15. Kapitel
»Geh durch«, sagte Alex. »Eine andere Welt erwartet dich.«
Lily machte kleine Schritte, wie ein Mädchen, das sich nicht traut, das Geschenk entgegenzunehmen, das man ihr überreichen will.
Der Fußboden war aus dunklem, massivem Holz, an den Wänden waren Holzpaneele in einem etwas helleren Ton. Von der Decke hing ein großer Glaslüster. Dieser verteilte sein Funkeln im großen Vorraum. Von diesem führte rechts eine breite Treppe nach oben in den ersten Stock, wo sich eine Galerie befand, von der Menschen zu ihr herunter blickten. Nackte Menschen.
Von dem Vorraum gingen links und rechts Räume ab. Auch hier sah Lily schnell nach links und nach rechts. Nackte Menschen, überall. Oh Gott, was ist das hier, dachte sie. Ihr Magen machte komische Geräusche. Sie war nervös.
An ihr schritten schlanke Frauen mit endlos langen Beinen vorbei, die nur High Heels trugen. Es folgten ihnen Männer, die außer einer Hipster nichts anhatten. In dem Haus befanden sich mindestens zwanzig oder dreißig Frauen und Männer, die sie auf den ersten Blick sehen konnte.
»Alex, wo hast du mich hier hingebracht?«, fragte Lily mit zittriger Stimme.
»Du musst keine Angst haben, das hier ist ein Haus der Freude. Freude an der Lust.«
Alex nahm Lilys Hand. »Komm, wir gehen ins Auskleidezimmer.«
»Auskleidezimmer?«
»Ja, wir wollen der Gemeinschaft in diesem Haus beitreten.«
»Gemeinschaft? Was heißt das?«
»Sich auszuziehen.«
»Alex, ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich kenne doch hier niemanden.«
»Genau das ist der Clou an diesem Haus. Keiner weiß, wer der andere ist. Es wird hier auch nicht viel gesprochen. Alles fokussiert sich auf die Lust am Körper der anderen oder auch am eigenen.«
»Du kennst dich hier ja sehr gut aus.«
Alex lächelte. »Wenn ich in Rio bin, komme ich hier immer her.«
Lily folgte Alex zu einem Zimmer, das im hinteren Teil der Eingangshalle lag. In dem Zimmer befand sich auch gerade das schöne Pärchen, das aus dem Porsche ausgestiegen war. Der Mann trug einen farblich ungeschickt gewählten Anzug in einem hellen Blau und die Frau ein dunkelgraues, knielanges Kleid, das unten weiter ausfiel. Und sie trug sehr hohe Schuhe.
Der Mann zog wohl nach Vorschrift, alles bis auf seine Boxershorts aus und sperrte seine Sachen in einen frisch polieren Edelstahlspind.
Für Sicherheit war gesorgt, dachte Lily. Zumindest für die Sicherheit seiner Kleidungsstücke. Die Frau tat es ihm nach. Lily konnte nicht anders, als ihre großen, festen Brüste anzuschauen. Die Frau hatte sich bis auf einen Strich glattrasiert. Auch ihre Beine glänzten, so glatt waren sie. Die Frau und der Mann lächelten sie an und verließen das Zimmer. Nun war Lily mit Alex alleine.
»Das ist ja wohl der einzige Ort, wo wir in diesem Haus alleine sein werden. Was hast du dir dabei gedacht, mich hierher zubringen?«, sagte Lily erregt.
»Ich habe an das gedacht, was ich mit dir zwei Nächte habe tun dürfen. Dich verwöhnen, dir Lust zu bereiten, von dir befriedigt zu werden.«
»Okay, ja schön. Und was hat das mit dem hier zu tun«, sagte Lily und zeigte mit dem Armen auf das, was sie hier alles sah.
»Das ist ein weiter Weg, Lily.«
»Was für ein Weg?«
»Ein Weg, der dir gefallen wird. Dir wird gefallen, was du hier erlebst. Und nun ziehen wir uns aus«, sagte Alex mit seiner weichen Stimme.
»Und wenn ich das nicht will?«
»Lass dich einfach darauf ein. Wenn du nach einer Stunde sagst, dass du das nicht willst, dann gehen wir. Ist das ein Kompromiss?«
Lily seufzte. Sollte sie so weit gehen und sich vor anderen nackt zeigen?
»Eine Stunde, dann gehen wir, wenn ich es will?«, fragte sie.
»Versprochen.«
Alex zog seinen Smoking, Hemd, Schuhe und Socken aus. Nun trug er nur noch einen dunkelblauen Hipster. Lily knöpfte ihre cremefarbene Bluse auf und öffnete den Reißverschluss ihres rosé-schwarzen Rocks. Nun hatte sie nur noch ihren schwarzen Satin-BH, einen schwarzen Satinslip und die hohen schwarzen Schuhe an.
»Soll ich dir bei dem BH helfen?«, fragte Alex.
Lily drehte sich zögerlich zu ihm hin. Alex öffnete den Verschluss des BHs und legte ihn dann zu Lilys Sachen in ihren Spind.
»Den Slip auch, Lily.«
»Kann man darauf nicht verzichten?«
»Auf den Slip verzichten, ja.«
»Tu nicht so, du weißt genau, was ich meine«, sagte Lily mit einer Zornesfalte auf der Stirn.
»Ich habe dich schon nackt gesehen und alle da draußen sind auch nackt. Für die bist du nicht das Objekt, für das du dich hältst. Du und ich sind zwei unter vielen, die alle das Gleiche wollen. Ein erotisches Erlebnis genießen. Und das Haus ist groß und hat viele Zimmer, Lily, hier gibt es sehr viel, was du neu erfahren wirst.«
Lily war dermaßen verunsichert, das sie zu zittern begann. Alex nahm sie in den Arm.
»Du musst keine Angst haben. Schalte dein Gehirn aus und lass in den nächsten Stunden deinen Körper die Kontrolle über dich erlangen. Du wirst erkennen, es wird dir gefallen und sehr sehr gut tun.«
Lily war verwirrt. Über alles, was sich ihr hier darbot und über Alex. Wie konnte ein Mann so samtweiche Worte finden, obwohl er am Vormittag zugesehen hatte, als ein Mann halb tot geprügelt wurde?
Wer war Alexander Willoughby?
»Jetzt komm, Lily, zieh deinen Slip aus und lass uns in die erotische Welt eintauchen«, sagte er.
Lily überlegte noch kurz, zog dann ihren Slip aus und legte ihn in ihren Spind. Sie war frisch rasiert. Ihr Zentrum war zwar weich, aber noch leicht gerötet. Aber das würde hier wohl keinen interessieren. Lily schloss ihren Spind ab.
Alex nahm Lily bei der Hand. »Bereit?«, fragte er.
»Bereit«, sagte sie.