Philippsburg

 

Rita

 

Sie und Frost schliefen wie alle anderen auch bis in den Nachmittag. Auch sie hatten eine kleine Kammer, allerdings hatten sie aus der Nachbarkammer die Liege geholt und konnten so nebeneinander liegen. Als Rita irgendwann aufwachte kuschelte sie sich an Frost und betrachtete sein im Schlaf entspanntes Gesicht. Es war gezeichnet von den Anstrengungen der letzten Tage, aber ohne sein so typisches Grinsen wirkte es auch offener, zugänglicher. Ihr ging auf, dass sie drauf und dran war, sich heftig zu verlieben. Oder war es schon passiert? Liebevoll strich sie durch sein Haar und weckte ihn damit auf. Er öffnete träge die Augen und schaute sie an.

‚Bin ich im Himmel?‘ Murmelte er fragend.

‚Du bist ganz schön optimistisch. Wenn Du in den Himmel kommst dann nur weil die Hölle Dich wegen ungezogenem Benehmen rausschmeißt.‘

Er wollte sich aufrichten um sie zu packen aber fiel gleich wieder aufstöhnend auf seine Liege zurück.

‚Verdammt, mir tut alles weh. Ich glaube ich werde mich erst mal die nächsten Monate nicht mehr bewegen.‘

‚Mein Armer‘ tätschelte sie ihn spottend. ‚Bleib ruhig liegen, ich brauche eine Dusche. Du übrigens auch.‘

Das ignorierte Frost großzügig und schloss schon wieder die Augen. Mit einem Kuss auf seine Wange schwang sie sich aus dem Bett, schlüpfte in ihre Uniform-Hose  und machte sich auf die Suche nach einer Duschgelegenheit. Lange brauchte sie nicht suchen. Die Duschräume waren früher von den Kraftwerk-Mitarbeitern benutzt worden und es gab jeweils einen für Männer und Frauen. Im Umkleideraum für Frauen, der sie stark an ihre eigene Kaserne erinnerte, befand sich schon jemand. Eine dunkelhaarige Frau, groß und attraktiv hatte sich gerade ausgezogen. Die Baronin. Es hatte sich noch kein Gespräch zwischen den beiden ergeben, aber das hinderte sie nicht daran der Dunkelhaarigen ein offenes ‚Guten Morgen‘ zuzuwerfen. Die Baronin wandte sich um und lächelte als sie Rita erkannte .

‚Guten Morgen – na ja, irgendwie jedenfalls Morgen.‘

Ihr Lächeln war erstaunlich – sie suchte nach dem richtigen Begriff – nett. Gestern Nacht hätte sie alles mit dieser Frau in Verbindung gebracht, nur nicht ‚nett‘. Sie wusste, dass die Frau eine harte Nacht hinter sich hatte, Freunde verloren, aus ihrem Heim vertrieben, aber sie schien unbeeindruckt. Nun gut, sie kannte die Baronin auch nicht, da würde es ihr schwer fallen, versteckte Gefühle zu erkennen. Die Baronin zeigte ihr ein Regal in dem sauber gestapelt frische Handtücher lagen und kleine Fläschchen mit Shampoo und Duschgel bereit standen. Rita zog sich aus und nahm sich zwei Fläschchen und ein Handtuch. Dabei spürte sie die Blicke der anderen auf sich. Davon unbeeindruckt und zog sie sich ohne Scham aus. Sie war gewohnt sich beim An- und Ausziehen unter Einsatzbedingungen zu befinden. Das neugierige Schauen und Abschätzen, dass Frauen zum Beispiel in der Sauna oder im Fitnessstudio an den Tag legten war nicht ihr Ding. Nach drei Tagen mit der Einheit im Überlebenstraining überlegte man in der Umkleidekabine sicherlich nicht, ob die Kollegin größere Brüste hatte als man selbst. Ihr Körper war durchtrainiert aber nicht hager, einige kleinere Narben zeugten wie die große Narbe auf ihrer Wange von einem Leben voller Kämpfe. Auch die Baronin zog sich aus und folgte ihr in den Duschraum. Dieser hatte schon bessere Zeiten gesehen war aber selbst da nicht mehr gewesen als ein großer gekachelter Raum mit ein Dutzend Duschköpfen die links und rechts aus der Wand ragten, Drehregler darunter und Haken für die Handtücher neben dem Eingang. Sie testete vorsichtig eine Dusche. Zumindest war das Wasser nicht rostig und schnell hatte sie auch eine angenehme Temperatur gefunden. Mit geschlossenen Augen stellte sie sich erst mal zwei Minuten unter das Wasser und genoss die Wärme auf ihren verspannten Muskeln. Die Baronin hatte sich neben sie gestellt und genoss offensichtlich ebenfalls den warmen Schauer. Dann griff die größere Frau nach dem Duschgel und drehte sich zu ihr um.

‚Würdest Du mir den Rücken einseifen?‘

‚Klar doch.‘

Rita drückte etwas Duschgeld in ihre Hand und stellte die Flasche zu Boden. Die Baronin wandte ihr den Rücken zu. Sie schob das lange nasse Haar der anderen über deren Schulter und verteilte das Gel auf ihrem Rücken. Mit kreisenden Bewegungen begann sie den Frauenrücken einzuseifen. Dabei fühlte sie kräftigere Muskeln, als sie erwartet hätte. Die Baronin räkelte sich unter ihren Bewegungen und sie schmunzelte. Wahrscheinlich hatte sie eine genauso unbequeme Liege gehabt wie Rita auch. Sie massierte etwas mit ihren Daumen die Nacken-Muskeln, die Schulterblätter und die Muskeln entlang der Wirbelsäule bis knapp unter die Taille, was die Baronin dankbar aufseufzen ließ. Dann trat sie zurück und die andere ließ das prasselnde Wasser über ihren Rücken laufen. Dann fragte die Baronin sie, ob sie sich revanchieren könnte.

‚Gerne‘.

Sie drehte der Baronin den Rücken zu und stützte sich mit ausgestreckten Armen an der Wand ab. So eine Dusche war schon etwas Großartiges. Ihren Hals und ihre Brüste dem warmen Wasserstrahl zugewandt, spürte sie die Strahlen über ihren Körper laufen. Auf einmal fühlte sie, wie die Baronin sich an sie lehnte. Genau genommen spürte sie einen weichen und doch festen Schenkel, der sich an ihre Seite schmiegte, einen Unterleib, der sich an ihre linke Hüfte und Hinterbacke drückte, einen Frauenbauch an ihrer Taille und weiche Brüste an ihrem Oberarm und ihrem Schulterblatt. Dann begann eine Hand sie einzuseifen. Dabei ging sie sehr systematisch vor, beginnend an ihrem Halsansatz über ihren Nacken und ihre Schultern, ihren Rücken entlang. Die Bewegungen waren sanft, fast zärtlich. Ab und zu drückten sie fest und ließen wohlige Schauer ihr Rückgrat entlang laufen. Einen Arm legte die Baronin um ihre Taille und glitt mit der rechten Hand weiter ihren Rücken hinunter. Langsam fragte sich Rita, was das werden sollte. Doch der Kontakt war ihr nicht unangenehm und eine sanfte Massage tat ihr ganz gut. Immer noch fest an sie geschmiegt fühlte sie wie die Hand der Baronin in kreisenden Bewegungen die Seife immer tiefer verteilte. Jetzt hatte sie den Ansatz ihres Pos erreicht und in ganz kleinen Kreisen fuhren zwei Finger über die Stelle, wo sich ihre Pobacken teilten und das Rückgrat endete. Wieder fuhren wohlige Schauer durch Rita, doch jetzt hatten sie etwas Sexuelles. Dies war ganz entschieden eine erogene Zone und es wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, das Ganze jetzt zu beenden. Aber das Ziehen, das von den kleinen Bewegungen ausgehend durch ihren Unterleib zog, war zu aufreizend, zu verlockend, um sich ihm zu entziehen. Die Hand der Baronin seifte nun ihre Pobacken ein. Dabei langte sie kräftig zu und zog immer eine Backe nach außen. Was Rita nicht sehen konnte, war, dass Zarah interessiert in die Spalte zwischen den Pobacken schaute. Ihre Hand wanderte weiter und seifte die Schenkel und die Innenseite der Schenkel ein. Dabei stieß ihr Handrücken wie unabsichtlich immer wieder gegen die Schamlippen Ritas. Schließlich ließ die Baronin von den Schenkeln ab und griff mit der Hand von vorne um ihren Hals. Sie flüsterte ihr ins Ohr.

‚Soll ich Dich auch vorne einseifen, das macht mir nichts aus?‘

Sie nickte nur. Die Hand der Baronin an ihrem Hals erregte sie. Ich werde gerade systematisch heiß gemacht, dachte sie sich. Die Baronin glitt mit ihrem Körper ihren Rücken entlang bis sie mit der rechten Hand ihr Dekolleté zärtlich einseifen konnte. Dann fuhr die glitschige Hand über ihre Brüste. Die Baronin spürte natürlich ihre aufgerichteten Brustwarzen unter den Handflächen und drückte die Brüste fest. Dann unterbrach sie ihre Waschung, um sich selbst von oben bis unten einzuseifen. Rita drehte den Kopf und sah, wie die Baronin dabei ihre eigenen Brüste stärker als nötig knetete. Deren Hand wanderte zwischen diese langen Beine und seifte sich dort ein, ertastete die eigene Scham, verteilte schäumendes Duschgel tief zwischen den zugegebenermaßen herrlichen Schenkeln und genoss es sichtlich.  Bei dem Anblick musste Rita schlucken. Die Baronin nahm eine Handvoll Schaum von ihrem Unterleib und massierte damit Ritas Brüste, wanderte mit den Händen über ihren Bauch. Ritas straffe Bauchmuskeln unter ihrem weichen Fleisch wurden ausgiebig massiert. Schließlich griff die Baronin zwischen Ritas Beine und seifte sie dort ein. Fordernd rieb sie das angeschwollene Geschlecht, schob ihre Finger zwischen die Beine bis zum festen Ring ihrer Rosette. Rita war hin- und hergerissen. Die Gefühle, die ihr Geschlecht aussandte waren eindeutig, heiße Wellen zuckten durch ihre Nervenbahnen. Doch sie sträubte sich gegen die Liebkosungen einer Frau. Dass war einfach nicht ihr Ding. Aber ihr Körper sagte etwas anderes. Unvermittelt ließ die Baronin von ihr ab. Mist. Sie beugte sich zu ihrem Ohr und warme Lippen berührten sie.

‚Bei Gelegenheit würde ich das gerne vertiefen.‘

Eine warme Zunge umrundete leicht ihr Ohr und dann zog sich die andere zurück. Schnell brauste die Baronin den letzten Schaum von sich und ließ Rita schwer atmend unter der Dusche zurück.

‚Wow.‘

Sie traute sich minutenlang nicht, den Schaum von ihren Brüsten und zwischen ihren Beinen wegzuwischen, aus Angst, sich dann wild masturbierend auf den Boden zu werfen.

 

Frost dämmerte im Halbschlaf vor sich hin, als sie die dünne Tür der Kammer aufriss hereinstürmte. Sie stellte sich vor ihn hin, zog hektisch ihr Oberteil aus und ließ ihre Kampfhose fallen. Ohne ihm Zeit zu lassen ihre festen Brüste mit den kecken Brustwarzen, ihren flachen Bauch und ihre  vollendeten Schenkel zu bewundern. Mit vom Duschen nassem Haar kniete sie über ihn, riss die Decke zurück und zog seine Shorts herunter.

‚Was...‘ setzte er an.

Doch sie beugte sich nach vorne und küsste ihn wild auf den Mund. Dabei fuhr ihre Hand zwischen seine Schenkel und packte sein schlaffes Glied. Sie schob die Vorhaut über die Eichel und schlug diese rhythmisch gegen seinen Schamhügel. Gleichzeitig fing sie an, ihr schon feuchtes Geschlecht an seinem Schenkel zu reiben. Schnell wurde er hart und groß. Darauf hatte sie gewartet. Sie hob ihre Hüfte an und schob seinen Schwanz tief in ihre heiße Grotte. Sie warf ihren Oberkörper und zuckte wild mit der Hüfte, seine Härte soweit es ging in sich bohrend. Ohne Verzögerung kam sie mit lautem Stöhnen. Als die erste Welle verebbt war, begann sie ihn rhythmisch und intensiv zu reiten. Dabei ließ sie seinen Blick nicht los, beobachtete, wie seine Überraschung durch Lust und schließlich die Ekstase des Orgasmus abgelöst wurde. Das Zucken des spritzenden Schwanzes in sich spürend kam sie zum zweiten Mal. Das hatte sie jetzt wirklich gebraucht.

 

Kayleigh

 

Am späten Nachmittag traf sich eine kleine Gruppe im Aufenthaltsraum, wo sie sich am Morgen noch der Baronin hingegeben hatte. Die anderen hatten schon auf sie gewartet, als sie mit Hellf an ihrer Seite eintraf. Der Hund schien nicht von ihrer Seite weichen zu wollen. Natürlich war die Baronin da. Neben ihr saßen Rita und Frost. Robert stand am Rande der Polster-Gruppe in der Bodenvertiefung und nickte ihr grüßend zu. Er unterhielt sich mit Dorian und Rasmus, die sie noch aus der Villa kannte. Bekleidet mit robusten Hosen und ausgebeulten Pullis in gedeckten Farben, unrasiert und gezeichnet von einer kurzen Nacht hatten die beiden so nichts von den zwei Männern mehr, die sie zuvor kennengelernt hatte. Noch jemand war hier, den sie nicht unbedingt erwartet hatte. Der Dämon Sul-Durat lehnte lässig in den Polstern, mit dem glutroten Streifen im nachtschwarzen Gesicht strahlte er noch mehr Bedrohlichkeit aus als zuvor. Ihm gegenüber saß Zad. Wie er wohl hierhergekommen war? Kayleigh sah ihn an und sofort wurde ihr wieder warm in der Magengegend. Er lächelte sie an und sie wäre am liebsten zu ihm gerannt um ihn zu berühren. Seine Schönheit wurde durch den Kontrast zum dunklen Sul-Durat noch betont. Wie er mit überschlagenen Beinen in einer Ecke saß, war es, als würde er sich mit Sul-Durat einen Wettkampf in Lässigkeit liefern. Wie hypnotisiert ging sie auf ihn zu um sich neben ihn zu setzen. Doch die Baronin sprach sie an und bedeutete ihr, sich doch schräg neben sie zu setzen. Fast enttäuscht setzte Kayleigh sich dort hin. Im schummrigen Licht alter Glühlampen die in der alten Halle hingen, hatte die Versammlung etwas Verschwörerhaftes. Alle ließen sich nieder und sie spürte eine unterschwellige Spannung in der Luft. Unauffällig blickte sie in die Runde und wurde gewahr, dass jeder einzelne mehr oder weniger offensichtlich auf sie schaute. Acht Augenpaare voller Fragen, abwartend, neugierig, kritisch, interessiert. Sie drückte sich tiefer in die Polster und wäre am liebsten darin versunken. Offensichtlich erprobte Kämpfer wie Frost, Rita oder auch Robert und seine Männer, neben ihr die geheimnisvollste Frau die sie je kennengelernt hatte, ein Dämon, Hallo, ein DÄMON und der wahrscheinlich schönste und erotischste Mann der Welt – und jeder schaute ausgerechnet auf sie, ein durchschnittliches Mädchen  dessen wesentliche Lebenserfahrung sich in den letzten paar Tagen abgespielt hatte. Nervös vergrub sie ihre Hände in das Fell von Hellf, der sich einen Platz neben ihr ergattert hatte und seinen mächtigen Kopf in ihren Schoß gelegt hatte. Was wollten alle von ihr?

Zarah erlöste sie indem sie zu sprechen begann.

‚Hallo, alle einigermaßen fit? Wir sind zusammengekommen, um Informationen auszutauschen, damit wir alle besser verstehen, was letzte Nacht passiert ist. Ich denke, wir sind insbesondere Kayleigh einige Antworten schuldig und ich selbst habe einige Fragen, was sie betrifft.‘

Sie sah Kayleigh mit unergründlichem Blick an. Dadurch fühlte sie sich nicht besser.

‚Aber zuerst eine gute Nachricht, Corwin geht es den Umständen entsprechend gut, seine Verletzungen werden keine bleibenden Schäden nach sich ziehen. Alle anderen Verwundeten konnten heute schon wieder die Krankenstation verlassen. Robert, kannst Du Kayleigh etwas über die Torgänger erzählen?‘

Der Angesprochene hatte sich auf eine Polster-Rückenlehne gesetzt und hielt einen Kaffeebecher in beiden Händen. Er schaute Kayleigh freundlich an.

‚Okay, wo fange ich an? Es gibt in dieser Welt Tore die in andere Welten führen. Es gibt kleine Tore, große Tore, natürliche Tore, geschaffene Tore, bekannte, versteckte. Wir wissen nicht viel über sie. Führen sie in eine andere Dimension oder überbrücken sie  riesige Entfernungen? Vielleicht sind es sogar Tore die in andere Zeitalter führen. Was wir wissen ist, dass durch diese Tore schon seit Jahrzehnten, vielleicht seit Jahrhunderten, Wesen kommen die für die meisten Menschen eher in das Reich der Fabel gehören. Manche menschlich oder menschenähnlich aber auch viele, die wir eher als Monstren bezeichnen würden.‘

An dieser Stelle unterbrach ihn Rita, für die das anscheinend auch neu war.

‚Du sagst, dass seit langem Fremdwesen auf die Erde kommen und keiner wusste davon beziehungsweise hat sich darum gekümmert? Und erzähle mir nichts von Märchen und Fantasy-Geschichten die in Wirklichkeit wahre Begebenheiten sind. Die Regierungen dieser Welt wollen doch alles wissen, warum sollten sie sowas ignorieren?‘

‚Hmmm, eine eigentlich berechtigte Frage. Zunächst einmal, es hat sich jemand darum gekümmert. Allen voran die katholische Kirche, die sich jedoch eher in ihrem Teufelsglauben bestärkt fühlte und schon ideologisch bedingt kein Interesse daran hat, andere Welten zu akzeptieren. So hat man dort geforscht und sich vor allem auf potentielle Abwehrmaßnahmen konzentriert. Eine Ausnahme ist der Deutsche Orden, der aktiv nach Torgängern, so nennen wir alle, die durch die Tore kommen, sucht und sie bekämpft, wenn sie eine Bedrohung darstellen.

Zum anderen gibt es eine lose Gruppierung von Kämpfern, die ebenfalls Torgänger aufspürt und sie vernichtet. Hierzu gehören unter anderem die werte Baronin und ich. Nach unserer Tarnung ‚Club für außergewöhnliche Freizeitaktivitäten‘ nennen wir unsere Gruppe nur den Club.‘

Kayleigh blickte überrascht auf die schöne Frau neben ihr. Sie eine Monsterjägerin? Aber ihr fiel wieder ein, wie sie gestern eiskalt und mit unglaublichen Reflexen gehandelt hatte. Robert fuhr fort.

‚Die Beweggründe der Clubmitglieder sind nicht alle gleich. Manche möchten das Böse bekämpfen, andere betreiben einen regen Handel mit Gegenständen, Mineralien und Metallen, die die Torgänger gelegentlich mit sich führen.‘

Aus den Augenwinkeln warf Kayleigh der Baronin einen Blick zu. Welche Motivation mochte sie haben? Ihr Gefühl sagte ihr, dass es nicht das Geld war. Aber vielleicht war sie voreingenommen. Mit einem wohligen Schauer dachte sie an die erotischen Szenen, die sich zwischen ihr und Zarah in der kurzen Zeit abgespielt hatten, seit sie die Baronin kennengelernt hatte. Und da war noch etwas anderes als Leidenschaft und Befriedigung. Ganz sicher war sie voreingenommen.  Währenddessen ging das Gespräch weiter.

‚Was ist mit dem Militär, den Geheimdiensten?‘ beharrte Rita.

‚Man darf nicht vergessen, dass diese Besuche bei uns bis vor kurzem nur Einzelfälle waren und im großen Maßstab kaum von Bedeutung, gemessen an den kriegerischen Konflikten und Problemen in unserer eigenen Welt. In Afrika werden Hunderttausende in Völkermorden abgeschlachtet, vertrieben und gequält. Kümmert das hier jemanden wirklich? Welche Bedeutung haben da schon ein paar Monster die immer mal wieder auftauchen.‘

Die GSG-9-Kommandantin schwieg betroffen.

‚Wie gesagt, bis vor Kurzem, aber dann ist etwas passiert, irgendetwas in Bielefeld. Wenn man den wilden Gerüchten glauben darf, die durch das Internet schwirren, gab es einen massiven Angriff der Torgänger. Aber dazu kann Frost sicherlich mehr erzählen.

Der Ritter überlegte kurz und begann dann zu erzählen.

‚Der Deutsche Orden, genaugenommen sein kampforientierter Ableger, beschäftigt sich schon seit längerem mit den Torgängern. Wir haben sie nicht nur bekämpft sondern auch erforscht. Vor kurzem haben wir einen wesentlichen Schritt getan und es geschafft, selbst ein Tor zu öffnen und ein Forschungsteam hindurch zu schicken. Es hat uns über einen Kontakt eine Nachricht zukommen lassen. Aufgrund dieser haben wir Ritter nach Bielefeld geschickt. Dort hatte der Angriff bereits begonnen. Eine massive Invasion durch ein künstlich geschaffenes Tor. Das Erschreckende: Die Torgänger hatten Unterstützung von hier. Wahrscheinlich war es nur so möglich, ein so großes Tor zu schaffen. Mehr durch Zufall gelang es uns, das Tor zu zerstören, aber es befinden sich genug Monster in Bielefeld, um die Stadt, oder das, was von ihr übrig ist, für immer unbewohnbar zu machen. Der Vatikan hat die Stadt mit einem speziell entwickelten Energieschirm umschlossen, so dass nichts und niemand raus oder rein kann.‘

Aus eigener Erfahrung wusste Kayleigh nur zu genau, was mit Bielefeld passiert war, auch wenn immer noch ein dunkler Fleck in ihrer Erinnerung war. Sie interessierte etwa anderes.

‚Wie genau habt ihr denn die Nachricht aus der anderen Welt erhalten?‘

Der Anführer des Forschungsteams hat gewisse, sagen wir mal, spirituelle Fähigkeiten.‘

Sul-Durat fragte dazwischen.

‚Magie?‘

Frost grinste.

‚Um es beim Namen zu nennen, ja, magische Fähigkeiten. Gleichzeitig hatten wir jemanden im Kloster der ebenfalls einen Hang zur Magie hatte, wenn auch deutlich weniger ausgeprägt. Diese beiden konnten sich geistig miteinander verständigen, auch über große Entfernungen und offensichtlich auch durch ein Tor hindurch. Bruder Darius hat es mir einmal geschildert. Es ist wie eine Stimme in deinem Kopf. Leider ist nach dieser ersten und einzigen Nachricht der Bruder verstorben. Mittlerweile wissen wir, dass er ermordet wurde.‘

Eine Stimme im Kopf! Kayleigh nickte. Ja, genau so war es.

‚Durch wen wurde er ermordet? Fragte die Baronin.

Kurz erzählte Frost über Angelinas Nachforschungen, den Verrat des Abtes und was mit dem Orden passiert war. Zarah fragte weiter.

‚Was ist nach Eurer Flucht passiert, wo sind die restlichen Überlebenden?‘

Der Ritter zögerte kurz, wahrscheinlich überlegte er, was erzählen konnte und was nicht. Zumindest hätte Kayleigh das getan. Es waren nicht mehr viele des Ordens übrig und diese wurden bestimmt gejagt. 

‚Wir haben uns zerstreut. Die meisten werden sich jedoch wieder treffen, um den Orden wieder auferstehen zu lassen. Viele wurden getötet aber es sind auch noch viele übrig. Nicht nur die knapp hundert Überlebenden der Blutnacht, nein, auch viele die überall auf der Welt im Einsatz sind und nicht zur Messe kamen. Wir sind noch nicht geschlagen.‘

In seinen Augen stand kurz eine eiskalte Härte, die für einen Augenblick einen anderen Frost zeigten als den ewig grinsenden, Nichts ernst nehmenden Draufgänger. Kayleigh sah einen Augenblick lang den einsamen Wolf der schon mehr Kämpfe erlebt hatte, als sie sich vorstellen konnte. Sie sah förmlich die Reihen seiner Feinde vor sich, die versucht hatten, ihn zu vernichten. Er lebte immer noch. Schwer zu töten, brandgefährlich.  Nicht nur sie, auch Rita schienen diese Gedanken durch den Kopf zu gehen, jedenfalls drückte das ihr Mienenspiel aus. Und sie sah aus, als würde es diesen Mann noch attraktiver für sie zu machen. Der einsame Wolf und die Rudelführerin. Das würde spannend werden. Sie hörte Frost weiter zu.

‚Ich hatte ja erfahren, dass der Abt ein ausgeprägtes Interesse an Kayleigh hat.‘

Alle Blicke wanderten zu ihr, fast hätte sie verlegen gewinkt, aber sie verkniff sich jede Reaktion.

‚Daher wollte ich sofort zur Burg um sie und Zarah zu warnen. Rita flog zu ihrem Stützpunkt mit einigen Verletzten, tankte den Heli auf, lud ihr Team auf und folgte mir. Den Rest wisst ihr alle. Aber was zur Hölle ist bei Euch passiert?‘

Jetzt ergriff Zarah das Wort. Sie erzählte vom Erscheinen des Dämonenlords in Roberts Villa, dem Rückzug zur Burg und dem Angriff dort. Dabei erwähnte sie weder den genauen Zweck ihres Besuchs bei Robert noch dass Sul-Durat sie fast getötet hätte. Sie berichtete vom Tod Horatios wobei ihre Stimme eine Spur dunkler wurde. In Erinnerung an den Dämonenlord, dem sie hilflos ausgeliefert war, ging ein Schauer durch Kayleighs Körper und sie spürte wie sie eine Gänsehaut bekam. Sie erhob ihre jetzt leicht unsichere Stimme.

‚Wer, oder was war dieser Dämonenlord, was wollte er von mir, ausgerechnet von mir und was ist dort passiert? Ich meine, Du warst wie gelähmt und auf einmal hast Du auf ihn geschossen?‘

Zarah richtete ihre herrlichen Augen auf sie.

‚Das eine kann Dir Sul-Durat erklären, über das andere sollten wir sprechen.‘

Frost warf Sul-Durat einen kritischen Blick zu, sprach aber ganz ruhig.

‚Zunächst würde mich interessieren, wer er überhaupt ist.‘

Der Dämon lächelte den Ordenskämpfer mit einem Lächeln an, dass einen Vulkan einfrieren lassen würde. Frost schaute ungerührt zurück. Fast schien Kayleigh ein Knistern zu spüren, das vor Spannung in der Luft lag.

Als würde sie nichts davon bemerken stellte Zarah ihren Geliebten vor.

‚Entschuldigt meine Nachlässigkeit. Dies ist Sul-Durat, Dämon und Torgänger.‘

Die Spannung legte sich nicht, jedoch sprang auch niemand auf und schrie ‚Ein Torgänger!‘. Dass er nicht von dieser Welt stammte, war zu offensichtlich.

‚In der gestrigen Nacht hat er sich gegen seinen eigenen Herrn gewendet, um Kayleigh und mir beizustehen. Dafür hat er fast mit seinem Leben bezahlt.‘

Das reichte Frost noch nicht aus.

‚Aber woher wusste sein Boss überhaupt, dass Kayleigh in Roberts Villa war? Hat Dein Freund ihn dorthin geführt?‘

Diese Frage hatte Zarah sich in den vergangenen Stunden auch immer wieder gefragt. Ihr war klar, dass ein Dämonenlord große Macht über die ihm verbundenen Dämonen hatte. Wie weit diese ging und ob er vielleicht alles erfuhr, was diese an Wissen erlangten, konnte sie nicht einschätzen. Hatte Sul-Durat sie verraten, schließlich war er seinem Herrn verpflichtet? War seine Liebe zu ihr erst als er sie töten sollte groß genug gewesen, um den Bann des Dämonenlords zu durchbrechen? Zarah konnte Frosts Frage nicht beantworten und wandte ihren Kopf zu dem Dämonen. Der schien vollkommen ungerührt.

‚Ich war meinem Lord verpflichtet und hätte ihm berichten müssen, hätte er nach diesem Wissen begehrt. Doch er ahnte nichts von meiner Verbindung zu Zarah oder meiner Kenntnis über den Aufenthalt des Mädchens. Von mir wusste er es also nicht.‘

 

Kayleigh hob ihre Stimme etwas.

‚Aber was wollte er von mir, und was wollte dieses Monster mit den Klingen auf der Burg von mir?‘

Sul-Durat musterte sie kurz, sein Gesicht wurde ernst.

Du hast den Angriff auf Bielefeld überlebt. Das schon ist ein Wunder. Frost fand Dich inmitten toter Jäger. Jeder hier im Raum und einige andere mehr fragen sich, was ist dort geschehen. Was hat die Jäger getötet. Warst Du das? Wenn ja wie? Dies hat schon das Interesse des Ordens geweckt, und wie wir wissen, ist dieser durchsetzt von Verrätern. ‘

Frost nickte bestätigend und ließ den Dämon fortfahren.

Und Du wirst immer mysteriöser. In Roberts Villa standen wir alle unter dem Bann von Schwarz, meines Herrn. Dieser ist einer von dreizehn Dämonenlords und von gewaltiger Macht. Seine Magie hat Dich gefesselt und Zarah gelähmt. Eine Kleinigkeit für ihn. Mit seiner Macht könnte er durch ein Augenzwinkern eine Armee unter seinen Willen zwingen. Trotzdem hast Du, Kayleigh, etwas getan, das seinen Bann gebrochen hat. Du, ein junges Mädchen dieser zauberschwachen Welt, zerstört die Magie eines der mächtigsten Wesen aller Welten. Wenn bisher noch keiner Interesse an Dir gezeigt hat, jetzt werden es sehr viele tun.‘

Jeder einzelne Blick im Raum war auf Kayleigh gerichtet. Dorian und Rasmus schauten sie fasziniert an. Roberts Ausdruck hatte etwas von einem Schatzsucher der vor einem Haufen Gold steht. Rita sah sie mitfühlend an, Frost schien ergründen zu wollen, wie sie mit der Sache umging, ob sie das alles verkraftete. Sul-Durat schien sie mit seinen Augen durchbohren zu wollen, ihre Geheimnisse ergründen. Zad war voller Liebe, sein Blick spendete ihr Trost. Zarahs Blick war nicht zu deuten.

Plötzlich verspürte Kayleigh eine unbestimmte Angst in sich, von der Baronin verstoßen zu werden, wenn sie, das kleine Mädchen, sich als Monster entpuppte. Sie wollte schreien: Ich bin es, die gleiche Kayleigh die heute Morgen in Deinen Armen gelegen hat! Aber kein Laut kam über ihre Lippen. Wie ein Kaninchen umringt von Füchsen saß sie da, unfähig etwas zu sagen oder zu tun.

Da hob Zarah ihre Hand, legte sie auf ihre und drückte sie. Sie zwinkerte ihr zu und sprach mit ihrer dunklen Stimme

‚Ich mag Mädchen, die etwas Besonderes sind.

Die Spannung löste sich und die Gruppe begann wild durcheinander zu reden und zu diskutieren. Kayleigh lächelte befreit auf. Ihre Welt, die sich kurz zu einem dunklen Punkt zusammengezogen hatte wurde wieder hell. Spontan beugte sie sich hinüber zu Zarah und gab ihr einen weichen Kuss auf ihre herrlichen Lippen.

Frost wollte von Sul-Durat noch mehr über die Torgänger wissen. Der Dämon entschloss sich, eine kurze Zusammenfassung zu geben.

‚Was ihr Torgänger nennt, sind Untertanen des unsterblichen Kaisers. Er herrscht über ein Reich aus sieben Welten. Die Heimwelt, ihr Name ist Agona und sechs Kolonien, Welten, die der Kaiser mit Hilfe der Tore erobert hat. Das Reich ist riesig und es gibt verschiedene Interessengruppen, die dort unter dem Kaiser von wesentlicher Bedeutung sind. Da sind auf der einen Seite die Kriegslords, die fast unbesiegbare Kämpfer sind und die Welten mit Hilfe ihrer gewaltigen Truppen beherrschen. Auf der anderen Seite sind es vor allem die beiden magischen Gilden der Magier und der Hexen, die den Gegenpol zu den mächtigen Warlords bilden. Sie kontrollieren die Magie im Reich. Jeder Magiebegabte wird von ihnen aufgespürt und entweder in eine der Gilden aufgenommen oder getötet. Dazu müsst ihr wissen, dass in der Heimwelt alles mit Magie funktioniert. Sie ist allgegenwärtig wie bei Euch Elektrizität. Sie dient zur Kommunikation, zum Reisen über große Entfernungen, zum Betreiben von Maschinen und Waffen. Sie dominiert und verändert alle physikalischen Gesetze.  Die Bewohner der Heimwelt sind ein unglückliches Volk. Jeder versucht, zu überleben und sich Vorteile gegenüber dem Anderen zu verschaffen. Nur wenige, wie ihr sie nennen würdet ‚gute‘ Wesen werdet ihr dort finden. Die meisten Agonier sind menschlich, aber die Tierwelt ist reichlich und magisch geschaffene Kreuzungen zwischen Tier und Mensch weit verbreitet.  Die Bewohner der Kolonie-Welten sind geknechtet und ihre Welten werden ausgebeutet. Der Kaiser saugt die Kolonien aus. Rohstoffe, Arbeitskräfte, Schätze. Alles wird in die Heimwelt verbracht. Nicht zu vergessen Tausende von Leben die zum kaiserlichen Palast gebracht werden und von denen man nie wieder etwas hört. Die erste Kolonie Virschgard, ist nunmehr nur noch eine entseelte, unbewohnbare Ödnis. Daher ist auch das Bedürfnis nach einer neuen Kolonie so groß. Natürlich gibt es Widerstandsgruppen in den eroberten Welten, viele ohne Bedeutung aber auch einige, die eine gewisse regionale Bedrohung darstellen. Außerhalb des eigentlichen Systems sind die Dämonenlords. Sie sind von gewaltiger Macht welche die von uns, ihren Dämonen, noch um ein vielfaches übersteigt. Diese Macht ist eingeschränkt durch Bindungen, denen wir unterworfen sind und Beschränkungen beim Wechsel zwischen den Welten. Um all dies unter Kontrolle zu halten, verlässt sich der Kaiser nicht nur auf seine eigene Magie, die stärker ist jede andere, sondern vor allem auf seine Vollstrecker. Dreizehn magische Krieger die ausgewählt und länger als ein übliches Leben lang ausgebildet werden. Diese Ausbildung beinhaltet jahrelange, jahrzehntelange magische Rituale die diese Wesen am Ende unbesiegbar machen. Während dieser Zeit gehen sie eine Verbindung mit einem ausgewählten Magier ein, den Verkündern. Zusammen bilden sie die ultimative Waffe des Kaisers‘.

 

Rita nahm die Informationen auf und verarbeitete sie mit dem kühlen Verstand des erfahrenen Soldaten. Egal in welcher Scheiße du abgesetzt wirst, halte die Formation und kämpfe Dich durch. Jede Bedrohung lässt sich reduzieren auf das Muster  Stärken, Schwachpunkte, Strategie zur Bekämpfung. Das Monster unter dem Bett interessiert nicht, solange es da bleibt. Kommt es raus, wird es erledigt. So fragte sie Sul-Durat ‚Was bedeutet das für uns? Müssen wir mit weiteren Angriffen wie in Bielefeld rechnen?‘

‘Für Euch bedeutet es, dass Ihr nur noch beten könnt.  Denn die Invasion wird kommen. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht in zwei, aber irgendwann wird die geballte Macht des Kaisers durch ein Tor über Euch kommen und Ihr habt dem nichts entgegenzusetzen. Eure Bomben sind nutzlos, Eure Waffen schwach, Eure Technologie funktioniert nicht bei Magie und Eure Armeen sind zerstritten.‘

 

Stille herrschte im Raum.

 

In diese hinein sprach Kayleigh:

‚Sie kommen. Er hat es mir gesagt.‘

Robert fasste sich als erster.

‚Was? Wer hat Dir sowas gesagt?‘

Zarah sah sie an und nickte ihr zu. Also begann sie zu erzählen.

‚Ich höre eine Stimme, schon seit Bielefeld. Immer wieder war sie in meinem Kopf. Wie Frost es erzählt hat. Sie ist einfach da. Erst war sie nur undeutlich, wie von weiter Ferne. Dann wurde sie immer klarer. Gestern habe ich sie ganz deutlich gehört. Sie sagte, dass eine Invasion bevorsteht und die Armeen kommen.‘

‚Das muss Marvin sein. Er versucht Kontakt zu uns aufzunehmen und Du kannst ihn hören!‘

Frost stand auf.

‚Hat er Dir noch mehr mitgeteilt? Kannst Du ihn jetzt hören?‘

Kayleigh schüttelte den Kopf.

‚Nein, es passiert einfach nur manchmal, ich kann es nicht kontrollieren.‘

Robert wandte ein, dass sie gar nicht wüssten, ob es wirklich der Gesandte des Ordens war.

‚Du musst uns berichten, sobald er wieder zu Dir spricht.‘

Rita sah das anders.

‚Du solltest mit zum Grenzschutz kommen. Wir können auf Dich aufpassen. Ich glaube nicht, dass Du hier sicher bist.‘ 

Jetzt meldete sich Sul-Durat zu Wort.

‚Was wollt Ihr denn machen, Kontakt hin, Kontakt her. Das wird hier niemandem nützen. Keiner stellt sich den Truppen des Kaisers in den Weg.‘

Rita sah ihn böse an.

‚Wir werden uns nicht wie wehrlose Lämmer zur Schlachtbank führen lassen. Frost?‘

Der Ritter stand inmitten der Runde und betrachtete Kayleigh. ‚Der Orden wird alles tun, um die Torgänger aufzuhalten. Bis zum Letzten. Aber wir sollten nicht über Kayleighs Kopf hinweg diskutieren.‘

Auch Robert stand nun auf.

‚Wir bekämpfen die Torgänger vielleicht schon länger als der Orden und ich werde nicht zulassen, dass unsere beste Chance an Informationen zu kommen, ungenutzt bleibt.‘

Sul-Durat lachte spöttisch.

‚Und was willst Du dagegen tun?‘

Der Angesprochene schaute den Dämon böse an.

‚Fühle Dich ja nicht zu sicher, solche wie Dich haben wir schon reihenweise erledigt. Wer sagt uns, dass Du uns nicht verraten hast und es wieder tun wirst?‘

Die Stimmung kochte hoch und drohte zu explodieren. Zeit für Zarah einzuschreiten.

‚Robert! Ich verbürge mich für ihn. Reicht das?‘

Robert stockte kurz, dann nickte er und zog sich in den Hintergrund zurück. Zad, der bisher noch keinen Ton gesagt hatte, musterte Zarah und fragte mit ruhiger Stimme, die trotzdem glockenklar zu verstehen war.

‚Was ist mit Dir, Zarah, wirst Du Dich den Torgängern entgegenstellen?‘

Die schöne Baronin hielt noch immer Kayleighs Hand, so merkte das Mädchen, wie die andere unbewusst den Druck ihrer Finger kurz verstärkte.

‚Lass uns das später diskutieren. Ich denke, wir haben für heute genug Informationen ausgetauscht. Agnes wird uns in einer guten Stunde etwas zum Essen vorbereiten. Danke.‘

Mit diesen Worten beendete sie die Runde und verließ den Raum. Auch die anderen machten sich davon, nur Frost und Rita blieben noch mit Kayleigh zurück. Mit ernstem Blick gab die Frau der Spezialeinheit ihr die Hand.

‚Ich muss jetzt zu meiner Einheit zurück. Mein Angebot steht noch. Du kannst mich jederzeit über Frost erreichen, dann lasse ich Dich sofort zu uns in Sicherheit bringen. Pass auf Dich auf.‘

Mit festem Händedruck verabschiedete sie sich. Sie drehte sich um und machte ein paar Schritte richtig Ausgang. Plötzlich drehte sie sich wieder um, schlang ihre Arme um Frost und küsste ihn lang und intensiv.

‚Du auch, alter Draufgänger. Ich möchte Dich wiedersehen.‘

Ohne eine Erwiderung abzuwarten schritt sie davon. Kayleigh sah Frost halb verwundert, halb amüsiert an. Sein mittlerweile vertrautes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht.

‚Tja, so wirke ich halt auf Frauen.‘

Sie lachte und begleitete ihn auf der Suche nach einem ordentlichen Kaffee.

 

Zarah

 

Das alte Kraftwerk bot viele einsame Flecken. Im fünften Stock des Technikgebäudes auf einer außenliegenden Galerie hatte sich Zarah so einen gesucht. Vor ihr breitete sich dunkle Landschaft aus, die im Mondlicht ihre Konturen zeigte. Sie lehnte sich an das Geländer und starrte in die Nacht. Zad hatte sie an ihrer schwachen Stelle getroffen. Die eine Sache in ihrem Leben, die ihr immer wie ein Schatten folgte, die eine Entscheidung, die sie noch nicht getroffen hatte. Verstecken oder Kämpfen. All die langen Jahre die hinter ihr lagen hatte sie zwischen diesen beiden Möglichkeiten geschwankt. Einerseits hatte sie sich ein Refugium in ihrer Burg aufgebaut, andererseits hatte es sie immer wieder dazu getrieben die Gesandten  des Kaiserreichs zu jagen. Wäre es nicht so gewesen, würde sie heute irgendwo in einem Luxusbett liegen und sich von Bediensteten und Verehrern verwöhnen lassen. Stattdessen stand sie hier auf dem rostigen Gittergerüst in einem alten Kraftwerk im eiskalten Wind und war dabei, Gefühle für ein  junges Mädchen zu entwickeln, das mehr Ärger versprach, als irgendjemand haben wollte. Fühlte sie sich wirklich zu dem hübschen, offenen Mädchen mit dem dunklen Geheimnis hingezogen oder war es vielleicht nur die Erinnerung an ein anderes Mädchen und ihr Gewissen, welches sich meldete? Wollte sie unbewusst etwas gutmachen, eine Schuld tilgen die auf ihr lastete? Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte so viel Schuld auf sich geladen ohne sich davon erdrücken zu lassen. Und doch gingen ihre Gedanken weit zurück. Zu einem anderen Leben und einer anderen Frau, die sie zurückgelassen hatte. Der Grund, warum sie sich nie konsequent für das Verstecken entscheiden konnte. Doch irgendwie war sie müde geworden und der Gedanke sich einfach irgendwohin zurückzuziehen und die Welt Welt sein zu lassen wurde immer verführerischer. Auf einmal hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Ohne sich umzudrehen fragte sie:

‚Was glaubst Du wohl, warum ich mich an diese einsame Stelle zurückgezogen habe, Betonung auf einsame?‘

Zad trat neben sie an das Geländer und ließ ebenfalls seinen Blick über die nächtliche Landschaft wandern. Er ignorierte ihre Frage und stellte eine andere.

‚Was wirst Du tun?‘

‚Ich weiß es nicht, was soll ich tun?‘

Kurzes Schweigen.

‚Diese Entscheidung liegt bei Dir. Du hast immer die Wahl.‘

Zarah dachte zurück, weit zurück.

‚Das habe ich schon einmal gehört. Nachdem Du mich geschaffen hast, und es war damals schon gelogen, ich hatte keine Wahl‘.

‚Ich habe Dich nicht geschaffen. Aufgeweckt wäre vielleicht das richtige Wort. Alles was Du heute bist, war schon da, bevor wir uns getroffen haben. Damals wie heute gab es eine Wahl. Du fühlst Dich vielleicht von Deinen eigenen Ansprüchen und Werten in eine Richtung gedrängt, aber die Entscheidung triffst Du selbst. Wie auch immer sie ausfällt, es wird Dir leichter fallen den Weg zu gehen, wenn Du Deine eigene Verantwortung für Deine Entscheidung erkennst und übernimmst.‘

Er hatte Recht, und sie hatte es schon gewusst, bevor er es ausgesprochen hatte. Kalter Wind fuhr ihr durch das Haar und sie genoss die Kälte in ihrem Gesicht.

‚Was ist mit Kayleigh? Vor drei Tagen hast Du mir noch gesagt, ich solle sie in Ruhe lassen.‘

‚Das hättest Du auch sollen. Aber jetzt ist es offensichtlich zu spät. Mehr als einer wird hinter ihr her sein, und wenn sie jemand beschützen kann, dann Du.‘

‚So gut wie ich Horatio beschützen konnte?‘

‚Er hat keinen Schutz gebraucht und hätte ihn auch nicht gewollt. Wenn Du in einen Kampf eintrittst, weißt Du, dass Du sterben kannst. Er wusste es. Und Du weißt es auch, solltest Du Dich für den Kampf entscheiden. Vielleicht hast Du die Macht, diese Welt zu retten, Zarah Nachtfeuer.‘

 

Sie drehte sich um und schaute ihn an. Er blickte in ihre Augen und erkannte er mit einem Schaudern, dass er keine Ahnung hatte, was sie jetzt dachte.

 

Als Zarah in ihr Zimmer zurückkehrte, sie hatte im Gegensatz zu allen anderen den Luxus eines richtigen Raums, wartete Sul-Durat schon auf sie. Er lag auf dem Bett. Seine Verletzung machte ihm mehr zu schaffen, als er es bei der Versammlung gezeigt hatte. Sein erschöpftes Gesicht hellte sich auf, als er sie sah.

‚Bist Du mit Deinen Überlegungen weitergekommen?‘

‚Weiß denn hier jeder, was in mir vorgeht?‘

‚Das war nicht schwierig zu raten. Wer hat Dich noch durchschaut?‘

Zad, ich habe gerade mit ihm gesprochen.‘

Mit offenem Blick, soweit dies seine dämonischen, wie in schwarzem Marmor gemeißelten Züge die immer etwas Sinisteres hatten,  überhaupt zuließen, fragte er:

‚Wer und was ist dieser Zad?‘

‚Ein alter, sehr alter Freund, und jemand, mit dem man sich nicht anlegt.‘

Den letzten Halbsatz schob sie gleichsam als Warnung hinterher. 

‚Keine Angst, er hat mir das Leben gerettet. Ich weiß nicht wie, denn eigentlich war es nicht möglich, aber er hat etwas bei mir gut. Ihr verbergt ein gemeinsames Geheimnis, doch ich glaube nicht,  dass es dem schaden könnte, was zwischen uns ist.‘

Beide vermieden es, dass was zwischen ihnen war, mit Namen zu benennen. Zu fremd war beiden der Begriff ‚Liebe‘.

‚Da würde mir die kleine Hexe mehr Sorgen bereiten, Du magst sie, nicht?‘

‚Benutze nicht dieses Wort, da steckt zu viel Bedeutung dahinter.‘

Seufzend lehnte sich der Dämon zurück.

‚Ich weiß, aber woher weißt Du das? Wie gut kenne ich Dich eigentlich?‘

Die schöne Baronin legte sich zu ihm und legte ihren Kopf auf seine Brust.

‚Ist das wichtig?‘