angetroffen habe. Wie weit man sich darauf verlassen kann, weiß ich nicht. Er hatte eine Wunde am Bein, und jedesmal wenn er unter Leute kam, die nicht ganz gesund waren, und die Ansteckung auf ihn eindrang, dann, sagte er, merkte er es an diesem Signal, nämlich daß die Wunde in seinem Bein zu brennen anfing und blaß und weiß aussah; sobald er sie dann brennen fühlte, war es Zeit für ihn, sich zu verabschieden oder sich durch Einnehmen seines Tranks zu feien, welchen er zu diesem Zweck stets bei sich trug. Nun stellte er, scheint es, recht häufig fest, daß seine Wunde zu brennen anfing, wenn er in Gesellschaft mit solchen war, die sich ganz gesund glaubten und die voreinander auch so erschienen; er aber pflegte dann sogleich aufzustehen und ganz offen zu sagen: »Freunde, hier ist jemand im Raum, der die Pest hat« und somit die Versammlung aufzuheben. Dies war in der Tat ein getreulicher Mahner für alle, daß diejenigen der Pest nicht entgehen werden, die in einer befallenen Stadt mit jedermann ohne Unterschied Umgang pflegen, daß die Menschen sie haben, ohne es zu wissen, und daß sie sie ebenfalls weitergeben, ohne zu wissen, daß sie sie selbst haben; und unter diesem Gesichtspunkt ist es unzureichend, die Kranken von den Gesunden zu scheiden, wenn man nicht einen Fall zurückverfolgen kann, und auch alle die absondert, mit denen der Kranke jemals Umgang gehabt hat, auch schon zu der Zeit, bevor er selbst wußte, daß er krank war; aber niemand könnte sagen, wie weit man da zurückzugehen habe oder wo man aufhören könne; denn niemand weiß, wann oder wo oder wie er sich die Ansteckung zugezogen hat oder von wem. Dies sehe ich als den Grund dafür an, daß soviel Leute davon sprachen, die Luft sei verdorben und verseucht und daß es nicht not tue achtzugeben, mit wem man Umgang habe, weil die Ansteckung ja in der Luft sei. Ich habe manchen in dieser Hinsicht völlig fassungslos vor Überraschung gesehen. »Ich bin niemals irgendwem nahe gekommen, der die Seuche hatte«, hieß es dann bestürzt »ich habe mit niemandem als mit lauter blühend gesunden Menschen verkehrt, und trotzdem habe ich die Pest bekommen!« »Es muß mich bestimmt vom Himmel getroffen haben«, sagt ein anderer und sieht es von ernsterer Seite. Und der erste beteuert weiter: »Ich bin nie der Pest oder einem Pestkranken nahe gekommen; es muß gewiß in der Luft sein. Wir nehmen den Tod in uns auf, wenn wir atmen, und darum ist es der Wille Gottes; man kann sich dem nicht widersetzen.« Und dies veranlaßte zuletzt viele Leute, als sie erst an die Gefahr gewöhnt waren, weniger besorgt zu sein und gegen Ende und zur Zeit des Höhepunktes auch weniger Vorsicht anzuwenden als zu Anfang. Sie pflegten dann mit einer Art türkischem Vorherbestimmungsglauben zu sagen, wenn es Gott gefalle, sie zu treffen, dann sei es ganz einerlei, ob sie hinausgingen oder zu Hause blieben; sie könnten doch nicht davonkommen, und deswegen gingen sie unbedacht herum, sogar in befallene Häuser und unter erkrankte Freunde; besuchten die Kranken und, kurz gesagt, schliefen im gleichen Zimmer mit ihren Frauen und Verwandten, auch wenn sie infiziert waren. Und was war die Folge?
Genau das gleiche, was in der Türkei die Folge ist und in all den Ländern, in denen sie sich so verhalten, nämlich daß sie ebenfalls angesteckt wurden und zu Hunderten und Tausenden starben. Fern sei es mir, die rechte Furcht vor Gottes Strafgerichten herabzumindern und die Ehrerbietung gegen Seine Vorsehung, denn solcher Gesinnung sollen wir uns stets befleißigen, wenn eine Gelegenheit dazu ruft wie diese. Zweifellos ist eine Heimsuchung in sich ein Schlag vom Himmel für die Stadt oder das Land oder das Volk, die getroffen werden; eine Botschafterin Seiner Rache und ein lauter Ruf an jenes Volk oder Land oder Stadt, sich zu demütigen und Buße zu tun, entsprechend jenem Wort des Propheten Jeremias (VIII, 7-8): »Plötzlich rede ich wider ein Volk und Königreich, daß ich es ausrotten, zerbrechen und verderben wolle. Wo sichs aber bekehrt von seiner Bosheit, dawider ich rede, so soll mich auch reuen das Unglück, das ich ihm gedachte zu tun.« Und gerade um den Gemütern der Menschen die Furcht Gottes, wie sie sich solchen Fügungen gegenüber gehört, einzuprägen, nicht aber um sie zu vermindern, habe ich in diesen Aufzeichnungen das Vergangene festgehalten.
Ich sage darum, ich will niemandem die Achtung versagen, weil er die Ursache dieser Geschehnisse unmittelbar in die Hand Gottes verlegt und in den Willen und die Absicht Seiner Vorsehung; nein, im Gegenteil, es gab viele wunderbare Bewahrungen vor der Seuche und Heilungen von Personen, die schon befallen waren, und dies deutet in den betreffenden Einzelfällen auf eine einzigartige und außergewöhnliche Führung durch die Vorsehung, und ich betrachte meine eigene Gesunderhaltung als beinahe ein Wunder und zeichne sie mit aller Dankbarkeit auf.
Aber wenn ich von der Pest als von einem körperlichen Übel spreche, das von natürlichen Ursachen herrührt, dann müssen wir auch seine Verbreitung so ins Auge fassen, wie sie tatsächlich durch natürliche Mittel geschieht; und die Pest ist ja auch deshalb nicht weniger ein Strafgericht, weil sie dem Zusammenhang menschlicher Ursachen und Wirkungen unterliegt; denn obwohl die göttliche Macht den gesamten Plan der Natur entworfen hat und die Natur in ihrem Lauf unterhält, hat es doch die gleiche Macht für gut befunden, Ihre eigenen tätigen Beziehungen zum Menschen, sei es die der Gnade oder die der Bestrafung, auf dem gewöhnlichen Wege natürlicher Ursachen verlaufen zu lassen, und es gefällt Gott, vermittels dieser natürlichen Ursachen als Seiner gewöhnlichen Wirkensweise zu handeln, wobei Er sich nichtsdestoweniger als Ausnahme Seine Macht vorbehält, auf übernatürliche Art zu handeln, wenn Er dazu Anlaß sieht. Nun ist es klar, daß im Falle einer Seuche kein zwingender außergewöhnlicher Anlaß für ein übernatürliches Eingreifen besteht, da doch der gewöhnliche Lauf der Dinge vollständig ausreichend und all der Wirkungen fähig zu sein scheint, die der Himmel im allgemeinen mit dem Ausbruch einer Seuche beabsichtigt. Unter diesen Ursachen und Wirkungen ist diese unsichtbare Übertragung der Krankheit, durch ihre Nichtwahrnehmbarkeit und Nichtvermeidbarkeit, ein mehr als ausreichendes Mittel, die Unerbittlichkeit der göttlichen Rache durchzusetzen, ohne daß man deshalb von übernatürlichen Ereignissen und Wundern zu sprechen braucht. Die Krankheit selbst war von so scharf eindringender Natur, und die Ansteckung wurde auf so unmerkliche Art empfangen, daß auch die genaueste Vorsicht, so sehr sie angebracht war, uns nicht sichern konnte. Aber man muß mir die Ansicht zugestehen, und ich habe frisch in meiner Erinnerung so viel Beispiele, die mich davon überzeugen, daß ich glaube, niemand wird ihrer Beweiskraft widerstehen können – ich sage, man muß mir erlauben, der Ansicht zu sein, daß kein Mensch in unserer ganzen Nation sich je die Krankheit oder die Ansteckung zuzog, es sei denn er empfing sie auf dem gewöhnlichen Wege der Übertragung von jemandem oder von jemandes Kleidern oder jemandes Berührung oder Ausdünstung, der sie vorher selbst empfangen hatte.
Die Art und Weise, in der sie zuerst nach London gelangte, beweist dies ebenfalls, nämlich vermittels der Handelsgüter, die von Holland herübergebracht wurden und die dorthin aus der Levante eingeführt worden waren; dann ihr erstes Ausbrechen in einem Haus am Long Acre, wo diese Güter angeliefert und zuerst geöffnet worden waren; ihre Ausbreitung von diesem Haus auf andere Häuser durch den Verkehr mit solchen, denen man die Krankheit nicht ansah; die Infizierung von Gemeindebeamten, die mit den Toten zu tun hatten, und ähnliches mehr. Dies sind anerkannte Beweise für meinen Hauptgrundsatz, daß die Pest von Person zu Person und von Haus zu Haus voranschritt, und nicht anders. Eine Nachbarin, die von der Erkrankung der Dame aus dem ersten Haus hörte, ging sie zu besuchen und kam nach Hause und brachte ihrer Familie die Pest mit, und sie starb und mit ihr alle in ihrem Haushalt. Von einem Geistlichen, den man gerufen hatte, mit der ersten Kranken in dem zweiten Haus zu beten, hieß es, er sei sofort krank geworden und mit mehreren aus seiner Familie gestorben.
Da wurden die Ärzte nachdenklich, denn sie hätten nicht im Traum gleich an eine allgemeine Seuche gedacht. Aber die Ärzte, die nun entsandt wurden, die Leichen zu untersuchen, versicherten der Bevölkerung, daß es nicht mehr und nicht weniger als die Pest sei, mit allem Entsetzlichen, was dazugehört, und daß die Gefahr einer allgemeinen Verseuchung bestehe, da bereits so viele Leute mit den Kranken und Infizierten in Berührung gekommen seien und, wie man annehmen könne, sich von ihnen die Ansteckung geholt hätten, daß es unmöglich sei, dem noch Einhalt zu gebieten.
Hier stimmte die Meinung der Ärzte mit dem, was ich später beobachtete, überein, nämlich daß die Gefahr sich unmerklich verbreitete; denn die Kranken konnten niemanden anstecken als diejenigen, die sich ihnen bis auf Reichweite näherten, aber der eine Mann, der zwar die Infektion empfangen hat, es aber nicht weiß, sondern frei überall herumgeht wie ein Gesunder, der kann die Pest an tausend Leute weitergeben, und die wiederum an eine entsprechend noch größere Anzahl, und weder die Person, die die Infektion weiterträgt, noch die, die sie empfängt, weiß etwas davon, und vielleicht fühlen sie die Wirkungen auch einige Tage danach noch nicht.
So bemerkten zum Beispiel viele Personen in dem Verlauf dieser Heimsuchung, daß sie infiziert waren, erst dann, als sie zu ihrer unbeschreiblichen Überraschung die Zeichen an sich auftreten sahen; und danach lebten sie selten noch sechs Stunden, denn diese Flecken, wie sie die Zeichen nannten, waren in Wirklichkeit die Schwärzungen des Brandes oder abgestorbenes Fleisch in kleinen Knäufen, so groß wie ein Silberpenny und so hart wie ein Stück Schwiele oder Hörn; so daß, wenn die Krankheit erst so weit gediehen war, nichts mehr als nur der sichere Tod folgen konnte, und doch hatten sie, wie ich sagte, nichts davon gewußt, infiziert zu sein, und sich nicht einmal unpäßlich gefühlt, bis diese tödlichen Erkennungszeichen sich bei ihnen einstellten. Aber jedermann muß zugeben, daß sie im hohen Grade vorher infiziert waren und es schon geraume Zeit gewesen sein mußten und daß folglich ihr Atem, ihr Schweiß, ja schon ihre Kleider viele Tage zuvor ansteckend gewirkt hatten.
Die große Vielfalt von Fällen, die so verliefen, mögen die Ärzte besser imstande sein, im Gedächtnis zu behalten als ich; aber einige kamen in den Bereich meiner Beobachtung oder meines Erzählenhörens, und ich will einige anführen. Da war ein gewisser Mitbürger, der bis zum Monat September, wo das Schwergewicht der Seuche sich immer mehr auf die City verlagerte, unversehrt und unberührt gelebt hatte, und er war mächtig aufgeräumt und etwas zu stolz, so muß man es wohl nennen, wenn er erzählte, wie wenig er sich fürchte, wie er sich immer vorgesehen habe, niemals einem, der die Krankheit hatte, nahe zu kommen. Sagte da ein anderer Bürger, einer seiner Nachbarn, eines Tages zu ihm:
»Seid Eurer Sache nicht zu sicher, Mister …; es ist schwer zu sagen, wer krank ist und wer gesund ist, sehen wir doch manchen in diesem Augenblick frisch und wohlauf dem äußeren Anschein nach, und eine Stunde drauf ist er tot.«
»Das stimmt«, sagte der erste Mann, denn er war nicht vermessen in seinem Sicherheitsgefühl, sondern war nur so lange Zeit gut durchgekommen, und das hatte manchen, wie ich schon sagte, besonders in der City allmählich zu gleichgültig gemacht. »Das stimmt«, sagte er also; »ich glaube nicht, daß ich nichts zu befürchten habe, aber ich hoffe, daß ich mit niemand zusammen gewesen bin, der Gefahr hätte bringen können.« »Nein?« versetzte sein Nachbar. »Wart nicht Ihr vorgestern abend mit Mr. … zusammen in der BullenkopfSchenke in der Gnaden-Kirchen-Straße?« »Ja«, sagte der erste, »das war ich; aber da war niemand, den wir vernünftigerweise für gefährlich hätten halten können.« Daraufhin sagte sein Nachbar nichts mehr, da er ihn nicht beunruhigen wollte; aber das machte den nur noch wißbegieriger, und je mehr sein Nachbar sich zurückhielt, um so ungestümer wurde er, und er geriet so sehr in Hitze, daß er laut sagte: »Nun, er wird doch nicht tot sein, oder?« Worauf sein Nachbar immer noch schwieg, aber einen Blick nach oben warf und etwas vor sich hin murmelte; da erbleichte der erste Mann und brachte nicht mehr hervor als: »Dann bin auch ich ein toter Mann«, und ging sogleich heim und schickte nach dem nächsten Apotheker, um sich ein vorbeugendes Mittel geben zu lassen, denn er hatte bislang noch nichts von Kranksein gespürt; aber der Apotheker, als er ihm das Hemd öffnete, stieß einen Seufzer aus und sagte nur noch: »Sei Gott Euch gnädig«, und der Mann starb in wenigen Stunden.
Nun mag ein jeder, von einem Fall wie diesem ausgehend, selbst urteilen, ob es mit behördlichen Maßnahmen möglich ist, sei es durch Sperren von Häusern oder Fortschaffen der Kranken, einer Seuche Einhalt zu gebieten, die sich von Mensch zu Mensch fortpflanzt, und zwar auch dann, wenn einer sich vollkommen wohlfühlt und vielleicht viele Tage lang nichts von einem Krankwerden spürt.
Es mag hier am Platz sein zu fragen, wie lange man annehmen kann, daß einer den Keim der Ansteckung in sich hat, bevor sie sich auf ihre unselige Art offenbart, und wie lange einer umhergehen mag, dem Anschein nach ganz gesund, und dennoch allen, die ihm nahekommen, Ansteckung bringend. Ich glaube, nicht einmal die erfahrensten Ärzte können auf diese Frage unumwundener antworten als ich es könnte; und vielleicht mag ein laienhafter Beobachter etwas wahrnehmen, was ihrer Beobachtung entgeht. Es scheint die Meinung der Ärzte im allgemeinen zu sein, daß die Krankheit in den Lebensgeistern schlafend liegt oder in den Blutgefäßen, und dort eine beträchtliche Zeit verbleibt.
Warum sonst verlangen sie von denen, die aus seucheverdächtigen Orten in einen Hafen kommen, die Quarantäne? Vierzig Tage sind, sollte man meinen, zu lange für die Natur, um mit einem Feind wie diesem zu ringen, ohne entweder gesiegt oder sich ergeben zu haben. Aber ich könnte mir nach allem, was ich selbst beobachtet habe, auch nicht denken, daß einer länger als fünfzehn oder zum höchsten sechzehn Tage infiziert ist und immer noch auf andere ansteckend wirkt; auf Grund dieser Überlegungen geschah es auch, daß man in der City, wenn ein Haus gesperrt worden und jemand darin an der Pest gestorben war, nach sechzehn oder achtzehn Tagen jedoch sonst niemand in der Familie ein Zeichen von Erkrankung gab, nicht mehr weiter streng war und nichts dagegen einwendete, daß sie im stillen das Haus verließen; auch pflegte sich vor ihnen dann keiner mehr zu fürchten, sondern die Leute glaubten eher, sie seien nun um so mehr gefeit, nachdem sie sich unverwundbar erwiesen hatten, wo der Feind in ihrem eigenen Haus gewesen war; manchmal freilich mußten wir feststellen, daß das Übel sich noch viel länger verborgen gehalten hatte. Aus allen diesen Beobachtungen kann ich nur eine Schlußfolgerung ziehen – mag auch die Vorsehung mein Verhalten anders gelenkt haben, so ist es doch meine Überzeugung, und die Nachwelt soll es sich so von mir verschreiben lassen: Die beste Medizin gegen die Pest ist, vor ihr davonzulaufen. Ich weiß, daß die Leute sich Mut einreden, indem sie sich sagen, Gott sei imstande, uns inmitten der Gefahr am Leben zu erhalten, und Er sei imstande, uns zu ereilen, wenn wir glauben, wir seien außer Gefahr; und das ließ Tausende in der Stadt zurückbleiben, deren Leichen dann wagenweise in die großen Gruben gingen und die, wenn sie vor der Gefahr geflohen wären, vor dem Unheil bewahrt worden wären; jedenfalls ist es wahrscheinlich, daß sie bewahrt worden wären.
Und würden bei einer zukünftigen Gelegenheit dieser oder ähnlicher Art die Menschen nur diesen fundamentalen Grundsatz gehörig beherzigen, ich bin überzeugt, es würde sie zu ganz anderen Maßnahmen zur Sicherung der Bevölkerung führen, als man sie im Jahre 1665 ergriff und als sie sonst irgendwo ergriffen wurden und zu meiner Kenntnis gelangten. Kurz gesagt, sie würden darauf halten, daß die Menschen in kleinere Gruppen aufgeteilt würden und sich beizeiten weiter auseinander begäben, und so würden sie verhindern, daß eine ansteckende Seuche dieser Art, die doch in der Tat hauptsächlich für eng zusammenlebende Gruppen von Menschen gefährlich ist, eine Million Menschen zu einer Körperschaft vereinigt vorfindet, wie es ungefähr damals der Fall war und wie es bestimmt wieder der Fall sein würde, wenn die Seuche jemals wieder auftreten sollte. Die Pest gleicht einem großen Feuer: Wo nur ein paar Häuser aneinanderstoßen, da kann es, wenn es ausbricht, auch nur ein paar Häuser niederbrennen; oder wenn es in einem alleinstehenden Hause, etwa in einem Einzelgehöft, ausbricht, kann es nicht mehr als dieses einzelne Gebäude niederbrennen. Aber wenn es in einer dichtgebauten Ortschaft oder Stadt ausbricht und erst einmal richtig am Brennen ist, da steigert sich seine Wut immerfort, es rast durch den ganzen Ort und verzehrt alles, was es nur erreichen kann.
Ich könnte viele Pläne vorlegen, in deren Befolgung die Behörden dieser Stadt, wenn sie wieder unter der Bedrohung eines solchen Feindes (Gott verhüte es!) stünden, sich des größten Teiles der zu ihr gehörigen gefährlichen Bevölkerung entledigen könnten; ich meine damit die bettelnden, hungerleidenden, von der Hand in den Mund lebenden Armen, und unter ihnen besonders diejenigen, die man im Fall einer Belagerung die unnützen Mäuler nennt; wenn man diese, was nicht nur klug, sondern auch zu ihrem eigenen Vorteil wäre, hinausgeschafft hätte und wenn die wohlhabenden Leute sich selbst und ihre Kinder und Diener hinausbeförderten, dann wäre die Stadt tatsächlich in einem so entleerten Zustand, daß nicht mehr als ein Zehntel der Bevölkerung noch beisammen wäre, um der Seuche einen Angriffspunkt zu bieten. Aber angenommen, sie machten noch den fünften Teil aus, dann wären zweihundertfünfzigtausend Menschen übrig, und wenn die Pest auf sie loskäme, wären sie dadurch, daß sie auf so großem Raum verteilt wohnten, viel besser in der Lage, sich gegen Anstekkung zu schützen, und viel weniger ihren Wirkungen ausgesetzt, als wenn die gleiche Anzahl von Menschen auf engem Raum zusammengedrängt lebte, so wie in kleineren Städten wie Dublin oder Amsterdam oder ähnlichen.
Zwar sind bei dieser letzten Pest Hunderte, ja Tausende von Familien hinausgeflohen, aber leider taten es viele zu spät und starben nicht nur auf der Flucht, sondern schleppten die Seuche mit sich in die Lande, in die sie kamen, und infizierten diejenigen, bei denen sie Sicherheit gesucht hatten. Das machte alles wieder zuschanden, weil gerade das, was das beste Mittel gewesen wäre, der Pest entgegenzuwirken, zum Werkzeug ihrer Verbreitung wurde. Das ist wieder ein Beweis dafür und bringt mich auf das zurück, was ich vorher nur kurz andeuten konnte, aber jetzt hier mit mehr Ausführlichkeit behandeln muß, nämlich daß manch einer noch viele Tage, nachdem er das Gift der Krankheit in sich hatte und seine Lebensgeister so ergriffen waren, daß es kein Davonkommen mehr gab, doch noch dem Augenschein nach gesund umherging und, alldieweil er das tat, andere in Gefahr brachte; ich sage, das oben Berichtete ist wieder ein Beweis dafür; denn solche Leute infizierten jede Ortschaft, durch die sie kamen, und ebenso die Häuser, in die sie aufgenommen wurden. Auf diese Art geschah es, daß beinahe alle die großen Städte Englands, die eine mehr, die andere weniger, von der Pest heimgesucht wurden, und immer pflegten sie dort einem zu erzählen, dieser oder jener Londoner habe sie ihnen herübergebracht.
Es darf nicht, wenn von diesen wirklich gefahrbringenden Menschen die Rede ist, übergangen werden, daß sie, meiner Meinung nach, vollständig im Unwissen über ihren Zustand waren; denn wenn sie tatsächlich gewußt hätten, wie es um sie stand, dann hätten sie rechte vorbedachte Mörder sein müssen, um noch weiter draußen unter gesunden Menschen umherzugehen, und es hätte dann allerdings jenen Vorwurf bestätigt, von dem ich vorher gesprochen habe und von dem ich glaubte, daß er nicht berechtigt sei, nämlich daß die Befallenen im äußersten Grade unvorsichtig seien, was die Ansteckung anderer betraf, und eher darauf aus, es dazu kommen zu lassen als nicht; und ich glaube, daß gerade der genannte Umstand es war, der diesen Vorwurf aufkommen ließ, von dem ich immer noch hoffen möchte, daß er in Wirklichkeit nicht den Tatsachen entsprach.
Ich will nicht bestreiten, daß kein Einzelfall ausreicht, um eine so allgemeine Behauptung zu rechtfertigen, aber ich könnte eine Reihe von Leuten benennen, und sie sind heute noch lebenden Nachbarn oder Familienmitgliedern bekannt, die das Gegenteil bis zum Extrem bewiesen haben.
Ein Mann, ein Familienvater in meiner Nachbarschaft, hatte die Pest; er glaubte, er habe sie von einem armen Arbeiter, der bei ihm eingestellt war, bekommen, denn er hatte ihn in dessen Hause aufgesucht, irgendeiner Arbeit wegen, die er zu Ende geführt haben wollte; schon als er an der Tür des Arbeiters stand, hatte ihn eine Befürchtung beschlichen, aber er war nicht sicher gewesen; erst am nächsten Tage zeigte es sich, und die Krankheit packte ihn arg; worauf er sich sofort in ein Nebengebäude tragen ließ, das er auf seinem Hofe hatte und wo es über einer Werkstatt – der Mann war ein Kupferschmied – eine Kammer gab.
Dort lag er, und dort starb er, und er wollte sich von keinem seiner Nachbarn pflegen lassen, sondern von einer auswärtigen Krankenschwester; und er erlaubte weder seiner Frau noch seinen Kindern noch seiner Dienerschaft, zu ihm hinauf in das Zimmer zu kommen, damit sie sich nicht ansteckten, sondern er sandte ihnen durch die Krankenschwester seinen Segen und ließ sie ihnen über eine Entfernung seine Gebete für sie hersagen, und das alles aus Besorgnis, er könne die Pest auf sie übertragen; so aber, wußte er, konnte ihnen, solange sie ferngehalten wurden, nichts geschehen.
Und hier muß ich noch bemerken, daß die Pest – und ich nehme an, alle Seuchen tun es – je nach Körperkonstitution verschieden wirkte; manche waren auf der Stelle von ihr übermannt, und es kam zu heftigem Fieber, Erbrechen, unerträglichem Kopfweh, Schmerzen im Rücken, bis dann der Patient vor Qualen tobte und raste; andere bekamen Schwellungen und Geschwüre im Nacken oder an den Lenden oder in den Achselhöhlen, die, solange sie nicht zum Aufgehen gebracht werden konnten, ihnen unerträgliche Schmerzen und Martern bereiteten; wieder andere hingegen wurden, wie ich es geschildert habe, lautlos befallen, das Fieber zehrte an ihren Lebensgeistern im verborgenen, und sie merkten kaum etwas davon, bis sie in eine Ohnmacht, eine Bewußtlosigkeit fielen und ohne Schmerzen verschieden.
Ich bin nicht Arzt genug, um mich im besonderen mit den Gründen und Ursachen dieser unterschiedlichen Wirkung ein und derselben Seuche und ihrem bei den einzelnen verschiedenen Auftreten zu befassen; es ist hier auch nicht meine Aufgabe, die Beobachtungen, welche ich tatsächlich machte, aufzuzeichnen, denn die Ärzte haben das mit viel mehr Sachkenntnis, als ich es könnte, selber getan; außerdem mag meine Meinung in manchem von der ihren abweichen. Ich berichte hier nur, was ich von einzelnen Fällen weiß oder mir zu Ohren gekommen ist oder was ich davon glaube, und zwar soweit es in den Bereich fiel, den ich überschauen konnte, und ich betrachte die verschiedenartige Natur der Seuche, wie sie in den einzelnen Fällen, die ich berichte, zum Ausdruck kam; dies jedoch mag auch noch dazu gehören, daß, obschon die Fälle der erstgenannten Art, nämlich die der offenen Heimsuchung, der Schmerzen wegen für die Kranken selbst die schlimmeren waren – ich meine diejenigen, welche so an Fieber, Erbrechen, Kopfweh, Schmerzen und Geschwülsten litten, und auf so grausige Art starben –, so hatten doch die zuletzt genannten den schlimmeren Stand in der Krankheit; denn bei der ersten Art kam es häufig vor, daß sie wieder gesund wurden, besonders wenn die Geschwüre aufgingen, aber bei der letzteren bedeutete es unweigerlich den Tod; keine Heilung, keine Hilfe war möglich, nichts konnte folgen als der Tod. Und diese Art war auch für die Mitmenschen der Betroffenen schlimmer, weil sie, wie oben, insgeheim und unbemerkt von den andern oder von ihnen selbst denen den Tod brachten, mit denen sie umgingen; das Gift verschaffte sich unaufhaltsam einen Zugang in das fremde Blut, auf eine Art, die zu beschreiben oder auch nur zu begreifen unmöglich ist.
Dieses Anstecken und Angestecktwerden, ohne daß die Beteiligten etwas davon bemerkten, erhellt aus zwei Hauptarten damals häufig vorkommender Fälle; und es wird wohl kaum einen Lebenden geben, der während der Seuchezeit in London gewesen ist und nicht von den beiden Arten eine Reihe von Fällen gehört hätte.
1. Väter und Mütter gingen umher, als ob sie ganz gesund seien, und das glaubten sie auch selbst, bis sie unvermerkt ihre ganze Familie angesteckt und deren Untergang bewirkt hatten, was zu tun sie weit von sich gewiesen hätten, wenn sie selbst die geringste Befürchtung gehabt hätten, daß sie krank waren und eine Gefahr bedeuteten. Eine Familie, deren Geschichte ich gehört habe, wurde auf diese Weise von dem Vater infiziert; und die Pest begann sich an einigen von ihnen früher zu zeigen, als er sie an sich selbst feststellte. Aber als man der Sache genauer nachging, zeigte es sich, daß er schon einige Zeit befallen war, und sobald es ihm aufging, daß seine Familie von ihm selbst vergiftet worden war, verlor er den Verstand, und er hätte gewaltsam Hand an sich gelegt, hätten die, die ihn versahen, ihn nicht davon zurückgehalten, und in wenigen Tagen starb er.
2. Der zweite typische Fall war, daß häufig Menschen nach bestem Wissen und nach allem, was sie an sich selbst mehrere Tage lang beobachtet hatten, gesund waren und nichts weiter verspürten als ein wenig Appetitlosigkeit oder eine leichte Übelkeit im Magen; ja, manche behielten einen kräftigen und sogar heißhungrigen Appetit und litten lediglich etwas unter Kopfweh, und wenn sie dann einen Arzt holten, um zu erfahren, was ihnen fehle, da stellte sich dann, zu ihrer größten Überraschung heraus, daß sie am Rande des Grabes standen, die Zeichen am Körper hatten und die Pest bei ihnen bis zur Unheilbarkeit vorgeschritten war.
Es war ein sehr trauriger Gedanke, daß solche Personen wie die zuletzt erwähnten vielleicht schon eine oder zwei Wochen lang wandelnde Zerstörer gewesen waren; und daß so ein Mensch diejenigen ins Verderben gestürzt hatte, die zu retten er sein Leben gewagt haben würde, daß er den Tod auf sie ausgeatmet hatte, wenn er vielleicht seine eigenen Kinder zärtlich küßte und umarmte. Und doch ist es gewiß so gewesen und sogar oft, und ich könnte viele einzelne Fälle, wo es so war, anführen. Wenn also der Schlag so unsichtbar niedergeht, wenn der Pfeil so unbemerkbar fliegt und nicht entdeckt werden kann, wozu taugen da noch all solche Maßnahmen wie Sperren der Häuser oder Fortschaffen der Kranken? Diese Maßnahmen können nur bei denen ergriffen werden, deren Krankheit oder Ansteckung offensichtlich ist; während doch zur gleichen Zeit Tausende von Menschen unter den andern sind, die zwar gesund aussehen, aber trotzdem alldieweil für alle, mit denen sie zusammenkommen, den Tod mitbringen. Dies machte unseren Ärzten häufig Kopfzerbrechen und besonders auch den Apothekern und den Wundärzten, weil sie nicht wußten, wie sie zwischen gesund und krank unterscheiden sollten; sie alle gaben zu, daß es tatsächlich so war, daß viele Leute die Pest schon im Blut hatten, daß sie bereits an ihren Lebensgeistern zehrte und daß sie selber eigentlich wandelnde verfaulte Leichname waren, deren Atem Anstekkung und deren Schweiß Gift bedeutete, daß sie aber trotzdem so gesund anzuschauen waren wie andere und selbst nicht einmal etwas ahnten; ich sage, sie alle gaben zu, daß dies tatsächlich zutraf, aber sie wußten nicht, wie sie zu einer Diagnose kommen sollten.
Mein Freund Dr. Heath war der Meinung, man könne es am Geruch ihres Atems erkennen; jedoch wer, so sagte er, wird es wagen, an diesem Atem zu riechen, nur um sich zu vergewissern? Muß er doch dafür den Gestank der Pest in sein eigenes Gehirn hinaufziehen, um an dem Geruch die Unterscheidung zu treffen! Ich habe gehört, nach der Meinung anderer könne man es erkennen, indem man den Betreffenden auf ein Stück Glas hauchen lasse; in dem Niederschlag des Atems könne man dann durch ein Mikroskop lebende Wesen sehen, von wunderlicher, ungeheuerlicher und abschreckender Gestalt, wie Drachen, Schlangen, Ottern und schrecklich anzuschauende Teufel. Aber hier möchte ich doch die Wahrheit in Frage stellen, und wie ich mich erinnere, hatten wir zu jener Zeit auch gar keine Mikroskope, mit denen wir das Experiment hätten machen können.
Wieder ein anderer Gelehrter vertrat die Ansicht, der Atem einer solchen Person würde auf der Stelle einen Vogel vergiften und töten; und zwar nicht nur einen kleinen Vogel, sondern auch einen Hahn oder eine Henne, und wenn er eines dieser Tiere nicht gleich töte, so würde doch an ihnen die sogenannte Hühnerdarre hervorgerufen werden; insbesondere würden alle Eier, die ein Huhn dann noch lege, faul sein. Dies sind jedoch Ansichten, die ich niemals durch Experimente erhärtet sah oder für die ich die Bestätigung von Zeugen gehört hätte; so gebe ich sie weiter, wie ich sie vorgefunden habe, nur mit dieser Bemerkung noch, daß ich nämlich glaube, die Wahrscheinlichkeiten sprechen sehr für sie.
Einige haben vorgeschlagen, solche Personen sollten stark auf warmes Wasser hauchen, und dann würde sich ungewöhnlicher Schaum bilden, oder auf verschiedene andere Materien, besonders solche von klebriger Substanz, bei denen sich leicht Schaum bildet und bestehen bleibt.
Aber im großen ganzen, fand ich, war diese Seuche solcherart, daß es unmöglich war, die Ansteckung zu entdecken oder ihre Übertragung von einem auf den andern durch irgendeine menschliche Kunst zu verhindern.
Hier ist in der Tat ein schwieriger Punkt, über den ich bis heute nicht ganz hinweggekommen bin, und meines Wissens gibt es überhaupt nur eine einzige Antwort darauf, nämlich diese: Der erste Pestkranke war etwa am 20. Dezember 1664 gestorben und zwar am Long Acre oder dort herum; es hieß, daß dieser erste sich die Ansteckung von einem Paket Seide geholt hatte, das von Holland herübergekommen und in jenem Haus geöffnet worden war.
Aber danach hörten wir nichts mehr davon, daß jemand an der Pest gestorben sei oder daß an jenem Ort die Pest herrsche; erst am 9. Februar – das war ungefähr sieben Wochen später – wurde noch einer aus dem gleichen Hause beerdigt. Die Sache wurde dann aber vertuscht, und lange Zeit waren wir, wenigstens nach außen hin, vollkommen beruhigt; denn es erschien ja auf dem wöchentlichen Register niemand mehr als an der Pest gestorben, bis dann am 22. April wieder zwei Personen, nicht aus demselben Haus, aber aus derselben Straße, beerdigt wurden; und soweit ich mich erinnern kann, waren sie aus dem Haus, das dem ersten benachbart war. Dies war nach einem Zwischenraum von neun Wochen geschehen, und danach hatten wir wieder für zwei Wochen Ruhe, und dann brach es in mehreren Straßen aus und breitete sich nach allen Seiten hin aus. Die Frage scheint nun also zu lauten: Wo blieben diese ganze Zeit über die Keime der Infektion? Wie kam es, daß sie so lange innehielt und nicht länger? Entweder die Seuche ging nicht durch körperliche Übertragung unmittelbar von einem auf den andern über, oder wenn sie es tat, dann mußte der Körper imstande sein, auch mit der Infektion weiterzuleben, ohne daß viele Tage, ja Wochen lang, die Krankheit sich offenbarte; das konnte nicht nur eine Quarantäne lang dauern, sondern eine Soissantäne: nicht nur vierzig Tage, sondern sechzig Tage und länger.
Zwar gab es, wie ich anfangs bemerkte und wie es vielen, die aus der Zeit noch am Leben sind, wohl bekannt ist, einen sehr strengen Winter und einen drei Monate anhaltenden Frost, und das, so meinen die Ärzte, hat der Seuche Einhalt gebieten können; aber dagegen müssen die Gelehrten mir einzuwenden erlauben, daß, wenn die Krankheit nach ihrer Vorstellung sozusagen nur eingefroren war, sie gleich einem gefrorenen Fluß ihre alte Kraft und Stärke wiedererlangt hätte, sobald Tauwetter einsetzte; der hauptsächliche Rückgang war jedoch bei unserer Seuche von Februar bis April, und das war, nachdem der Frost nachgelassen hatte und das Wetter mild und warm geworden war.
Es gibt noch eine andere Lösung für diese ganze Schwierigkeit, und ich glaube, meine eigene Erinnerung kann sie erbringen; sie besteht darin, daß ich die Tatsache bestreite, es sei in jenen langen Zwischenräumen, nämlich vom 20. Dezember bis zum 9. Februar und von da bis zum 22. April, niemand an der Pest gestorben. Die wöchentlichen Totenregister stellen das einzige Gegenzeugnis dar, aber diese Register sind nicht, jedenfalls nicht für mich, vertrauenswürdig genug, um einer Hypothese als Grundlage zu dienen oder eine Frage von solcher Wichtigkeit zu entscheiden; es war nämlich zu der Zeit unser aller, und ich glaube mit gutem Grund gefaßte Meinung, daß die Täuschung bei den Gemeindebeamten, den Leichenbeschauern lag, oder wer sonst von Amts wegen über die Verstorbenen und die Krankheiten, an denen sie gestorben waren, Bericht zu erstatten hatte; und da die Leute sich zu Anfang sehr dagegen sträubten, ihre Nachbarn glauben zu lassen, ihre Häuser seien infiziert, so brachten sie es mit Geld oder auf andere Art dahin, daß man bei ihren Toten andere Krankheiten als Todesursachen angab; und so wurde es, das weiß ich, nachher vielerorts gehandhabt, ich glaube, ich kann sagen, überall wo die Seuche hinkam, wie man aus dem ungeheuren Anwachsen der Zahlen ersehen kann, die auf dem Register während der Zeit der Seuche unter den Rubriken anderer Krankheiten eingetragen wurden. So war es zum Beispiel in den Monaten Juli und August, also als die Pest auf ihren Höhepunkt zuging, etwas ganz Gewöhnliches, daß man von tausend bis zwölfhundert, ja bis fünfzehnhundert Tote in der Woche unter anderen Todesursachen fand. Nicht daß die Zahlen jener Krankheiten sich wirklich in dem Maße erhöht hätten, sondern der Grund war, daß so viele Familien und Häuser, in denen tatsächlich die Pest war, sich die Gunst verschafft hatten, für ihre Toten, um ein Sperren ihrer Häuser zu vermeiden, andere Krankheiten als Todesursache eingetragen zu bekommen.
Zum Beispiel:

An anderen Krankheiten als der Pest Verstorbene:

Vom 18. Juli bis 25. Juli 942
Vom 25. Juli bis 1. August 1004
Vom 1. August bis 8. August 1213
Vom 8. August bis 15. August 1439
Vom 15. August bis 22. August 1331
Vom 22. August bis 29. August 1394
Vom 29. August bis 5. September 1264
Vom 5. September bis 12. September 1056
Vom 12. September bis 19. September 1132
Vom 19. September bis 26. September 927

Nun bestand gar kein Zweifel, daß die meisten von diesen, oder doch ein großer Teil von ihnen, an der Pest gestorben waren, nur hatte man die Beamten dazu gebracht, sie wie angegeben aufzuführen, und die Zahlen einiger dieser vorgeschützten Krankheitsarten lauteten:

Über- Fleck- sätti- Zahn- Gesamt-

Fieber fieber gung faule summe
1. Aug. bis 8. Aug. 314 174 85 90 663
8. Aug. bis 15. Aug. 353 190 87 113 743
15. Aug. bis 22. Aug. 348 166 74 111 699
22. Aug. bis 29. Aug. 383 165 99 133 780
29. Aug. bis 5. Sept. 364 157 68 138 727
5. Sept. bis 12. Sept. 332 97 45 128 602
12. Sept. bis 19. Sept. 309 101 49 121 580
19. Sept. bis 26. Sept. 268 65 36 112 481

Es gab noch eine Reihe von anderen Krankheitsarten, die im gleichen Verhältnis zunahmen, und es ist leicht zu durchschauen, daß sie es aus dem nämlichen Grunde taten; da waren: Altersschwäche, Schwindsucht, Erbrechen, Vereiterung, Bauchgrimmen und ähnliches, und man konnte nicht zweifeln, daß viele davon Pestkranke waren; aber da es für die Familien von äußerster Wichtigkeit war, nicht als pestbefallen bekannt zu werden, wenn es sich irgend vermeiden ließ, so griff man zu jedem erdenklichen Mittel, um es abzuleugnen, und wenn jemand im Hause starb, versuchte man es bei den Gesundheitsinspektoren und Leichenbeschauerinnen zu erreichen, daß eine andere Todesursache angegeben wurde.

Dies, sage ich, ist die Erklärung für den langen Zeitraum, der, wie gesagt, zwischen den ersten Meldungen von Pesttoten auf dem Register und der Zeit der offenen und nicht mehr zu verheimlichenden Verbreitung der Pest lag.

Außerdem verraten die Register aus jener Zeit selbst den wahren Tatbestand; denn während der Pest keine Erwähnung getan wurde und nichts von ihrem Anwachsen zu bemerken war, nachdem man sie einmal erwähnt hatte, so war es doch offenbar, daß es ein Anwachsen jener Krankheiten gab, welche der Pest am verwandtesten sind; zum Beispiel hieß es da: acht, zwölf, siebzehn Tote am Fleckfieber, aber gleichzeitig keiner oder nur sehr wenige an der Pest; wo doch früher einer, drei oder vier die gewöhnlichen Zahlen in der Woche für diese Krankheit waren. Ebenso nahmen die Beerdigungen, wie ich schon berichtet habe, in der betreffenden Pfarre und den ihr benachbarten Pfarren mehr als anderswo zu, und doch war nie die Pest als die Ursache dafür angegeben; all das zeigt uns, daß die Infektion weitergegeben wurde und die Seuche ihren natürlichen Fortpflanzungsweg einhielt, obwohl es uns so schien, als habe sie zu der Zeit aufgehört und sei dann auf unerklärliche Art wiedergekommen.

Es kann auch sein, daß die Infektion in anderen Stücken jenes Güterpakets verblieben sein mag, in welchem sie ursprünglich bei uns ankam und das man vielleicht gleich vollends auspackte; oder sie hielt sich in den Kleidern dessen, der zuerst infiziert wurde; denn ich kann mir nicht denken, daß jemand von der Ansteckung ergriffen wird und trotz seines zum sicheren Tode führenden Zustandes sich einer so guten Gesundheit erfreuen kann, daß er neun Wochen lang nicht einmal selbst etwas davon bemerkt; jedoch wenn das der Fall ist, dann ist es nur ein um so schlüssigerer Beweis für das, was ich behaupte, nämlich daß die Ansteckung sich in dem Anschein nach gesunden Menschen aufhält und von ihnen auf andere, mit denen sie Umgang haben, übertragen wird, ohne daß es weder die einen noch die anderen wissen.

Groß war damals die Verwirrung gerade dieserhalb, und als die Leute sich erst überzeugen ließen, daß man die Ansteckung auf diese erstaunliche Weise von Personen, die anscheinend gesund sind, empfing, begannen sie außerordentlich zurückhaltend und mißtrauisch gegen jeden zu werden, der ihnen nahekam. Einmal, an einem allgemeinen Gebetstage – ob es ein Sabbat war oder nicht, weiß ich nicht mehr – geschah es in der Aldgate Kirche, daß in einer Bank voller Menschen eine Frau plötzlich vermeinte, einen üblen Geruch zu riechen. Sofort glaubte sie, die Pest sei in der Bank, flüsterte ihre Idee oder ihren Verdacht der nächsten zu und steht dann auf und verläßt die Bank. Die Nachbarin packte es auch sogleich und ebenso alle andern; und jedermann in der Bank und in zwei oder drei anschließenden stand auf und verließ die Kirche, ohne daß einer gewußt hätte, was ihn belästigt hatte und von wem es kam.

Dies ließ gleich jeden wieder dieses oder jenes Präparat schlucken, so wie es die alten Weiber verschrieben oder wie es vielleicht auch die Ärzte verschrieben, um die Infektion durch den Atem anderer zu verhindern; und das ging so weit, daß, wenn man in eine irgend nur besuchte Kirche eintrat, einem am Eingang ein solches Durcheinander der Gerüche entgegenwehte, wie man es beim Eintritt in einen Apotheker- oder Drogistenladen nicht so stark findet, wenn es dort auch gesünder sein mag. In einem Wort, die ganze Kirche war wie eine Riechflasche; in einer Ecke duftete alles nach Parfümen; in der anderen nach allen möglichen Drogen und Kräutern, Balsamen und Aromaten; in der nächsten wieder nach Riechsalz und alkoholischen Essenzen, eben ganz wie jeder sich zur eigenen Bewahrung versehen hatte. Doch konnte ich beobachten, daß, nachdem der Glaube oder vielmehr die Überzeugung von den Leuten Besitz ergriffen hatte, daß, wie gesagt, die Infektion so von anscheinend gesunden Menschen weitergetragen wird, die Kirchen und Gebetshäuser viel schwächer besucht wurden, als es zu anderen Zeiten zuvor der Fall war. Das muß man aber von den Menschen in London sagen, daß während der ganzen Zeit der Pest die Kirchen oder Gebetshäuser niemals ganz geschlossen wurden und daß die Leute nicht nachließen, sich zur öffentlichen Verehrung Gottes einzufinden, ausgenommen nur, wenn in einer Pfarre die Seuche mit ganz besonderer Heftigkeit wütete, und dann auch nur für die Zeit, die das anhielt.

In der Tat war nichts erstaunlicher als zu sehen, mit welcher Beherztheit die Leute zum öffentlichen Gottesdienst gingen, auch noch zu der Zeit, in der sie sich bei jedem anderen Anlaß fürchteten, aus dem Hause zu gehen; dies meine ich für die Zeit, bevor die Verzweiflung, von der ich sprach, sie überkam. Es war ein Beweis, wie außerordentlich stark die City zur Zeit der Seuche bevölkert war, obwohl doch eine so große Zahl Menschen gleich beim ersten Alarm aufs Land gezogen war und so viele später in die Wälder flohen, als das ungemeine Anwachsen der Seuche ihnen immer mehr Schrecken einflößte. Denn wenn man an den Sabbat-Tagen in die Kirche kam und die Menschenfülle sah, die sich dort drängte, und besonders in den Stadtteilen, wo die Pest nachgelassen hatte oder noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte, da konnte man nur staunen. Aber darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Vorläufig möchte ich zu dem Punkt der gegenseitigen Anstekkung zurückkehren und zwar zum Anfang, wo die Leute noch keine richtige Vorstellung hatten, wie die Ansteckung von einem zum andern vor sich ging. Da hielt man sich nur vor denen zurück, die akut erkrankt waren, also wenn einer eine Kappe auf dem Kopf trug oder Tücher um den Hals, wie es die taten, die dort Geschwülste hatten. Denn das war ja auch abschreckend. Aber wenn wir einen Herrn sahen, der tadellos gekleidet war, die Handschuhe in der Hand und den Hut auf dem Kopf und das Haar glatt gekämmt trug, da hatten wir nicht die geringste Befürchtung, und lange Zeit hindurch pflegten die Leute uneingeschränkten Umgang, besonders mit ihren Nachbarn und Bekannten. Aber als die Ärzte uns versicherten, die Gefahr komme ebenso von den Gesunden, das heißt, von den scheinbar Gesunden, wie von den Kranken und daß oft gerade diejenigen, die sich vollkommen unbetroffen fühlten, mit dem schlimmsten Ausgang rechnen mußten – als dies allmählich von den Leuten soweit verstanden wurde, daß man sich gemeinhin danach richtete und auch die Gründe einsah, da fingen sie an, sage ich, gegen jeden mißtrauisch zu werden, und eine ganze Menge von Leuten schloß sich ein, um überhaupt nicht mehr hinaus und unter Menschen zu gehen, und wenn einer sich draußen mit Krethi und Plethi abgegeben hatte, so ließen sie ihn nicht in ihr Haus, oder sie ließen ihn nicht nahekommen, jedenfalls nicht so nahe, daß er in die Reichweite ihres Atems oder ihres Riechens kam, und wenn sie gezwungen waren, mit Fremden aus der Entfernung zu sprechen, so pflegten sie stets von Vorbeugemittel im Mund oder in ihren Kleidern zu haben, um die Ansteckung abzuwehren und fernzuhalten.

Es muß zugegeben werden, daß die Leute, als sie erst diese Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, weniger der Gefahr ausgesetzt waren, und die Seuche brach in diese Häuser nicht mit dem Ungestüm ein, wie sie es vordem bei anderen getan hatte; und Tausende von Familien wurden auf diese Weise gerettet, wenn man so sagen darf, ohne der Fügung der Vorsehung etwas streitig zu machen.

Aber in die Köpfe der Armen etwas hineinzuhämmern war unmöglich. Ihre Gemütsart blieb so impulsiv, wie sie immer war. Groß war ihr Geschrei und Gezeter, wenn es sie ergriffen hatte, aber solange sie sich wohl befanden, waren sie bis zum Unfug leichtsinnig gegen sich selbst, töricht und unbelehrbar. Wo sie eine Anstellung finden konnten, dort griffen sie bei jeder Art von Arbeit zu, und wenn sie noch so gefährlich und ansteckungsbringend war; wenn man ihnen zuredete, dann pflegten sie zu antworten: »Man muß Gottvertrauen haben; wenn es mich trifft, dann sollte es so sein, und mit mir ist eben Schluß«, und ähnliches. Oder so: »Was soll ich denn tun? Ich kann nicht verhungern. Ich mag ebensowohl die Pest bekommen wie Hungers sterben. Ich habe keine Arbeit mehr; was bleibt mir übrig? Ich muß dies tun oder betteln gehen.« Angenommen es handelte sich um das Totenbestatten oder um Krankenwärterdienste oder um das Bewachen der befallenen Häuser, all das war schrecklich riskant, aber sie hatten immer nur das gleiche dazu zu sagen. Zwar war die Not geltend zu machen eine Rechtfertigung, die man einsehen mußte, und man konnte wohl keine bessere finden; aber sie sprachen auch so, wenn die Not nicht so groß war. Diese Haltung, es darauf ankommen zu lassen, trug ihnen ein, daß die Pest mit einem wahren Ungestüm unter ihnen hauste, und dies, zusammen mit den kläglichen Umständen, unter denen sie von der Krankheit befallen wurden, war auch der Grund, daß sie so haufenweise dahinstarben; denn ich könnte nicht sagen, daß ich je an ihnen beobachtet hätte, daß ihr Haushalten um einen Deut besser wurde, wenn sie dann – ich spreche von den Handarbeit verrichtenden Armen, solange sie gesund waren – Geld verdienten, als zuvor; sondern sie gaben es mit der gleichen verschwenderischen Genußsucht aus wie je und dachten wieder nicht an das Morgen; so daß sie dann, wenn die Krankheit zu ihnen kam, sogleich in der äußersten Not waren, durch den Hunger ebenso wie durch die Krankheit, durch den Mangel an Nahrung nicht weniger als durch den Mangel an Gesundheit.

Dieses Elend der Armen mit meinen eigenen Augen zu sehen hatte ich viele Gelegenheit, manchmal auch die wohltätige Unterstützung, die einige fromme Menschen ihnen täglich angedeihen ließen, indem sie solchen Armen Hilfe sandten und sie mit Nahrung, Medizinen und anderem versorgten, so wie sie fanden, daß sie es brauchten; in der Tat schuldet man es gerechterweise der Gesinnung der Menschen jener Tage, hier zu vermerken, daß nicht nur große Summen, sehr große Summen Geldes an den Lordbürgermeister und die Stadträte zu dem wohltätigen Zweck, den unbemittelten Kranken zu helfen und Unterhalt zu geben, gesandt wurden, sondern daß auch sehr viele Menschen privat jeden Tag große Summen Geldes zur Unterstützung der Armen verteilten und Leute ausschickten, um sich über die Lage einzelner Familien, wenn sie in Not geraten und befallen waren, zu erkundigen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen; ja, einige fromme Damen waren so vom Eifer für das gute Werk entflammt und hatten ein so starkes Vertrauen, es werde ihnen für die Erfüllung der edlen Pflicht der Nächstenliebe der Schutz der Vorsehung gewiß sein, daß sie in eigener Person umhergingen und Almosen an die Armen verteilten und sogar arme Familien, ob sie gleich krank und befallen waren, in deren Häusern selbst besuchten; sie stellten Krankenwärterinnen an, um die zu pflegen, die der Pflege bedurften, und beauftragten Apotheker und Wundärzte, die ersten, ihnen Medizinen und Behandlungsmittel zu liefern oder was sie sonst brauchten, die andern, die Geschwülste und Tumoren aufzuschneiden und zu verbinden, wo solches nottat; so brachten sie den Armen Segen, sowohl durch handgreifliche Unterstützung wie durch inniges Gebet.

Ich möchte es nicht zu behaupten unternehmen, wie einige das tun, alle diese wohltätigen Menschen seien von der Epidemie verschont geblieben; aber soviel kann ich sagen, daß ich keinen gekannt habe, dem etwas zugestoßen wäre, und das erwähne ich zur Ermutigung anderer, die sich im Falle einer gleichen Not befinden; und wenn es wahr ist, daß, wer den Armen gibt, dem Herrn borgt und von Ihm zurückgezahlt erhalten wird, so braucht man nicht zu zweifeln, daß wer sein Leben für die Armen wagt, um ihnen in solch einem Elend Trost und Hilfe zu bringen, auch hoffen darf, in seinem Werk beschützt zu werden.

Dabei war diese ungewöhnliche Nächstenliebe nicht das Vorrecht einiger weniger, sondern (ich komme von diesem Thema nicht so leicht los) die Wohltaten der Begüterten, aus der Stadt und den Vororten sowohl als vom Lande her, kamen so reichlich, daß, um es in einem Wort zu sagen, eine erstaunliche Zahl von Menschen, die sonst unvermeidlich entweder am Hunger oder an der Krankheit hätten umkommen müssen, durch diese Mittel unterstützt und unterhalten werden konnten; und obwohl ich nie zu einer genauen Kenntnis gelangen konnte (das ist wohl niemandem gelungen), was auf diese Weise zusammengekommen ist, so glaube ich doch, was ich einen kritischen Beobachter dieser Angelegenheit sagen hörte: Es seien nicht nur viele tausend Pfund gespendet worden, sondern viele hunderttausend Pfund, um den Armen unserer in Bedrängnis und Not geratenen Stadt zu helfen; ja, jemand hat mir versichert, er könne mehr als hunderttausend Pfund in der Woche aufrechnen, die von den Gemeindevorstehern in den verschiedenen Pfarrsakristeien, vom Lordbürgermeister und den Stadträten in den verschiedenen Stadtbezirken und Revieren, und auf besondere Anweisung des Hofes, beziehungsweise der Friedensrichter in den einzelnen Gebieten, verteilt wurden, und dies zusätzlich zu den Liebesgaben, die von frommer Hand ausgeteilt wurden, so wie ich es eben beschrieb; und das hielt viele Wochen hintereinander an.

Zugegeben, daß dies eine sehr große Summe ist; aber wenn es zutrifft, daß in der Cripplegate Pfarre allein 17 800 Pfund in einer Woche zur Unterstützung der Armen ausgeteilt wurden, wie ich es habe durchaus glaubwürdig berichten hören, dann braucht auch die andere Zahl nicht unwahrscheinlich zu sein.

Man muß dies ohne Zweifel zu den vielen anfallenden Gnadenerweisen der Vorsehung rechnen, die unserer großen Stadt zuteil wurden und von denen noch manch anderer der Aufzeichnung wert wäre – ich sage, dies war ganz besonders auffallend, daß es Gott gefiel, auf diese Art die Herzen der Menschen in allen Teilen des Reiches zu rühren, daß sie mit so freudiger Bereitwilligkeit für die Unterstützung der Armen in London spendeten, wovon die erfreulichen Folgen sich allenthalben bemerkbar machten und besonders darin, daß viele Tausende am Leben erhalten wurden und ihre Gesundheit wiedererlangten und daß Familien, wiederum zu Tausenden, dem Hungertod entgingen.

Und wo ich jetzt bei den gnädigen Fügungen der Vorsehung zur Zeit der Epidemie bin, kann ich nicht umhin, wieder darauf zu sprechen zu kommen, was ich zwar schon öfter in anderem Zusammenhang erwähnt habe, ich meine die Art des Fortschreitens der Pest; wie sie an einem Ende der Stadt begann und sich nur langsam und allmählich von Stadtviertel zu Stadtviertel fortbewegte, gleich einer dunklen Wolke, die über unsern Köpfen dahinzieht: Während sie an einer Stelle sich zusammenballend den Himmel bedeckt, läßt sie an der anderen die Sonne hindurchbrechen; ebenso war es mit dem Verlauf der Pest: während sie in Richtung von Westen nach Osten voranwütete, ließ sie im Westen wieder nach, und dadurch wurden die Stadtteile, die noch nicht ergriffen waren oder verschont blieben, und die, wo die Pest sich bereits ausgetobt hatte, gewissermaßen freigestellt, um den anderen beizustehen und zu helfen. Hätte sich hingegen die Seuche über das ganze Stadtgebiet und die Vororte auf einmal verbreitet und ihre Wut überall zugleich entfaltet, wie sie es seither an manchen Orten im Ausland getan hat, wäre die gesamte Einwohnerschaft überwältigt worden und es wären zwanzigtausend am Tage gestorben, wie es in Neapel geschehen sein soll, so wären die Leute nicht imstande gewesen, einander zu helfen und beizustehen.

Denn wo die Pest einmal war und ihre ganze Macht fühlen ließ, dort waren die Leute, das muß gesagt werden, freilich sehr elend daran, und ihre Niedergeschlagenheit war unbeschreiblich. Aber kurze Zeit noch bevor die Pest bei ihnen angelangt war, oder gleich nachdem sie wieder fort war, waren die Leute wie ausgewechselt; und ich komme nicht darum herum zuzugestehen, daß eben in uns allen zu der Zeit zu viel von der allgemeinen Schwäche des Menschen zu finden war, nämlich das, was Erlösung brachte, zu vergessen, sobald die Gefahr vorbei ist. Aber ich komme später noch darauf zurück.

Es darf nicht vergessen werden, hier etwas über den Stand des Handels während der Zeit der Epidemie zu berichten, und zwar sowohl was den Außenhandel wie den Handel im eigenen Lande betrifft.

Bezüglich des Außenhandels braucht nicht viel gesagt zu werden. Die Handelsnationen Europas fürchteten sich alle vor uns; kein Hafen in Frankreich, Holland, Spanien oder Italien wollte unsere Schiffe einlassen oder mit uns verhandeln; mit den Holländern standen wir freilich auf keinem guten Fuß, waren wir doch in einem erbitterten Krieg mit ihnen, aber wenn wir schon in schlechtem Stande waren, nach außen hin zu kämpfen, wer hatte mit einem so fürchterlichen Feinde daheim zu ringen?

Unsere Kaufleute waren entsprechend mattgesetzt; ihre Schiffe konnten nirgendwo hinfahren, das heißt nirgends hin außerhalb Englands; ihre Produkte und Waren, alles, was aus unserem Land stammte, wurde im Ausland nicht angerührt. Man fürchtete sich ebenso vor unseren Gütern wie vor unseren Menschen; und man hatte freilich Grund dazu, denn unsere Wollstoffe nahmen die Infektion ebenso in sich auf wie menschliche Körper, und wenn sie von infizierten Personen verpackt wurden, dann konnten sie die Ansteckung mitbekommen und waren so gefährlich anzufassen wie ein Mann, der die Ansteckung hatte; und wenn deshalb ein englisches Schiff irgendwo in einem fremden Lande ankam und sie seine Ladung überhaupt an Land nahmen, ließen sie immer die Ballen öffnen und an eigens dafür bestimmten Plätzen lüften. Aber was von London kam, durfte nicht in den Hafen einlaufen, noch viel weniger die Ladung löschen, ganz gleich, was man ihnen bot; diese Strenge übten sie besonders in Spanien und Italien gegen die Londoner. In der Türkei und den Inseln des Archipels, wie sie hießen, sowohl auf denen, die den Türken, wie denen, die den Venezianern gehörten, waren sie nicht ganz so streng. Zu Anfang fand man überhaupt keinen Widerstand; und vier Schiffe, die in der Themse für Italien geladen hatten, das heißt für Livorno und Neapel, fuhren, als sie dort keine Einfahrt bekamen, weiter nach der Türkei und durften dort ohne Schwierigkeit ihre Ladung löschen; nur daß sie an Ort und Stelle feststellten, daß manches von ihrer Ladung für den Verkauf in dem Lande nicht geeignet war; anderes war an Kaufleute in Livorno adressiert, und so hatten die Kapitäne der Schiffe kein Recht und keine Weisung, über die Ware anders zu verfügen; das hatte für die Handelsherren große Unzuträglichkeiten im Gefolge. Aber schließlich war das nur eine Unumgänglichkeit des Geschäftsweges, und die Kaufleute in Livorno und Neapel schickten, als man sie benachrichtigte, von sich aus andere Schiffe, um die Waren, die für ihre Häfen bestimmt waren, entgegenzunehmen und, was davon für die Märkte von Smyrna und Iskenderun ungeeignet war, wieder mitzunehmen.

Die Unzuträglichkeiten waren in Spanien und Portugal noch größer, denn sie wollten dort unter keinen Umständen unseren Schiffen, besonders denen von London, gestatten, in ihre Häfen einzulaufen, geschweige denn Ladung abzusetzen. Es wurde erzählt, eines unserer Schiffe habe heimlich seine Waren ausgeladen, darunter einige Ballen englischen Tuchs, Baumwolle, Unterzeug und ähnliche Sachen, da hätten die Spanier alles verbrennen lassen und die Männer, die das Anlandbringen besorgt hätten, mit dem Tode bestraft. Dies war teilweise, glaube ich, sogar wahr, obwohl ich es nicht mit Bestimmtheit behaupten will; aber es ist keineswegs unwahrscheinlich, da sie doch sahen, daß die Gefahr wirklich sehr ernst war, da die Pest in London so sehr wütete.

Ich hörte ebenfalls, die Pest sei von einigen unserer Schiffe in jene Länder eingeschleppt worden, und besonders in die Hafenstadt Faro, im Königreich Algarve, das dem König von Portugal gehörte, und dort seien einige Personen gestorben, aber das ist nicht bestätigt worden.

Doch obwohl die Spanier und Portugiesen sich so abweisend gegen uns verhielten, so ist es doch andererseits ganz sicher, daß, da die Pest sich ja, wie gesagt, zuerst ziemlich auf die Gegend um Westminster beschränkte, das Handelszentrum der Stadt, also die City und die Docks, bis mindestens Anfang Juli völlig gesund war, und die Schiffe auf dem Fluß bis Anfang August; denn bis zum ersten Juli waren in der ganzen City nur sieben Menschen gestorben, und nur sechzig innerhalb der Stadtfreiheit, und nur einer in all den Pfarren Stepney, Aldgate und Whitechapel, und nur zwei in den acht Pfarren von Southwark. Aber im Ausland unterschied man das nicht; die schlimme Nachricht war einmal durch die ganze Welt gegangen, daß die Stadt London von der Pest befallen sei, und da fragte niemand mehr, wie die Infektion voranschritt oder in welchem Stadtteil sie angefangen hatte und wie sie ihren Weg nahm.

Außerdem wuchs sie dann, als sie sich erst auszubreiten begann, so rasch an, und die Totenregisterzahlen sprangen so rasch in die Höhe, daß es keinen Sinn hatte, die Berichte abzuschwächen oder etwas zu unternehmen, daß die Menschen im Ausland dächten, es sei weniger schlimm als es war; aus dem, was auf den wöchentlichen Totenregistern stand, wußten sie genug; und daß es in der Woche zweitausend oder drei- oder viertausend Tote gab, das reichte aus, um die ganze handeltreibende Welt aufzuschrecken, und als es in der darauffolgenden Zeit auch in der City selbst so schrecklich herging, war man überall, sage ich, sehr auf der Hut vor uns.

Und man kann sicher sein, daß der Kunde von diesen Dingen, wenn sie weitergetragen wurde, unterwegs nichts verloren ging. Die Pest war schon an sich schlimm genug und die Drangsal der Menschen sehr groß, wie man aus dem, was ich berichtet habe, wohl entnehmen kann. Aber das Gerücht machte es noch unendlich viel größer, und so durfte man sich nicht wundern, daß unsere Freunde im Ausland, wie die Korrespondenten meines Bruders, etwa in Portugal und in Italien, wo er seine hauptsächlichen Handelsbeziehungen hatte, es dort erzählen hörten, in London stürben zwanzigtausend Menschen in der Woche; die Leichen lägen haufenweise unbeerdigt; es gebe nicht genug Lebende, um die Toten zu bestatten, oder Gesunde, um sich der Kranken anzunehmen; das ganze Königreich sei gleichermaßen verseucht, so daß die Krankheit allgemein verbreitet sei, wie es in jenen Ländern unerhört war; und sie konnten uns kaum glauben, als wir ihnen eine Darstellung der Dinge, wie sie tatsächlich waren, zusandten: Daß nicht mehr als ein Zehntel der Bevölkerung gestorben war, daß noch 500 000, die die ganze Zeit über in der Stadt verblieben waren, lebten; daß jetzt die Leute wieder auf den Straßen zu spazieren begännen und die Geflüchteten zurückkehrten; daß es auf der Straße nicht mehr an dem üblichen Gedränge fehle und daß höchstens die einzelnen Familien ihre Verwandten und Nachbarn vermißten, und so weiter. Ich sage, sie konnten dies nicht glauben; und wenn man heute in Neapel oder in anderen Städten an der italienischen Küste nachfragen würde, so würden sie einem dort immer noch erzählen, daß vor so vielen Jahren eine schreckliche Pest in London gewesen ist, während welcher, wie oben, zwanzigtausend Menschen in der Woche gestorben sind, und so fort, geradeso wie wir in London es haben berichten hören, es sei im Jahre 1656 in der Stadt Neapel eine Pest gewesen, während welcher zwanzigtausend Menschen am Tage gestorben seien, und das war, dafür habe ich sehr gute Anhaltspunkte, völliger Unsinn.

Aber diese ausschweifenden Gerüchte waren sehr nachteilig für unseren Handel, außerdem ungerecht und verleumderisch in sich selbst, denn es dauerte lange Zeit, nachdem die Pest schon völlig vorbei war, bis unser Handel sich in jenen Ländern wieder erholen konnte; und die Flamen und die Holländer, aber besonders die letzteren, nutzten es sehr zu ihrem Vorteil aus; sie hatten den ganzen Markt für sich allein, und sie kauften sogar in verschiedenen Gegenden Englands, wo die Pest nicht war, unsere Erzeugnisse auf und brachten sie nach Holland oder Flandern, und von dort führten sie sie nach Spanien oder Italien aus, als seien sie von ihnen selbst hergestellt worden.

Aber manchmal kam man ihnen dahinter, und sie wurden bestraft, das heißt, ihre Güter wurden beschlagnahmt und auch die Schiffe; denn wenn es zutraf, daß unsere Erzeugnisse ebenso wie unsere Menschen verseucht waren und daß es gefährlich war, englische Güter aufzupacken und ihren Geruch zu atmen, dann spielten die Leute, die diesen heimlichen Handel betrieben, mit der Gefahr, die Ansteckung nicht nur in ihr eigenes Land zu bringen, sondern auch die Länder, an welche sie diese Güter lieferten, zu infizieren, und wenn man bedenkt, wieviele Menschenleben durch eine solche Handlungsweise hätten verlorengehen können, dann muß man sagen, daß bei diesem Geschäft Männer von Gewissen sich nicht hätten beteiligen dürfen.

Ich möchte es nicht zu behaupten unternehmen, daß von diesen Leuten irgendein Schaden, ich meine dieser Art, angerichtet worden ist. Aber ich fürchte, diesen Vorbehalt kann ich nicht machen, was unser eigenes Land angeht; denn entweder durch die Londoner Bevölkerung oder durch die Geschäftstätigkeit, die den Kontakt mit allen möglichen Leuten in jeder Grafschaft und jeder wichtigeren Stadt notwendig machte, ich sage, auf diese Weise wurde die Pest früher oder später über das ganze Königreich verbreitet, so daß sie wie in London auch in allen größeren Städten und Ortschaften herrschte, besonders in den Gewerbe- und Geschäftszentren und in den Seehäfen; und früher oder später wurden alle Orte von Bedeutung in England heimgesucht, der eine mehr, der andere weniger, und auch das Königreich Irland an manchen Stellen, aber nicht so allgemein. Wie es der Bevölkerung Schottlands erging, hatte ich keine Gelegenheit ausfindig zu machen.

Es muß darauf hingewiesen werden, daß, während die Pest so heftig in London andauerte, die Außenhäfen, wie sie genannt wurden, sich eines sehr lebhaften Handels erfreuten, besonders mit nahegelegenen Ländern und mit unseren eigenen Kolonien. Die Städte Colchester, Yarmouth und Hull führten zum Beispiel von dieser Seite Englands nach Holland und nach Hamburg die Erzeugnisse ihres Hinterlandes aus, während monatelang der Handel mit London praktisch völlig ausfiel; ebenso nahmen die Städte Bristol und Exeter über den Hafen Plymouth einen ähnlichen Vorteil mit Spanien, den Kanarischen Inseln, Guinea und den Westindischen Inseln wahr und besonders mit Irland; aber da dann die Pest sich, nachdem sie in London im August und September ein solches Ausmaß angenommen hatte, nach allen Richtungen hin ausbreitete, wurden nach und nach alle oder die meisten dieser Städte und Ortschaften infiziert, und damit geriet der Handel sozusagen unter ein allgemeines Embargo oder kam zum völligen Erliegen, wie ich noch des weiteren erörtern werde, wenn ich auf den Binnenhandel zu sprechen komme.

Eines jedoch muß noch gesagt werden: Was die Schiffe, die von draußen heimkamen, angeht, und das waren gewiß nicht wenige, so waren manche schon eine beträchtliche Zeit in irgendwelchen Weltteilen unterwegs, oder sie hatten bei ihrer Ausfahrt noch nichts von einer Seuche gewußt, oder jedenfalls nicht von einer so fürchterlichen; diese kamen unbedenklich den Fluß heraufgefahren und lieferten ihre Ladung ab, wie es ihre Schuldigkeit war, ausgenommen nur in den beiden Monaten August und September; da lag dann das Hauptgewicht der Seuche, wenn ich so sagen darf, unterhalb von London Bridge, und niemand wagte für eine Weile, sich in Geschäften sehen zu lassen. Aber da dies nur wenige Wochen dauerte, gingen die heimkehrenden Schiffe, besonders solche, deren Ladung keine verderblichen Güter enthielt, kurz vor dem Pool vor Anker, oder soweit hinunter, wie das Süßwasser des Flusses reicht, etwa bis zur Mündung des Medway; in ihn waren mehrere hineingelaufen, und andere lagen am Nore oder auf der Hope unterhalb Gravesend. Bis Ende Oktober hatte sich eine sehr große Flotte heimkehrender Schiffe eingefunden, so wie man seit vielen Jahren nicht dergleichen gesehen hatte.

Zwei Handelszweige wurden auf dem Wasserwege die ganze Zeit der Pest hindurch weitergeführt, und zwar mit keiner oder kaum einer Unterbrechung, und das war ein Glück und ein Trost für die arme, bedrängte Bevölkerung der Stadt: Es waren der Küstenhandel mit Getreide und der Newcastle-Handel mit Kohle.

Der erste wurde vornehmlich von kleineren Schiffen wahrgenommen, die vom Hafen Hull aus und von anderen Orten am Humber große Ladungen Getreide aus Yorkshire und Lincolnshire in die Stadt brachten. Des weiteren wurde der Getreidehandel von Lynn in Norfolk und von Wells, Burnham und Yarmouth, alles Orte in der gleichen Grafschaft, betrieben; ein dritter Sektor lag um den Medway Fluß; Milton, Feversham, Margate und Sandwich waren dort die Ausgangspunkte und auch alle anderen kleinen Hafenplätze an der Küste von Essex und Kent.

Es gab auch mit der Suffolk-Küste einen sehr regen Handelsverkehr in Getreide, Butter und Käse; diese Schiffe hielten den Warenzustrom aufrecht und ohne Unterbrechung kamen sie bis zu dem Marktplatz herauf, der heute noch unter dem Namen Bear Key bekannt ist, und dort lieferten sie ausreichende Mengen von Getreide an, als die Zufuhr auf dem Landweg zum Erliegen kam und die Bauersleute von vielen Dörfern her nicht mehr recht kommen mochten.

Dies war wieder zum großen Teil der klugen Amtsführung des Lordbürgermeisters zuzuschreiben, der es sich angelegen sein ließ, die Kapitäne und die Besatzungen der Schiffe vor Gefahr zu schützen, wenn sie heraufkamen, indem er veranlaßte, daß ihnen das Getreide auch außerhalb der Marktzeiten abgenommen wurde, wenn sie es wünschten (was sie indes sehr selten taten), und daß die Faktoreien die Getreideladungen ohne Verzug löschten und übernahmen, so daß die Besatzungen kaum Anlaß hatten, ihre Schiffe zu verlassen; das Geld wurde ihnen stets an Bord gebracht und in einen Eimer mit Essig getan, bevor es kassiert wurde.

Der andere Handelszweig befaßte sich mit Kohlelieferungen von Newcastle am Tyne, und ohne diese wäre die Stadt in arge Verlegenheit gekommen; denn nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Privathäusern wurden große Mengen Kohle gebrannt, auch während der ganzen Sommerzeit und als das Wetter am heißesten war, und das geschah auf Anraten der Ärzte. Einige zwar sprachen sich dagegen aus und ließen sich nicht davon abbringen, daß, die Häuser und Zimmer geheizt zu halten, nur ein Mittel sei, der Krankheit Vorschub zu leisten, denn diese sei ja gerade eine Hitze erzeugende Gärung im Blut; sie verbreite sich bekanntlich bei warmem Wetter und nehme zu, bei kaltem aber gehe sie zurück; und darum, so behaupteten sie, sei Wärme das Schlimmste bei ansteckenden Krankheiten, denn die Ansteckung gedeihe und gewinne Kraft im heißen Wetter und pflanze sich, sozusagen, in der Hitze fort.

Andere gaben zu, daß Hitze des Klimas der Infektion förderlich sein könne, da schwüles, heißes Wetter die Luft mit Ungeziefer erfülle und unzählbare Scharen giftiger Lebewesen gedeihen lasse, die in unserer Nahrung, in den Pflanzen und sogar in unseren Körpern entstehen; und schon ihr Geruch könne die Infektion verbreiten; weiter, daß eine Erwärmung der Luft oder eine Hitzezeit, wie wir es gewöhnlich beim Wetter nennen, schlaff und schwach mache, die Lebensgeister ermüde, die Poren öffne und uns für Ansteckungen oder üble Einflüsse empfänglicher mache, sie mögen von schädlichen Pestdünsten ausgehen oder von sonst etwas, das in der Luft ist; was aber die Hitze eines Feuers angehe, besonders die Hitze eines Kohlenfeuers, das wir im Hause oder um uns zu wärmen unterhalten, so glaubten sie, deren Wirkweise sei gänzlich verschieden; diese Hitze sei nicht von der gleichen Art, sondern jäher und ungestümer Natur, nicht dazu angetan, gedeihen zu lassen, sondern alle jene schädlichen Dünste zu verzehren und zu zerstreuen, die die andere Art von Hitze eher ausströme und verweilen lasse, als sie aufzulösen oder aufzubrauchen.

Außerdem hieß es, die Schwefel- und salpeterhaltigen Bestandteile, die oft zusammen mit der Pechsubstanz, welche brennt, in der Kohle gefunden werden, trügen alle dazu bei, die Luft zu klären und zu reinigen und sie für das Atmen gesund und sicher zu machen, nachdem die schädlichen Partikeln, wie oben, vertrieben und aufgebraucht seien.

Die letztere Meinung war zu der Zeit vorherrschend und, wie ich gestehen muß, wohl mit gutem Grunde, denn die Erfahrung der Stadtbewohner bestätigte sie; viele Häuser, in deren Zimmern ständig ein Feuer brennend erhalten wurde, wurden auch niemals befallen; und ich muß aus meiner eigenen Erfahrung hinzufügen, daß ich gefunden habe, das Unterhalten eines kräftigen Feuers machte unsere Zimmer angenehm und gesund und wirkte ebenso auf uns selbst, und ohne das, das ist meine feste Überzeugung, wäre es nicht so gewesen.

Aber ich komme auf den Kohlenhandel zurück. Es bereitete nicht geringe Schwierigkeiten, ihn aufrechtzuerhalten, und zwar besonders deswegen, weil die Holländer, mit denen wir uns ja zu der Zeit im offenen Kriege befanden, zu Anfang eine ganze Reihe unserer Kohlenschiffe gekapert hatten, so daß die übrigen vorsichtig wurden und nur noch in ganzen Flottenverbänden fuhren. Aber nach einiger Zeit bekamen entweder die Freibeuter Angst, sie zu kapern, oder ihre Herren in den Niederlanden fürchteten sich und verboten es ihnen, um nicht die Pest ins Land zu holen, und daran taten sie bestimmt gut.

Zu ihrer eigenen Sicherheit verfügte der Lordbürgermeister, daß jeweils nur eine beschränkte Anzahl der Kohlenschiffe aus dem Norden zugleich bis zum Pool hinaufkommen solle, und ließ Ladekähne und die Schiffe von Holzhändlern, Kohlenverkäufern und Anlegestellenbesitzern dafür herrichten und bereitstellen, daß sie bis nach Deptford und Greenwich und manchmal noch weiter hinunter den Kohlenschiffen entgegenfuhren, um sie zu entladen.

Andere lagerten große Mengen Kohlen auf bestimmten Plätzen ab, wo die Schiffe bis ans Ufer heranfahren konnten, so etwa in Greenwich, Blackwell und an anderen Orten; dort wurde die Kohle wie zum Verkauf auf große Haufen geschüttet, wurde dann aber abgeholt, sobald die Schiffe, die sie gebracht hatten, wieder fort waren, und so kamen die Seeleute mit den Flußschiffen gar nicht in Berührung, nicht einmal so weit, daß sie einander auch nur aus der Nähe gesehen hätten.

Doch all diese Vorsichtsmaßnahmen konnten nicht verhindern, daß die Seuche dennoch in den Kohlenhandel, das heißt auf die Kohlenschiffe, drang, und so mußte eine große Anzahl von Seeleuten an ihr sterben; und was noch schlimmer war, sie schleppten die Seuche mit nach Ipswich und Yarmouth, nach Newcastle am Tyne und an andere Orte an der Küste, und dort, besonders in Newcastle und in Sunderland, raffte sie viele Menschen dahin.

Das Brennen so vieler Feuer, wie oben, verbrauchte allerdings in der Tat ungewöhnlich große Mengen von Kohle; und nachdem die Schiffe, ich weiß nicht mehr, ob durch widriges Wetter oder Einwirkung des Feindes, ein oder zwei Male ausgeblieben waren, ging der Preis für Kohle außerordentlich in die Höhe, stieg bis auf vier Pfund je Chaldron, aber er ließ bald nach, als die Schiffe wieder kamen, und da sie dann später ungehindertere Fahrt hatten, war der Preis während des übrigen Jahres recht erträglich.

Die Feuer, die auf öffentlichen Plätzen beim Ausbruch der Pest gebrannt wurden, hätten der Stadt, so habe ich mir ausgerechnet, mindestens gegen 200 Chaldrons Kohle in der Woche gekostet, wenn sie weiterunterhalten worden wären, und das war immerhin eine ganz beträchtliche Menge; aber da man es für notwendig hielt, sparte man nicht. Als jedoch einige Ärzte sich gegen die Feuer aussprachen, ließ man sie nach vier oder fünf Tagen ausgehen. So waren die Feuer angeordnet worden: Eines am Zollhaus, eines am Billingsgate, eines bei Queenhithe, eines an den Drei Kränen; eines in der Blackfriars Gasse und eines am Tor von Bridewell; eines an der Ecke Leadenhall Straße und Gnadenkirche; eines am Nordtor und eines am Südtor der Königlichen Börse; eines an der Gilden-Halle und eines am Tor von Blackwell Hall; eines vor des Lordbürgermeisters Tür am St.-Helenen-Platz, eines am Westeingang von St. Paul und eines am Eingang der Bow Church. Ich kann mich nicht mehr entsinnen, ob an den City-Toren eines brannte, aber am Fuß der Brücke war eines, gerade bei der St.-MagnusKirche.

Ich weiß, einige Leute haben später über das Experiment gezetert und behauptet, es seien wegen dieser Feuer nur um so mehr Leute gestorben; aber ich habe noch keinerlei Beweise gesehen, die sie für ihre Behauptung vorgelegt hätten, und ich kann es auch wirklich in gar keinem Betracht glauben.

Es bleibt noch, einen Bericht über den Stand des heimatlichen Binnenhandels in England während der Schreckenszeit zu geben, besonders was Handel und Gewerbe in der City betrifft. Beim ersten Ausbrechen der Seuche gab es, wie man wohl leicht verstehen wird, eine sehr große Bestürzung unter den Leuten, und die Folge war ein allgemeiner Stillstand des Geschäftslebens, ausgenommen in den notwendigen Versorgungsgütern; aber auch da gab es keinen Rückgang, da so viele Menschen geflohen waren und eine so erhebliche Anzahl stets krank war, um die vielen, die starben, nicht zu erwähnen; und so konnten nicht mehr als zwei Drittel, wenn es schon mehr als die Hälfte war, von dem Verbrauch an Versorgungsgütern übrigbleiben, gegen früher gemessen.

Es gefiel dem Herrgott, uns ein Jahr der Fülle an Getreide und Obst zu bescheren, nicht jedoch an Heu und Gras; auf diese Weise war Brot billig, aufgrund der reichen Getreideernte. Fleisch war billig, aufgrund des Futtermangels; aber Butter und Käse waren, aus dem gleichen Grund, teuer, und Heu wurde auf dem Markt gleich hinter Whitechapel Bars zu vier Pfund das Fuder verkauft. Aber dies tat den Armen keinen Abbruch. Es gab einen außerordentlichen Überfluß an allen Arten von Obst, wie Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Weintrauben, und sie waren, weil es weniger Abnehmer waren, billig; aber dies ließ die Armen zuviel davon essen und brachte ihnen Durchfall, Bauchgrimmen, Übersättigung und ähnliche Übel, von denen sie leicht in die Pest verfielen.

Aber es soll ja vom Handel die Rede sein. Das Wichtigste war, daß der Export zum Erliegen kam oder doch an großen Unterbrechungen und erheblichen Schwierigkeiten litt, und die natürliche Folge war das allgemeine Einstellen der Produktion, die gewöhnlich für den Export bestimmt war; und obwohl die Kaufleute im Auslande manchmal dringend um Ware baten, so konnte doch wenig versandt werden, da man den englischen Schiffen, wie ich schon sagte, so weitgehend die Zufahrt sperrte, daß keines irgendwo in den Hafen gelangte.

Dies machte allem Gewerbe, das für den Export arbeitete, in ganz England ein Ende, ausgenommen in einigen Außenhäfen; und auch dort hörte es bald auf, denn sie alle bekamen die Pest, der Reihe nach. Aber obwohl sich das in ganz England bemerkbar machte, so war es doch noch schlimmer, daß aller Warenverkehr für den heimischen Verbrauch, besonders derjenige, der gewöhnlich seinen Weg über London genommen hatte, plötzlich aussetzte, da ja in der City der Geschäftsbetrieb eingestellt war.

Die verschiedensten Gewerbe, Handwerker und Mechaniker, waren in der City, wie ich vorher schon sagte, ohne Arbeit, und das führte dazu, daß unzählige Handwerksgesellen und Arbeiter aller Arten fortgeschickt und entlassen wurden, da ja in diesen Betrieben nichts mehr getan wurde, außer was absolut notwendig war.

Aus diesem Grunde stand das Gros der unverheirateten Männer mittellos da und ebenso die Familien, deren Lebensunterhalt davon abhing, daß das Familienhaupt Arbeit hatte; ich sage, dies brachte sie ins äußerste Elend; und ich kann nur beteuern, wie sehr es der Stadt London zur Ehre gereicht und noch lange Zeit, solange man hiervon spricht, gereichen wird, daß man imstande war, die Not so vieler Tausender, die dann krank wurden und Mangel litten, mit wohltätiger Fürsorge zu beheben, so daß man mit gutem Gewissen sagen kann, niemand sei vor Hunger umgekommen, jedenfalls solange die Behörden in Kenntnis gesetzt wurden.

Dieser Stillstand unserer Geschäftstätigkeit mit dem Lande hätte die Leute dort in noch größere Schwierigkeiten gebracht, wenn nicht die Meister bestimmter Gewerbe, Kleidermacher und andere, bis zur Erschöpfung ihrer Vorräte und Mittel mit der Herstellung ihrer Waren fortgefahren hätten, um die Armen beschäftigt zu halten, in der Erwartung, daß sobald die Krankheit nachlasse, eine um so lebhaftere Nachfrage nach ihren Erzeugnissen den vorübergehenden Rückgang wettmachen werde. Aber da das sich nur die reichen Meister leisten konnten, viele aber nicht die Mittel dafür besaßen, litt das Gewerbe in England große Verluste, und die Armen in ganz England bekamen es zu spüren, was allein die Pest in London bedeutete.

Freilich brachte ihnen das nächste Jahr durch eine weitere schreckliche Katastrophe, die über die Stadt kam, eine volle Entschädigung; so stürzte die Stadt durch die eine Katastrophe das Land in Armut und Leiden, und durch die andere, ebenfalls schrecklicher Natur, machte sie das Land zum Ausgleich wieder wohlhabend; denn eine unübersehbare Menge von Haushaltsgütern, Bekleidungsgegenständen und anderen Sachen, neben ganzen Speichern voll von Waren und Erzeugnissen, wie sie aus allen Teilen Englands kommen, wurden in dem Jahre nach dieser furchtbaren Heimsuchung bei dem Brande Londons vernichtet. Es ist unglaublich, was das für ein Geschäft im ganzen Königreich in Gang setzte, diese Verluste wieder gutzumachen und den Bedarf aufzuholen; so daß, kurz gesagt, jede arbeitsfähige Hand im Lande eingesetzt wurde, und das reichte mehrere Jahre lang kaum aus, um den Markt zu versorgen und die Nachfrage zu befriedigen. Die ausländischen Märkte waren alle ebenfalls leer von unseren Gütern, so lange hatte die Unterbrechung durch die Pest bis zur Wiederzulassung des Handels gedauert; und zusammen mit dem außergewöhnlichen Bedarf, der daheim anfiel, ergab das einen raschen Abfluß für alle möglichen Waren; und so hat man niemals einen solchen Handel und Wandel in ganz England gesehen wie in den sieben ersten Jahren nach der Pest und nach dem Brand von London.

Es bleibt mir nun noch übrig, etwas von den gnädigen Seiten des schrecklichen Strafgerichts zu sagen. In der letzten Woche im September setzte die Krise der Pest ein, und ihre Wut ließ nach. Ich erinnere mich, wie mein Freund Dr. Heath mich in der Woche davor besuchte und mir sagte, er sei sicher, das Schlimmste werde nun in ein paar Tagen vorüber sein; aber als ich dann sah, daß das Totenregister für die Woche die höchste Zahl im ganzen Jahr, 8297 Tote an allen Krankheiten, verzeichnete, zankte ich mit ihm deswegen und fragte ihn, wie er denn zu einem solchen Schluß komme. Er war jedoch um eine Antwort nicht so verlegen, wie ich gemeint hatte. »Schau her«, sagte er, »nach der Zahl derer, die gegenwärtig krank und infiziert sind, hätten letzte Woche zwanzigtausend und nicht nur achttausend sterben müssen, wenn die alte Todesseuche noch so stark gewesen wäre, wie sie vor zwei Wochen war; damals führte sie in zwei oder drei Tagen zum Tode, jetzt braucht sie nie weniger als acht oder zehn dafür, und damals wurde nicht mehr als einer unter fünfen wieder gesund, während ich jetzt beobachte, daß nicht mehr als zwei unter fünfen dahingehen. Und, laß es dir gesagt sein, das nächste Mal wird das Totenregister gesunken sein, und du wirst viel mehr Leute wieder gesund werden sehen als bisher; denn mögen auch sehr viele jetzt überall infiziert sein und ebensoviele jeden Tag neu krank werden, so viele wie schon verschieden sind, werden nicht mehr sterben, denn die Bösartigkeit der Krankheit hat nachgelassen«; und er fügte hinzu, er beginne jetzt zu hoffen oder sogar mehr als nur zu hoffen, daß die Seuche ihre Krise hinter sich habe und am Ausklingen sei; und genau so war es, denn in der nächsten Woche, der letzten, wie gesagt, im September, nahm das Totenregister um beinahe zweitausend ab.

Zwar hatte die Pest immer noch ein schreckliches Ausmaß, und die Zahl auf dem nächsten Totenregister betrug nicht weniger als 6460 und die Woche darauf 5720; aber dennoch war meines Freundes Beobachtung richtig, und es zeigte sich tatsächlich, daß die Leute schneller gesundeten und in größerer Anzahl als bis dato; freilich, wenn das nicht so gekommen wäre, was wäre aus der City von London geworden? Denn nach den Angaben meines Freundes gab es nicht weniger als 60 000, die zu der Zeit die Ansteckung hatten, von denen, entsprechend dem oben Gesagten, 20 477 starben und nahezu 40 000 wieder gesund wurden; während, nach den zuvor herrschenden Verhältnissen, wahrscheinlich 50 000 von ihnen gestorben wären, wenn nicht noch mehr, und weitere 50 000 noch dazu krank geworden wären; denn, in einem Wort, die gesamte Bevölkerung verfiel der Krankheit, und es sah aus, als ob niemand davonkommen werde.

Aber wie recht mein Freund mit seiner Bemerkung gehabt hatte, erwies sich ein paar Wochen später noch deutlicher, denn der Rückgang hielt an, und nach zwei Oktoberwochen nahm die Zahl um 1843 ab, so daß die Zahl der Pesttoten nur 2665 betrug; und in der darauffolgenden Woche waren es wieder 1413 weniger, obwohl es doch so klar zutage lag, wie ungemein viele Menschen krank waren; ja, es waren ihrer viel mehr denn je, und in großen Mengen wurden sie jeden Tag neu krank, aber die Bösartigkeit der Seuche hatte nachgelassen.

So jäh war die Reaktion unserer Bevölkerung (ob es überall in der Welt so ist oder nicht, habe ich hier nicht im einzelnen nachzuprüfen, aber bei uns konnte ich es nur zu deutlich sehen), daß die Leute, wie sie bei ihrer anfänglichen Angst vor der Ansteckung einander aus dem Wege gegangen und des andern Haus gemieden und aus der Stadt geflohen waren, vor lauter, wie mir schien, unbesonnener und übertriebener Furcht, so jetzt, als es sich herumsprach, daß die Seuche nicht mehr so ansteckend war wie vordem und daß sie, wenn man sie bekam, nicht mehr so todbringend war, und als man jeden Tag Leute sehen konnte, die nach einem ernstlichen Erkranktsein wieder aufstanden – so faßten sie jetzt, sage ich, solch einen überstürzten Mut und wurden so leichtsinnig gegen sich selbst und die Infektion, daß sie wegen der Pest nicht mehr Umstände machten als mit einem gewöhnlichen Fieber, ja vielleicht noch weniger.

Sie begaben sich nicht nur bedenkenlos in die Gesellschaft solcher, die Geschwülste und Karbunkel am Leibe hatten, und mochten die auch eitern und somit ansteckend sein, sondern aßen und tranken auch mit ihnen, ja gingen in deren Häuser, um sie zu besuchen, und sogar bis in die Stuben, wo sie krank lagen.

Das konnte ich nicht als sehr vernünftig ansehen. Mein Freund Dr. Heath räumte ein, und es war auch eine allgemeine Erfahrungstatsache, daß die Seuche so ansteckend war wie je und immer noch genau so viele ergriff wie früher; nur behauptete er, es stürben nicht mehr so viele von denen, die krank wurden; aber ich glaube, viele starben dennoch dieweil, und die Seuche war immer noch furchtbar, die Wunden und Schwellungen waren schmerzhaft genug und die Todesgefahr aus den Umständen der Krankheit noch keineswegs gebannt, wenn auch der Tod seltener eintrat als vorher; all dies und dazu die ungewöhnliche Langwierigkeit der Heilung, der Ekelhaftigkeit der Krankheit und viele andere Gesichtspunkte reichten aus, einen Mann von dem Zusammenleben in einer gefährlichen Gemeinschaft mit Erkrankten abzuschrecken und ihn sich ebenso ängstlich vor einer Ansteckung hüten zu lassen wie zuvor.

Ja, und da war noch etwas, was Furcht davor einflößte, mit der Seuche auch nur zu tun zu haben, und das war das schreckliche Brennen der Ätzmittel, die die Wundärzte den Geschwülsten auflegten, um sie zum Aufbrechen und Auseitern zu bringen; ohne das war die Todesgefahr nämlich sehr groß und zwar noch bis zum Ende. Und auch der unerträgliche Schmerz der Geschwülste, der die Leute zwar nicht mehr zu Raserei und Wahnsinn trieb, wie es vorher war und wie ich es an einzelnen Beispielen schilderte, jedoch dem Patienten unsägliche Qualen zufügte; und wer da befallen wurde, der, mochte er auch mit dem Leben davonkommen, machte denen bittere Vorwürfe, die ihm gesagt hatten, es bestehe keine Gefahr, und bedauerte wehmütig seinen Leichtsinn und seine Unbesonnenheit, sich dem ausgesetzt zu haben.

Und nicht immer endete das unvorsichtige Verhalten der Leute damit, denn eine große Anzahl von denen, die sich so aller Vorsicht begeben hatten, mußten noch Schlimmeres erdulden, und obwohl viele durchkamen, so starben doch auch viele; jedenfalls hatte es für die Öffentlichkeit die mißliche Folge, daß die Zahl der Beerdigungen langsamer abnahm als sie es sonst getan hätte. Die Kunde hatte sich wie ein Blitz in der Stadt verbreitet und von den Köpfen der Leute Besitz ergriffen, kaum daß das erste größere Absinken der Zahlen auf dem Register bekannt wurde; und in den nächsten beiden Wochen mußten wir dann feststellen, daß das Absinken sich nicht im gleichen Verhältnis fortgesetzt hatte; den Grund dafür erblicke ich darin, daß die Leute so unbedacht in die Gefahr hineinliefen und alle ihre frühere Zurückhaltung und Vorsicht und Bedachtsamkeit aufgaben, die sie bis dahin geübt hatten, in dem sicheren Verlaß darauf, daß die Krankheit sie nicht ergreifen werde, und wenn, sie nicht an ihr sterben würden.

Die Ärzte mißbilligten diese Gedankenlosigkeit der Leute mit aller Macht und gaben gedruckte Verhaltensregeln heraus, die sie über das ganze Stadtgebiet und die Vororte verbreiten ließen; sie rieten darin den Leuten, in ihrer Zurückhaltung fortzufahren und weiterhin die äußerste Vorsicht in ihrem täglichen Umgang walten zu lassen, ungeachtet des Nachlassens der Seuche, die mit der Gefahr drohe, die ganze Stadt in einen Rückfall zu stürzen; und sie warnten, daß ein solcher Rückfall noch gefährlicher und todbringender sein könne als die ganze bis dahin erlebte Heimsuchung; dafür führten sie viele Gründe und Beweise an, um den Leuten das einleuchtend zu machen, aber sie sind zu lang, um sie hier wiederzugeben.

Es war jedoch alles umsonst; die übermütigen Geschöpfe waren so erfüllt von ihrer ersten Freude und der Überraschung, mit Gewißheit ein erhebliches Absinken auf den Registern zu sehen, daß sie für alle weiteren Schreckensdrohungen unzugänglich blieben und nichts anderes hören wollten, als daß die Bitterkeit der Todesängste vorbei war; und es hatte nicht mehr Sinn, ihnen zureden zu wollen als dem Ostwind; und sie öffneten ihre Läden, gingen in den Straßen umher und ihren Geschäften nach und ließen sich mit jedem, der ihnen begegnete, in ein Gespräch ein, ob es sich um Geschäftliches handelte oder nicht, und ohne sich nach dem Gesundheitszustand des Betreffenden zu erkundigen oder auch nur eine Gefahr zu fürchten, selbst wenn sie wußten, er war nicht gesund.

Diese törichte, übereilte Verhaltensweise kostete einer großen Anzahl von Menschen das Leben, die sich mit großer Sorgfalt und Vorsicht abgeschlossen und sozusagen in Abgeschiedenheit von der ganzen Menschheit gelebt hatten und auf diese Weise, mit Hilfe der göttlichen Vorsehung, die ganze heißeste Zeit der Seuche hindurch bewahrt worden waren.

Diese leichtsinnige und unvernünftige Aufführung, sage ich, ging bei den Leuten so weit, daß schließlich die Geistlichkeit darauf aufmerksam wurde und ihnen sowohl die Torheit als die Gefahr davon vor Augen hielt; und dies brachte ein wenig Besserung, und man wurde wieder vorsichtiger. Aber gegen eine andere Erscheinung konnte auf diese Art nichts ausgerichtet werden; da nämlich das erste Gerücht vom Nachlassen der Pest sich nicht nur in der Stadt, sondern auch auf das Land hin verbreitet hatte, zeitigte es dort eine ähnliche Wirkung, und die Leute hatten es so satt, entfernt von London zu leben, und waren so erpicht darauf zurückzukehren, daß sie ohne Furcht und ohne weitere Umstände in die Stadt strömten und sich wieder auf den Straßen ergingen, als sei alle Gefahr vorüber. Das war freilich befremdlich zu sehen, denn obwohl noch 1000 bis 1800 Menschen in der Woche starben, so strömten die Leute dennoch zur Stadt, als ob alles in bester Ordnung sei.

Die Folge davon war, daß die Registerzahlen gleich in der ersten Novemberwoche wieder um 400 anstiegen; und wenn ich den Ärzten glauben darf, so wurden in der Woche mehr als 3000 krank, die meisten von ihnen außerdem Neuangekommene.

Ein gewisser John Cook, ein Barbier im St. Martin-le-GrandViertel, war dafür ein typisches Beispiel; ich meine für die übereilte Rückkehr der Leute, als die Pest nachzulassen begann. Dieser John Cook hatte die Stadt mitsamt seiner Familie verlassen, hatte sein Haus verschlossen und war aufs Land gegangen, wie viele andere; und als er vernahm, die Pest sei im November so weit zurückgegangen, daß nur noch 905 in der Woche an allen Krankheiten zusammen gestorben waren, wagte er sich wieder auf den Weg nach Hause. Er hatte in seiner Familie zehn Personen; das heißt er selbst, seine Frau, fünf Kinder, zwei Lehrlinge und eine Dienstmagd. Er war noch keine Woche wieder im Hause, hatte die Werkstatt wieder in Betrieb und sein Geschäft im Gang, als die Seuche in seiner Familie ausbrach, und innerhalb von ungefähr fünf Tagen waren sie alle tot, außer einem; das heißt, er selbst, seine Frau, alle fünf Kinder und die beiden Lehrlinge waren gestorben, nur die Dienstmagd blieb am Leben.

Aber das Erbarmen Gottes war größer, als wir für die übrigen Grund hatten zu erhoffen; den die Bösartigkeit der Seuche hatte sich, wie ich schon sagte, verbraucht, die Pest hatte sich erschöpft, und außerdem kam das Winterwetter nun mit Riesenschritten heran, und die Luft war klar und kalt infolge einiger scharfer Fröste; und da die Kälte sich noch steigerte, wurden die meisten Erkrankten wieder gesund, und die Stadt fing an, ihre Gesundheit wiederzuerlangen. Zwar gab es noch einige Nachzüglerfälle der Pest, bis sogar in den Dezember hinein, wo die Registerzahlen sich wieder um nahezu 100 vermehrten; aber das ging vorüber, und nach kurzer Zeit fing alles an, in sein altes Geleise zu kommen. Und wundervoll war es zu sehen, wie die Stadt plötzlich wieder voller Menschen war, so daß es einem Fremden nicht aufgefallen wäre, wie viele fehlten. Und was die Wohnungen angeht, so mangelte es nirgends an Bewohnern, leere Häuser waren wenig oder gar nicht zu sehen, und wenn es sie gab, so gab es dafür genug Mieter.

Ich wünschte, ich könnte sagen, daß so wie sich das Angesicht der Stadt erneuert hatte, auch die Lebensart der Leute eine Auffrischung erfuhr. Zweifellos gab es viele, die ein aufrichtiges Gefühl für ihre Befreiung behielten und der hoheitsvollen Macht, die sie in einer so gefahrvollen Zeit beschützt hatte, von Herzen dankbar waren; es wäre sehr unfreundlich, wollte man in einer so volkreichen Stadt anders urteilen, in der die Leute gewiß noch so fromm waren, wie sie es zur Zeit der Heimsuchung bewiesen hatten; doch abgesehen von dem, was man innerhalb bestimmter Familien oder an einzelnen von solcher Haltung antreffen konnte, muß man sagen, daß die allgemeine Übung des Volkes die gleiche war wie zuvor und kaum einen Unterschied erkennen ließ.

Einige meinten sogar, es sei schlimmer geworden; die Moral des Volkes sei von dem Zeitpunkt an gesunken; die Leute, von der Gefahr, die sie durchgemacht hatten, verhärtet, seien seither, wie Seeleute nach dem Sturm, böser, stumpfsinniger, unbedenklicher und in ihren Lastern und Sünden verhärteter denn je; aber so weit möchte ich nicht gehen. Es würde einen Geschichtsband von nicht geringer Dicke anfüllen, wolle man im einzelnen berichten, welche Stufen die Entwicklung durchlief, bis alles wieder in die alte Ordnung und ins gewohnte Fahrwasser zurückkam.

In manchen Gegenden Englands herrschte jetzt die Seuche mit der gleichen Heftigkeit, wie es in London gewesen war; die Städte Norwich, Peterborough, Lincoln, Colchester und andere Orte wurden jetzt heimgesucht; und die Behörden in London begannen Vorschriften zu erlassen, wie man sich im Verkehr mit diesen Städten zu verhalten habe. Allerdings konnte man nicht einfach den dortigen Leuten verbieten, nach London zu kommen, weil es unmöglich war, sie zu unterscheiden, und so mußten, nach vielen Beratungen, der Lordbürgermeister und die Stadträte die Sache fallen lassen. Alles, was sie tun konnten, war, die Bevölkerung zu warnen und ihr einzuschärfen, mit Leuten, von denen bekannt sei, daß sie aus solchen befallenen Orten kämen, keinen häuslichen Umgang zu pflegen.

Aber sie hätten ebensogut in die Luft reden können, denn die Londoner glaubten sich nunmehr so immun gegen die Pest, daß sie über alle Ermahnungen erhaben waren; sie schienen sich darauf zu verlassen, daß die Luft wieder rein war und daß die Luft wie ein Mensch war, der, nachdem er die Pocken gehabt hat, nicht mehr angesteckt werden kann.

Dies brachte die Vorstellung wieder auf, daß die Ansteckung in der Luft liege und daß es so etwas wie eine Übertragung der Krankheit von den Kranken auf die Gesunden nicht gebe; und diese Flausen beherrschten die Leute so, daß gesund und krank, alles miteinander und durcheinander umherlief. Nicht einmal die Moslems, die, besessen von dem Glauben an die Vorherbestimmung, nichts von Krankheitsübertragung, sie bestehe, worin sie will, halten, hätten störrischer sein können als die Leute in London. Gesund, wie sie aus der heilsamen Landluft in die Stadt zurückkamen, machten sie sich nichts daraus, in die gleichen Häuser, die gleichen Stuben, ja die gleichen Betten zu gehen mit solchen, die mit der Krankheit behaftet und noch nicht wieder gesund geworden waren.

Einige mußten tatsächlich für ihr unbekümmertes Draufloshandeln mit dem Leben bezahlen; eine unzählbare Menge wurde krank, und die Ärzte hatten mehr zu tun als je, mit dem einzigen Unterschied, daß die Patienten jetzt häufiger wieder gesundeten; das heißt, im allgemeinen gesundeten sie wohl, aber es gab mehr Leute, die der Ansteckung anheimfielen, jetzt wo nicht mehr als tausend oder zwölfhundert in der Woche starben, als vorher, wo es fünf- oder sechstausend Tote in der Woche gewesen waren, so unerhört nachlässig waren die Leute damals in der so folgenschweren Frage von Gesund- oder Kranksein, und so wenig waren sie imstande, den Rat von Männern anzunehmen und zu befolgen, die ihnen, nur zu ihrem Besten, Vorsicht geboten.

Nachdem die Leute nun so ziemlich alle wieder zurückgekehrt waren, berührte es sehr seltsam, wenn Menschen auf der Suche nach ihren Freunden nicht einmal eine Erinnerung an sie mehr vorfanden, so vollständig waren ganze Familien dahingerafft worden, und es war dann auch niemand aufzutreiben, der einen Rechtsanspruch auf das wenige, was sie zurückgelassen hatten, hätte vorweisen können; in vielen Fällen war die Hinterlassenschaft auch veruntreut und entwendet worden und hatte sich hierhin und dorthin verflüchtigt.

Es hieß, daß solche besitzlosen Güter an den König als den Universalerben fielen, und der König, so hieß es weiter, und ich glaube, es traf zum Teil auch zu, vermachte all solches Gut als »Gottesgabe« dem Lordbürgermeister und dem Stadtrat, damit es zum Nutzen der Armen verwendet werde, von denen es ja sehr viele gab. Es muß nämlich bemerkt werden, daß, obwohl die Anlässe zum Helfen und die dringenden Notstände während der Zeit des Wütens der Pest viel zahlreicher waren als jetzt, wo alles vorüber war, so doch die Armen jetzt viel mehr zu darben hatten als damals, weil die Schleusen der allgemeinen Wohltätigkeit sich jetzt wieder alle geschlossen hatten. Die Leute meinten, es bestehe jetzt kein Grund mehr und hielten mit dem Geben inne; während doch noch immer viel herzzerreißendes Elend da war und die Armen in der Tat großen Mangel litten.

Obwohl die Gesundheit der Stadt nun weitgehend wiederhergestellt war, fing dennoch der Außenhandel sich noch nicht wieder zu rühren an, und die ausländischen Häfen weigerten sich noch eine ganze Weile, unsere Schiffe einfahren zu lassen. Was die Holländer anging, so hatten im Jahre zuvor die Mißhelligkeiten zwischen ihnen und unserem Hof zu einem Kriege geführt, so daß unser Handel dort eine vollständige Unterbrechung erfuhr; aber auch Spanien und Portugal, Italien und die Berberei, ebenso Hamburg und die gesamten Ostseehäfen, sie alle verhielten sich eine ganze Zeit noch abweisend und wollten viele Monate lang den Handel nicht wieder aufnehmen.

Da die Pest so viele Menschen hinwegfegte, wie ich es berichtet habe, sahen sich viele, wenn nicht alle der Außenpfarren genötigt, neue Bestattungsplätze anzulegen (einen davon, den in Bunhill Fields, habe ich bereits erwähnt), und manche von ihnen blieben seitdem bestehen und sind in Gebrauch bis zum heutigen Tag. Aber andere wurden aufgegeben, und wenn man sie zu anderer Benutzung übernahm oder Bauten auf ihnen errichtete, dann – ich gestehe, ich spreche davon mit einigem Widerstreben – dann wurden die Toten in ihrer Ruhe gestört, roh wieder ausgegraben, manche gar bevor das Fleisch von den Knochen vergangen war, und wie Unrat oder Abfall anderswohin geschafft. Über einige der Plätze habe ich folgendes in Erfahrung gebracht:

1. Da war ein Stück Grund hinter der Goswell Straße, nicht weit vom Mount Hill, es war noch ein Überbleibsel der alten Befestigungsanlagen der Stadt, und dort wurden ganze Mengen von Leichen bestattet, unbesehen, ob sie aus Aldersgate oder Clerkenwell oder auch aus der City stammten. Dieses Gelände wurde dann, soviel ich weiß, zu einem botanischen Garten gemacht, und später wurde es bebaut.

2. Ein anderes Stück Grund lag gleich jenseits des Black Ditch, wie es damals hieß, am Ende der Holloway Lane, in der Shoreditch Pfarre. Es wurde dann der Hof einer Schweinehälterei und diente zu anderen niedrigen Zwecken, aber als Beerdigungsplatz ist es nie mehr benutzt worden.

3. Das obere Ende der Hand Gasse an der Bishopsgate Straße war damals ein grünes Feld und war hauptsächlich von der Bishopsgate Pfarre benutzt worden (obwohl auch viele der Totenkarren aus der City ihre Leichen dorthin fuhren, besonders aus der Allerheiligen Pfarre). Diesen Platz kann ich nicht ohne tiefen Widerwillen erwähnen. Es war, soweit ich mich erinnere, etwa zwei Jahre oder drei Jahre nach dem Ende der Pest, als Sir Robert Clayton in den Besitz des Grundstücks gelangte. Es wurde erzählt – ob es stimmte, weiß ich nicht – es sei mangels Erben an den König gefallen, da alle, die ein Anrecht darauf gehabt hätten, von der Pest hinweggerafft worden waren, und Sir Robert Clayton habe es von König Charles II. zum Geschenk erhalten. Aber wie immer er auch in seinen Besitz gekommen sein mochte, sicher ist, daß der Boden auf seine Anordnung zur Bebauung vergeben wurde. Das erste Haus, das dort gebaut wurde, war ein großes, schönes Gebäude, das jetzt noch steht und auf die Straße oder den Weg schaut, den wir jetzt Hand Gasse nennen (obwohl sie so heißt, ist sie so breit wie eine Straße). Die Häuser, die sich an dieses Haus nach Norden hin anschließen, sind genau an der gleichen Stelle gebaut, wo die armen Leute beerdigt wurden; und die Leichen wurden, als man die Fundamente aushob, ausgegraben, und man konnte noch so viel sehen, daß die Schädel der Frauen an den langen Haaren kenntlich waren, und bei anderen war das Fleisch noch nicht ganz verwest; die Leute erhoben daraufhin laute Proteste, und manche machten geltend, dies könne die Gefahr einer Wiederkehr der Pest heraufbeschwören; danach wurden die Knochen und die Leichen, sobald man auf sie stieß, sofort an eine andere Stelle auf dem gleichen Grundstück geschafft und alle miteinander in eine tiefe Grube, die zu dem Zweck gegraben worden war, hineingeworfen; und diese Stelle ist jetzt noch zu erkennen, da sie nicht bebaut wurde, sondern als Durchgang zu einem andern Haus dient, das am oberen Ende der Rosen Gasse liegt, gerade gegenüber dem Versammlungshaus, das dort viel später errichtet wurde; und die Stelle ist von einem Zaun umgeben, ein kleines Viereck mitten auf dem Durchgangsweg; dort liegen die Gebeine und Überreste von nahezu zweitausend Toten, die in jenem Jahr von den Totenkarren ins Grab gefahren worden waren.

4. Außerdem gab es noch in Moorfields ein Gelände, das man passierte, wenn man auf die Straße kam, die jetzt Old Bethlem heißt, und es ist noch sehr vergrößert worden, obwohl man es nicht gleich auf einmal in Gebrauch nahm.

(N. B. – Der Verfasser dieser Chronik liegt auf eben diesem Friedhof begraben, was auf seinen eigenen Wunsch geschah, da seine Schwester dort einige Jahre zuvor beerdigt worden war.)

5. Die Stepney Pfarre, die sich vom Osten bis zum Norden Londons erstreckt, ganz bis an den Rand des Shoreditch Kirchhofs, ließ ein Gelände gleich bei jenem besagten Kirchhof abgrenzen, um darauf die Toten zu bestatten, und es blieb aus diesem Grunde unbebaut und ist jetzt, glaube ich, dem anderen Friedhof einverleibt. Und sie hatten noch zwei weitere Bestattungsgründe in Spitalfields (auf einem ist später eine Kapelle oder eine Notkirche zur Aushilfe für diese große Pfarre gebaut worden), und noch einen an der Petticoat Lane.

Es gab nicht weniger als fünf Plätze, die die Pfarre Stepney zu der Zeit benutzte; einer davon lag dort, wo jetzt die Pfarrkirche von Shadwell, St. Paul, steht, und ein anderer, wo jetzt die Pfarrkirche von Wapping, St. John, steht; beide waren damals noch keine selbständigen Pfarren, sondern gehörten zur Pfarre Stepney.

Ich könnte noch viele andere anführen, aber diese lagen in meinem eigenen Beobachtungsbereich, und dieser Umstand ließ mir ihre Aufzählung nützlich erscheinen. Im ganzen kann gesagt werden, daß man während dieser Notzeit gezwungen war, in den Außenpfarren neue Bestattungsgründe anzulegen, um die übermäßig vielen Menschen, die in einem so kurzen Zeitraum verstarben, zu begraben; aber warum man nicht dafür sorgte, daß diese Plätze von jeder profanen Benutzung ausgeschlossen blieben, so daß die Toten dort ungestört ruhen konnten, das ist mir unerfindlich, und ich muß gestehen, ich halte es für einen Fehler.
Wem man die Schuld geben soll, weiß ich nicht.
Ich hätte noch erwähnen sollen, daß die Quäker zu der Zeit

auch einen Friedhof nur für ihren Gebrauch zugeteilt erhielten, den sie immer noch in Benutzung haben; und sie bekamen sogar ihren eigenen Totenkarren, mit dem sie ihre Toten aus ihren Häusern holten. Dem berühmten Solomon Eagle, der, wie ich vorher berichtet habe, die Pest als ein Strafgericht vorausgesagt hatte und nackt durch die Straßen rannte, um den Leuten zu verkünden, die Pest sei über sie gekommen als Strafe für ihre Sünden – ihm starb gleich am nächsten Tag seine Frau an der Pest, und sie wurde als eine der ersten auf dem Totenkarren der Quäker auf deren neuen Friedhof gefahren.

Ich hätte diesen Bericht mit noch viel mehr bemerkenswerten Dingen anfüllen können, die sich zur Zeit der Pest erreigneten, und besonders hätte ich angeben können, was zwischen dem Lordbürgermeister und dem Hof passierte, der zu der Zeit in Oxford war, und welche Weisungen, wie in der kritischen Zeit zu verfahren sei, von Zeit zu Zeit von der Regierung ergingen. Aber tatsächlich bekümmerte sich der Hof so wenig, und das wenige, was er tat, war von so geringer Bedeutung, daß ich nicht viel Sinn darin sehe, hier etwas davon zu erwähnen, außer vielleicht, daß ein monatlicher Bußtag in der City angesetzt wurde und königliche Gaben der Wohltätigkeit zur Unterstützung der Armen eingingen; von beidem habe ich schon vorher gesprochen.

Groß war der Unwille, der sich auf jene Ärzte entlud, die ihre Patienten während der Krankheit im Stich gelassen hatten, und wenn sie jetzt in die Stadt zurückkehrten, wollte niemand ihre Dienste mehr in Anspruch nehmen.

Sie wurden Deserteure genannt, und häufig waren Plakate an ihre Türen geheftet, mit der Aufschrift: »Hier ist ein Doktor zu vergeben«; darum zogen verschiedene dieser Ärzte es vor, sich eine Weile still zu verhalten und abzuwarten oder zumindest an einen anderen Ort zu verziehen und in neuer Umgebung eine Praxis zu eröffnen. Ebenso erging es den Geistlichen, die von den Leuten wirklich unglaublich beschimpft wurden; man schrieb Verse und schmähliche Anwürfe gegen sie und schlug an den Kirchtüren an: »Hier ist eine Kanzel zu vergeben« oder manchmal »zu verkaufen«, was noch schlimmer war.

Einer der unheilvollsten Umstände war es für uns, daß mit der Pest, nachdem sie uns verlassen hatte, nicht auch der Geist des Zwistes und des Haders, der Verunglimpfung und der Beschuldigung mit fortgegangen war; denn das hatte doch den Frieden der Nation vorher so arg getrübt. Es hieß, dies sei noch ein Überrest der alten Feindseligkeiten, die uns in den letzten Zeiten so in Blutvergießen und Aufruhr gestürzt hatten. Aber wie durch das kurz zuvor erlassene Amnestiegesetz der Streit selbst beigelegt worden war, so hatte die Regierung allseitigen Frieden zwischen Familien und Einzelpersonen der ganzen Nation ans Herz gelegt.

Aber der Friede konnte nicht hergestellt werden, und da doch gerade jetzt, nach dem Aufhören der Pest in London, jeder, der die Zustände, in denen das Volk sich befand, gesehen hatte und wußte, wie sie damals einander gestreichelt hatten und sich versprachen, sie würden in Zukunft mehr Liebe haben und keine Vorwürfe mehr gegeneinander erheben – ich sage, wer sie damals gesehen hatte, der hätte glauben mögen, sie würden jetzt endlich in einem neuen Geiste zueinander finden. Aber, sage ich, es konnte nicht erreicht werden. Der Streit ging weiter; die Kirche und die Presbyterianer konnten zu keiner Einigung kommen. Sobald die Pest verschwunden war, stießen die Reformierten diejenigen Prediger aus, die die Kanzeln versehen hatten, welche von ihren geflohenen Inhabern verlassen worden waren; und was konnten diese daraufhin anderes erwarten, als daß man über sie herfiel und das Strafgesetz auf sie hetzte! So ließ man sich ihre Predigt gefallen, solange man krank war, um sie sofort wieder zu verfolgen, sobald man die Gesundheit wiedererlangt hatte; dies schien auch uns, die wir ja zur Anglikanischen Kirche gehörten, sehr hart, und es konnte keinesfalls unsere Billigung finden.

Aber es war die Regierung, und wir konnten nichts dagegen ausrichten; wir konnten nur erklären, daß dies nicht von uns ausging und daß wir nicht dafür verantwortlich seien.

Andererseits konnten wir den Reformierten ebensowenig recht geben, wenn sie einzelne Geistliche der Anglikanischen Kirche anschuldigten, sie seien fortgelaufen und seien ihrem Amte untreu geworden, indem sie ihre Gemeinden in der Gefahr und gerade dann, als sie am meisten des Zuspruchs bedurften, im Stich ließen, und so fort; es haben eben nicht alle Menschen den gleich starken Glauben und den gleichen Mut, und die Schrift gebietet uns, im Urteil mit möglichster Milde und nach dem Maßstab der Liebe zu verfahren.

Eine Pest ist ein fürchterlicher Feind, und er ist mit Schrekken bewaffnet, denen zu widerstehen nicht jedermann genügend gerüstet oder deren Überrumpelung standzuhalten nicht jeder gefaßt genug ist. Zwar ist es unbestreitbar, daß eine ganze Reihe von Geistlichen, die in den Umständen waren, es zu tun, sich davonmachten und um der Sicherheit ihres Lebens willen die Flucht ergriffen; aber es ist ebenso wahr, daß eine große Anzahl von ihnen dablieb und daß viele von ihnen in der Katastrophe umkamen und Opfer ihrer Pflichterfüllung wurden.

Es stimmt, daß einige der von den Reformierten ordinierten Geistlichen dablieben, und deren Mut verdient Bewunderung und Hochschätzung, aber so viele waren es auch wieder nicht; es kann ebensowenig gesagt werden, daß sie alle geblieben seien und keiner von ihnen aufs Land gegangen sei, wie man von den anglikanischen Geistlichen sagen kann, sie seien alle fortgelaufen. Auch haben die, die fortgingen, es nicht immer getan, ohne Kapläne oder andere mit ihrer Stellvertretung zu betrauen, damit die notwendigen Dienste verrichtet und die Kranken besucht würden, soweit das überhaupt durchführbar war; so hätte man, auf beiden Seiten, besser den Mantel der Liebe ausbreiten sollen, und wir hätten bedenken sollen, daß diese Zeit von 1665 ihresgleichen nicht in der Geschichte findet und daß es nicht nur der größere Mut ist, der die Menschen in solchen Situationen aufrechterhält. Ich hätte dies nicht gesagt, sondern mich lieber darauf beschränkt, die Stärke und den religiösen Eifer derer zu verzeichnen, die, auf beiden Seiten, sich tatsächlich im Dienste für die armen Menschen in ihrer Not hingaben, und wenn einer auf dieser oder jener Seite versagt hat, so hätte ich das übergangen. Aber der Mangel an Feingefühl unter uns hat das Gegenteil notwendig gemacht: Da rühmten sich einige von denen, die geblieben waren, nicht nur zu sehr, sondern beschimpften die, die geflohen waren, brandmarkten sie als Feiglinge, die ihre Herde im Stich gelassen und sich wie Mietlinge benommen hätten und dergleichen mehr. Ich möchte es allen guten Menschen empfehlen, mit Wohlwollen Rückschau zu halten und sich gehörig der Schrecknisse der Zeit zu erinnern, und wer das tut, wird einsehen, daß mehr als gewöhnliche Stärke dazu gehörte, auszuhalten. Es war nicht, wie wenn man an der Spitze eines Heeres auftrat oder eine Kavallerieattacke ritt, sondern es war ein Schlacht gegen den Tod selbst, auf seinem fahlen Roß; zu bleiben hieß zu sterben, um weniger ging es nicht, besonders wie die Dinge Ende August und Anfang September aussahen und wie man damals die Zukunftsaussichten beurteilen mußte; denn niemand erwartete, und ich möchte sagen, niemand hätte es für möglich gehalten, daß die Seuche eine so plötzliche Wendung nehmen würde, wie es dann geschah, und sogleich um 2000 Tote in der Woche zurückgehen würde, während man doch wußte, daß eine so ungeheure Zahl von Menschen damals krank war; und zu dem Zeitpunkt geschah es, daß viele sich noch davonmachten, die bis dahin geblieben waren.

Außerdem: Wenn Gott einem mehr Kraft gab als dem anderen, war es, damit dieser sich brüste, wie er im Getümmel standzuhalten vermocht habe, und damit er die schmähe, die diese Gabe und den gleichen Beistand nicht hatten? Oder hätte er nicht besser demütig und dankbar sein sollen, daß er sich hatte nützlicher machen können als seine Mitbrüder?

Ich meine, diese Männer sollten in ehrenhafter Erinnerung gehalten werden: Geistliche sowohl wie Ärzte, Wundärzte, Apotheker, Beamte aller Art und alle anderen hilfreichen Menschen, die in der Ausübung ihrer Pflicht ihr Leben aufs Spiel setzten; denn das taten sie sicherlich alle, die dablieben, und zwar bis zum Äußersten, und eine Reihe von ihnen wagte nicht nur, sondern verlor ihr Leben in dieser traurigen Gegebenheit.

Ich habe einmal eine Liste zusammengestellt, ich meine, nach den Berufen und Tätigkeiten, in deren pflichttreuer Ausübung, so möchte ich es nennen, alle diese starben; aber es war für eine Privatperson unmöglich, zu einer genauen Aufstellung im einzelnen zu kommen. Ich erinnere mich nur, daß es sechzehn Geistliche waren, zwei Stadträte, fünf Ärzte, dreizehn Wundärzte, die innerhalb der City und der Stadtfreiheit vor Anfang September gestorben waren. Aber da dann ja wie gesagt die große Krise und der Höhepunkt der Pest einsetzte, kann die Liste nicht vollständig sein. Was untergeordnete Leute angeht, so glaube ich, es starben sechsundvierzig Konstabler und Gemeindediener in den beiden Pfarren Stepney und Whitechapel; aber dann konnte ich meine Liste nicht fortführen, denn als im September die Seuche uns mit ihrer rasenden Wut anfiel, verloren wir alle Übersicht. Man hätte ein Wochenregister veröffentlichen können und darauf schreiben: sieben- oder achttausend oder was man sonst wollte; es ist nur sicher, daß die Menschen haufenweise starben und haufenweise begraben wurden, das heißt ohne daß man sie zählte. Und wenn ich einigen Leuten glauben darf, die mehr auf dem laufenden waren und die Dinge besser kannten als ich – obwohl ich für einen, der nicht mehr zu tun hatte als ich, ziemlich herumkam – , ich sage, wenn ich ihnen glauben darf, wurden in den ersten drei Wochen des September nicht viel weniger als 20 000 in der Woche begraben. Wie sehr sie auch die Wahrheit dieser Angabe beteuern, ich ziehe es vor, bei den amtlichen Berichten zu bleiben; sieben- oder achttausend in der Woche sind genug, um all das zu bestätigen, was ich über die Schrecknisse der Zeit gesagt habe; und es ist sowohl für mich, den Schreiber, als auch für den Leser befriedigender, wenn ich sagen kann, alles sei mit Maß und innerhalb maßvoller Grenzen hier niedergelegt worden und nicht darüber hinaus.

Aus all diesen Gründen, sage ich, hätte ich wünschen mögen, unsere Lebensführung hätte sich, nachdem wir uns erholt hatten, in der Erinnerung an die bestandene Notzeit mehr durch Nächstenliebe und Menschenfreundlichkeit ausgezeichnet und es hätte nicht so viel Selbstbewunderung gegeben, weil wir so tapfer dageblieben seien; als ob alle Menschen Feiglinge wären, die vor der Strafe Gottes fliehen! Und als ob die, die bleiben, nicht manchmal ihre Tapferkeit ihrer Unwissenheit verdanken oder einem Trotz gegen die Fügungen ihres Schöpfers! Denn das ist eine verbrecherische Art der Todesverachtung, aber keine echte Tapferkeit.

Ich kann nicht umhin, es hier festzuhalten, daß die Beamten, also die Konstabler, Gemeindediener, Bürgermeisters- und Sheriffs-Dienstleute wie auch die Gemeindepfarrer, deren Amt es war, sich der Armen anzunehmen, ihre Pflicht mit aller nur wünschenswerten Tapferkeit ausübten und vielleicht mit noch mehr, denn ihre Arbeit schloß noch mehr Gefahren ein, da sie unter den Armen zu verrichten war, die für die Infektion besonders anfällig waren und in die erbärmlichste Bedrängnis gerieten, wenn sie befallen wurden.

So muß denn hinzugefügt werden, daß von ihnen eine große Anzahl starb; es war ja auch kaum anders möglich.
Ich habe hier noch kein Wort über die Arzneien und Präparate gesagt, die wir gewöhnlich bei dieser schrecklichen Gelegenheit gebrauchten – ich meine uns, die wir häufig hinaus über die Straßen gingen, so wie ich es tat; hierüber wurde in den Büchern und Handzetteln unserer Quacksalber viel Gerede gemacht, wie ich es ja schon zur Genüge geschildert habe. Es mag jedoch noch hinzugefügt werden, daß das Kollegium der Ärzte täglich mehrere Rezepte veröffentlichte, die sie im Laufe ihrer Praxis erprobt hatten; aber das kann man ja gedruckt finden, und aus dem Grunde möchte ich nicht wieder davon sprechen.
Etwas, was sich meiner Beobachtung aufdrängte, war das Schicksal eines Quacksalbers, der öffentlich kundgetan hatte, er besitze ein ausgezeichnetes Vorbeugungsmittel gegen die Pest, das man nur bei sich zu haben brauche, um nie infiziert zu werden oder in Ansteckungsgefahr zu kommen. Dieser Mann, von dem wir wohl mit Grund annehmen können, daß er nie sein Haus verließ, ohne etwas von seinem ausgezeichneten Vorbeugungsmittel mit sich in der Tasche zu führen, wurde dennoch von der Pest ergriffen und in zwei oder drei Tagen dahingerafft.
Ich gehöre nicht zu den Arznei-Gegnern oder ArzneiVerächtern; im Gegenteil, ich habe oft erwähnt, welche Achtung ich vor den Verordnungen meines besonderen Freundes Dr. Heath hatte; aber ich muß gestehen, ich gebrauchte wenig oder gar nichts, außer daß ich, wie ich schon berichtete, ein Präparat von starkem Duft in Bereitschaft hielt, für den Fall, daß mir etwas mit lästigem Geruch begegnete oder ich zu nahe an einem Friedhof oder einer Leiche vorbeikam.
Auch tat ich nicht, was andere, wie ich weiß, taten, nämlich sich immerfort in gehobener und angeregter Stimmung zu halten, indem man Herztränke oder Wein oder dergleichen zu sich nahm; dieses, so habe ich erfahren, hatte sich ein gelehrter Arzt so sehr angewöhnt, daß er nicht mehr davon loskam, als die Seuche schon längst vorbei war, und auf diese Weise für sein ganzes Leben ein Trunkenbold wurde.
Ich erinnere mich, wie mein Freund, der Doktor, immer sagte, es gebe eine bestimmte Anzahl von Drogen und Medikamenten, die sicherlich im Falle einer Seuche alle gut und nützlich seien und aus denen oder mit denen die Ärzte eine unendliche Vielfalt von Medizinen mischen könnten, so wie die Glockenspieler durch die wechselnde Anordnung des Tons von nur sechs Glocken mehrere hundert verschiedene Melodien machen könnten; und all diese Medizinen seien tatsächlich sehr gut. »Deshalb wundere ich mich nicht«, sagte er, »daß eine so große Menge von Medizinen in der gegenwärtigen Pestzeit angeboten wird und daß beinahe jeder Arzt etwas anderes verschreibt oder zusammenstellt, je nachdem sein Wissen oder seine Erfahrung ihn anleitet; aber«, sagte mein Freund, »lassen wir einmal alle Rezepte aller Ärzte in London untersuchen, so werden wir feststellen, daß sie alle aus den gleichen Bestandteilen bestehen, mit so geringen Abwandlungen, wie sie die Phantasie den einzelnen Doktoren eingegeben hat; und deshalb kann jedermann, wenn er ein wenig seine Konstitution und Lebensart und die möglichen Umstände seiner Ansteckung in Betracht zieht, sich aus den üblichen Drogen und Medikamenten seine eigene Medizin verschreiben. Nur daß die einen eben dies als das wichtigste ansehen, die anderen jenes. Einige meinen, daß pill. ruff., was als die Antipestpille schlechthin gilt, das beste Präparat ist, das man machen kann; andere glauben, daß Venetianischer Sirup schon allein ausreichend sei, der Ansteckung Widerstand zu leisten; und ich«, so schloß er, »halte es mit beiden, nämlich ich glaube, das letzte ist gut, um es im vorhinein als Vorbeugung zu nehmen, und das erste, um die Krankheit, wenn sie einen befallen hat, auszutreiben.« Dieser Meinung folgend, nahm ich mehrere Male Venetianischen Sirup ein, machte eine kräftige Schwitzkur hinterher und fühlte mich so gefeit gegen die Ansteckung, wie man sich durch die Macht der Arzneien nur gefeit machen kann.
Was die Quacksalber und Marktschreier angeht, von denen die Stadt so voll war, so hörte ich auf keinen von ihnen, und ich habe es immer wieder mit Verwunderung bemerkt, daß zwei Jahre lang nach der Pest kaum einer von ihnen in der Stadt zu sehen oder zu hören war. Einige waren des Glaubens, sie seien alle bis auf den letzten von der Seuche hinweggerafft worden und darin müsse man ein besonderes Zeichen göttlicher Rache erblicken, dafür, daß sie das Volk in die Grube der Vernichtung geführt hätten, nur um des kleinen Geldgewinns willen, den sie dabei ergatterten; aber ich kann wieder nicht so weit gehen. Daß mehr als genug von ihnen starben, ist sicher; viele davon kamen zu meiner eigenen Kenntnis; aber daß sie alle hinweggefegt wurden, möchte ich sehr bezweifeln. Ich glaube eher, sie sind aufs Land geflüchtet und haben ihre Tricks an den Leuten dort versucht, die ja in banger Furcht lebten, bevor die Pest zu ihnen kam.
Das jedoch ist gewiß: Keiner von ihnen ließ sich eine ganze Weile lang in oder bei London sehen. Es gab zwar einige Ärzte, die auf gedruckten Handzetteln ihre verschiedenen medizinischen Präparate anpriesen, um den Körper, wie sie es nannten, zu entschlacken; das sei, so behaupteten sie, nach der Pest für solche Leute, die heimgesucht und gesund geworden waren, notwendig; hingegen war es, glaube ich, die Meinung der hervorragendsten Ärzte der damaligen Zeit, daß die Pest schon selbst eine ausreichende Entschlackungskur war und daß alle, die lebend durchgekommen waren, keine Medizin zur weiteren inneren Körperreinigung benötigten, da die eiternden Wunden und die Geschwüre, die auf Anordnung der Ärzte zum Aufgehen gebracht und offengehalten wurden, das zur Genüge besorgt hätten; und daß alle anderen Krankheiten und Krankheitsstoffe auf diese Art wirksam entfernt worden seien; und da die Ärzte dies überall, wo sie hinkamen, als ihre Meinung kundtaten, blieb den Quacksalbern wenig Geschäft zu machen.
Es ereigneten sich da allerdings einige kleine Aufregungen nach dem Abklingen der Pest; ob man es mit Absicht darauf angelegt hatte, die Bevölkerung in Schrecken und Aufruhr zu versetzen, wie einige es vermeinten, kann ich nicht sagen; aber man kündigte uns des öfteren an, die Pest werde um die und die Zeit zurückkehren. Der berühmte Solomon Eagle, der nackte Quäker, von dem ich schon sprach, prophezeite jeden Tag neue Übel; und verschiedene andere erklärten uns, London sei noch nicht genügend gezüchtigt worden und schlimmere und heftigere Schläge stünden noch bevor. Hätten sie es damit genug sein lassen oder hätten sie sich zu Einzelheiten herabgelassen und uns gesagt, die Stadt werde im nächsten Jahr durch Feuer vernichtet werden, dann hätte man es uns nicht verdenken können, wenn wir ihren prophetischen Geistern dann, als wir die Erfüllung der Voraussagungen erlebten, mehr als gewöhnliche Achtung erwiesen hätten; auf jeden Fall hätten wir mehr aufhorchen und ernsthafter nachforschen sollen, was sie wohl meinten und woher sie ihr Vorauswissen hatten.
Aber da sie uns nur immer wieder von einem Rückfall in die Pest sprachen, haben wir seither nicht viel mit ihnen im Sinn; dennoch hielten sie uns mit ihrem häufigen Geschrei in einem Zustand ständiger Besorgnis und wenn jemand plötzlich starb oder irgendwann einmal das Fleckfieber zunahm, gerieten wir sogleich in Schrecken; noch mehr freilich, wenn die Zahl der Pestfälle wieder anstieg, denn bis zum Ende des Jahres gab es noch in der Woche 200 bis 300 Pesttote. Bei jeder solchen Gelegenheit, sage ich, fielen wir von neuem in Angst.
Diejenigen, die sich noch an die Londoner City vor dem Brande erinnern, müssen auch noch wissen, daß es damals den Platz, der jetzt Newgate Market heißt, nicht gab, sondern daß in der Mitte der Straße, die jetzt Blowbladder Straße heißt (sie erhielt ihren Namen von den Metzgern, die dort immer ihre Hammel schlachteten und ausnahmen und dabei, so scheint es, die Gewohnheit hatten, ihr Fleisch mit Schläuchen aufzublasen, um es dicker und fetter aussehen zu lassen als es war, und dort dafür vom Lordbürgermeister bestraft wurden) – ich sage, von dem Ende dieser Straße bis zum Newgate hin standen zwei lange Reihen von Buden, in denen Fleisch verkauft wurde.
Es war in diesen Verkaufsbuden, daß zwei Personen beim Einkauf von Fleisch tot zu Boden fielen und damit Anlaß für das Gerücht gaben, daß alles Fleisch infiziert sei. Obwohl dies den Leuten einen Schrecken eingejagt haben mochte und das Marktgeschäft für zwei oder drei Tage verdarb, so stellte sich doch hinterher ganz klar heraus, daß an dem Gerede kein wahres Wort war. Aber wer kann etwas dafür, wenn ihn die Furcht so ergriffen hat, daß sein Geist ganz davon besessen ist!
Es gefiel jedoch Gott, das Winterwetter anhalten zu lassen und die Gesundheit der Stadt soweit wiederherzustellen, daß wir vom folgenden Februar an die Pest als vollends überstanden betrachteten, und dann ließen wir uns nicht leicht mehr in Furcht versetzen.
Es war nun noch eine Frage unter den Gelehrten, und den Leuten bereitete es anfangs ein wenig Kopfzerbrechen, nämlich wie man die Häuser, wo die Pest gewesen war, und ihr Inventar desinfizieren sollte und wie man wieder bewohnbar machen sollte, was während der Pest leergestanden hatte. Eine Vielfalt von Zerstäubungsmitteln und anderen Präparaten wurde von den Ärzten verschrieben, der eine empfahl dies, der andere jenes, und wenn die Leute darauf hörten, dann stürzten sie sich in große und, meiner Meinung nach, freilich unnötige Kosten; und die ärmeren Leute, die einfach Tag und Nacht ihre Fenster offenstehen ließen und Schwefel, Pech, Schießpulver oder dergleichen in ihren Stuben abbrannten, erreichten den gleichen Zweck; freilich die Leute, die, wie ich oben schilderte, so übereilt und unvorsichtig heimgekommen waren, fanden ihre Häuser und ihre Einrichtung keineswegs unbewohnbar, und sie taten kaum etwas daran.
Jedoch wer klug und bedachtsam war, der ergriff im allgemeinen irgendeine Maßnahme, um sein Haus auszuräuchern und zu entgiften und brannte Riechwerk, Weihrauch, Harz oder Schwefel bei geschlossenen Fenstern ab und entfachte dann eine Pulverexplosion, damit der Windzug alles hinauswehe; andere ließen mehrere Tage und Nächte lang ununterbrochen große Feuer brennen; einige besorgten das so gründlich, daß dabei die Häuser Feuer fingen, und das war freilich eine wirksame Desinfektion, sie bis auf den Grund abzubrennen; so kam es einmal in Ratcliff vor, einmal in Holborn und einmal in Westminster, neben zweien oder dreien, die ebenfalls in Brand gerieten, aber glücklicherweise noch gelöscht werden konnten, bevor das Feuer so stark wurde, daß die Häuser verloren gewesen wären; und irgendwo, ich glaube es war in der Themse Straße, nahm ein Diener so viel Pulver, um das Haus seines Herrn von der Seuche zu reinigen, und er handhabte es so ungeschickt, daß er zum Teil das Dach hochgehen ließ. Aber noch war die Zeit eben nicht gekommen, in der die Stadt durch Feuer gereinigt werden sollte, sie war allerdings auch nicht fern; denn nur neun Monate danach sah ich alles in Asche liegen; und dann erst, so behaupten einige unserer QuackPhilosophen, seien die Keime der Pest endgültig zerstört worden, nicht aber vorher; ein Gedanke, der zu lächerlich ist, um ihn hier zu erörtern; denn wären die Keime der Pest immer noch in den Häusern und nur durch Feuer zerstörbar gewesen, wie kam es dann, daß die Pest nicht später wiederum ausgebrochen ist, da doch all die Häuser in den Vororten und der Stadtfreiheit, in den großen Pfarren Stepney, Whitechapel, Aldgate, Bishopsgate, Shoreditch, Cripplegate und St. Giles, wo das Feuer nicht hindrang und wo die Pest mit der äußersten Heftigkeit gewütet hatte, immer noch so stehen wie sie vordem immer gestanden hatten?
Aber um mich mit diesen Dingen nicht weiter aufzuhalten, sicher ist, daß jene Leute, denen mit mehr als gewöhnlicher Vorsicht um ihre Gesundheit zu tun war, sich besondere Anleitungen geben ließen, um ihre Häuser, wie sie es nannten, zu »würzen«, und Unmengen kostspieliger Dinge wurden aus diesem Grunde verbrannt, und ich muß sagen, sie würzten nicht nur die Häuser derer, die das wünschten, sondern erfüllten die ganze Luft mit sehr angenehmen und herzhaften Düften, deren andere sich teilnehmend ebenso erfreuen konnten wie die, die die Kosten dafür trugen.
Obwohl die Armen mit großer Überstürzung wieder in die Stadt zurückkehrten, wie ich schon sagte, so hatten es die Reichen, trotz alledem freilich nicht so eilig. Zwar kamen die Geschäftsleute herein, aber viele von ihnen brachten ihre Familien vor dem Frühjahr noch nicht wieder in die Stadt, bis sie dann sahen, daß ein Wiederaufleben der Pest mit Verläßlichkeit nicht mehr zu befürchten war.
Der Hof allerdings kam bald nach Weihnachten wieder herein, aber der Adel, außer wenn einer bei der Verwaltung eine unabkömmliche Stelle hatte, kam nicht so schnell.
Ich sollte hier noch vermerken, daß ungeachtet der Heftigkeit, mit der die Pest in London und anderswo wütete, es dennoch auffällig zu beobachten war, daß sie niemals an Bord der Flotte gelangte; und doch hatte man merkwürdigerweise die Anheuerung von Matrosen forcieren müssen, sowohl am Fluß wie auch auf den Straßen, um die Flotte zu bemannen. Aber das war am Anfang des Jahres, als die Pest noch kaum begonnen hatte und noch keineswegs bis in die Gegend der Stadt gedrungen war, wo man gewöhnlich auf Anheuerung ausgeht; und obwohl der Krieg mit Holland den Leuten damals überhaupt nicht zupaß kam und viele sich beschwerten, sie seien mit Gewalt in ihn hineingezerrt worden, so erwies sich dies trotzdem am Ende für viele von ihnen als ein glücklicher Fall von Gewalt: Wahrscheinlich wären sie in der allgemeinen Katastrophe mit zugrunde gegangen, so aber hatten sie, nachdem der Sommerdienst vorbei war, zwar Anlaß, das traurige Los ihrer Familie zu beweinen – denn viele ihrer Angehörigen waren, als sie zurückkamen, im Grab – aber sie konnten nur dankbar sein, daß sie der Reichweite des Unheils, wenn auch sehr gegen ihren Willen, entzogen worden waren. Wir hatten in der Tat einen hitzigen Krieg mit den Holländern in dem Jahr, und es kam zu einem sehr schweren Seegefecht, in welchem die Holländer den kürzeren zogen, aber wir verloren viele Männer und einige Schiffe. Jedoch die Pest kam nicht auf die Flotte, wie ich schon bemerkte, und als sie mit ihren Schiffen im Fluß vor Anker gingen, ließ die Heftigkeit der Seuche bereits nach.
Ich würde mich freuen, wenn ich den Bericht von diesem trübseligen Jahr mit einigen besonderen geschichtskundlichen Beispielen schließen könnte; ich meine Beispiele dafür, wie wir Gott, unserem Retter, danken mußten, aus dieser furchtbaren Not befreit zu werden. Sicherlich riefen die Umstände unserer Erlösung wie auch die Furchtbarkeit des Feindes, von dem wir erlöst wurden, die ganze Nation zu diesem Dank auf. Die Umstände der Befreiung waren in der Tat sehr bemerkenswert, wie ich teilweise schon erwähnt habe, und besonders die Tatsache, daß wir uns in einer so schrecklichen Lage befanden, als wir zur Überraschung aller in der Stadt, mit der freudigen Hoffnung auf ein Ende der Seuche erfüllt wurden.
Nichts außer der Hand Gottes selbst, nichts als die allmächtige Kraft konnte das getan haben. Die Seuche trotzte aller Medizin, der Tod hielt Ernte in jedem Winkel, und wäre es weiter so gegangen, wie es ging, dann wäre in ein paar Wochen die Stadt von jedem lebendigen Wesen entleert gewesen. Die Menschen waren überall am Verzweifeln, aus Furcht verging ihnen aller Lebensmut, die Angst ihrer Seelen nahm den Leuten jede Hoffnung, und die Schrecken des Todes standen auf ihren Gesichtern und in ihren Blicken.
Gerade in diesem Moment, als wir mit gutem Recht sagen mochten: »Vergebens war alles menschliche Mühen«, ich sage, gerade in diesem Moment gefiel es Gott, zu unserer sehr willkommenen Überraschung, das Wüten der Pest, und sogar ganz von selbst, erlahmen zu lassen; und ihre Bösartigkeit wurde schwächer, wie ich schon sagte, und obwohl unzählige Menschen krank waren, so starben doch weniger, und gleich in der ersten Woche sank die Totenziffer auf dem Register um 1843; in der Tat eine ansehnliche Zahl!
Es ist unmöglich, dem Wandel Ausdruck zu geben, der sich in den Mienen der Menschen vollzog, als an jenem Donnerstagmorgen das Wochenregister erschien. Man konnte in ihren Gesichtern sehen, wie eine scheue Überraschung und ein Lächeln der Freude darin Platz griff. Sie drückten einander auf der Straße die Hände, die gleichen, die zuvor kaum miteinander auf der gleichen Straßenseite gegangen wären. Wo die Straße nicht zu breit war, riefen sie einander aus offenen Fenstern von Haus zu Haus zu und fragten, wie es gehe und ob man die gute Nachricht vom Nachlassen der Pest gehört habe. Einige entgegneten dann wohl, wenn sie »gute Nachricht« hörten: »Was für eine gute Nachricht?«
Und wenn sie dann zur Antwort erhielten, daß die Pest am Nachlassen sei und die Zahlen auf dem Register um beinahe 2000 zurückgegangen seien, dann riefen sie aus: »Gott sei gelobt!« und weinten laut vor Freude und versicherten, sie hätten noch nichts davon gehört; und so groß war die Freude der Leute, daß es für sie gewissermaßen eine Auferstehung von den Toten war. Ich könnte beinahe ebenso viele absonderliche Dinge anführen, die sie in dem Übermaß ihrer Freude vollführten, wie vorher in ihrem Gram; aber das wäre nur eine Entwertung.
Ich muß gestehen, ich selbst war, gerade bevor dies geschah, sehr niedergeschlagen gewesen; denn die Zahl derer, die in der Woche zuvor oder seit zwei Wochen von der Krankheit befallen wurden, war, neben denen, die starben, so ungeheuer groß, und das Wehklagen war überall so gewaltig, daß ein Mann wohl hätte, so schien es, gegen jede Vernunft handeln müssen, hätte er auf ein Entkommen auch nur zu hoffen gewagt; und es gab ja auch kaum ein Haus außer dem meinen in der Nachbarschaft, das nicht infiziert war; darum hätte es, wäre es so weitergegangen, nicht lange gedauert, bis niemand mehr dagewesen wäre, der die Ansteckung noch hätte bekommen können. Man sollte es in der Tat kaum für möglich halten, was die letzten drei Wochen noch für fürchterliches Unheil angerichtet hatten, denn wenn ich der Person, deren Berechnungen ich immer sehr gut fundiert gefunden habe, Glauben schenken darf, dann waren in den drei Wochen, von denen ich spreche, nicht weniger als 30 000 Menschen gestorben und nahezu 100 000 krank geworden; und diese Zahl der Erkrankungen war unerwartet hoch, in der Tat, sie war niederschmetternd und alle, die bis dahin immer noch den guten Mut hochgehalten hatten, ließen ihn jetzt sinken.
Mitten in der Bedrängnis, als die Lage der Stadt London wahrhaft unselig war, gerade da gefiel es Gott, sozusagen mit eigener Hand den Feind zu entwaffnen; das Gift wurde aus dem Stachel genommen. Es war wunderbar; sogar die Ärzte selbst waren davon überrascht. Wo immer sie Besuche machten, fanden sie die Patienten besser vor; entweder hatten sie einmal gut schwitzen können, oder die Geschwülste waren aufgegangen, oder die Karbunkel gingen zurück, und die Entzündungen um sie herum änderten die Farbe, oder das Fieber war weg, oder der heftige Kopfschmerz hatte nachgelassen, oder sonst ein gutes Symptom hatte sich gezeigt; und so erholte sich in ein paar Tagen alles, ganze Familien, die an der Seuche darniederlagen, die schon die Geistlichen dahatten, um mit ihnen zu beten, da sie stündlich zu sterben meinten, kamen wieder hoch und wurden gesund, und kein einziger von ihnen starb.
Und dies geschah auch nicht, weil eine neue Medizin entdeckt worden wäre oder man hinter neue Heilmethoden gekommen wäre oder weil die Ärzte neue Erfahrungen in der Behandlung gewonnen hätten; sondern es kam offensichtlich von der unsichtbaren, verborgenen Hand dessen, der diese Seuche als ein Strafgericht überhaupt zu uns geschickt hatte; und mögen die Atheisten auf der ganzen Welt über diese meine Redeweise denken wie sie wollen, es ist keine Überspanntheit; es wurde damals auch von jedermann zugegeben. Die Krankheit war entkräftet und ihre Bösartigkeit verbraucht; und mag das gekommen sein, woher es mag, mögen die Philosophen in der Natur nach Gründen suchen, die es erklären, und mögen sie sich abmühen, so sehr sie wollen, um die Schuld zu verringern, in der sie bei ihrem Schöpfer stehen – diejenigen Ärzte, die von der Religion am allerwenigsten wissen wollten, mußten zugestehen, daß es alles übernatürlich war, daß es außergewöhnlich war und daß es keine Erklärung dafür gab.
Würde ich nun sagen, dies sei eine handgreifliche Aufforderung an uns alle zur Dankbarkeit, besonders für uns, die wir das Anwachsen dieses Schreckens erlebt hatten, dann würden vielleicht manche, jetzt, da man die Dinge nicht mehr so fühlt, dies für ein aufdringliches, scheinheiliges Gerede von religiösen Dingen halten; sie würden sagen, ich halte eine Predigt anstatt Geschichte zu schreiben, ich mache mich zum Lehrer anstatt meine Beobachtungen von Tatsachen mitzuteilen. Dies hält mich sehr davon zurück, hier fortzufahren, wie ich es sonst wohl getan hätte. Aber wenn zehn Aussätzige geheilt wurden und nur einer kehrte zurück, um Dank zu sagen, dann wünsche ich dieser eine zu sein und mich meinerseits dankbar zu erweisen.
Ich will auch gar nicht leugnen, daß es genug Menschen gab, die allem Anschein nach damals sehr dankbar waren; denn sie hatten alle genug davon, auch die, deren Herz nicht gerade lange davon erfüllt war. Aber damals war der Eindruck so mächtig, daß sich ihm niemand entziehen konnte, nein, auch die Schlechtesten nicht.
Es war nichts Ungewöhnliches, daß man auf der Straße Leute traf, die Fremde waren und von denen man nichts wußte, und sie drückten einem ihre Verwunderung aus. Als ich eines Tages durch das Aldgate ging und ziemlich viele Menschen auf und ab spazierten – kommt da ein Mann von den Minoriten her, schaut ein wenig die Straße hinauf und hinunter und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
»Mein Gott, was für eine Veränderung ist das! Nein! Letzte Woche erst kam ich hier entlang, und kaum eine Menschenseele war zu sehen.« Und einen anderen Mann höre ich, wie er hinzufügt: »Es ist alles ein Wunder; es ist alles ein Traum.« »Gott sei gepriesen«, sagt ein dritter, »und laßt uns Ihm danksagen, denn Er allein hat es getan, menschliche Hilfe, menschliches Wirken war am Ende.« Und diese Menschen waren alle einander fremd. Aber ein solches Sichanreden wie dieses kam Tag für Tag häufig vor; und trotz ihres losen Gehabens gingen auch die ganz gewöhnlichen Leute die Straße entlang und sagten Gott Dank für ihre Erlösung.
Nunmehr hatten, wie ich schon sagte, die Leute alle Furcht von sich geworfen, und das nur zu schnell; man hatte nun keine Angst mehr, an einem Mann mit einer weißen Mütze auf dem Kopf vorbeizukommen, oder an einem, der ein Tuch um den Hals gewickelt trug, oder an jemand, der auf einem Bein hinkte, weil ihn seine Wunde an den Lenden so schmerzte, und doch war das alles bis vor einer Woche noch der Gegenstand des äußersten Schreckens gewesen. Aber jetzt war die Straße voll von ihnen, und diese armen, genesenden Menschenkinder, das muß man ihnen lassen, schienen ihre unerwartete Heilung sehr dankbar zu empfinden. Ich würde ihnen großes Unrecht tun, wollte ich nicht anerkennen, daß, wie ich glaube, viele von ihnen ernsthaft dankbar gewesen sind. Aber ich muß bekennen, daß, was die Mehrzahl der Leute angeht, man auch von ihnen mit Recht sagen kann, was von den Kindern Israels gesagt worden ist, als sie nach ihrer Rettung vor den Heerscharen Pharaos das Rote Meer durchzogen hatten und zurückblickten und sahen, wie die Ägypter von den Wassern verschlungen wurden: Sie sangen Ihm Lobeslieder, aber vergaßen bald Seine Werke.
Ich kann nicht weitergehen. Man würde es mir als kritiksüchtig und vielleicht auch als Unrecht ankreiden, wollte ich mich nun an die unangenehme Aufgabe machen, Überlegungen über die, was immer ihre Gründe waren, Undankbarkeit und die Wiederkehr jeder Art von Bosheit unter uns anzustellen, wovon ich nur zuviel mit eigenen Augen zu sehen bekommen habe. Ich werde deshalb den Bericht über dieses unselige Jahr mit einer unbeholfenen, aber aufrichtigen Strophe von mir selbst beschließen, die ich in dem Jahr, in dem sie geschrieben wurde, an das Ende meiner alltäglichen Aufzeichnungen setzte:

Im Jahre fünfundsechzig war’s, da hat’s
die graus’ge Pest in London gegeben.
Die hat wohl an die hunderttausend
hinweggeschafft, und ich bin noch am Leben.

H. F.