II

 

»Die denken sich schon Sachen aus, diese Firmen«, sagte Sergeant Cobb.

Er blickte mit grimmiger Bewunderung auf das Schaufenster des Sabrina Fair Salons. Eingerahmt und umgeben von einer Auswahl teurer Beispiele der Glasbläserkunst – die ›gläsern-transparente Welle‹ – war Sabrina ausgestellt, in liegender Position, bekleidet mit kurzen, exquisiten Dessous und glücklich umgeben von einer Vielzahl köstlich verpackter Kosmetika. Außer den Höschen trug sie erhebliche Mengen von barbarischem Modeschmuck.

Constable McCrae schnaubte in tiefer Missbilligung. »Blasphemie nenne ich das. Sabrina Fair, das ist immerhin von ›Milton‹.«

»Nun ja, ›Milton‹ ist nicht die Bibel, mein Bester.«

»Aber Sie können nicht leugnen, dass Paradise Lost von Adam und Eva handelt und vom Garten Eden und all den Teufeln der Hölle, und wenn das nicht Religion ist, was ist es dann?«

Sergeant Cobb ließ sich nicht auf diese Argumentation ein. Er marschierte mutig in den Salon; der säuerlich dreinblickende Constable folgte ihm auf dem Fuß. In dem muschelrosé getönten Interieur des Sabrina Fair Salons wirkten die beiden Polizisten so deplaziert wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen.

Eine exquisite Kreatur in delikatem Lachsrosa, deren Füße kaum den Boden zu berühren schienen, schwebte auf sie zu.

Sergeant Cobb sagte: »Guten Morgen, Madam«, und zeigte seinen Durchsuchungsbefehl. Die liebliche Kreatur flatterte davon. Eine gleichermaßen liebliche, wenn auch etwas ältere Kreatur erschien. Diese wiederum wurde ersetzt durch eine Art prächtige Herzogin, deren blaugraues Haar und glatte Wangen ihr Alter nicht preisgaben. Abschätzende, stahlgraue Augen begegneten dem ruhigen Blick von Sergeant Cobb.

»Das ist ein höchst ungewöhnliches Ansinnen«, sagte die »Herzogin« ernst. »Bitte kommen Sie hier entlang.«

Sie führte sie durch einen quadratischen Salon, in dessen Mitte ein Tisch mit nachlässig aufgehäuften Zeitschriften und Illustrierten stand. Rings an den Wänden fanden sich mit Vorhängen versehene Kabinen, wo man Frauengestalten erahnen konnte, die von einer Art Priesterinnen in pinkfarbenen Roben behandelt wurden.

Die »Herzogin« führte die Polizisten in ein kleines büroartiges Apartment mit einem großen Schreibtisch und schweren Stühlen; hier dämpfte nichts das harte nördliche Licht.

»Ich bin Mrs Lucas, die Eigentümerin dieses Unternehmens«, sagte sie. »Meine Partnerin, Miss Hobhouse, ist heute leider nicht hier.«

»Nein, Madam«, sagte Sergeant Cobb, für den das nichts Neues war.

»Dieser Durchsuchungsbefehl, den Sie da vorweisen, der scheint mir ziemlich aus der Luft gegriffen«, sagte Mrs Lucas. »Das hier ist das private Büro von Miss Hobhouse. Ich hoffe sehr, dass es nicht nötig ist – äh –, unsere Kundinnen in irgendeiner Art zu beunruhigen.«

»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, sagte Cobb. »Was wir suchen, das liegt nicht irgendwo offen herum.«

Er wartete höflich, bis sie sich schließlich widerstrebend zurückzog. Dann sah er sich im Büro von Valerie Hobhouse um. Das schmale Fenster gab den Blick frei auf die Hinterhöfe anderer Firmen in Mayfair. Die Wände waren hellgrau getäfelt, und auf dem Boden lagen zwei gute Perserteppiche. Seine Augen wanderten zwischen einem kleinen Wandsafe und dem großen Schreibtisch hin und her.

»Wird nicht im Safe sein«, sagte Cobb, »zu nahe liegend.«

Eine Viertelstunde später hatten Safe und Schreibtisch ihre Geheimnisse preisgegeben.

»Sieht fast so aus, als hätten wir eine Niete gezogen«, sagte McCrae, der von Natur aus eher pessimistisch eingestellt war.

»Wir sind gerade erst am Anfang«, sagte Cobb.

Nachdem er den Schreibtisch geleert und den Inhalt in kleinen Haufen geordnet hatte, zog er die Schubladen heraus und drehte sie um.

Er stieß einen Freudenruf aus. »Hier ist es ja«, sagte er.

An der Unterseite der untersten Schublade war mit Klebstreifen ein halbes Dutzend kleiner, dunkelblauer Bücher mit goldener Schrift angeklebt.

»Pässe«, sagte Sergeant Cobb. »Ausgegeben vom Außenministerium Ihrer Majestät, Gott schütze sie.«

McCrae beugte sich interessiert vor, als Cobb die Pässe öffnete und die Fotografien verglich. »Man sollte kaum glauben, dass das alles dieselbe Frau ist, oder?«, sagte er.

Die Pässe waren ausgestellt auf Mrs da Silva, Miss Irene French, Mrs Olga Kohn, Miss Nina Le Mesurier, Mrs Gladys Thomas und Miss Moira O’Neele. Sie stellten eine dunkelhaarige junge Frau dar, deren Alter zwischen fünfundzwanzig und vierzig variierte.

»Es ist jeweils die Frisur, die den Unterschied macht«, sagte Cobb. »Pompadour, Locken, gerader Schnitt, Pagenschnitt und so weiter. Sie hat irgendetwas mit ihrer Nase angestellt für Olga Kohn, und sie macht Pausbäckchen für Mrs Thomas. Hier sind noch zwei weitere – ausländische Pässe – Madame Mahmoudi, Algerien, und Sheila Donovan, Irland. Ich nehme an, sie hat Bankkonten unter all diesen Namen.«

»Ziemlich kompliziert, was?«

»Es muss so kompliziert sein, mein Lieber. Das Finanzamt schnüffelt überall herum und stellt peinliche Fragen. Es ist nicht so schwer, mit der Schmuggelei einen Haufen Geld zu verdienen – aber es ist extrem schwierig, über diese Einnahmen am Ende Rechenschaft abzulegen! Das Geld muss gewaschen werden. Ich vermute, die Lady hat diesen kleinen Spielclub in Mayfair extra für diesen Zweck ins Leben gerufen. Geld beim Spiel zu gewinnen ist so ziemlich die einzige Möglichkeit, die das Finanzamt nicht überprüfen kann. Ein guter Teil der Beute, nehme ich an, wird auf Banken in Algerien und Frankreich und Irland liegen. Die ganze Geschichte ist gut durchdacht und geschäftsmäßig ausgeführt. Und dann muss sie ausgerechnet einen dieser falschen Pässe in der Hickory Road herumliegen lassen, und die arme kleine Celia sieht ihn.«