Betrifft: Filmriss
Von: H. Zimmermann
Datum: 11.12.2012 17:14
Mike,
ich habe Kopfschmerzen. Nein, das ist noch zu milde ausgedrückt: Ich habe das Gefühl, als würde eine Horde wild gewordener Elefanten durch mein Hirn stampfen, brüllen, trompeten und alles niederwalzen, was sich ihnen in den Weg stellt. Davon abgesehen bin ich heute Nachmittag in meinem Bett aufgewacht, mit nichts weiter als Unterhose und T-Shirt bekleidet und einem Geschmack im Mund, der an tote Mäuse erinnert.
Was ist passiert?
Kurze Pause: Kaffee und Aspirin. Die Elefantenherde verzieht sich. Langsam, widerstrebend, kommen ein paar Erinnerungsbilder aus dem Gebüsch geschlichen … Oh weh …
Du warst hier. Du warst tatsächlich hier. Ich hab’s ja nicht glauben wollen … Sonst hätte ich mich umgezogen.
Aber es klingelte an der Tür, ich öffnete und da stand ich nun: graue Jogginghose, schwarzes T-Shirt, total verheultes, verquollenes Gesicht. Und Du: schwarzer Anzug, graues Hemd, frisch rasiert, nach irgendwas Holzig-Herbem duftend … Eine Flasche Whisky in der einen Hand und eine Plastiktüte, aus der es durchdringend nach Sojasoße und Ingwer roch, in der anderen. Dazu einen flotten Begrüßungsspruch auf den Lippen: »Wer weder durch Butter noch Whisky geheilt wird, der hat keine Heilung zu erwarten.«
Woher hast Du gewusst, dass ich seit gestern nichts mehr gegessen hatte? Und vor allem, dass ich Chinesisch mag?
Und wie kommt es, dass Du so ruhig geblieben bist, als ich mich augenblicklich an Deine Brust warf und Dir hemmungslos Dein graues Hemd vollheulte? (Hab Dir ja noch nicht mal Zeit gelassen, den Whisky oder die Plastiktüte abzustellen.) Oh ja, ich erinnere mich … Wie gut, dass Du mich gerade nicht sehen kannst. Meine Wangen glühen. Knallrot.
Du hast mich sanft in den Flur geschoben, die Tür hinter uns mit dem Fuß zugekickt und mich erst mal ausheulen lassen. Mike, hiermit nehme ich ganz offiziell alles zurück, was ich jemals über Deine Fähigkeiten, trauernde Hinterbliebene zu trösten, gesagt habe. Allein Deine Gegenwart, ruhig und zuverlässig, hat mich schon ein wenig getröstet. Und vor allem, dass Du mich ernst genommen hast. Keine blöden Sprüche, wie: »Reiß Dich zusammen, Othello war doch nur ein Haustier.« Oder: »Besorg Dir doch einen neuen Kater, gibt genug davon im Tierheim.«
Dann, als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, hast Du mich ins Badezimmer geschickt, damit ich mich ein bisschen frisch mache. Welch ein Schreck beim Blick in den Spiegel! Wie gut, dass Du an so etwas gewöhnt bist. Ich badete mein Gesicht in kaltem Wasser, bis es sich ganz taub anfühlte, und schmierte mir etwas Make-up auf die blasse Haut. Nun sah ich aus wie ein Zombie nach einem Solarium-Besuch. Nachdem ich Jogginghose und T-Shirt gegen Jeans und Bluse getauscht hatte, wartete im Wohnzimmer die nächste Überraschung: Othello lag mitten auf dem Parkett, auf einem weißen Leinentuch, umgeben von leise flackernden Teelichtern. Auf dem Couchtisch hattest Du bunte Kartons verteilt, aus denen es köstlich duftete, und aus dem Lautsprecher tönte leise »With or without you« von U2. Neben der Couch standest Du, zwei Gläser in der Hand: »In Irland ist es Sitte, den Toten aufzubahren, ihm mit Gesang, Essen und vor allem Trinken, das Abschiedsgeleit zu geben. Santé!«
Ich war froh, nicht mal im Traum an Wimperntusche gedacht zu haben. Denn ich musste sofort wieder losheulen.
Nach dem ersten Glas, dessen bernsteinfarbener Inhalt rauchig, torfig meine Kehle hinunterlief und in meinem Bauch ein kleines Feuer entzündete, wird meine Erinnerung bruchstückhaft. Huhn, gebratene Nudeln, Garnelen mit Cashewkernen, mein lachhafter Versuch, mit Stäbchen zu essen (Du hingegen hast das sehr gekonnt gehandhabt).
Whisky-selige Erinnerungen an Othellos Jugendstreiche (er hat mal den Dackel der Nachbarin verprügelt) und an die zerfetzte Lieblingsspielmaus, die ich ihm als Grabbeigabe auf das Leinentuch gelegt habe.
Hast Du mir wirklich erzählt, dass in Irland viele Trauernde ihren verstorbenen Angehörigen Handys mit in den Sarg legen – aus Angst, lebendig begraben zu werden? Und dass den Familien, die das machen, nahegelegt wird, es auszuschalten oder den Vibrationsalarm einzustellen? »Denn man will ja schließlich bei einer Beerdigung kein Klingeln aus dem Sarg hören«, hast Du augenzwinkernd hinzugefügt.
Ich habe gekichert, mich verschluckt, und wieder ein bisschen geheult. Glaube ich jedenfalls. Dann hast Du uns beide eingepackt, mich in meinen warmen Mantel, Othello (und Maus) in sein weißes Leinentuch, hast die Kerzen ausgemacht und uns in Dein Auto verfrachtet. Es war bereits dunkel geworden. Wir sind nicht lange gefahren, jedenfalls kam es mir nicht so vor. Aus der Stadt hinaus, bis die Mietskasernen schicken Häusern und Bungalows wichen. Die Gegend sah teuer aus, und als Du schließlich anhieltest, standen wir vor einer stucküberladenen, protzigen Villa.
»Meine Eltern wohnen hier. Aber keine Angst, sie sind nicht da. Den Winter verbringen sie lieber in der ›Dom Rep‹.«
Es war eine klare, nicht allzu kalte Nacht. Die Luft hat nach Herbst geduftet, aber der Winter war schon zu ahnen. Du hattest eine Taschenlampe … Und wir sind durch den makellosen Garten geschlichen, bis zum Schuppen hin. War das der Schuppen aus Deiner Erzählung? Ich hätte zu gerne mal hineingesehen …
Dahinter lag ein kleines Rasenstück, das nicht manikürt aussah. Und mittendrin ein Loch.
»Das hat die Gärtnerin gemacht. Sie heißt Nikki. Ich bin gut mit ihr befreundet.«
Das habe ich Dir sofort geglaubt. Dann hast Du Othello sanft in die Erde gebettet.
»Hier kommen meine Eltern nicht hin. Und Nikki wird gut aufpassen, sie hat es mir versprochen. So wie auf Ernie und Bert – meine Hamster. ›Goodbye my Friend and God Bless you.‹«
Wir haben das Loch zugeschaufelt. Glaube ich jedenfalls.
Und dann bist Du mit mir zu einem Irish Pub gefahren, um eine »anständige Totenfeier« zu zelebrieren.
Woran ich mich erinnern kann: eine vollgestopfte Kneipe. Livemusik, mit Fidel, Gitarre, Gejohle und Gestampfe. Guinness, bitter und dunkel unter süßem Schaum.
Habe ich getanzt? Bitte sage nicht, dass ich getanzt habe. Ich kann nämlich nicht tanzen.
Hast Du irgendwann mal gesagt: »Es lohnt sich nicht, über verschüttetes Guinness zu weinen«?
Und was ist dann geschehen? Habe ich gesungen? Bitte sage nicht, dass ich gesungen habe. Ich kann nämlich nicht singen!
Wie bin ich nach Hause gekommen? Warum hatte ich (so gut wie) nichts an?
Oh Mann, habe ich mich total blamiert?
Haben wir … oder haben wir nicht?
Bitte bring es mir schonend bei,
Hannah
(verkatert)
Betrifft: Filmriss
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 11.12.2012 18:41
My dear Irish Rose,
das wundert mich gar nicht. Ich fülle gerne die Lücken in Deiner Erinnerung und werde mich bemühen, dabei schonend vorzugehen.
Deine Mail war bis zu jenem gewissen Zeitpunkt eine akkurate Beschreibung von Othellos Abschiedsnahme. Fühle mich sehr geehrt, dass Du Deine wenig schmeichelhaften Bezeichnungen für meine Tätigkeit revidieren konntest. Zumal das auch für mich eine »Premiere« war. Nein, nicht bezogen auf vollgeheulte Hemden oder angeschickerte Hinterbliebene. Sondern in Bezug auf eine tierische Beerdigung.
Du hast recht, ich nehme Trauer ernst. Kann mich gut erinnern, wie das war, als meine Hamster Ernie und Bert das Zeitliche segneten. Besagte »Sprüche« musste ich mir von meinen liebenden Eltern anhören. Habe die Hamster heimlich unter die Erde gebracht – damals allerdings noch ganz unprofessionell.
Ja, manche Iren legen tatsächlich Handys in den Sarg. Auch hier in Deutschland habe ich das schon erlebt. Vielleicht die Hoffnung auf ein Wunder?
Jedes Leben ist kostbar. Und jeder Tod erinnert uns daran, dass auch wir sterben werden. Also feiern wir das Leben, solange wir können.
Und Du konntest. Lange und ausdauernd. Hut ab.
Ich muss gestehen, dass ich trotz der ausführlichen Beschreibung Deiner Abenteuer immer noch dieses leicht verklemmte, graue Mäuschen im Kopf hatte, das ich damals kennengelernt habe. Du hast Dich verändert.
Lachend gefällst Du mir besser als weinend. Du hast übrigens ein sehr ansteckendes Lachen. Und ein sehr lautes.
Und Dein Vorrat an original englischen, schmutzigen Limericks ist wirklich erstaunlich. An einen kann ich mich noch gut erinnern:
There once was a plumber from Lee,
Who was plumbing his girl by the sea.
She said: »Stop your plumbing,
There’s somebody coming!«
Said the plumber still plumbing: »It’s me!«
(Der Klempner aus Lee,
Er »klempnert« seine Liebste auf See.
Sie sagt: »Achtung, da kommt wer!«
Und, na klar, es ist er …)
Du hattest sehr schnell ein aufmerksames Publikum. Das hat sogar durchgehalten, als Du angefangen hast, »Whiskey in the Jar« zu singen. Nein, singen kannst Du wirklich nicht. Es klang ganz fatal wie das Geheul einer irischen Banshee (Totenfee).
Und dann hat Dich einer zum Tanzen aufgefordert. Da habe ich noch nicht eingegriffen. Ich fand es vielmehr höchst amüsant zuzusehen, wie Du endlich mal aus Dir rausgehst. Du hast übrigens ein sehr gutes Rhythmusgefühl.
Eingegriffen habe ich erst, als Du Anstalten machtest, Dein T-Shirt auszuziehen. Irgendwie hattest Du es Dir in den Kopf gesetzt, es wäre angemessen, besagtes Kleidungsstück über dem Kopf zu schwenken und dazu »Yippey-ay-ey« zu brüllen.
Es war nicht einfach, Dich aus dem sich schnell bildenden Kreis interessiert zuschauender Männer herauszufischen. Ich musste mich regelrecht durchschlagen.
Vielleicht hätte ich nicht zulassen sollen, dass Du zum Guinness noch Whisky trinkst. Aber Du wolltest unbedingt wissen, was ein echter »Single Malt« sei, und so ließ ich Dich probieren. Aber einer hätte gereicht. Oder zwei.
Vielleicht hättest Du Dich auf dem Nachhauseweg dann nicht über meine neuen Stiefel übergeben.
Nun, wie Du bereits erwähntest, ich bin so einiges gewöhnt.
War jedoch sehr froh, als ich Dich endlich in Deiner Wohnung und im Bett hatte. (Bei Gelegenheit solltest Du Dich vielleicht bei den Nachbarn entschuldigen, die Du mit einer sehr lauten und sehr falschen Version von »The Wild Rover«, gesungen im Treppenhaus, aus dem Tiefschlaf geweckt hast.)
Ich schaffte es, Dich aus Deinen Klamotten zu pellen (zumindest Deine Jeans hatten fast ebenso viel abbekommen wie meine Stiefel) und unter die Decken zu verfrachten. Du hast umgehend begonnen, zu schnarchen.
Und nein, wir haben nicht. Ich ziehe es vor, wenn meine Partnerin im Bett bei Bewusstsein ist. Reine Eitelkeit meinerseits. Abgesehen davon habe ich tagtäglich schon genug mit leblosen Körpern zu tun.
Es war auf alle Fälle eine ungewöhnliche Nacht. Dergleichen habe ich bisher noch mit keiner Frau erlebt. Und glaube mir, ich habe schon so einiges erlebt.
Mike
Betrifft: Blamabel
Von: H. Zimmermann
Datum: 11.12.2012 20:23
AAAAARRRGGGHHHHH,
das nennst Du »schonend«? Ich nehme alles zurück, was ich über Deinen nicht vorhandenen Feinsinn gesagt habe.
Warum hast Du nicht besser auf mich aufgepasst? Du hast Dich lieber amüsiert … auf meine Kosten! Schäm Dich! Von alleine hätte ich nie … niemals wäre ich so … Na ja, glaube ich jedenfalls. Ich bin ein braves Mädchen. War.
Ich habe tatsächlich gesungen und getanzt!? Und mein T-Shirt ausgezogen, in einem vollen Pub!? Und Du hast zugesehen?
Verflixt, ich hätte Dir nicht nur Deine Stiefel, sondern auch gleich noch Deinen schicken Anzug ruinieren sollen.
Hannah
Betrifft: Pax
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 12.12.2012 10:52
Madame Hannah,
kein Grund zur Aufregung.
Dein Verhalten war ganz einfach menschlich. Punkt.
Ich unterlag dem Eindruck, dass Du Dir etwas Luft machen musstest. Was Du auch getan hast. Es ist nichts wirklich Schlimmes passiert. Dafür hat Papa Mike gesorgt.
Und ja, ich gestehe, es hat mir Spaß gemacht. Mit Dir zusammen zu sein. Du bist selbst in angetrunkenem Zustand eine angenehm unvorhersehbare, ausgesprochen unterhaltsame und extrem anregend anzusehende Begleitung (abgesehen von dem Moment, in dem ich Dir die Haare aus der Stirn halten musste … über der Kloschüssel).
Aber Du fühlst Dich übervorteilt, und auch das nehme ich ernst. Friedensangebot: Wir gehen einen Kaffee trinken. Ich kann mir morgen Abend freinehmen, habe sowieso genug Überstunden angehäuft. Kenne da ein nettes kleines Café, das ich gerne unseren Kunden empfehle: Bines Tortenstube in Tegel. Ruhig, freundlich, erstklassiger Cappuccino und eine hervorragende hausgemachte Schokoladentorte, die garantiert gegen verletzte Eitelkeit wirkt. Danach ein Spaziergang am See und Du wirst wie neugeboren sein.
Pax?
Mike
PS: 17 Uhr?
Betrifft: Pax
Von: H. Zimmermann
Datum: 12.12.2012 13:27
Mike,
für einen guten Schokoladenkuchen verzeihe ich Dir sogar die Bemerkung bezüglich meiner »gekränkten Eitelkeit«.
Also dann, morgen um 17 Uhr in Tegel.
Bin sehr erstaunt über diese gutbürgerliche Wahl. Du steckst voller Überraschungen.
Hannah
Betrifft: Sitzengelassen
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 14.12.2012 01:23
Hannah,
schade, dass Du nicht gekommen bist. Der Schokoladenkuchen war wirklich vorzüglich. Am See allerdings pfiff mir der kalte Herbstwind durch die Jacke. Hat Dich das Wetter abgehalten? Oder hat Dich Dein Mut verlassen? Ausgerechnet Dich, die furchtlose Abenteurerin?
Mike
Betrifft: Suchmeldung
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 16.12.2012 15:43
Hannah,
Schweigen im Walde? Was ist los? Bist Du doch noch unter die Räuber geraten?
Und darf ich Dich daran erinnern, dass wir eine Vereinbarung haben?
Wenn ich nicht bald etwas zu lesen bekomme, werde ich die Rechnung fällig stellen.
Mike
PS: Na komm schon, melde Dich!
Betrifft: Räuberhauptmann
Von: H. Zimmermann
Datum: 16.12.2012 18:53
Hallo Mike,
tut mir leid. Das ist sonst wirklich nicht meine Art.
Aber Jean hat angerufen. Du erinnerst Dich? Der Mann aus dem Internet, der mich in sein privates »Roissy« eingeladen hat, um die »Geschichte der O« nachzuspielen. Als ich seine dunkle Stimme am Telefon hörte, stand er mir sofort deutlich vor Augen. Über fünfzig, eisengrau. Klein, gedrungen, ein kräftiger, doch sehr gelassener Pitbullterrier. Bewegt sich langsam, überlegt. Überlegen. Ist sich seiner Kraft bewusst. Augen in der Farbe Selbstmordnovembergrau, kalt und hart. Manchmal lächelt er, und für den Bruchteil einer Sekunde wird es warm. Für dieses Lächeln würde ich alles tun.
Denselben Effekt hat Jeans Stimme auf mich.
Wir haben uns sehr lange und ausführlich unterhalten. Er ist interessiert an mir. Hat sich meine Bedenken angehört und will es erst mal ruhig angehen lassen. Nur wir zwei. Kein »Roissy«. Vorerst nicht.
Jean möchte mir eine »englische Erziehung« angedeihen lassen.
»What’s that?«, habe ich ihn gefragt. Er hat gelacht, und mir lief ein Schauer den Rücken runter.
Jean hat mich noch für denselben Abend ins Gargoyle bestellt. Um es mir zu zeigen.
Ich konnte einfach nicht ablehnen.
Ich bin nicht stolz darauf. Aber so ist es nun mal.
Du willst etwas lesen?
Bitte sehr:
Das Gargoyle war gut besucht. Die übliche Mischung aus Dominas, Sklaven und schwarz gekleideten Doms auf der Suche nach Damenhintern zum Verhauen.
Ich trug ein kurzes schwarzes Sakko, darunter einen schwarzen Spitzenbody, halterlose Strümpfe, Stiefel.
Jean hat mich mit einem Handkuss begrüßt, ganz Gentleman. Es sei ganz einfach, meinte Jean. Ich solle einfach alles tun, was er sagt. Er wolle mich ausprobieren. Gehorsamkeit, das sei das Spiel. Unterwerfung. Macht. Seine Macht über mich. Die »Englische Erziehung« sehe vor, dass ich seine Anordnungen befolge. Wenn ich das nicht zu seiner vollsten Zufriedenheit tue, setze es Schläge. Mit der bloßen Hand auf den nackten Po. Oder mit dem Rohrstock, der Peitsche …
Ich nickte gehorsam, mit trockenem Mund und fliegendem Puls.
Und als Erstes musste ich das Sakko ausziehen.
Ich fühlte mich nackt. Noch war ich es nicht.
Wir befanden uns im großen Raum vor der Bar. Jean saß auf einem Stuhl. Ich sollte mich hinknien und ihm die Schuhe lecken. Vor aller Augen. Er hatte eine kurze, schwarze Peitsche in der Hand.
Ich ging auf die Knie, bückte mich, fuhr kurz mit der Nase über seine dreckigen Straßenschuhe. Mein Widerstand regte sich. Nie, niemals würde ich da mit der Zunge rangehen!
Jean schlug mich, kurz, heftig. Der Schmerz zog heiß über meine Pobacken.
Gehorsam streckte ich die Zunge raus und leckte.
Jean half mir auf, zog mich auf seinen Schoß. Streichelte mich und murmelte: »Braves Mädchen.«
Er geleitete mich in den Raucherraum, wo ich interessiert gemustert wurde. Jean drehte mich um, ich musste mich bücken.
»Das ist Alice. Was haltet ihr von dem Hintern?«
Fachmännisch wurde über meinen Po diskutiert und darüber, mit welchem Instrument man mir die schönsten Striemen beibringen könnte.
Schließlich musste ich wieder nach vorne gehen und an der Bar für fünf Euro einen Bambusstock kaufen. Mich hinknien und ihn Jean überreichen, der mir gefolgt war.
Im hinteren Raum saßen Leute auf dem Sofa, ein Sklave kniete davor, halbnackt, geknebelt. Jean sprach die Leute an, die Liebenswürdigkeit in Person: »Meine Sklavin ist notgeil. Stört es euch, wenn es hier gleich ein bisschen lauter wird?«
Nein, natürlich nicht.
Wie peinlich … Ich schämte mich. Ein bisschen. Aber vor allem war ich aufgeregt. Erregt.
Hinter uns gab es eine Art Bänkchen zum Hinknien. Schwarz gepolstert. Ich kniete, präsentierte allen mein Hinterteil. Jean ließ den Stock auf meinem Po tanzen. Es brannte.
Ich wand mich unter seinen Schlägen, doch je mehr ich versuchte zu entkommen, umso härter und entschlossener schlug Jean zu.
Und es machte mich an. Alles machte mich an. Seine grauen Augen, sein schmaler Mund. Die breiten, kräftigen Hände. Das Ausgeliefertsein. Der Schmerz. Und zu meiner großen Verwunderung auch, dass mich alle sehen konnten. Der Stock auf meinen Oberschenkeln. Ich sollte die Beine weiter auseinanderspreizen. Jean schlug mich erneut. Dann, eine zärtliche Berührung, ein sanftes Streicheln. Seine Finger glitten in mich hinein, es schmatzte leise. Zwei Finger, drei. Er kniete sich neben mich. Wollte mein Gesicht sehen, während er mich mit den Fingern von hinten fickte. Ich versuchte, nicht zu schreien. Wollte kein Schauspiel sein, und war es doch schon längst. Eine Inszenierung. Ein Karneval der Lust aus Leder, aus Zärtlichkeit und Schmerz. Ich versteckte mein Gesicht an Jeans Brust, zuckte, schrie.
Jean küsste mein Haar, sagte, ich solle mich ausruhen. Ging.
Ich betrachtete die Kratzer auf dem Holzfußboden vor mir und versuchte mir vorzustellen, wer oder was sie verursacht hatte. Hinter mir, auf dem Sofa, leises Plaudern, Gelächter. Es war die natürlichste Sache der Welt, dass ich so ausgeliefert, so halb nackt vor ihnen kniete. Sie hatten schon ganz andere Sachen gesehen.
Jean kam zurück. Ob ich mehr wolle. Ja, ich wollte mehr. Aber zuerst bekam ich mehr Schläge. Der Schmerz machte mich hilflos, willig und nass. Jeans Hand schob sich zwischen meine Beine, tastete, probierte und plötzlich stieß er etwas Großes, Dickes in mich hinein, das mich ganz und gar ausfüllte. Er hatte einen Dildo besorgt und fickte mich damit hart. Diesmal war es mir egal, wer etwas sah oder etwas hörte. Oder wie laut ich war.
Dann musste ich aufstehen. Meine Knie zitterten, Jean hielt mich fest. Er umarmte mich, streichelte mich, küsste mich sanft. Er war sehr zufrieden mit mir. Aber den Dildo sollte ich drin behalten. Und wenn ich ihn verlieren sollte, würde ich bestraft werden. Fünf Stockhiebe.
Ich musste mich an eine Holztür stellen. Beine breit. Es war schwierig, den Dildo drin zu behalten. Aber ich schaffte es. Und wurde trotzdem geschlagen. Auf die Vorderseite der Oberschenkel. Auf die Brust. Ich klammerte mich an der Holztür fest und versuchte zu erraten, welcher Körperteil als nächstes dran wäre. Ich riet jedes Mal falsch. Jean küsste meine Hand. Ein Pitbullterrier und Gentleman. Pause.
Ich wollte mich hinsetzen, aber noch viel dringender musste ich auf die Toilette.
»Sehr schön«, sagte Jean und zeigte mir den Weg. Öffnete die Tür zur Damentoilette und ließ mich eintreten. Dann kam er hinterher. Komisch eigentlich, wie wenig überrascht ich war. Er half mir, den Dildo herauszuziehen.
Ich sah ihn mir genauer an. Groß dick und knallpink. Aber vor allem: mit Kondom. Einmal Gentleman, immer Gentleman. Ich betrat die Kabine, legte meine Hand auf die Türklinke.
Jean lächelte und drückte dagegen. Stand in der offenen Tür. »Setz Dich hin«, sagte er und deutete auf die weiße Klobrille.
Was denn, ich sollte mich auf eine öffentliche Toilette setzen? Ich sah die Bazillen nur so wimmeln. Aber am Schlimmsten war, dass ich es vor ihm machen sollte. Vor Jean. Das konnte ich nicht. Nie und nimmer.
»Sieh mich an«, sagte Jean.
Ich konnte nicht. Aber ich musste doch so dringend.
»Sieh mich an!« Ein scharfer Befehlston, der mich zusammenzucken ließ. Seine eisengrauen Augen hielten mich gefangen. »Setz Dich.«
Ich setzte mich hin.
»Mach die Beine weiter auseinander. Noch weiter.«
Fand er das sexy? Ich sah an mir herunter. Stiefel, schwarze Strümpfe, die weiße Klobrille. Plötzlich fand ich mich selbst sexy. Unglaublich.
Jean kam in die Kabine hinein, hockte sich vor mich hin.
»Ich dachte, Du musst mal.«
»Aber ich kann doch nicht, wenn jemand zusieht.« Ich kannte meine leise Kleinmädchenstimme nicht wieder.
»Doch«, sagte er. »Du kannst.«
Ich spielte nervös mit meinen Händen. Es ging einfach nicht.
»Sieh mich an!«
Und dann verlor ich mich in seinen grauen Augen. Ich gab auf. Alles. Scham, Angst, jegliche Zurückhaltung.
»Jetzt«, sagte er.
Und lächelte, als er es plätschern hörte. Sah ganz genau hin, kam sogar noch näher. Wartete, bis ich fertig war. Schob seine Hand zwischen meine Beine und zog seine Finger längs durch meine nasse Spalte. Die Hand kam hoch, zu meinem Gesicht.
»Oh nein«, sagte ich, und wusste doch genau, was er wollte. Und begriff, ich wollte es auch. Er strich über meine Lippen und steckte seine Finger in meinen Mund. Ich leckte, neugierig. Konnte meine eigene Erregung schmecken, und mehr. Ein bisschen bitter, ein bisschen scharf, wie eine Vinaigrette mit zu viel Senf. Gar nicht so schlimm.
Abtrocknen durfte ich mich allein.
Wir gingen danach in den Keller. Jean legt oben an der Treppe die Kette vor, das Zeichen, dass wir ungestört sein wollten.
Er stand vor der Streckbank, öffnete seinen Hosenschlitz und winkte mich zu sich heran.
»Knie Dich hin.«
Ich wusste, was er wollte, er musste es nicht erst sagen.
Zum Glück war er frisch gewaschen. Außen sanft und weich, innen hart. Und soooo empfindlich.
»Ja«, sagte Jean, als ich seinen prallen Schwanz zwischen meine Lippen gleiten ließ. »Ja!«
Er war zufrieden und ich empfand Triumph. Dann half er mir hoch.
»Dort hinüber«, sagte er, und schob mich sanft in Richtung der Streckbank. Er drückte meinen Kopf nach unten und ich beugte mich gehorsam über das schwarze Holz. Hinter mir raschelte Plastik. Jean benutzte ein Kondom.
Dann drang er in mich ein, mit einem heftigen Stoß.
Ich wollte mich umdrehen, hochsehen, ihn ansehen, doch er drückte meinen Kopf wieder nach unten. Ich wurde benutzt. Von hinten gevögelt im Keller einer SM-Bar. Es war unglaublich geil. Und Jean war unermüdlich. Ganz gut in Form für sein Alter. Ich wollte protestieren, als er seinen Schwanz wieder aus mir herauszog. Doch dann begriff ich schnell, dass er noch ganz woanders hineinwollte. Ich versuchte, mich zu entspannen, damit es nicht so weh tat.
Jean war vorsichtig. Und als es endlich nicht mehr schmerzte, war es ein unglaublich aufregendes Gefühl und sehr sexy. Ich wurde in den Arsch gefickt. Im Keller einer SM-Bar.
»Oh ja«, grunzte Jean begeistert. »Du bist eine echte Dreilochstute.«
Und obwohl ganz kurz Bilder von Wiesen und Heu vor meinem inneren Auge auftauchten, verdrängte ich sie schnell wieder. Und verlor zum zweiten Mal an diesem Abend sämtliche Hemmungen. »Fick mich, fick mich, fick mich«, schrie ich.
Ich bin sicher, dass die gesamte Bar mittlerweile wusste, was ich wollte. Und von Jean auch prompt bekam.
Dann war er dran. Es war schön für mich, zu erleben, wie er kam. Hilflos zitternd und dankbar. Natürlich nur für einen kurzen Moment. Dann war er wieder Herr der Lage und seiner Sklavin.
Zurück auf das schwarze Sofa. Jean, unermüdlich, konnte schon wieder. Er stand vor mir, wichste. Ich trug immer noch meine Stiefel und die halterlosen Strümpfe. Sonst nichts. Lehnte mich auf dem Sofa zurück, streichelte meine Brüste, genoss den kühlen Stoff auf meiner Haut. Kniff in meine Brustwarzen.
Jean betrachtete mich, konnte gar nicht genug kriegen, stöhnte laut. Kurz dachte ich: nur nicht in die Haare. Dann würde ich nachher aussehen wie Cameron Diaz in »Verrückt nach Mary«. Ich streichelte meine linke Brust, zupfte an der Brustwarze.
Jean stöhnte erneut.
Meine rechte Hand wanderte wie von selbst zu meinem Schoß hinunter, tauchte ein in die warme Nässe.
Ich schloss die Augen und sah fast augenblicklich jemanden über mir, jemanden mit einer schwarzen Maske, der leicht nach Holz und Torf duftete, mich auf das schwarze Latexbett legte und langsam genussvoll vögelte … küsste … liebte … Ich vergaß alles andere, meine Finger bewegten sich wie von allein immer schneller in meinem feuchten Schoß …
Als ich meine Augen wieder öffnete, war der Fremde weg und Jean fertig. Von irgendwoher strich ein kalter Luftzug über meine Haut.
Zurück nach oben an die Bar. Ich bekam ein Glas Weißwein und die Aussicht darauf, bei einem künftigen Treffen an der Leine herumgeführt zu werden. Hätte in diesem Augenblick lieber eine ordentliche Portion Currywurst mit Pommes gehabt.
Jean sah mich immer wieder an, ein bisschen ungläubig. Ich würde so brav und sittsam wirken, wäre jedoch ein wahrer Vulkan. Ob das bisher wirklich keiner bemerkt hätte? Wie alt ich denn sei, Ende zwanzig?
Ich lächelte ihn süß an: Mitte dreißig. Er fiel fast vom Hocker. Murmelte etwas von »Du hast Dich gut gehalten«. Blödmann. Schließlich ist er selbst über fünfzig. Aber das ist bei Männern ja immer was anderes.
Wir tranken noch ein bisschen und redeten. Dann begleitete Jean mich zur U-Bahn. Unterwegs, auf der Straße, fragte er mich, ob ich es schon mal im Freien gemacht hätte. Nein, hatte ich nicht. Er zog mich zu sich heran, wir standen vor einer hell erleuchteten Schaufensterscheibe. Autos jagten vorbei und ein paar Fußgänger waren auch noch unterwegs, obwohl es schon fast halb drei war.
Jean schob seine Finger unter meinen Rock und streichelte mich zwischen den Beinen. Ich war schon wieder nass. Aber das war mir gar nicht so wichtig, obwohl ich es sehr erregend fand. Viel wichtiger war mir, dass er mich küsste. Und zwar richtig, mit Zunge. Und mit Leidenschaft. Das hatte er den ganzen Abend lang nicht getan. Ich musste irgendetwas gut gemacht haben. Ich hatte ihn beeindruckt. Dieser eine Kuss, nachts, auf der Straße, war der tatsächliche Höhepunkt des Abends.
Und dann nahm er auch noch meine Hand. Den ganzen restlichen Weg bis zur U-Bahn.
Hannah
PS: Ich bin nicht unter die Räuber gefallen, ich bin vom Räuberhauptmann persönlich gekapert worden.
PPS: Was ist eigentlich mit Deiner Angebeteten? Hast schon lange nichts mehr von ihr erzählt …
Betrifft: Romantikerin
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 16.12.2012 21:13
Hannah,
schon mal was von Trude Herr gehört?
»Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann.« Sie ist ein echt heißer Feger (erinnert mich tatsächlich ein wenig an Dich), und sie singt mit Hingabe. Guck Dir das Video mal auf YouTube an.
Also hast Du diesen »Jean« meinem Schokoladenkuchen vorgezogen. Natürlich erinnere ich mich an ihn. Schließlich habe ich Dich vor dem Kerl gewarnt.
Du beziehst Prügel und willst doch nur, dass man Händchen hält. Eine Romantikerin im Folterkeller.
Aber Du wirst ausgenutzt, und das solltest Du sehen. Du bist schließlich eine intelligente Frau.
Meine Angebetete hat sich in ihrem Projekt verrannt, fürchte ich. Werde mich aber nicht einmischen. Sie muss ihre eigenen Erfahrungen machen.
Gute Nacht.
Mike
PS: Wo bleibt die Fortsetzung von Deinem Roman?
Betrifft: Erfahrungen
Von: H. Zimmermann
Datum: 16.12.2012 22:19
Mike,
das ist ja ganz reizend: Ich erinnere Dich an eine kleine dicke Ulknudel? Und vielen Dank für das sehr herablassend klingende Kompliment, ich sei intelligent.
Da fällt mir doch prompt ein Lied für Dich ein: »These boots are made for walking« von Nancy Sinatra.
Du weißt schon, die Dame mit den schicken Stiefeln, die eines Tages geradewegs über Dich hinwegstiefeln wird.
Und zu Deiner Information: Ich schreibe. Fortsetzung folgt in Kürze.
Hannah
PS: Jean hat von einer »Sushi und Bondage«-Party gesprochen … Klang gut!
Betrifft: Tote Fische
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 17.12.2012 12:34
Soso, Hannah,
Du stehst also auf rohe Fische? Passt ja. Jean ist genauso ein kaltschnäuziger, glitschiger Typ.
Was Damen in Stiefeln anbelangt, so empfehle ich einen Song von Kirsty MacColl: »In these shoes«. Darin geht es um die Abenteuer einer jungen Dame mit diversen Männern. Sehr hübsch.
Leider weilt Frau MacColl nicht mehr unter uns. Beim Baden im Meer von einem Motorboot untergepflügt. Sie war knapp vierzig Jahre alt.
Es kann sehr schnell gehen, und es erwischt nicht nur die kleinen Fische.
Weißt Du wirklich, was Du willst?
Mike
PS: Manche Männer werden erst im Krematorium warm.
Betrifft: I want more
Von: H. Zimmermann
Datum: 18.12.2012 17:46
Mike,
ich habe nicht genug. Immer noch nicht. Und es geht längst nicht mehr um eine Recherche. Das ist mein Leben, und es ist doch nicht mein Leben. Denn ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Was ich bin. Was ich tue. Weiß nur eins: Ich will mehr.
Hier, wie die Sisters of Mercy in ihrem Song »I want more«:
so heiß, so kalt, so außer Kontrolle, so schwer zu erlangen und noch schwerer zu halten …
Jean hatte mich letzten Donnerstag ins Gargoyle bestellt. Wollte es Dir zuerst nicht erzählen, aber nun tue ich es doch.
Ich spürte dieses drängende Verlangen, diesen unwiderstehlichen Ruf … Ich habe gebadet, mich sorgfältig geschminkt und aufgebrezelt.
Dann ging es ab ins Gargoyle. Auf den ersten Blick: erschreckende Leere. Waren wohl alle Weihnachtsgeschenke einkaufen. Was legten sich SMler wohl so unter den Tannenbaum? Kleine Teddybären in Ledermontur? Und wo war Jean?
Ein einsamer Kerl saß an der Bar. Er trug eine Art ledernen Lendenschurz und sah aus, als würde er gerne den Sklaven der Barbaren-Queen spielen. War nur leider keine Barbaren-Queen da.
Ich ließ mir ein Glas Rotwein geben und folgte der netten Tresenkraft nach hinten ins Raucherzimmer. Da saß ein kleines Häuflein von fünf Leuten, rauchte und quatschte. Einer von ihnen war Jean. Mein Herz hüpfte unwillkürlich wie eine überraschend geschlagene Sklavin. Der lederne Hocker neben ihm war frei. Ich setzte mich, er drehte sich um, sah mich an, und lächelte. Dann nahm er mir das Weinglas aus der Hand.
»Komm her«, sagte er und zog mich hoch. Er war klein, kompakt, und strahlte Hitze aus.
»Spürst Du, wie sehr ich mich freue, Dich zu sehen?«
Oh ja. Hart und deutlich.
»Geht mir genauso«, flüsterte ich in sein Ohr. Das Strahlen in seinen Augen verstärkte sich. Das Harte in seiner Hose ebenfalls.
Wir hatten den ganzen Laden für uns allein. Eine riesige Spielwiese. Jean führte mich in den hinteren Teil des Raumes und zog die Schiebetür ein wenig zu.
Dann hatte er mich auch schon fest im Griff, dazu brauchte er nur eine Hand. Mit der anderen war er bereits zwischen meinen Beinen abgetaucht.
Ich stöhnte leise.
»Lass es raus. Schrei ruhig.«
Ich zweifelte an seinen Motiven. Konnte nicht glauben, dass es ihm um meine Erleichterung ging. Wohl eher darum, das traurige Häufchen da draußen vor der Schiebetür zu beeindrucken. Egal, ich brauchte keine Erlaubnis zum Schreien. Bin sowieso eher der laute Typ.
Und als Jean seinen Finger direkt um das Zentrum meiner Lust kreisen ließ, war mir sowieso alles egal. Meine Knie wurden weich, ich ertrank in warmen Wellen, rief Hilfe, und es war gut, dass Jean mich fest über Wasser hielt.
Von wegen kalter Fisch.
Dann durfte ich mich wieder auf das kleine schwarze Bänkchen knien. Jean war begeistert von meinen schwarzen, halterlosen Strümpfen und dem Body, bei dem man so gut den Po freilegen konnte. Was er auch sofort tat.
Diesmal bekam ich ein kleines schwarzes Paddel zu spüren. Sah nach nichts aus, harmlos. Doch es klatschte ziemlich laut und es brannte fatal. Ich bekam drei Schläge rechts, drei Schläge links. Immer stärker werdend. Dann öffnete Jean seinen Hosenschlitz und hielt mir seinen prallen, glänzenden Schwanz vor das Gesicht. »Lutsch meinen Schwanz!«
Darauf wäre ich auch von alleine gekommen. Aber es machte mich an, so benutzt, so herumkommandiert zu werden. Vor allem Jeans offensichtliche Begeisterung erregte mich. Ich gab mir Mühe, ihn so tief wie möglich in meinen Mund zu nehmen. Übung macht die Blasmeisterin. Wenigstens war Jean gewaschen. Er roch angenehm, nach Moos und Waldpilzen. Und er schmeckte ein bisschen bitter, ein bisschen salzig …
»Wir wollen noch nicht gleich alles vergeuden«, sagte Jean.
Ich durfte wieder aufstehen, zupfte mein Kleid herunter, atmete durch.
Er ging an die Bar, besorgte mehr Rotwein. Ein Neuankömmling saß ganz hinten in der Ecke. Schwarzes Hemd, schwarze Lederhose. Schwarze Augenmaske. Er kam mir so bekannt vor. War er es tatsächlich? Schon wieder? Vor sich ein Glas mit einer rauchig-braunen Flüssigkeit. Er sah mich direkt an und ich fühlte mich … ertappt. Wie ein Kind, das etwas Verbotenes tut und noch nicht mal wirklich Spaß dabei hat. Ein Kind, das gerne wieder nach Hause möchte.
Dann war Jean wieder da, reichte mir den Wein. »Jetzt will ich, dass Du zur Toilette gehst und Dir diese ganze Schminke aus dem Gesicht wischst. Ich will Dich sehen, so wie Du bist. Ganz nackt.«
Ich hatte fast eine Dreiviertelstunde gebraucht, um diese ganze Farbe an die richtigen Stellen zu kriegen. Aber eigentlich fand ich seinen Wunsch unwiderstehlich: Er wollte mich so sehen, wie ich wirklich bin!
Auf etwas wackeligen Beinen stolzierte ich an der Theke vorbei. Dann mühte ich mich mit kaltem Wasser und kratzigen, grauen Papiertüchern ab. Das Resultat sah verheerend aus. Aber komischerweise macht mir das nichts aus. Ganz im Gegenteil: Ich war stolz darauf. Und es scherte mich auch nicht, dass dieser Typ an der Theke mich intensiv betrachtete, als ich zurückkam.
Jean lächelte zufrieden. Und wir gingen in den Keller.
Jean ließ mich vor ihm knien, die Hände auf dem Rücken. Diesmal schlug er mich, während ich ihn blies. Es tat weh, immer mehr … Ich zuckte zusammen … konnte nicht erraten, wann der nächste Schlag kommen würde, wieder einer, stärker jetzt …
»Das ist so geil, ich kann Dich zucken spüren an meinem Schwanz …«, keuchte Jean begeistert.
Dann führte er mich zu der Streckbank hinüber. Ich musste mich über das zerkratzte Holz beugen. Jean hantierte schon eifrig mit dem Gummi herum. Im nächsten Moment war er hinter mir, die linke Hand in meinem Nacken, drückte mich auf die raue Oberfläche, drang in mich ein. Ich spreizte die Beine soweit ich konnte, wollte ihn tief in mir, tiefer, wollte benutzt werden.
»Ja, oh ja! Bitte. Fick mich, fick mich!«
Jean brauchte keine Ermutigungen, er lief von ganz allein zur Hochform auf, heftig keuchend.
Ich spürte noch nicht genug. Ich wollte mehr. Ich wollte aufhören zu denken, ich wollte aufhören …
Mein Weinglas war umgefallen, auf dem Boden glänzte eine blutrote Lache.
»She went with the man in the long black coat« (Sie ging mit dem Mann in dem langen schwarzen Mantel), sang Bob Dylan aus den Lautsprechern über uns. Und da passierte es. Ich fing an zu heulen. Heulte, und konnte mich nicht wieder beruhigen. Wenigstens musste ich mir keine Sorgen mehr um mein Make-up machen.
Jean zog sich sofort aus mir zurück. Aber besonders schockiert sah er nicht aus. Vielleicht heulen die Sklavinnen öfters bei ihm.
»Komm her«, sagte er und nahm mich in den Arm.
Schon besser. Ich beruhigte mich wieder.
»Wir machen aber noch ein bisschen weiter, hm?«
Ja.
»Komm hierher.«
Das schwarze Himmelbett mit den Latexlaken, endlich. Da wollte ich die ganze Zeit schon rauf. Nun krabbelte ich auf die Matratze, legte mich auf den Rücken und machte die Beine breit, so weit ich konnte.
Jean ließ sich nicht lange bitten. Und ich genoss es. Endlich ein warmer Körper auf mir, in mir, endlich von Angesicht zu Angesicht. Jean schien es auch zu gefallen und ich umarmte ihn, zog ihn tiefer in mich hinein, vergaß alles. Männer mit Masken, Männer mit langen schwarzen Mänteln …
Jean kam und verkündete diese Tatsache laut grunzend.
Danach saßen wir noch einen Moment am Bettrand, ich zog meine Strümpfe wieder an.
»Beim nächsten Mal will ich Dich in Rock und Bluse sehen. Damit ich Dich ausziehen kann. Und vielleicht befehle ich Dir, Dich zu berühren. Es Dir selbst zu machen. Oben, an der Theke. Vor allen Leuten.«
Das verschlug mir die Sprache. Ich schüttelte heftig den Kopf, doch das interessierte Jean gar nicht.
»Eine Leine und ein Hundehalsband, das wäre auch gut. Dann kann ich allen mein kleines Hündchen vorführen.«
Das wiederum erregte mich. Sehr. An einem schwarzen Lederhalsband herumgeführt zu werden, auf allen vieren kriechend …
»Macht«, sagte Jean. »Es geht um Macht. Und darum, Träume wahr werden zu lassen …« Nachdenklich betrachtete er die Streckbank.
»We are the stuff that dreams are made of / and our little lives are rounded with a sleep«, sagte ich leise.
(Wir sind der Stoff, aus dem die Träume sind, und unser kleines Leben ist umringt von einem großen Schlaf.)
Jean sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. In diesem Keller hatte bestimmt noch niemand Shakespeare zitiert.
Wir stiegen die Treppe wieder hoch. Der Mann mit der Maske war fort. Die Nacht war vorbei. Ich fuhr nach Hause.
Hannah
PS: Ich vermisse Othello!
Betrifft: Nachtschicht
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 19.12.2012 03:12
Hannah,
betreibe Deine Grenzüberschreitungen mit Freude oder lass es bleiben. Ich würde es jedenfalls als kein gutes Zeichen sehen, wenn eine Frau anfängt zu heulen, während ich mit ihr schlafe.
Das ist das zweite Mal, wenn ich mich recht erinnere. Die Romantikerin weint im Folterkeller. Warum wohl? Denk mal nach, verdammt. An Bob Dylan kann es ja wohl kaum gelegen haben, oder? Ich meine, der Typ hat eine echt gewöhnungsbedürftige Stimme, aber ansonsten ist er gar nicht so übel.
Am besten, Du hörst auf, rumzuficken und fängst endlich mit dem Schreiben an.
Ich saß heute Nacht im Büro, alles war dunkel und still, keine neuen Leichen. Und plötzlich ging der »Zombiealarm« los. In den Kältekammern gibt es Reißleinen. Falls mal einer aufwacht und raus will. Zum Pinkeln oder so. Ich ging also hin, nachgucken. Alle mausetot. Lief wieder hoch ins Büro.
War kurz drauf gerade bei Facebook. Chattete mit ’ner süßen Maus. Erneuter Zombiealarm. Langsam nervte es gewaltig. Ich stiefelte wieder runter in den Keller.
Am Ende war es nur ein Kurzschluss.
»Der Tod lächelt uns alle an, das Einzige was man machen kann, ist zurücklächeln.«
(Marcus Aurelius)
Zitiert von
Mike
PS: Ich wollte es zwar nicht sagen, aber da Du es erwähntest … Vielleicht besorgst Du Dir wirklich einen neuen Kater?
Betrifft: Maskerade (Roman, Teil drei)
Von: H. Zimmermann
Datum: 19.12.2012 13:27
Mike,
da war er schon wieder, der erhobene Zeigefinger! Und das auch noch, während Du »mit einer süßen Maus« chattest. Was ist aus Deiner Angebeteten geworden? Schnee von gestern?
Zombiealarm? Nette Idee. Ehrlich gesagt, es beruhigt mich ein wenig. Stell Dir nur vor, da wird tatsächlich mal einer für tot erklärt, der es gar nicht ist! Und dann wacht er in einer kalten dunklen Schublade auf und dreht durch. Ich würde jedenfalls durchdrehen. Und ich hätte auch gerne ein Handy im Sarg. Oder besser gleich eine Einäscherung. Dann kann nichts mehr schiefgehen.
Kein neuer Kater. Erst mal nicht.
Hab doch gesagt, ich schreibe. Und das habe ich auch getan. Trotz allem.
Du erinnerst Dich, wie die Geschichte anfing?
Eine Theateraufführung in einem alten Heizkraftwerk: »De Sades Leben und Werk«. Die ängstliche Maskenbildnerin Lena, das »Pudermäuschen« und der Star der Truppe ‒ arrogant, schön, nervtötend. Mark Taylor.
Das Spiel beginnt.
Hannah
Anhang:
Maskerade
(Roman Teil drei)
Mark Taylor, der große Schauspieler, der demnächst ein Engagement in Babelsberg hatte und mit Tarantino drehen würde, der selbstsichere Frauenheld, Macho und Witze-Reißer, war mit Handschellen an ein Rohr gefesselt! Er zerrte und zog vergeblich an den blitzenden Metallringen, die um seine Handgelenke geschlossen waren.
Ein Laut entfuhr Helena – halb Lachen, halb überraschtes Keuchen.
Mark sah sich sofort um.
Helena zog hastig den Kopf zurück.
»Hey, ist da jemand?«
Helena hielt die Luft an.
»Das ist nicht witzig.«
Doch. Irgendwie schon. Helena spürte, wie ein Lächeln über ihr Gesicht huschte. Eigentlich war es sehr witzig. Hatte sich jemand an Taylor gerächt? Vielleicht eine der Jungschauspielerinnen, die er reihenweise flachgelegt hatte? Welch blendende Idee: den arroganten Stiesel in den Keller zu locken, mit der Aussicht auf eine kleine perverse Nummer. Ihn dann an das Rohr zu ketten, und einfach stehen zu lassen. Oder besser: hängen zu lassen. Helena unterdrückte ein Kichern. Sie wünschte, sie hätte selbst diese Idee und vor allem genug Mut gehabt, um das durchzuziehen.
»Die blöden Scheißdinger haben sich verhakt. Ich brauche jemanden, der mir hier raushilft!«
Er hatte sich also ganz alleine in diese missliche Lage manövriert? Das wurde ja immer besser!
»Hey! Hallo?«
Taylors Stimme wurde lauter, drängender. In die Wut hatte sich ein Unterton von Verzweiflung geschlichen.
Was nun? Sollte sie einfach da reingehen und ihn befreien? Würde er ihr jemals verzeihen, dass ausgerechnet sie, das »Pudermäuschen«, ihn in dieser Lage sah und rettete?
Helena blickte hinter sich die Treppe hoch. Sie konnte auch einfach wieder zurückschleichen, sich abschminken, das Licht ausmachen und nach Hause fahren, so als wäre nichts geschehen. Eine Nacht im Keller würde Mark Taylor nicht umbringen. Und dann erst das Gelächter, wenn ihn die Truppe am nächsten Morgen fand! Würde dem aufgeblasenen Ego dieses Wichtes zweifellos einen längst überfälligen Dämpfer verpassen. Einen Moment lang genoss Helena diese Vorstellung. Dann spürte sie die kalte Wand in ihrem Rücken und hörte etwas rascheln.
»Verdammte Ratten«, murmelte Mark Taylor.
Ratten? Beinahe wäre Helena umgekehrt und den ganzen Weg durch die Hallen zurückgerannt.
Und dann schrie er erneut los: »Hey! Hallo! Ich bin hier!« Und dann, etwas leiser: »Bitte …«
Helenas weiches Herz schmolz dahin wie billiges Make-up im Scheinwerferlicht. Selbst in diesem scharfen Outfit als hartes Weib war sie doch immer noch dieselbe. Und eine Nacht in einem feuchten Keller, umgeben von Ratten, wünschte sie nicht mal ihrem ärgsten Feind. Helena wappnete sich für Hohn und Spott und wollte gerade um die Ecke biegen, als ihr Blick auf einen samtgrün glänzenden Gegenstand fiel: eine Augenmaske. Sie baumelte am Ende des Treppengeländers, vergessen von einem der Schauspieler oder Requisiteure.
Ja, Helena war innerlich dieselbe. Aber das musste Mark Taylor ja nicht wissen, oder? Wahrscheinlich war ihr Outfit Maske genug. Mark Taylor, dieser oberflächliche Trottel, würde sicher nicht das »Pudermäuschen« in dem Domina-Kostüm vermuten. Doch man konnte nie wissen …
Spontan griff Helena nach der Maske und setzte sie auf. Ihre Schultern strafften sich von ganz allein. Jetzt war sie perfekt. Geheimnisvoll, gefährlich. Sie atmete tief durch und trat energisch auf das Metallgitter der Treppe.
»Hallo? Wer …?«
Mark Taylor sah sie die Stufen hinunterschreiten. Sofort änderte sich sein gesamtes Verhalten. Eben noch hatte er verkrampft an den Handschellen gezerrt und leise vor sich hin geschimpft. Nun richtete er sich auf, musterte Helena von oben bis unten und pfiff anerkennend.
»Hey Baby! So viele Kurven, und ich ohne Führerschein …«
Helena trat von der letzten Stufe herunter und blieb stehen.
»Den hat Dir wohl die Polizei wegen wiederholter Trunkenheit am Steuer abgeknöpft.«
Sie hatte eine Antwort gegeben! Und eine freche noch dazu. Mit fester Stimme, ohne rot zu werden! Oh, wie wunderbar, dieses Gefühl, hinter einer Maske zu stecken. Das ängstliche Selbst – sicher verborgen und beschützt. Das freche Selbst frei und mutig.
Mark Taylor grinste.
»Mich hat noch keiner erwischt. Aber Dich habe ich hier noch gar nicht gesehen? Bist Du neu?«
Helena legte den Kopf schief, musterte den gefesselten Kerl und schwieg. Dann stieg sie langsam die restlichen Treppenstufen in den Keller hinunter und schritt auf Taylor zu.
»Ich wette, sie haben Dich für die Rolle der Juliette eingestellt.«
Helena ließ die Peitsche selbstvergessen über ihren Handrücken streichen.
Taylors Augen flackerten kurz zu dem schwarzen Leder, dann grinste er wieder.
»Du scheinst wie geboren für die Rolle der lasterhaften Prostituierten. Wollen wir ein bisschen proben?«
Irrte sie sich oder war das Grinsen etwas weniger selbstsicher geworden?
»Wenn Du mich losmachst, können wir eine Szene zusammen spielen. Da drüben, in der Ecke, liegt meine Jacke. Die Schlüssel für die Handschellen sind in der rechten Außentasche.«
Nein, sie täuschte sich nicht. Das Grinsen hatte tatsächlich an Überzeugungskraft eingebüßt, und die großen dunklen Augen irrten immer wieder zu der Peitsche in ihrer Hand.
Helena spürte unbändige Freude in sich aufsteigen. Sie hatte den arroganten Kerl verunsichert! Sie, das »Pudermäuschen«!
»Der große Mark Taylor will Privatunterricht geben? Ich fühle mich geschmeichelt.«
Er richtete sich sofort auf, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. »Du hast mich erkannt? Mach mich los, dann gebe ich Dir ein Autogramm. Wohin Du willst.«
Helena strich mit dem Peitschenstiel sanft über Taylors Bauch. Er zuckte zurück und prallte mit dem Rücken an die Mauer. Sand und Putz rieselten auf den Boden und es roch plötzlich nach Moder.
»He, Vorsicht!«, sagte Taylor und runzelte die Stirn. »Mein Hemd!«
Helena lächelte.
»Wie hat sich eigentlich der große Mark Taylor in diese missliche Lage gebracht?«
»Diese dämlichen Handschellen. Ich wollte in Ruhe eine Szene proben, ohne das ganze Fußvolk drum herum. Hab mir die Dinger nur lose übergestreift, um das richtige Feeling zu kriegen. Und dann sind sie zugeschnappt. Von allein! Sind garantiert defekt!«
»Du übst heimlich? Dachte, Dir fliegt alles ganz von selbst zu.«
»Talent und Charisma sind natürlich Grundvoraussetzungen. Aber ohne ständiges Proben kann man nichts werden, vor allem nicht besser. Und ich will der Beste sein!«
Helena trat einen Schritt zurück.
»Hat man den Marquis de Sade nicht ins Gefängnis gesperrt? Ich denke, ich sollte Dich die Nacht über hier lassen und Dir Gelegenheit geben, das richtige Feeling zu kriegen.«
Der Griff der Lederpeitsche schien sich wie von selbst in ihrer Hand zu regen. Helena holte aus und ließ die Peitsche kurz vor Mark Taylor durch die Luft zischen.
Er schnappte nach Luft und wich zurück, doch die Wand in seinem Rücken ließ ihm keinen Spielraum.
»Ich könnte dem Herrn Marquis natürlich auch eine Behandlung mit seinen eigenen Methoden angedeihen lassen. Ein paar Striemen auf der Brust, und das richtige Feeling kommt wie von allein.«
Unsicherheit huschte über Mark Taylors arrogante Züge, und er war sprachlos.
Helena fühlte sich wie beschwipst. Das war nicht nur der Sekt. Das war die Macht, die sie plötzlich hatte. Die Macht zu ängstigen, zu benutzen, zu verletzen. Und dieses Gefühl rauschte schneller und wilder als Alkohol durch ihre Adern.
»Ich glaube nicht, dass Du dazu in der Lage wärst.«
Mark Taylor hatte sein arrogantes Grinsen wiedergefunden. Etwas zu schnell für Helenas Geschmack. Sie ließ die Peitsche über seine Hüften gleiten.
Er hielt stand, obwohl sein Grinsen eine Spur weniger lässig wurde.
Helenas Blick strich über seine Brustmuskulatur, die breiten Schultern, die schmalen Hüften … Und plötzlich schlug sie zu. Schnell, kurz und scharf. Ein Hieb, der seine linke Hüfte allerdings nur streifte. Das Klatschen der Peitsche auf der Lederhose hallte durch den Keller.
»Au!«
Es klang mehr nach Überraschung als nach Schmerz.
Helena war genauso verdutzt. Sie hatte noch nie einen Menschen geschlagen. Lag es an der Maske oder an dieser absurden Situation? Hatte de Sade recht? War der Mensch wirklich nichts weiter als ein schönes, böses Tier?
»Du hast mich geschlagen!«, stieß Taylor vorwurfsvoll hervor.
Ja. Schluss damit. Helena holte tief Luft. Jetzt nur nicht aus der Rolle fallen. »Der Herr Marquis hat ein erstaunlich geringes Durchhaltevermögen. Ich denke, der ursprüngliche Plan ist besser. Eine Nacht hier unten wird Ihrer Vorstellung die Tiefe verleihen, die sie dringend braucht.« Helena drehte sich um und stiefelte zur Treppe zurück. Hinter sich hörte sie Mark Taylor nach Luft schnappen.
»Hey, das kannst Du doch nicht machen!«
Oh doch, sie konnte.
»Wenn ich die Nacht hier verbringen muss, bin ich morgen zur Generalprobe nicht fit!«
Helena stieg eine weitere Stufe hinauf.
»Ich sorge dafür, dass Du entlassen wirst, Du kleines Miststück!«
Und jetzt erst recht!
Helena drehte sich um und blickte auf den Mann herab, der wütend an seinen Fesseln zerrte.
»So also sieht es aus hinter der Maske des großen Mark Taylor. Arrogant, eitel und frauenverachtend. Nutze die Gelegenheit und denk mal über Dich nach. Wenn Du das kannst.«
(Fortsetzung folgt)
Betrifft: Maskerade
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 19.12.2012 21:35
Autorin Hannah,
es wird immer besser. Vielleicht ebenfalls ein bisschen zu viel erhobener Zeigefinger (am Ende), aber ich bin sicher, Deine (vorwiegend schätze ich mal) weibliche Leserschaft wird das an dieser Stelle zu würdigen wissen.
Leider gibt es tatsächlich Männer, die glauben, mit dummen Sprüchen könne man eine Frau beeindrucken. Unsicherheit gepaart mit Arroganz. Tödlich für jede Kontaktaufnahme.
Vergiss Sushi und kalte Fische. Schreib weiter!
Mit »süßen Mäuschen« und Facebook vertreibe ich mir nur die »tote Zeit« meiner Nachtschicht. Währenddessen beobachte ich meine Angebetete von Ferne. Sie ist noch nicht so weit.
Mike
PS: Habe unsere Vereinbarung bezüglich der Zahlungen etwas erweitert: Wünsche mir eine signierte Erstausgabe Deines Romans.
Betrifft: Maskerade
Von: H. Zimmermann
Datum: 19.12.2012 22:45
Mein lieber Probeleser,
sehr ermutigend. Und auch anspornend.
Natürlich bekommst Du ein Exemplar. Mit Widmung.
Ich schreibe gerade, als wäre ich aufgezogen. Es sprudelt sozusagen von ganz alleine heraus.
Und deshalb, ohne weitere Umstände, der nächste Teil.
Hannah
Anhang:
Maskerade
(Roman Teil vier)
Während hinter ihr wütendes Gebrüll aus dem Keller drang, marschierte Helena die Treppe hinauf, den Peitschengriff mit schweißnasser Hand fest umklammernd. Lena, das »Pudermäuschen«, hätte sich das nie und nimmer getraut. Den großen Mark Taylor einfach so im Keller hängen zu lassen. Aber die schöne Helena hinter ihrer Maske hatte damit keine Probleme. Es war höchste Zeit, dass mal eine mutige Frau diesem tumben Macho klarmachte, dass es so nicht ging.
Während hinter ihr die Rufe immer leiser wurden, erreichte Helena das Erdgeschoss. Noch färbte die untergehende Sonne die bröckelnden Mauern dunkelrot, doch in den spinnwebverhangenen Ecken der alten Maschinenhalle sammelte sich schon Dunkelheit. Leises Donnergrollen ertönte in der Ferne, und in den schimmligen Geruch der Halle mischte sich ein grüner, feuchter Hauch. Der Wetterbericht hatte Gewitter zur Nacht angekündigt.
Helena schritt vorwärts, doch längst nicht mehr so entschlossen. Bei dem Gedanken, hier, in totaler Finsternis, eine Nacht verbringen zu müssen, womöglich unter Blitz und Donnergrollen, einsam und hilflos, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken herunter. Peitsche hin, Maske her. Sie war eben doch eine gute Seele. Und Mark Taylor, hinter seinem ganzen Macho-Gebaren, vielleicht auch.
Zurück in dem kleinen Raum, der als Garderobe diente, setzte sich Helena vor einen der Spiegel. Was tun? Ihr maskenbewehrtes Gesicht im Spiegel starrte sie hochmütig an. Ein Denkzettel, dachte Helena. Ich werde ihm zumindest einen Denkzettel verpassen.
Sie nahm sich eine halb volle Flasche Sekt, die sie beim Aufräumen vergessen hatte, setzte an und trank einen ordentlichen Schluck. Sollte er noch ein bisschen im eigenen Saft schmoren. Sie würde den Sekt ganz genüsslich austrinken, dann wieder hinuntergehen und ihm den Schlüssel in die Hand drücken. Er konnte sich selbst befreien. Das würde ihr genügend Zeit geben, um zu verschwinden.
Mal sehen: Eine Taschenlampe, die würde sie brauchen. Und einen langen Mantel, damit sie draußen in ihrem Kostüm nicht auffiel.
Der Sekt stieg ihr zu Kopf. Helena fühlte sich leicht und frei. Sie genoss die Macht, die sie plötzlich hatte. Und sie erinnerte sich an das Kribbeln im Bauch, das sie gespürt hatte, als sie ganz nahe vor ihm stand, seinen herb-würzigen Geruch einatmete und sah, wie sich seine Brust hob und senkte. Der kurze Anflug von Furcht in seinen dunklen Augen, als sie mit dem Peitschengriff über seine Bauchmuskeln gestrichen hatte. Die Überraschung, als sie tatsächlich zuschlug. Hatte es ihr tatsächlich Spaß bereitet? Hatte sie prickelnde Macht empfunden, und … Lust?
Nein. Helena schüttelte den Kopf. So war sie nicht. Sie doch nicht …
Zeit, die Vorstellung zu beenden. Helena wühlte in der Requisitenbox herum, fand eine Taschenlampe. Dann nahm sie einen der schwarzen Umhänge aus dem Kostümfundus.
Sie stopfte alles in ihre große Umhängetasche, zusammen mit ihren Jeans, T-Shirt und Turnschuhen, und schaute sich ein letztes Mal um. Morgen früh würde die Garderobe wieder dem »Pudermäuschen« gehören. Heute Nacht regierte die unberechenbare Maskierte. Helena griff nach der Peitsche. Die kam mit. Für alle Fälle.
Helena löschte das Licht. Augenblicklich umfing sie graue Dämmerung. An der Wand huschte ein Schatten vorbei, in einer Ecke raschelte es leise, und von draußen irgendwo schrie kläglich ein kleines Tier.
Leise fluchend wühlte Helena in ihrer Umhängetasche nach der Taschenlampe, fand sie und knipste sie an. Schon besser. Trotzdem glich der Rückweg durch die große Halle einer Fahrt mit der Geisterbahn. Die Sonne war untergegangen und das Grummeln des Gewitters schien näher gerückt zu sein. Wetterleuchten tauchte eine rostige Turbine in gespenstisches Licht. Auch wenn Helena genau wusste, dass es nur die Schatten der Bäume vor dem Fenster waren, die zu Phantomen an den alten Wänden wurden, und dass nur Mäuse in den Ecken raschelten, so spürte sie doch, wie sich ihre Nackenhärchen aufrichteten. Elektrizität lag in der Luft und das alte Heizkraftwerk schien sie aufzusaugen wie ein Vampir, der Blut brauchte, um die Nacht zu beherrschen.
Helena beschleunigte ihre Schritte. Sie wich einer dunkel schimmernden Pfütze aus und hatte bald die Treppe erreicht. Sie hielt inne und lauschte. Erneut zuckte ein Blitz über den Himmel. Helena fuhr zusammen, zählte die Sekunden … Das Gewitter kam rasch näher.
Helena knipste die Taschenlampe aus, hielt sich am Geländer fest und stieg auf Zehenspitzen in die Dunkelheit hinunter.
Von unten flackerte ihr eine unstete Neonröhre entgegen und erhellte die Stufen notdürftig. Helena hatte die Lampe ganz vergessen. Mark Taylor saß also doch nicht in der totalen Finsternis. Trotzdem würde sie ihn befreien.
Je tiefer sie hinabstieg, umso lauter wurde ein metallisch klirrendes Geräusch. Vorsichtig schob sie ihren Kopf um die letzte Treppenbiegung.
Mark Taylor kniete in der Ecke und zerrte an dem Rohr, das an dieser Stelle in die Wand eingelassen war. Sein weißes Hemd war schwarz verfleckt, seine Haare standen ihm unordentlich um den Kopf herum und er murmelte leise vor sich hin.
Auf Zehenspitzen schlich Helena weiter. Sie stellte ihre Tasche ab und setzte sich auf die letzte Stufe, ihre Taschenlampe und die Peitsche fest umklammernd.
Mark Taylor hatte sie noch nicht bemerkt. Er mühte sich weiterhin mit dem Rohr ab, doch er konnte es nicht aus der Wand ziehen. Was er vor sich hin murmelte, hörte sich verdächtig nach Flüchen an. Plötzlich gab er auf, lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. Seine heftigen Atemzüge wurden langsam tiefer und ruhiger.
Er sah müde aus, und seltsam nackt. Ungeschützt. Jung und verletzlich.
Helena hielt unwillkürlich die Luft an. Sie wollte diesen Moment nicht zerstören.
Mark atmete tief ein und deklamierte mit immer noch geschlossenen Augen: »Mir gilt die Welt nur wie die Welt, Graziano. Ein Schauplatz, wo man eine Rolle spielt, und mein’ ist traurig.«
Seine dunkle Stimme rollte durch den Keller, erfüllte ihn. Ironisch, gebrochen, und die ersten echten Töne, die sie je aus diesem Munde vernommen hatte.
Helena vergaß, wo und wer sie war. Sie musste einfach applaudieren.
Mark Taylors Augen flogen zu ihr herüber. Suchend schaute er nach rechts und links. Dann erblickte er Helena und atmete hörbar aus.
»Sieh da, die Lady mit der Peitsche. Wie lange bist Du schon hier?«
»Lange genug, um zu erkennen, dass Du tatsächlich ein guter Schauspieler bist.«
Mark richtete sich auf. Er hatte Schwierigkeiten, die Handschellen am Rohr mitzuziehen, doch er schaffte es und deutete eine ironische kleine Verbeugung in Helenas Richtung an. »Danke, Mylady. Die Rolle des Antonio. Shakespeares ›Kaufmann von Venedig‹.«
»Shakespeare? Ich dachte, Du würdest lieber so etwas wie Tom Cruise spielen, in ›Mission Impossible‹.«
Mark grinste. »Geld, Ruhm, schnelle Autos und schöne Frauen. Was könnte es Erstrebenswerteres geben auf dieser Welt? Selbst wenn sich eine dieser Damen als äußerst schlagfertig entpuppt.« Er versuchte, wieder den Macho zu geben.
Doch Helena hatte ihn durchschaut. Der arrogante Kerl war nur eine Rolle, so wie alles andere auch. Sie hatte einen Blick auf den wahren Mark Taylor werfen dürfen. So leicht würde sie ihn nun nicht mehr davonkommen lassen. »Ist das wirklich der wahre Grund, warum Du Schauspieler geworden bist?«, fragte Helena.
Marc Taylor sah sie prüfend an. »Wenn ich die falsche Antwort gebe, setzt es wieder Hiebe, Mylady?«
»Das kommt darauf an, ob mir die Geschichte gefällt.«
»Es ist keine Geschichte. Es ist die Wahrheit.«
»Ich bin gespannt.«
»Nun«, sagte er und warf sich in Pose, »Mylady wird es nicht glauben, aber als Junge war ich klein, schmächtig und schüchtern.«
»Du hast recht, das ist wirklich schwer zu glauben.«
Mark wurde ernst. »Mein älterer Bruder, dem flog einfach alles zu. Gutes Aussehen, gute Zensuren, gute sportliche Leistungen, tolle Mädchen. Ich dagegen hatte zwei linke Füße, war schmal wie ein Hänfling und habe mich lieber in Büchern verkrochen. Dann, eines Tages, hat unsere Deutschlehrerin mit der Klasse ein Stück inszeniert. Shakespeares ›Sommernachtstraum‹. Mich hat sie für die Rolle des Puck ausgewählt. Ich war entsetzt. Ängstlich. Aufgeregt. Und dann passierte es, schon bei den Proben, als ich den Text nur laut lesen musste. Ich schlüpfte in die Rolle und war Puck. Kein ängstlicher, schmächtiger Jüngling mehr, sondern ein frecher, kleiner Kobold. Ich bekam sogar Szenenapplaus, als das Stück aufgeführt wurde. Von da war es nur ein kleiner Schritt bis zur Theater-AG der Schule und dann ein großer bis zur Aufnahmeprüfung in die Schauspielschule. Und jetzt bin ich hier.«
Marks Stimme verklang. Die flackernde Neonröhre tauchte sein Gesicht abwechselnd in Licht und Schatten. Von oben rollte das Echo eines Donnerschlages die Kellertreppe hinunter.
Helena stand auf. Sie knipste die Taschenlampe an und leuchtete den Fußboden ab. »Wo, sagtest Du, ist der Schlüssel?«
»Da hinten links, Mylady. Da liegt meine Jacke. Der Schlüssel steckt in der rechten Tasche.«
Helena legte die Peitsche auf die unterste Treppenstufe. Sie fand die Jacke, bückte sich und fischte den kleinen Schlüssel heraus. Dann ging sie zu Mark hinüber, der ihr ruhig entgegensah. Es schien, als hätte er alle Masken und Rollen abgelegt. Sein Gesicht war offen, ehrlich und sanft. Helena blieb vor ihm stehen. Sie ließ ihren Blick über sein kantiges Gesicht schweifen, die großen dunklen Augen, die vollen Lippen, das markante Kinn. Sein weißes Piratenhemd war dreckig und seine rechte Wange zierte ein schwarzer Schmutzstreifen. Er hatte etwas Verwegenes an sich, das Helenas Herz schneller schlagen ließ. Sein Geruch nach Holz, Moos und Moschus hüllte sie ein.
Sie sah ihm in die Augen.
Mark erwiderte ihren Blick und Helena fühlte einen plötzlichen Hunger in sich aufsteigen. Sie schloss ihre rechte Faust um den Schlüssel und langsam, ohne recht zu wissen, was sie tat, beugte sie ihre Knie und sank vor ihm nieder. Ihre linke Hand strich wie von selbst über die harte Ausbuchtung in seiner Hose. Ein überraschter Laut kam von ihm, halb Keuchen, halb Stöhnen. Helena öffnete seinen Reißverschluss und befreite seinen glänzenden, prallen Schwanz. Sie blickte kurz zu Mark hoch, er sah ungläubig auf sie herunter. Helena führte seinen Schwanz an ihre Lippen und küsste ihn sacht. Dann ließ sie ihn in ihren Mund gleiten.
Mark schloss die Augen, seine Hüften zuckten unkontrolliert.
Helena fuhr mit der Zunge über seine Schwanzspitze, kostete Salz und Meer, beleckte zarte Haut, ließ ihn tiefer und tiefer in sich hineingleiten und genoss sein dunkles Stöhnen.
Plötzlich raschelte etwas links in der Ecke neben ihr. Mäuse? Ratten? Aus der schönen Helena wurde sofort wieder das kleine »Pudermäuschen« Lena. Was tat sie hier eigentlich, nachts, in einer alten Maschinenhalle? Wohin sollte das alles führen? Warum gab sie sich mit diesem Mann ab, der spätestens am nächsten Tag wieder in seine gewohnte Rolle schlüpfen würde, weil er es gar nicht anders mehr kannte? Was war das für ein Spiel? Mit einem leisen Stich des Bedauerns ließ Helena seinen Schwanz wieder aus ihrem Mund gleiten. Er hatte sich erstaunlich gut angefühlt. Aber das war jetzt egal. Sie richtete sich auf.
»Mylady … Was tust Du? Nicht aufhören!« Marks fast komische Verzweiflung ließ Helena lächeln. Aber es änderte nichts.
»Die Vorstellung ist beendet, Monsieur le Marquis.« Sie drückte dem verdutzten Mark den Schlüssel in die rechte Hand, drehte sich um, schnappte die Taschenlampe und eilte zur Treppe.
»Warte! Verdammt noch mal!«
Helena griff nach ihrer Tasche und blickte ein letztes Mal zurück. Mark war bereits mit den Handschellen beschäftigt. Aber es sah nicht so aus, als ließen sich die leicht öffnen. Und dann musste er auch seine Hosen noch anziehen. Helena würde genug Vorsprung haben. Sie drehte sich um und lief los.
(Fortsetzung folgt)
Betrifft: Die Rache des »Pudermäuschens«
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 19.12.2012 23:56
Mylady,
ich verneige mich vor so viel Charme und Fantasie. Sehr anregend. Sehr erregend. Ich wette, Frauen lesen das ebenfalls gerne. Denn Deine Geschichte ist eine Strafe für alle Männer. Ich hatte plötzlich so ein gutes Gefühl in der Leistengegend und dann … bumm, lässt sie den armen Kerl einfach so zurück. Aus Frauensicht völlig legitim. Männer müssen danach »Youporn« aufsuchen oder kleinbrüstige Blondinen aufreißen.
Die Anspielungen auf den Marquis de Sade sind interessant. Ironisch, gewiss, aber auch mehr.
In seinen Schriften hat er konsequent aus Menschen Dinge gemacht. Sozusagen das »Kapital« vom guten alten Marx vorweggenommen. Alles ist käuflich.
Was passiert, wenn die herrschende Klasse völlig frei über ihre Untertanen verfügt? Sie benutzt, ausquetscht, bluten lässt? Nur, um am Ende das kaputte Objekt einfach auf den Müll zu werfen und sich das nächste Ding zum Benutzen heranzuschaffen? Bei de Sade: nichts. Im Gegenteil. Das konsequent Böse wird sogar am Ende mit Reichtum und einem sorgenfreien Leben belohnt (Juliette), während die harmlose Unschuld ein schreckliches Schicksal und einen noch schrecklicheren Tod erleidet (Justine).
Marx hingegen rechnete mit einer Revolution. Er hat jedoch vergessen, was schon die alten Cäsaren wussten: Brot und Spiele. Solange das Volk die bekommt, ist es ruhig.
Und es ist ruhig. Arbeiten, fernsehen, schlafen. Altern. Sterben.
»Was ist der Mensch,
Wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut
Nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter.«
(Hamlet)
Der gute Shakespeare: für jeden Anlass etwas.
Du möchtest Dich spüren. Du willst mehr als nur existieren. Das kann ich gut verstehen. Aber pass auf, dass Du nicht zu einem Ding wirst. Benutzt und weggeworfen.
Such Dir Deinen Partner sorgfältig aus, rät
Papa Mike
Betrifft: Kalter Fisch und heiße Party
Von: H. Zimmermann
Datum: 20.12.2012 01:14
»Papa, Don’t Preach« (Papa, predige nicht), um es mit Madonna zu sagen.
Und »Youporn« ist ekelhaft. Willst Du mal wirklich gute Erotik sehen? Dann empfehle ich Erika Lust. Die macht Pornos für Frauen. Erotisches Kopf- und Mösenkino vom Feinsten!
Ein Appetithäppchen: Google mal nach ihrem Kurzfilm »Handcuffs«.
Jean hat mich übrigens letzten Samstag ins Gargoyle bestellt: Bondage-Vorführung und Sushi-Buffet. Da konnte weder die Autorin noch die erotische Abenteurerin in mir widerstehen.
Ich bin sicher, Du möchtest trotz Deiner warnenden Worte erfahren, was geschehen ist, oder?
Hab mich also hübsch gemacht (Spitzenbody, halterlose Strümpfe, schwarzer Mini, schwarze Bluse, Stiefelchen) und bin hinmarschiert. Kam an kurz nach neun, und der Laden war schon halb voll. Wurde auch ziemlich schnell immer voller. Ich entdeckte Jean in einer angeregt plaudernden Gruppe und fand noch ein Plätzchen auf dem fast belegten schwarzen Sofa. Neben mir ein netter junger Mann in einem bodenlangen schwarzen Lackkleid, der aussah wie ein perverses Schneewittchen. Die Unterhaltung drehte sich um Dominanz, und vor allem darum, wie ein guter Dom sich zu verhalten habe. Jean, der mir genau gegenübersaß, beherrschte die kleine, illustre Runde mühelos. Er sprach leise, ruhig und mit einer umwerfenden Autorität, die mich ganz kribbelig machte. Auch das Schneewittchen neben mir rutschte unruhig auf seinem Platz herum, und die anderen benahmen sich wie schwanzwedelnde Hündchen. Aber Jean sah mich an – die ganze Zeit, während er erklärte, dass er ein altmodischer Typ sei, der gerne schlage, aber vor allem gerne demütige. Und ich brannte. War gefesselt, gefangen, hilflos und schon ganz nass.
Dann schwieg er und die anderen diskutierten weiter. Aber er ließ mich nicht aus den Augen, nicht ein Mal. Als er lächelte, war ich endgültig verloren. Er winkte mich zu sich, nur mit dem Zeigefinger, und ich stand gehorsam auf, ging hinüber und kniete mich vor ihm hin. War mir egal, dass der Laden brechend voll war. War mir egal, dass die anderen mich ansahen. Neidisch? Mitleidig? Egal. Alles egal. Ich kniete vor einem Mann.
»Guten Abend, Alice.«
Seine Stimme, so von Nahem, war noch faszinierender. Leise, eindringlich, ein bisschen heiser. Bezwingend.
»Guten Abend, Jean.«
Ich bekam einen vollendeten Handkuss.
»Möchtest Du spielen, Alice?«
Ich nickte. Mein Hals war zu trocken zum Antworten.
»Das ist schön. Auch ich würde gerne mit Dir spielen heute Abend. Aber ich muss Dich warnen. Ich bin in einer grausamen Stimmung. Es wird schlimm werden für Dich.«
Kein Lächeln. Er meinte es ernst. Ein Schauer lief über meinen Rücken.
»Also, wie ist es nun?«
Ich nickte und wurde mit diesem umwerfenden Lächeln belohnt. Ein Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. Die blieben kühl, kalkulierend. Abschätzend.
»Setz Dich da hin. Ich sehe mich ein bisschen um.«
Gehorsam nahm ich auf der äußersten Sofakante Platz.
Jean stand auf und verschwand. Ließ mich zurück, aufgeregt, unruhig, ängstlich. Alles ein Teil des Spiels, natürlich. Und ich hatte einen Meister gefunden.
Um mich herum wurde der Geräuschpegel immer lauter. Die Partygäste amüsierten sich prächtig. Viele hatten sich dem Anlass entsprechend ein bisschen aufgebrezelt. Doch die Kostüme, obwohl schwarz und aus Lack oder Leder, waren trotzdem sehr züchtig. Es war kaum nacktes Fleisch zu sehen, und niemand machte Anstalten, zu spielen. Da hatte ich hier schon ganz andere Abende erlebt.
Plötzlich entdeckte ich Jeans breiten Rücken in der Menge. Er war in den anderen Raum hinübergegangen, stand vor den Folterwerkzeugen, die dort an der Mauer hingen, und befühlte nachdenklich eine lange, schwere Kette. Ich spürte ein plötzliches, heißes Brennen in meinem Schoß. Konnte meine Augen nicht mehr von ihm lassen. Er schlenderte zum Andreaskreuz hinüber und klopfte auf das Holz, als wolle er es auf Termiten prüfen. Und mein Herz klopfte ebenfalls.
Dann wurde das Buffet eröffnet, und alles stürzte zur Theke hinüber. Quer über den Raum hinweg sah Jean mich an und ich verlor sämtliche Lust auf rohen Fisch. Er kam zu mir, zielstrebig, aber gemächlich. Ein großes Raubtier, das sich seiner Beute bereits sicher ist. Er hockte sich vor mich. Dann holte er etwas Schwarzes aus seiner Hosentasche. Ein Hundehalsband aus Leder! »Beug Dich ein bisschen zu mir.«
Das Halsband schmiegte sich an meine Haut, wie gemacht für mich. Es war wunderschön, und ich trug es wie eine Auszeichnung.
Jean stand wieder auf. »Bleib sitzen.«
Ich sah ihm zu, wie er zurück in den anderen Raum ging und die lange, glänzende Kette von der Wand nahm. Sich umdrehte, mich ansah. Mir mit dem Zeigefinger zuwinkte. Ich sollte zu ihm kommen.
Meine Knie wackelten ein bisschen, als ich aufstand.
Jean kam mir auf halber Strecke entgegen. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er das eine Ende der Kette an meinem Halsband befestigte. Dann stand er vor mir, hatte die Kette in der Hand. Hatte mich in der Hand. Ich war sein gehorsames kleines Hündchen, das er an der Leine hielt. Ich erwartete, dass er mich hinknien ließ, damit er mich auf allen vieren herumführen konnte. Schließlich hatte er doch vorhin von Demütigung gesprochen. Und was wäre demütigender, als auf allen vieren durch eine Menge von angeheiterten Partygästen zu kriechen?
Nun, es gab tatsächlich etwas Demütigenderes. Jean zog mich in den Übergang zwischen den beiden Räumen. In der offenen Tür hing, oben in die Decke eingelassen, ein großer Haken. Jean führte die Kette durch den Haken und fixierte sie. Jetzt stand ich also angekettet mitten unter den Gästen. Links von mir saßen sie auf dem Sofa, rechts von mir an den Tischen. Vorne war die voll besetzte Theke, und auch hinter mir stand noch ein Sofa an der Wand, auf dem sich ein paar Latexträger herumflegelten.
»Du kannst Dich an der Kette festhalten«, sagte Jean hinter mir. Dann hatte er auch schon meine Bluse hochgezogen, meinen Minirock hochgeschoben und meinen nackten Hintern entblößt. Schräg vor mir aß das perverse Schneewittchen Sushi und starrte mich mit großen, runden Augen an. In diesem Moment sauste der erste Schlag auf mein nacktes Fleisch herunter.
Ich zuckte zusammen und kniff die Augen zu. Wusste nicht, was Jean sich genommen hatte. Es war zu weich für einen Rohrstock. Und es klatschte nicht genug für ein Paddel. Irgendeine von den Peitschen. Eigentlich war es mir auch egal. Denn nur der Schmerz zählte. Und Jean war ein Meister im Zufügen von Schmerz. Ich wusste nie, von welcher Seite der nächste Schlag kommen würde oder in welcher Intensität. Zwischendurch, immer wieder, streichelte Jean meinen Po. Doch ich konnte mich nicht wirklich entspannen, denn ich wusste: Der nächste Schlag kam sofort. Außerdem versuchte ich, kein Geräusch zu machen. Denn schließlich bot ich ohnehin schon ein Schauspiel.
Als die Schläge jedoch immer heftiger wurden, musste ich einfach schreien. Und siehe da, als hätte er nur darauf gewartet, beendete Jean meine Folter. Jedenfalls für den Moment. Die Kette wurde von der Decke oben abgehängt, jedoch nicht von meinem Halsband.
Verschämt zog ich mir den Rock über die Hüften. Ich durfte mich setzen und einen Schluck trinken. Jean war schon wieder unterwegs. Möglichkeiten ausloten. Ich schaute mich um. Die Party lief hervorragend, keiner sah mich an. Dann zwinkerte mir das perverse Schneewittchen zu, und vom Nebentisch guckte mich ein jüngerer Dom begehrlich an, obwohl er neben einer süßen Blondine saß, die ebenfalls ein Hundehalsband trug und ihn anhimmelte. Ich fühlte mich ein klein wenig besser. Wenn schon nicht unter Freunden, so war ich doch wenigstens unter Gleichgesinnten. Und dann kehrte Jean auch schon zurück. Winkte mich zu sich nach nebenan. Ich hob meine Kette auf und ging zu ihm. Er zeigte auf das kleine Bänkchen, das ich schon kannte.
»Knie Dich da hin!« Mit der Kette? Aber da hatte er auch schon mit zwei raschen Griffen die Kette zwischen meinen Beinen durchgezogen und an der Rückseite meines Halsbands festgemacht. Erwischte meinen empfindlichen Punkt zwischen den Beinen präzise. Nahm die Kette und ruckelte ein wenig daran.
Ich schnappte nach Luft. Das kalte Metall glitt zwischen meinen warmen Schamlippen hindurch und es fühlte sich unglaublich geil an.
Jean ruckelte noch ein paar Mal, aber es schien ihm nicht so richtig Spaß zu machen. Er befreite mich von der Kette. »Bleib so.«
Ich kniete auf dem Bänkchen, präsentierte meinen blanken Hintern für alle Partygäste, und versuchte herauszufinden, was Jean als Nächstes plante.
Erst mal offenbar sauber machen. Er hatte das Desinfektionsspray benutzt und wischte die Kette mit Küchenpapier ab. Ich war beruhigt. Er nahm die Sache ernst, inklusive der Hygiene. Und dann war er weg … was Neues ausdenken … Ich schloss die Augen und legte den Kopf auf die Unterarme. Eine gehorsame Sklavin. Wenn nur dieser Geruch nach totem Fisch nicht gewesen wäre … Sushi überall. Ich hätte zu gerne eine Currywurst gehabt … Plötzlich war Jean wieder da. Ein sanftes Streicheln über meine erhitzten Pobacken, sein Gesicht neben mir.
»Geht es Dir gut?«
Ich nickte.
»Braves Mädchen.«
Ein Kuss auf die Wange.
»Es wird schlimmer werden.«
In diesem Moment konnte ich nichts Schlimmes daran finden, so sanft gestreichelt zu werden. Vor allem nicht, als seine Finger meine feuchte Spalte erkundeten und sie rieben, langsam, zielstrebig. Unwiderstehlich. Dann steckte er drei Finger in mich hinein und fickte mich. Immer schneller, immer härter. Ich vergaß die Party, ich vergaß die Menschen um mich herum. Biss auf meine Hand, schrie dann doch noch, und kam in langen, salzigen Wellen.
Jean hockte sich vor mich, sah mich an.
»Du bist gekommen, obwohl ich das nicht erlaubt habe. Was kannst Du tun, um das wiedergutzumachen?«
Ich sah auf die eindrucksvolle Beule in seiner Lederhose.
»Genau«, sagte Jean, stand auf und öffnete seinen Hosenschlitz. Immer noch kniend nahm ich seinen Schwanz in den Mund. Er war glatt, hart und dick. Wunderbar samtweiche Haut. Ich leckte hingebungsvoll, doch Jean entzog sich mir schnell wieder.
»Noch nicht. Stell Dich da an die Wand. Hände auf den Rücken.«
Er legte vorsichtig meine kleinen Brüste frei. Ein kalter Luftzug ließ die Nippel hart werden. Und dann zog er etwas aus seiner Hemdtasche hervor. Stäbchen! Mein Herz schlug schneller. Was hatte er nun vor?
»Schön ablecken.«
Er schob mir die Holzstäbchen zwischen die Lippen. Gehorsam leckte ich sie feucht. Sie schmeckten leicht nach Sojasoße und fühlten sich rau an.
»Sehr gut.«
Er klemmte meine rechte Brustwarze zwischen zwei Stäbchen ein. Dann begann er, langsam daran zu drehen und gleichzeitig ein wenig zu ziehen. Ich erinnerte mich plötzlich, wie wir als Kinder einander die Handgelenke umfasst und die Haut dann in verschiedene Richtungen gezerrt hatten. Ich glaube, wir nannten es »Tausend Ameisen«, und es hat höllisch wehgetan.
»Aua!«, protestierte ich.
Jean setzte die Stäbchen an der linken Brustwarze an und tat dort sehr konzentriert dasselbe. Dabei sah er mir unentwegt ins Gesicht und ich erwiderte seinen Blick. So lange, bis ich es nicht mehr aushielt. Jean packte meine Brüste wieder ein. Er kniete sich vor mich hin und untersuchte mit den Stäbchen meine Schamlippen. Das wurde ihm jedoch schnell langweilig. »Komm, wir gehen mal nachsehen, was im Keller los ist.«
Ich war erleichtert. Keine Stäbchen mehr. Künftig würde ich mein Sushi nur noch mit Messer und Gabel essen.
Und Keller, das hieß ficken.
Endlich. Das war es, was ich am meisten wollte. Einen Schwanz in mir, einen Mann auf mir. Oder hinter mir. Haut. Muskeln. Wärme. Härte.
Und siehe da, wir hatten den Keller ganz für uns allein. Jean sah etwas enttäuscht aus, aber mir war das nur recht. Und außerdem hatten wir oben die Kette nicht vorgelegt. Falls also jemand zugucken kommen wollte, so stand dem nichts im Wege.
»Komm her.«
Jean hatte sich auf das kleine Sofa gesetzt und klopfte auf seine Knie.
Ich wollte mich daraufsetzen.
»Nein, nein. Drüberlegen.«
Au weh! Im Nu hatte Jean meinen Po wieder freigelegt, und diesmal bekam ich die flache Hand zu spüren. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht übers Knie gelegt worden. Und so schon gar nicht. Er fing langsam an und steigerte sich dann. Seine Schläge wurden schneller und schmerzhafter. Meine Augen begannen zu tränen. Dies hier war schlimmer als die Peitsche oder der Stock. Es tat schrecklich weh und war unglaublich demütigend. Ich schrie laut. Noch zwei Schläge und dann hörte Jean auf. Er strich mir sanft über den Hintern und sagte: »Jetzt hast Du eine schöne, zartrosa Färbung angenommen.«
Ich durfte aufstehen, musste mich aber bücken.
Jean hatte ein Glas mit in den Keller genommen. Das war normalerweise nicht erlaubt, aber für ihn galten die Regeln nicht. Und plötzlich zuckte ich zusammen. Denn er hatte einen Eiswürfel genommen, mit dem er nun vorsichtig über meine brennend heiße Haut strich. Es war köstlich, nass, kühl, erfrischend. Und dann glitt seine Hand zwischen meine Schamlippen, in mich hinein. Er stopfte den Eiswürfel so weit er konnte in meine feuchte Möse und ich wand mich vor Entzücken.
»Drin behalten, ich will es aus Dir raustropfen sehen!«
Er half mir hoch, nur um mich mit einer Geste auf die Knie zu zwingen. Öffnete seine Hose, nahm seinen harten Schwanz heraus, griff mit der Rechten in meine Haare und drückte meinen Kopf hinunter.
Ich liebe es, so benutzt zu werden!
»Oh ja, Du bist meine kleine Maulfotze.«
Ich gab mein Bestes, doch auch diesmal ließ er mich vorzeitig aufhören.
»Was ist, willst Du gefickt werden?«
»Ja, bitte.«
»Steh auf. Geh da rüber.« Jean ging zu dem kleinen Tisch, der neben dem schwarzen Himmelbett stand. Er nahm sich ein Kondom. »Sag mir, wohin Du gefickt werden möchtest. Bitte mich darum. Schön laut.«
Ich drapierte mich aufreizend über die Streckbank, wackelte mit meinem Po und stöhnte: »Bitte fick mich. Ich will, dass Du meine nasse Fotze fickst.«
Jean rollte das Kondom über seinem beachtlichen, schön steifen Schwanz ab.
»Nur in die Fotze?«
Nein, natürlich nicht. Wie dumm von mir.
»In den Arsch. Fick mich in den Arsch. Bitte, ich brauche es so dringend.«
Das war noch nicht einmal gelogen.
Dann war er hinter mir, fummelte ein bisschen herum und steckte endlich seinen Schwanz in meine nasse Möse. Griff sich meine Hüften und legte los. Fantastisch. Schnell, hart, ausdauernd. Ich hielt mich an den schwarzen Holzbrettern der Streckbank fest und stöhnte. Erst leise, dann immer lauter. Es war einfach zu gut. Doch plötzlich hörte es auf. Ich wollte mich umdrehen und protestieren. Doch er drückte meinen Kopf wieder nach vorne auf das Holz und dann spürte ich seinen harten Schwanz an meinem kleinen, ängstlichen Arschloch. Ich atmete aus und versuchte, mich zu entspannen.
Die ersten Stöße waren mehr als unangenehm. So hatten sich wahrscheinlich die Verbrecher gefühlt, die man im Mittelalter pfählte. Doch Jean machte seine Sache gut. Er war hartnäckig, aber vorsichtig, und immer schön langsam. So lange, bis ich ihm von ganz allein meine Hüften entgegenstreckte. Weil ich mehr wollte.
Es ist ein ganz besonderes Gefühl, in den Arsch gefickt zu werden. Irgendwelche empfindlichen Nervenenden müssen auch dort vorhanden sein, deren Berührung mich jetzt höher und höher hinaustrieb. Kann mir schon vorstellen, was Schwule daran so spannend finden … Aber Jean beließ es nicht dabei. Er hatte vorgesorgt. Hatte die Peitsche und den Stock mit hinuntergebracht. Und nun schlug er mich, während er mich fickte. Die Peitsche traf den Rücken, die Hüften und die Seiten. Ich wurde fast besinnungslos vor Lust.
»Fick mich! Bitte, fick mich!« Ich bettelte, ich schrie, und es war mir egal, wer mich hören konnte. Es war so gut … »So wie Du hat mich noch kein Mann gefickt.«
Jean legte die Peitsche weg, griff nach vorne und streichelte meine Brüste. Jetzt ließ ich endlich einfach los. Hörte auf, mir Sorgen zu machen um Partygäste und Demütigung. Ich ertrank einfach, löste mich auf, existierte nicht mehr. War nur noch Empfindung, Gefühl, und Lust.
»Ja!«, rief Jean hinter mir triumphierend. Aber das hörte ich kaum.
Danach gingen wir wieder hoch und räumten gemeinsam das Sushi-Buffet leer. Ich war so hungrig, dass ich auch toten Fisch aß. Jean wollte wissen, was ich so für Fantasien und Wünsche habe.
Ich erzähle ihm von meiner Lieblingsfantasie: dem Sultan und seiner Sklavin. Ein Sadomaso-Traum aus »Tausendundeine Nacht«. Eine Oase, Zelte, Decken, der Duft nach Amber und Moschus, die Sterne in der Wüstennacht, Datteln und Palmenwein … Vielleicht sogar ein Sklavenmarkt, auf dem ich verkauft werde. An den mächtigen Sultan, dem ich fortan dienen, ihm jeden seiner Wünsche erfüllen muss. Und wenn ich nicht spure, werde ich in Ketten gelegt …
Jean lächelte und stopfte sich rohen Thunfisch in den Mund. Ich konnte ihn mir nicht wirklich als Sultan vorstellen. Aber man weiß ja nie …
Dann war es halb drei. Zeit, nach Hause zu gehen.
Leere Wohnung, leeres Bett, heißer Po.
Hannah
Betrifft: Wüstenschiff
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 20.12.2012 08:19
Salome,
Du Erhabene … sehr hübsch. Soeben wehte ein Hauch von Orient durch mein Büro.
Jean ist kein Sultan, Jean ist ein Kamel. Ich würde Dich gerne in meinen Harem aufnehmen. Aber nur, wenn Du den »Tanz der sieben Schleier« für mich aufführst. Und nur für mich allein.
Was mein ist, teile ich nicht. Mit niemandem. Weder mit Voyeuren noch mit Akteuren. Ich traue diesem kaltschnäuzigen Fisch nicht über den Weg. Als Nächstes überlässt er Dich einem seiner Barkumpel zum Gebrauch.
Männerfantasien sind übrigens sehr viel prosaischer als Deine. Die meisten Kerle wünschen sich einen heißen Dreier im Bett. Mit zwei Mädels, versteht sich. Blowjobs und Reizwäsche sind ebenfalls sehr beliebt.
Ich stehe auf schickes Schuhwerk. Schwarze Pumps mit Absatz. Keine High Heels, sondern etwas Gangbares. Ladylike. Dazu schwarze Strümpfe und ein sittsam knielanger schwarzer Rock.
Aber vor allem stehe ich auf Frauen, die gerne spielen. Fesselnde Spiele, aber auch anderes. Anything goes.
Hauptsache, sie sind sich nicht zu schade für Spaß im Bett. Sind für Genuss im Leben.
Der Umgang miteinander zählt. Respekt und Liebe.
Mein Song des Tages für Dich: »Respect« von Aretha Franklin. Schön laut aufdrehen und mitsingen.
Yeah!
Mike
Betrifft: Rote Rosen
Von: H. Zimmermann
Datum: 20.12.2012 10:14
Mike,
habe ich richtig gelesen? Liebe? Seit wann redest Du denn von Liebe? Ich dachte, das bedeutet automatisch Gefängnis für Dich? Das Ende vom Spaß, den Tod der Leidenschaft? Was ist passiert? Hast Du Dich etwa in Deine ferne Angebetete verguckt?
Das wäre allerdings blamabel: der Schürzenjäger am Bändel. Und noch dazu am Bändel einer Frau, die sich so gar nicht für Dich zu interessieren scheint. Oder tut sie nur so, um Dich heißzumachen? Auf alle Fälle hat sie Erfolg bei Dir.
Man(n) will immer das, was man(n) nicht haben kann.
Und wer sagt Dir, dass sie am Ende nicht so ist wie alle (die meisten) Frauen?
Vielleicht sind es ja auch die drohenden Feiertage, die Dich ganz unversehens sentimental machen? Ich habe jedenfalls ziemlich damit zu tun.
Du hast mich mal gefragt, was ich will.
Das hier ist mein Lied des Tages für Dich: »Für mich soll’s rote Rosen regnen«, von Hildegard Knef.
Ich will alles oder nichts!
Ich will schreiben. Geschichten erzählen, die die Menschen berühren. Die ihnen Türen öffnen zu fremden Erlebenswelten, die sie bereichern, verführen, amüsieren und am besten verändern.
Ich will leben. Ganz kitschig, ganz normal, in einem Häuschen mit Garten. Darin eine große, warme Küche mit einem alten Holztisch, der Platz bietet für sechs bis acht nette Menschen, die hin und wieder zusammenkommen, um gemeinsam zu kochen, zu essen, zu lachen. Die Küche – das warme, pulsierende Herz des Hauses. Außerdem: ein Wohnzimmer mit einem offenen Kamin, vor dem man sitzen, reden, träumen, knutschen kann. Mein Arbeitszimmer unter dem Dach: viele Bücher, ein großer Schreibtisch vor dem Fenster mit Blick in den Garten. Ein Wald in der Nähe für Spaziergänge. Katzen natürlich, vielleicht ein Hund.
Es ist groß genug für zwei, dieses Häuschen. Groß genug, dass zwei miteinander leben, lieben, lachen, spielen und auch mal streiten können. Groß genug, dass sie einander nicht auf die Nerven gehen. Und es hat ein wunderbares, bequemes Bett im Schlafzimmer …
Okay, ich kann Dich rennen sehen. Muss Dein absoluter Albtraum sein, so was. Oder?
Jean ist jedenfalls nicht der Mann, mit dem ich diesen Traum teilen könnte. Das weiß ich. Aber er hat Respekt vor mir.
Auch wenn er eine Beziehung im herkömmlichen Sinn ablehnt, und mich je nach Lust und Laune zu Treffen bestellt, so hat er doch zugehört beim letzten Mal. Er will mit mir nämlich Sklavin und Sultan spielen, und mich versteigern lassen. Da gibt es einen Veranstalter in Berlin, der »Stolz-und-Demut-Partys« anbietet. Guck es Dir mal im Internet an. Hübsche Bilder von orientalischen Basaren und halbnackten Leibeigenen …
Sklavenversteigerungen in aller Öffentlichkeit.
Ich bin schon ganz aufgeregt …
Hannah
PS: Was machst Du zu Weihnachten?
Betrifft: (B)Engel
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 20.12.2012 19:52
Hannah,
der Kommerzrummel in der Vorweihnachtszeit lässt mich kalt.
Kann jedoch verstehen, dass er sentimentale Anwandlungen auslöst. Bin auch nicht ganz frei davon, da gerade wenig zu tun ist. Vor Weihnachten wird kaum gestorben. Danach allerdings schon. Besonders im Januar und Februar. Aus Enttäuschung über erneute Einsamkeit nach den Feiertagen oder aus Stress, weil nichts so gelaufen ist wie geplant. Dazu eine nette, kleine Infektion, und schon ist alles vorbei. Besonders ältere Menschen sind diesbezüglich gefährdet.
Deine Idylle ist ein nettes kleines Spießerglück, dachte ich beim ersten Durchlesen. Dann schlich sich das Bild Deiner Küche in meinen Kopf. Ich kann nämlich kochen. Mein Hobby. Und dieser Holztisch, mit ein paar Freunden drum herum, der würde mir schon gefallen.
Davon abgesehen: Spießerglück und Sklavenmarkt? Du bist tatsächlich die interessanteste, weil widersprüchlichste Frau, die ich je kennengelernt habe.
Du schreibst, ich koche, und abends versohle ich Dir gepflegt den Hintern?
Halleluja!
Mike
PS: Meine Eltern weilen in der »Dom Rep«, daher bleibt mir das obligatorische Familientreffen erspart. Im Galander gibt es eine Weihnachtsfeier. Grün-rote Cocktails, blond gelockte Engel. Was will ich mehr.
PPS: Das Lied des Tages ist der beste, weil böseste Weihnachtssong aller Zeiten: The Pogues and KirstyMacColl, »Fairytale of New York«!
Betrifft: Pizza und Rute
Von: H. Zimmermann
Datum: 21.12.2012 12:32
Mike,
Du kannst kochen? Und zwar nicht nur Spiegeleier und Kaffee? Schon wieder eine Überraschung!
Das Lied ist klasse. Besonders wie die zwei sich angiften und einander vorhalten, der eine hätte dem anderen das Leben versaut.
In den letzten Jahren habe ich Weihnachten mit Birgit gefeiert. Abwechselnd bei ihr oder bei mir. Eine von uns hat gekocht (Birgit, ich habe höchstens Pizza bestellt), dann gab es Rotwein, Rockmusik, Tratsch und Klatsch, und zum Abschluss des Abends diesen herrlich kitschigen Weihnachtsfilm »Ist das Leben nicht schön?« mit James Stewart.
Ich vermisse Birgit.
Vielleicht gehe ich ins Gargoyle. Dort heißt es »Rute aus dem Sack«, und die bösen Mädchen und Jungs werden vom Weihnachtsmann übers Knie gelegt.
Jean hat versprochen, sich nach den Feiertagen wieder zu melden. Ich glaube, er hat irgendwo eine brave Frau und ein Kind oder zwei. Im Reihenhäuschen.
Hannah
PS: Für die Sklavenversteigerung nach Weihnachten hat er uns trotzdem angemeldet.
Betrifft: Christmas Blues
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 22.12.2102 15:41
Hannah,
komm doch ins Galander. Oder noch besser: Schreib Deine Geschichte zu Ende. Arbeiten ist die beste Ablenkung, und Du tust wenigstens etwas Produktives.
Mike
Betrifft: Weihnachten
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 25.12.2012 15:46
Hannah,
schon wieder versetzt. Warst Du wenigstens fleißig?
Merry Christmas.
Mike
Betrifft: Demaskierung
Von: H. Zimmermann
Datum: 26.12.2012 18:39
Mike,
was heißt hier versetzt? Ich hatte den Eindruck, Du wärst mit Deinen Rauschgoldengeln lieber allein.
Ich habe mich mit Pizza, Lebkuchen und Rotwein eingedeckt, habe bei »Ist das Leben nicht schön« auf Birgit angestoßen und ein bisschen geheult, und außerdem – geschrieben.
Fertig!
Ich habe die Geschichte bereits an meine Agentin geschickt. Natürlich ist sie nicht lang genug für einen Roman, aber sie ist ein guter Anfang. Und wenn meine Agentin damit einen Verlag ködern kann, werde ich das Ganze ausarbeiten und die Geschichte der beiden weiterschreiben.
Hannah
PS: Jean hat angerufen: Die Sklavenauktion steigt am Samstag.
Anhang:
Maskerade
(Ende)
Helena hastete die Treppenstufen hinauf. Vor ihr her tanzte der Kegel ihrer Taschenlampe, hinter ihrer verblasste das Flackern der Neonröhre im Keller.
»So schnell entkommst Du mir nicht!«, rief ihr Mark Taylor aus dem Keller hinterher. Es war keine Drohung, sondern eine Feststellung.
Helena stolperte und wäre beinahe hingefallen, wenn sie sich nicht in letzter Sekunde am Geländer festgehalten hätte. Dumm nur, dass ihr dabei die Taschenlampe aus der Hand fiel, auf dem Metallgitter der Treppe aufschlug und über den Rand kullerte. Helena blieb stocksteif stehen. Vor ihren Augen tanzten bunte Farbflecke in der Dunkelheit. Von unten aus dem Keller drang das Geräusch von Metall auf Metall. Und dann ein triumphierender Aufschrei. Mark Taylor hatte sich befreit.
Ängstlich riss Helena die Augen auf und versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen. Langsam schälten sich aus der Schwärze Schatten hervor. Helle und dunkle Umrisse. Und dann blitzte es erneut. Geblendet schloss Helena die Augen. Der Donner, der kurz darauf folgte, klang laut und wütend. So musste sich der Sturm auf die Bastille angehört haben, in der de Sade eingekerkert gewesen war.
Helena tastete sich die letzten Treppenstufen empor. Was genau hatte sie befreit, da unten im Keller? Mann oder Bestie? Ein schönes, böses Tier?
Als sie hinter sich ein Krachen aus dem Keller hörte, wandte sie sich nach links und lief los. Ihre Schritte hallten in der leeren Halle wieder, ein erneutes Donnergrummeln ertönte, konnte jedoch nicht das dumpfe Geräusch von Stiefeln auf der Kellertreppe überdecken.
Mark hatte die Verfolgung aufgenommen.
Helena umklammerte ihre Schultertasche fester und versuchte sich zu orientieren. Ihr Herz schlug wie verrückt, in ihren Ohren hörte sie ein hohes Rauschen. Das schwache Licht, das von draußen durch die hohen Fenster hereindrang, verlieh allen Gegenständen in ihrer Nähe etwas Bedrohliches. Was würde geschehen, wenn sie sich erwischen ließ? Würde Mark ihr gewaltsam die Maske vom Gesicht reißen, sie erkennen und aus Rache für das, was sie ihm angetan hatte, für ihre Entlassung sorgen? Aus Helena war unversehens wieder Lena geworden. Das »Pudermäuschen«. Ihre Angst hatte sie fest im Griff. Die Schritte, die hinter ihr die Kellertreppe hochpolterten, wurden immer lauter. Und dann plötzlich verstummte sie. Mark war in der Halle angekommen und schien zu lauschen.
Lena stand ganz still und lauschte ebenfalls.
»Mylady, wo bist Du? Lauf doch nicht weg. Wir zwei sind noch nicht fertig miteinander.«
Seine Stimme wurde lauter und wieder leiser. So als würde er den Kopf in verschiedene Richtungen drehen, um nach ihr Ausschau zu halten.
Lena drückte sich an die kalte, raue Wand. Das Mauerwerk fühlte sich feucht und krümelig an unter ihren Händen. Wohin jetzt? Was tun? Mit plötzlichem Schrecken begriff sie, dass sie in die falsche Richtung gelaufen war. Statt an der Kellertreppe nach rechts abzubiegen, zum Ausgang, war sie wie selbstverständlich nach links abgebogen, wo es zum Maskenbildner-Raum ging. Der einzige Ort, an dem sie sich in diesem alten Gemäuer wirklich sicher fühlte.
»So wie Du hat mich noch keine Frau in der Luft hängen lassen«, sagte Mark Taylor, und in seiner Stimme schwankte ein leises Lachen mit. »Ich möchte Dich gerne näher kennenlernen.«
Erstaunt registrierte Lena, dass sie genauso empfand. Den Mann, der da unten im Keller von seiner Jugend erzählt hatte, den würde sie auch gerne näher kennenlernen. Ganz zu schweigen von dem Gefühl, das er in ihr ausgelöst hatte, als er da so vor ihr stand. Das Verlangen, der Wunsch, seine Hände loszumachen und sie überall auf ihrem Körper zu spüren, all das hatte Helena überrascht in seiner Heftigkeit.
»Du hast übrigens etwas vergessen im Keller.«
Ein Zischen fuhr durch die Luft, ein Knall, dessen Echo sich an den alten Mauern brach.
Die Peitsche! Sie hatte die Peitsche da unten liegen lassen!
Lena keuchte entsetzt auf und hielt sich sofort die Hand vor den Mund. Zu spät.
»Da sind Sie ja, Mylady. Ich komme!«
Ein Blitz erhellte die Maschinenhalle, und Lena sah zu ihrem Entsetzen Mark Taylor, der peitschenschwingend in ihre Richtung kam.
Lena sprintete los. Blindlings im Dunkeln voran. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, und ihr Mund war trocken wie eine alte Puderquaste. Der Maskenbildner-Raum war gleich da vorne, hinter dem nächsten großen Pfeiler. Seine Tür hatte einen Schlüssel. Sie musste einfach einen Schlüssel haben. Lena würde sich einschließen und warten, bis Mark aufgab. In der Garderobe gab es Mineralwasser und ein altes Sofa in der Ecke. Dort könnte sie schlafen, und verdursten müsste sie auch nicht.
Wo war die Tür? Alles schien im Dunkeln zu verschwimmen. Die Schritte hinter ihr kamen immer näher. Licht zuckte durch die hohen Fenster, ein Blitz. Er erhellte die Tür vor Lena, zum Greifen nah.
Sie streckte schon ihre Hände danach aus. In diesem Moment wurde sie von einem starken Arm um die Taille gefasst, herumgewirbelt und an die kalte raue Wand gedrückt. Ihre Umhängetasche flog zur Seite. Mark Taylor griff ihre Hände, führte sie über dem Kopf zusammen und hielt sie mit seiner Rechten fest. Hilflos zappelte Lena in seinem Griff.
»Hab ich Dich!«
Lenas Brüste hoben und senkten sich mit ihren heftigen Atemzügen. Mark drückte sie an die Mauer, es gab kein Entrinnen. Sie spürte seinen warmen, durchtrainierten Körper und wurde von einer wilden Mischung aus Angst und Lust überschwemmt.
Marks Gesicht näherte sich ihrem, er schnupperte an ihr, nahm ihre Witterung auf. Das Raubtier ergötzte sich an seiner Beute …
»Hm, Du riechst gut. Irgendwie bekannt …«
Oh nein, nur das nicht! Er würde sie noch erkennen … Lena wand sich, doch Mark griff nur noch fester zu.
»Lass mich los«, fauchte sie ihn an.
»Warum denn, Mylady? Mir gefällt es. Dir nicht?«
Und das war das Verrückte. Ja. Es gefiel ihr. Sie wollte mehr. Sie wollte ihn.
Unmöglich.
»Nein.«
»Zu spät, Mylady.«
Als erneut ein Blitz die Szenerie erhellte, könnte Lena sein Gesicht sehen. Die dunklen Augen, geweitet vor Verlangen, das spöttische Lächeln. Da wusste sie, dass er sie nicht so ohne Weiteres entkommen lassen würde. Und sie wusste noch etwas: Sie wollte gar nicht entkommen.
»Du hast das Spiel begonnen, Du musst die Konsequenzen tragen.« Mark Taylor griff um ihre Taille, hielt sie fest und schob sie durch die Tür, hinein in den halbdunklen Garderobenraum. Geisterhaft tanzten in dessen Spiegeln zwei Schemen. »Dort hinüber, Mylady.«
Er dirigierte sie zu dem alten grünen Sofa in der Ecke und ließ die Peitsche achtlos auf den Boden fallen.
Lena war erleichtert, doch nicht lange.
»Die brauche ich nicht, um einem frechen Ding wie Dir Manieren beizubringen.«
Er setzte sich, zog Lena mit sich herunter, und plötzlich fand sie sich liegend über seinen Knien wieder.
»Niemand spielt mit dem Marquis. Es sei denn, der Marquis bestimmt die Regeln.«
Mark zog Lenas Slip herunter, entblößte ihren Po.
»Was tust Du da?«, protestierte sie. »Lass mich gehen!«
»Lieg still«, befahl Mark.
Und in diesem Augenblick war er der Marquis. Arrogant, aristokratisch, befehlsgewohnt. Ein Mann, der Macht und Geld hatte. Ein Mann, dem keiner zu widersprechen wagte.
Ein Blitz, und Mark Taylors Hand klatschte auf Lenas linke Pobacke nieder.
Ihr Aufschrei ging im Donner unter. Die Hand klatschte auf die rechte Pobacke.
Es brannte, und es war demütigend. Hier hing sie, eine erwachsene Frau, und wurde von einem Mann wie ein kleines Kind übers Knie gelegt. Lena versuchte sich loszureißen, doch Mark griff von hinten in ihren Nacken und drückte sie herunter.
»Ich bin noch nicht fertig.« Er steigerte die Intensität. Schneller, härter, regnete es Schläge auf ihr ungeschütztes Hinterteil.
Mit dem Brennen ihrer Haut, das ebenfalls immer stärker wurde, spürte Lena eine Hitze in sich aufsteigen, die sich in ihrem Bauch entzündete und zwischen ihren Schenkeln ausbreitete. Sie schrie … vor Schmerz, vor Wut … vor Lust … Schrie gegen den Donner an. In ihrem Kopf herrschte ein Sturm der Gefühle, gegen den das Gewitter, das sich jetzt direkt über dem alten Heizkraftwerk entlud, wie ein sanfter Lufthauch wirkte. Regentropfen trommelten auf das Dach, Mark Taylors Hand tanzte auf ihrer nackten Haut. Sie war hilflos, ihm ausgeliefert, und sie genoss es mit einer wilden Freude, die sie überschwemmte, so wie der Regen die alten Regenrinnen zum Überlaufen brachte …
Und plötzlich hörte es auf. Die Welt stand still, hielt die Luft an, ein kalter Hauch auf ihrer heißen Haut …
Mark zog sie hoch, zog sie auf seinen Schoß, öffnete seine Hose. Sie ließ sich auf seinen harten Schwanz sinken, ließ sich aufspießen, wollte ihn spüren, tief in sich. Er füllte sie aus, ganz und gar. Seine Hände packten ihre Hüften, drückten sie herunter, immer und immer wieder. Etwas knisterte, die Atmosphäre prickelte vor Elektrizität.
Lena spürte, wie Energie sie durchströmte. Sie wurde hin- und hergeworfen, verloren auf hoher See, trotzig die Wellen reitend, dem Sturm entgegen. Sie und ihr Pirat, zusammen. Das Sofa wurde zum Schiff, das in der Dünung schwankte, auf und nieder, bis eine letzte, endgültige Welle das Boot zum Kentern brachte, und beide untertauchten in heiß-kalter Ekstase.
Das Gewitter war abgezogen. Regen rauschte.
Mark strich über Lenas Haare, zauste ihre Locken.
Als er dann sprach, war seine Stimme ruhig und nachdenklich. »Ich bin in meine verschiedenen Rollen geschlüpft, so wie andere jeden Morgen in ihre Hosen steigen. Anerkennung, Applaus … Das war mein Ansporn. Aber es ist auch eine innerliche Verwandlung, nicht wahr, Lena?«
Sie vergaß zu atmen.
»Man wird jemand anders. Man entdeckt Dinge, die man noch nicht mal im Traum bei sich vermutet hätte. Wie leicht es ist, den großen Casanova zu spielen. Reihenweise junge Dinger abzuschleppen, die eigentlich nur scharf darauf sind, ihr Foto in der Klatschpresse zu sehen oder eine Rolle in einem Film zu ergattern.«
Lena holte Luft. »Wie, woher wusstest Du …?«, stotterte sie.
»Ich sehe Dich nun schon seit zwei Wochen jeden Tag. Deine wilden Locken, Deinen vollen Mund mit den Grübchen. Deine kurvige Figur, die Du unter viel zu weiten Blusen und T-Shirts versteckst. Kenne Deinen Duft nach Neroli und Vanille. Deinen verächtlichen Gesichtsausdruck, wenn ich mal wieder einen meiner dummen Witze gerissen habe.«
»Du hast mich bemerkt?«
»Selbstverständlich. Die einzige Frau, die in meiner Nähe nicht in dümmliches Kichern ausbricht, provokant ihre Brüste zur Schau stellt oder mir heimlich ihre Telefonnummer zusteckt. In Dir steckt viel mehr, als man auf den ersten Blick erkennt, Lena. Aber Du versteckst Dich. Genauso wie ich.«
»Du hast Dich sehr gut versteckt, Mark Taylor, – hinter diesem ganzen Macho-Gehabe.«
Er lachte leise. »Ich gestehe, es hat mir Spaß gemacht, Dich aufzuziehen. Deinen empörten Gesichtsausdruck zu beobachten. Und ich gestehe noch etwas: Ich hatte Angst. Angst, mich zu irren. Angst, wieder hereinzufallen auf eines dieser oberflächlichen Geschöpfe.«
»Das hört sich fast zu gut an, um wahr zu sein. Bist Du sicher, dass Du gerade nicht wieder eine Deiner Rollen probst?«
Langsam streckte Mark seine Hände aus.
Lena ließ zu, dass er ihr die Maske abstreifte. »Keine Rolle. Kein Spiel. Nur Du und ich.« Sein Gesicht näherte sich dem ihren, seine Lippen suchten ihren Mund, fanden ihn. Er knabberte sanft an ihrer Unterlippe, sie öffnete ihren Mund, gewährte seiner Zunge Einlass. Und als er sie diesmal nahm, auf dem alten Sofa, war es voller Zärtlichkeit.
Betrifft: Bestseller
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 27.12.2012 10:24
Helena-Hannah,
ich gratuliere. Wetten, Deine Agentin ist begeistert?
Das wird ein Bestseller!
Vergeude Deine Zeit nicht weiter mit Jean. Mach Dich daran, diese Geschichte auszuarbeiten.
Deine Schulden sind hiermit komplett beglichen. Das signierte Exemplar hätte ich trotzdem gerne.
Mike
Betrifft: Bestseller
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 28.12.2012 11:34
Hannah,
wo bist Du? Hat sich Deine Agentin schon geäußert?
Melde Dich.
Mike
Betrifft: Sklavenmarkt
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 28.12.2012 17:28
Hannah,
geh da heute nicht hin!
Mike
Betrifft: Na und ob!
Von: H. Zimmermann
Datum: 28.12.2012 18:26
Mike,
kennst Du die »Rocky Horror Picture Show«? Partys, Transvestiten, sexuelle Freiheiten und eine mitreißende Musik?
Zum Ende hin gibt es einen Song, da heißt es: »Don’t dream it. Be it.«
(Träume es nicht. Sei es.)
Hannah
Der raue Wollstoff ihres dicken schwarzen Wintermantels rieb über Hannahs nackte Brustwarzen und machte sie noch empfindlicher, als sie ohnehin schon waren. Sie saß im Auto neben Jean, starrte hinaus in die schneebeflockte Dunkelheit und versuchte, ihr aufgeregt schlagendes Herz unter Kontrolle zu bringen.
»Das hier wirst Du anziehen«, hatte Jean gesagt und Hannah einen knöchellangen schwarzen Rock gegeben, halterlose schwarze Strümpfe und schwarze Schnürstiefel. Sonst nichts.
Hannah, gebadet, eingecremt und parfümiert, hatte den weichen schwarzen Stoff durch ihre Finger gleiten lassen. Der Rock war geschlitzt. Vorne und hinten.
»Für den leichten Zugriff. Jederzeit«, sagte Jean und lächelte.
Dann holte er eine Maske aus seiner Tasche, die mit zarten Federn besetzt war. Eine Käuzchen-Maske, wie sie die Heldin der »Geschichte der O« in der letzten Szene getragen hatte.
»Sie wird Dir wunderbar stehen«, sagte Jean.
Jean, den Hannah sonst nur in Jeans und Hemd kannte, hatte sich zur Feier des Tages in einen dunkelgrauen Anzug geworfen. Nun sah er wirklich aus wie ein Gentleman. Kühl. Mächtig. Gefährlich. Ein Mann, mit dem nicht zu spaßen war.
Als Hannah sich angezogen hatte, ging er um sie herum und musterte sie eingehend. Dann nickte er zufrieden. »Sehr schön.«
Er legte ihr den Mantel um die Schultern, verbot ihr jedoch, mit den Armen in die Ärmel zu schlüpfen.
Jean führte Hannah zu seinem Auto, das gleich vor ihrer Haustür parkte. Die wenigen Schritte reichten aus, um den kalten Wind an ihrem Bauch und zwischen ihren Schenkeln zu spüren. Hannah fröstelte.
Jean öffnete ihr die Beifahrertür. »Dir wird gleich warm werden.«
Er schlüpfte hinter das Lenkrad, drehte die Heizung auf und fuhr los.
Hannah versuchte zu erkennen, wohin es ging. Doch er steuerte schnell und geschickt durch kleine Nebenstraßen, die ihr völlig unbekannt waren.
»Es ist ganz einfach«, sagte Jean. »Ich führe Dich hinein und biete Dich zur Versteigerung an. Diese wird dann ein professioneller Auktionator übernehmen, Dich vorführen und Dich anpreisen. Ich werde in der Menge stehen und Dich beobachten, ein anonymer Bieter unter vielen. Du verpflichtest Dich, im Gegenzug für die ersteigerte Summe, eine vorher festgelegte Dienstleistung zu verrichten. An Deinem neuen Herrn, der bereits ungeduldig auf seine ›Neuerwerbung‹ wartet.«
Hannah schaute zu Jean und studierte sein Profil. Er sah unbewegt nach vorn. Dann warf er einen kurzen, grauen Blick in ihre Richtung und lächelte leicht.
»Keine Angst. Ich, und nur ich allein, bin Dein Herr. Vertraue mir. Ich werde dafür sorgen, dass Dir dieser Abend in unvergesslicher Erinnerung bleibt.« Er bog in eine schmale Seitengasse ab. »Und jetzt setze bitte Deine Maske auf.«
Hannah tat es. Die Federn strichen kühl über ihr leicht erhitztes Gesicht. Sie streifte sich vorsichtig das Gummiband über die Haare, rückte die Maske zurecht und musste plötzlich feststellen, dass sie blind war. Dort, wo die Augenschlitze des Käuzchens saßen, waren zwei dunkle Pappscheiben angebracht. Das hatte sie vorher nicht bemerkt. »Ich kann nichts sehen«, sagte sie verunsichert.
»Ich weiß, mein süßes kleines Vögelchen. Aber Du kannst fühlen, riechen, hören. Tasten. Das erhöht die Spannung ungemein, glaube mir.«
»Aber …«
»Keine Diskussion. Ich will es so. Und wir sind da.«
Das Auto hielt. Jean stieg aus, kam zu ihrer Seite hinüber, öffnete die Tür und half ihr raus.
Blindlings tastete Hannah nach seinem Arm. Plötzlich spürte sie kalten Stahl um ihre Handgelenke. Etwas schnappte zu. Jean hatte ihr Handschellen angelegt.
Es war ungewohnt und beängstigend, dass sie so ihres Augenlichts beraubt war. Dafür schärften sich augenblicklich ihre anderen Sinne. Deutlich hörte sie das Klackern ihrer Stiefelabsätze auf dem Asphalt. Sie spürte Jeans Arm um ihre Taille, der sie sanft in die richtige Richtung dirigierte, und die kalte Luft auf ihrem Gesicht und ihren Schenkeln.
Jean hielt an. Er klopfte, und Hannah konnte nur vermuten, dass sie vor einer Tür standen.
Plötzlich war vor ihnen leise Musik zu hören. Eine sanfte Stimme sagte: »Guten Abend, die Herrschaften. Bitte treten Sie ein.«
Jean führte sie ein paar Schritte vorwärts, dann hielt er an und zog ihr den Mantel von den Schultern.
Hannah fühlte sich augenblicklich nackt und preisgegeben. Denn sie trug ja nichts weiter als ihre Stiefel, die halterlosen Strümpfe und den geschlitzten Rock. Ihre Brüste hingegen lagen bloß und boten sich allen Blicken dar. Seltsamerweise war es die Käuzchen-Maske, die sie schützte. Die sie anonym machte und das Halbnacktsein einigermaßen erträglich.
»Was haben wir denn hier für ein hübsches Vögelchen. Köstlich, ganz köstlich.« Die fremde Stimme ertönte rechts neben Hannah und ließ sie leicht zusammenfahren. Sie war hoch, schrill und klang leicht übergeschnappt. Unmöglich zu sagen, ob sie von einem Mann oder eine Frau stammte.
»Ich bin sicher, dieses reizende Geschöpf wird sich heute Abend noch in einem Käfig wiederfinden und ein paar Federchen lassen.« Die Person kicherte schrill.
»Sie heißt Alice, und es ist mein Wunsch, dass sie heute Abend hier versteigert wird«, verkündete Jean zu Hannahs Linken. Er drückte ihr leicht die Hand, und sie entspannte sich ein wenig.
»Dann mal herzlich willkommen im Wunderland, süße Alice. Hier ist Dein Neigungsbogen. Du kannst bestimmen, was Du tun möchtest, wie viel davon und wie lange. Einfach auf dem Zettel ankreuzen, und …«
»Danke, den werde ich ausfüllen«, sagte Jean.
»Natürlich, natürlich, ganz wie der Herr wünscht.«
Erneut es schrilles Kichern.
Hannah konnte deutlich ein Rascheln und dann das Kratzen des Stifts auf dem Papier hören.
»Danke, danke. Sehr schön. Ich bin sicher, das wird die Gebote in die Höhe treiben. Sie können das reizende Vögelchen jetzt mir überlassen und sich ins Gewühl stürzen.«
Hannah drehte ihren Kopf in Jeans Richtung. »Du gehst weg?«
»Keine Angst, Du bist in guten Händen.«
Hannah spürte einen warmen Luftzug. Völlig unerwartet schlossen sich Jeans Lippen um ihren linken Nippel, knabberten und saugten ein wenig daran, um dann zu ihrem rechten Nippel weiterzuwandern und das Ganze zu wiederholen. Es folgte ein harter Klaps auf ihren Po.
»Geh mit ihm und gehorche ihm. Ich werde auf Dich warten.« Jeans Schritte entfernten sich.
Eine kräftige, fremde Hand nahm Hannah fest am Arm. »Entspann Dich, Schätzchen, ich passe schon gut auf Dich auf.« Die schrille Stimme klang plötzlich weniger schrill. Sie hatte etwas Beruhigendes, Vertrauenerweckendes hinzugewonnen und Hannah ließ sich vorwärts geleiten. Das Geräusch von Musik verklang hinter ihr. Sie lief auf einem harten Boden, der sich wie Stein anfühlte. Ein leichter Schwefelgeruch hing in der Luft und in kurzen Abständen spürte Hannah Wärme auf ihrer linken Gesichtshälfte. Vor ihrem geistigen Auge entstand ein langer, dunkler Korridor, an dessen Wänden Fackeln leuchteten. Ihre Begleitung wurde zu einem Eunuchen. Hannah war die stolze Prinzessin in den Fängen des Sklavenhändlers, und draußen wartete schon der Sultan. Ihr Schoß pochte vor Erregung. Genauso hatte sie sich das vorgestellt.
»Hier rein, mein Vögelchen. Setz Dich auf Deine Stange und warte brav, bis Du aufgerufen wirst.«
Eine Tür öffnete sich. Hannah wurde zwei Schritte vorwärts geführt, gedreht und sanft nach unten gedrückt. Sie saß auf einer harten, kalten Bank.
»Gleich bist Du dran, Süße. So lange könnt ihr zwei euch ein bisschen amüsieren. Wir haben heute Abend eine richtige Menagerie hier«, kicherte die Stimme, und eine Tür schloss sich.
Ihr zwei? War sie etwa nicht allein? Hannah hielt den Atem an und lauschte. Links neben ihr, auf dem Fußboden, regte sich etwas. Leises Rascheln, ein Hauch von Amber. Etwas schien langsam über den Fußboden zu kriechen, in Hannahs Richtung. Schnupperte, brummte leise vor sich hin.
Unwillkürlich versteifte sich Hannah auf ihrer harten Sitzbank. Sie fühlte sich hilflos, ausgeliefert, und die Handschellen schnitten in ihre Handgelenke. Jean hatte gesagt, dass alles sicher sein würde. Und diese Veranstaltung war eine öffentliche Party. Trotzdem. Hannah spürte das überwältigende Verlangen, die Maske abzunehmen. Sie wollte wenigstens sehen, was da auf sie zukam und … schnurrte? Plötzlich spürte sie etwas Weiches ihr Bein entlangstreichen. Es war wie Pelz auf der Haut, warmer, samtiger Pelz. Etwas rieb sich an ihr, rieb sein pelziges Gesicht an ihrem Oberschenkel und schnurrte dabei ununterbrochen. Hannah streckte vorsichtig ihre gefesselten Hände aus. Sie ertastete einen Kopf mit zwei spitzen Ohren. Und plötzlich hatte sie das Bild einer übergroßen Katze vor Augen. »Petplay« war ihr im Gargoyle schon öfter begegnet. Ein Tierrollenspiel, in dem der devote Partner die Rolle eines Tieres übernahm. Hannah hatte Menschen gesehen, die als Hunde auf allen vieren an der Leine geführt wurden oder die als Pferde verkleidet waren. Aber noch nie eine Katze. Automatisch begann Hannah, sie hinter den Ohren zu kraulen. Das Schnurren verstärkte sich. Eine pelzige Pfote schob sich langsam zwischen ihre Beine, ging immer höher und legte sich sanft aber bestimmt auf ihren Venushügel. Pelz auf Pelz, ein sanftes Streicheln. Am liebsten hätte Hannah ebenfalls geschnurrt. Sie öffnete ihre Schenkel ein bisschen mehr, doch in diesem Augenblick ging die Tür wieder auf.
»Nein, wie reizend. Die Katze spielt mit dem Vögelchen, bevor sie es vernascht.«
Die Pfote entfernte sich augenblicklich. Zu ihren Füßen hörte Hannah ein lautes Fauchen.
»Schön brav, Pussy. Du kommst jetzt an die Leine. Und dann suchen wir Dir ein neues Herrchen oder Frauchen.«
Schritte, Rascheln, Klicken. Ein leises klagendes »Miau« zum Abschied.
Die Tür fiel wieder zu. Hannah lehnte die Stirn an die kalte Wand und versuchte, ihr aufgeregt klopfendes Herz zu beruhigen. In ihrer Fantasie spielten sich wilde Szenen ab. Der orientalische Basar, halb nackte Sklaven. Klingende Ketten. Grobschlächtige, ungewaschene Männer, die die Ware befingerten und begutachteten. Und dann der Sultan. Was hatte Jean wohl für sie vorbereitet? Hannah verlor sich in erotischen Träumen, bis plötzlich die Tür wieder aufging.
»Du bist dran, mein hübsches Vögelchen.« Die schrille Stimme war zurückgekehrt.
Hannah wurde auf die Beine gezogen. Sie stolperte vorwärts, ihre Knie drohten jeden Moment nachzugeben. Der Korridor. Die Fackeln an den Wänden. Noch eine Tür. Und plötzlich befand sich Hannah auf dem Basar. Um sie herum Stimmengewirr, im Hintergrund leise orientalische Musik. Schwere Parfums in der warmen Luft, Moschus, Amber und Orangenblüten. Sie glaubte, die Blicke der Männer auf ihrer Haut zu spüren. Fordernde, gierige Blicke, die über ihr Fleisch strichen und in sie eindringen wollten.
»Achtung, drei Stufen.«
Hannah, von hinten sacht geschoben, stieg vorsichtig hinauf.
Sie hatte das Gefühl, als würde sie auf einem Podium stehen, gut sichtbar für jeden. Unstetes Licht drang durch Hannahs Maske. Fackeln auch hier an den Wänden? Hannah erhielt einen leichten Stoß in den Rücken, stolperte ein Stück nach vorn.
»Achtung«, sagte die Stimme hinter ihr. »Stehen bleiben, Schätzchen. Genau hier.«
Die Geräusche um sie herum, die Stimmen, das Rascheln und Knistern wurden leiser. Die Musik verklang.
Noch jemand erklomm das Podest. Jemand mit schwerem, festem Tritt, der die Bretter unter Hannahs Füßen zum Vibrieren brachte.
Ein leises Tuscheln ringsum.
Hannah drehte sich unwillkürlich um und wurde sofort ermahnt: »Immer schön nach vorne gucken, Schätzchen.«
Und dann erklang eine laute, grobe und sehr kalte Stimme zu Hannahs Rechten. »Objekt Nummer sieben des heutigen Abends. Die Sklavin Alice, die von ihrem Herrn zur umfassenden Benutzung freigegeben wurde.«
Hannah runzelte die Stirn. Was hieß das: »zur umfassenden Benutzung freigegeben«? Vergeblich versuchte sie, die schwarze Pappe vor ihren Augen zu durchdringen. Mehr als ein paar Schatten konnte sie nicht ausmachen. Jean. War er da, in der Menge vor ihr?
»Sie ist eine echte Dreilochstute und eine begabte Maulfotze, die gerne die Peitsche spürt«, sagte die kalte Stimme des Auktionators.
Hannahs Wangen brannten.
»Nun, ich denke, wir sehen sie uns ein wenig genauer an. Sklavenwächter, walte Deines Amtes!«
Hannah spürte, wie sie umgedreht wurde.
»Komm, mein schönes Vögelchen, bück Dich«, flüsterte die schrille Stimme.
Ehe Hannah es sich versah, wurde ihr Rock hochgehoben und sie reckte den Zuschauern ihr Hinterteil entgegen.
»Netter Arsch«, kam ein Kommentar aus dem Publikum. »Fehlen nur noch die Striemen.«
»Das obliegt dem neuen Herrn von Objekt Nummer sieben. Eine umfassende Bestrafung ist im Preis inbegriffen«, verkündete der Auktionator.
Hannah zuckte zusammen.
»Na, na, wer wird denn hier die Flatter machen wollen?«, kicherte der Sklavenwächter neben ihr.
Hannah wünschte sich sehnlichst woanders hin. Sie hatte sich im Gargoyle zur Schau gestellt, und das war ihr schwer genug gefallen. Aber hier, wo sie nichts sehen konnte, nicht wusste, wo sie war und wer sie ansah, war es unvergleichlich schlimmer.
»Das reicht«, sagte der Auktionator. »Unser Mindestgebot liegt wie üblich bei einem Euro.«
Hannah durfte sich aufrichten und umdrehen. Sie dankte Jean im Stillen für die Käuzchen-Maske, die ihr half, noch einen letzten Rest Würde zu bewahren. Ein Euro? Einen Augenblick lang herrschte Stille, und Hannahs bemächtigte sich der grässliche Gedanke, noch nicht einmal das wert zu sein.
»Fünf«, rief es dann plötzlich aus dem Publikum.
»Zehn!«
»Zwanzig!«
»Fünfundzwanzig!«
Hannah strengte sich an, um Jeans Stimme herauszuhören. Vergeblich.
»Fünfzig!«, rief die gebieterische Stimme einer Frau.
Hannah schauderte. Eine Herrin?
»Hundert!«
Das war Jean gewesen. Oder doch nicht? Hannah konnte nicht sicher sein. Einen Moment lang trat wieder Stille ein.
»Da geht noch was«, sagte der Auktionator. »Diesmal versteigern wir ja nicht, wie gerade eben, die Katze im Sack.« Leises Gelächter.
»Sklavenwächter, nimm ihr die Maske ab. Ein hübsches Gesicht sieht man gerne leiden.«
Oh nein! Nicht die Maske. Hannah drehte den Kopf zur Seite und bekam prompt einen Schlag auf den Hintern.
»Sträub Dein Gefieder nicht so, mein Täubchen. Du wirst ja doch gerupft werden«, riet ihr die schrille Stimme. Dann wurde ihr die Maske vom Gesicht gerissen.
Hannah blinzelte in die abrupte Helligkeit.
Sie stand tatsächlich auf einem Podest, doch mitnichten in einem orientalischen Basar, sondern in einem rot-schwarz dekorierten SM-Club. Der Club war etwas größer als das Gargoyle und voller schrill gewandeter Partygänger. Es gab laszive Burleske-Tänzerinnen, strenge, schwarz gekleidete Doms, lederkorsettierte Dominas mit Peitschen, hübsche Lederjünglinge, Geishas in bunten Kimonos, tragische Gothic-Girls und halbnackte Sklaven. Und alle starrten Hannah neugierig oder erwartungsvoll an.
»Niedlich«, sagte eine Domina in schwarzen Hosen, und bot hundertdreißig Euro.
Das Einzige, was Hannah in diesem Moment aufrecht hielt, war der Gedanke an Jean. Fieberhaft suchte sie mit ihren Blicken die Menge ab. Da, da stand er! Ganz hinten am Tresen, ein moderner Sultan im Businessanzug, ein Glas in der Hand, lächelte und prostete ihr leicht zu.
Hannah entspannte sich ein wenig. Er war zufrieden mit ihr. Hatte sie genug gedemütigt. Jetzt würde er sie ersteigern, und den Rest des Abends mit ihr spielen.
»Nur hundertdreißig Euro? Höre ich mehr? Hundertdreißig Euro sind geboten von Lady Abraxa.«
Hannah warf einen verstohlenen Blick auf den Auktionator. Ein großer, muskulöser Kerl mit nackter, breiter Brust, der eine Art Lederrock trug. Seine langen schwarzen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, und seine kantigen Gesichtszüge erinnerten Hannah an einen Indianerhäuptling. Allerdings baumelten von dessen Gürtel nicht die Skalps seiner Feinde, sondern diverse Peitschen und Paddel.
»Hundertfünfzig!«, rief ein dürrer Mann aus dem Publikum, der einen schwarzen Mantel trug und ein blasses, hungriges Gesicht hatte. Er sah aus wie ein Vampir.
»Hundertsechzig!«
Lady Abraxa. Sie hatte einen grausamen Zug um den dünnen, blutrot geschminkten Mund, der Hannah gar nicht gefallen wollte.
Hannahs Augen flogen hinüber zu Jean. Er lächelte amüsiert.
»Hundertsiebzig!«
Der Vampir.
Jean zögerte seinen Einsatz hinaus. Er ließ Hannah wirklich schwitzen.
»Hundertachtzig!«
Lady Abraxa. Die Peitsche der Domina oder der Biss des Vampirs. »Jean, rette mich!«, dachte Hannah verzweifelt. Da erblickte sie in einer dämmrigen Ecke neben dem Ausgang einen großen, dunkel gekleideten Mann, der eine schwarze Halbmaske trug und sie unverwandt ansah.
Irgendetwas an ihm war ihr vertraut, und sie erinnerte sich plötzlich an Abende im Gargoyle und das Treffen mit Charly im Hotel, als sie das Gefühl gehabt hatte, jemand beobachte sie. In letzter Zeit war das nicht mehr vorgekommen. Bis zu diesem Abend.
Und jetzt war er wieder da. Hannah war sich plötzlich ganz sicher, dass es immer derselbe Mann gewesen war. Die ganze Zeit.
»Zweihundert!«
Der Vampir.
»Zweihundertfünfzig!«
Lady Abraxa. Ein Raunen ging durch die Menge.
»Zweihundertfünfzig sind geboten«, sagte der Auktionator.
Dicht an Hannahs Ohr flüsterte der Sklavenwächter: »Das ist bisher das Höchstgebot des heutigen Abends!«
Hannah schaute ihn an. Die inzwischen wohlbekannte schrille Stimme gehörte einem Transvestiten im roten Cocktailkleid, der ihr mit langen Wimpern zuzwinkerte. »Mit dem Geld kann man sich ein hübsches Paar Schuhe kaufen.«
»Ich darf das Geld behalten?«
»Aber natürlich, mein Vögelchen. So lauten die Spielregeln.«
»Ruhe!«, donnerte der Auktionator. »Sklavenwächter, sprich nicht mit der Ware!«
Der Transvestit spitzte die Lippen und blies ein Küsschen in Hannahs Richtung. Schnell drehte sie sich wieder um.
»Nur zweihundertfünfzig für eine echte Dreilochstute, die von ihrem Herrn zur Benutzung freigegeben ist? Er möchte natürlich zuschauen, aber wer will das nicht?«, rief der Auktionator.
Der Mann an der Tür war verschwunden. Hannah suchte ihn vergeblich im Publikum. Er hatte offenbar genug. Sie fühlte einen leisen Stich des Bedauerns. Einen Moment lang hatte sie geglaubt … gehofft, dass vielleicht ein gewisser Bestatter … Nein. Blödsinn. Was sollte Mike denn hier wollen?
»Dreihundert!«
Der Vampir.
Hannah sah, wie Lady Abraxa verärgert die Stirn runzelte. Dann zuckte die Lady mit den Achseln und wandte sich ihrer Begleitung zu.
»Dreihundert sind geboten, wer bietet mehr?«
Erwartungsvolles Schweigen. Hannahs Augen flehten Jean an. Jetzt! Jetzt war der Zeitpunkt gekommen. Dreihundert Euro waren eine Menge Geld. Das müsste sie ihm doch wert sein, oder? Sie würde ihm das Geld auch wiedergeben, das wusste er doch bestimmt.
»Dreihundert zum Ersten!«
Jean lehnte sich über den Tresen und sprach mit der Barfrau.
»Dreihundert zum Zweiten!«
Die Barfrau schenkte ihm ein Glas Sekt ein.
»Dreihundert zum Dritten!«
Jean trank.
»Objekt Nummer sieben versteigert an den vierten Herrn links in der zweiten Reihe.«
Hannah schüttelte den Kopf. Nein. Nein, das war doch nicht möglich! Jean hatte es doch versprochen. Sie hatte ihm vertraut.
»Auf geht’s, mein Vögelchen. Dein neuer Herr wartet schon ungeduldig.«
Der Transvestit hatte Hannah wieder am Arm gepackt und dirigierte sie die Stufen hinunter. Er schob sie durch die Menge hin zu dem bleichen Mann, der sie mit schwarzen Augen begehrlich musterte.
»Bitte sehr, der Herr«, sagte der Transvestit und übergab die zitternde Hannah in die kalten Hände des Mannes. Aus der Nähe betrachtet, sah er noch magerer und bleicher aus. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten, und er hatte einen starren Blick, der Hannah an den Vampir aus dem alten Stummfilm »Nosferatu« erinnerte.
»Mmmh, frisches Blut«, knurrte er. »Komm her.«
Ein paar Umstehende lachten.
Hannah war zu schockiert, um sich zu wehren, als er sie zur Seite in eine Nische zog. Ein rotes Sofa stand dort. Der Vampir schubste Hannah auf die weichen Polster und wollte gerade den Samtvorhang vor der Nische zuziehen, als Jean sich hereindrängte.
»Ich darf zusehen, das ist ein Teil der Vereinbarung gewesen«, erklärte er liebenswürdig.
Hannahs Erstarrung löste sich.
»Aber Jean, warum hast Du mich nicht ersteigert? Ich dachte, wir spielen Sultan und Sklavin, und Du wärst es, der …«
»Ich bin Dein Herr, und Du tust, was ich Dir sage. Glaub mir, es wird Dir Spaß machen. Unser guter Vladimir hat schon so manches Mädchen zur Ekstase gesaugt.«
Der Vampir kicherte.
»Außerdem bleibe ich hier und passe auf, dass er mir noch was übrig lässt.«
Der Vampir näherte sich Hannah.
»Nein«, sagte sie. »Nein. Ich will nicht! Das nicht!«
Jean seufzte. »Ungehorsam wird hart bestraft, meine Liebe.«
Er zog einen kleinen Ball aus seiner Anzugtasche. »Bis dahin werden wir Dich wohl knebeln müssen.«
»Was? Nein!« Hannah schrie es beinahe. Sie konnte immer noch nicht glauben, was hier geschah. Dass Jean sie so hereingelegt hatte.
Der Vampir riss ihre gefesselten Handgelenke hoch und Jean näherte sich mit dem Knebel. Hannah drehte den Kopf zur Seite, bäumte sich auf.
»Ich mag es, wenn sie Angst haben«, kicherte der Vampir. »Das macht ihr Blut würzig!«
»Jean«, flehte Hannah. »Bitte nicht!«
Jean lächelte kalt und streckte die Hand aus.
»Die Dame hat Nein gesagt«, ertönte plötzlich eine tiefe Stimme von der Tür her. »Die Regeln besagen, dass die Sklavin das Recht hat, unerwünschte Handlungen jederzeit zu stoppen. Dies ist keine Veranstaltung für Menschen, die ihren persönlichen Mangel an Dritten ausleben wollen.«
Es war der Mann mit der schwarzen Halbmaske! Hannah entfuhr ein leises Schluchzen der Erleichterung. Doch es war noch nicht vorbei.
Jean hob eine Augenbraue und zog die Hand mit dem Knebel zurück.
»Das generelle ›Dienstverhältnis‹ wird dadurch aber nicht beendet«, zischte der Vampir wütend.
»Außer, ein neues Angebot wird gemacht und akzeptiert«, sagte der Maskierte ruhig.
»Ich stehe nicht auf Männer.« Der Vampir schüttelte den Kopf. »Damit wärst Du vielleicht bei Lady Abraxa gelandet, aber nicht bei mir.«
»Ich biete Dir auch keinen Sex an. Dafür aber eine außergewöhnliche Lokation für ein Spiel. Eine, die ich Dir exklusiv zur Verfügung stellen kann.«
»So? Was wäre das denn so Außergewöhnliches?«
»Ein Bestattungsinstitut, inklusive Sarglager und Leichenhalle.«
Hannahs Herz hüpfte in ihrer Brust.
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich. Hier, bitte.«
Der Maskierte überreichte dem Vampir eine Visitenkarte.
»Arbeitest Du da?«
»Ja. Mir gehört der Laden.«
Ein unheimliches Lächeln erhellte das bleiche Gesicht.
»Einverstanden. Das ist mir die dreihundert Piepen wert.«
Der Maskierte streckte seine Hand aus und der Vampir schlug ein. »Abgemacht. Sie gehört Dir.«
Er verschwand und zog den Vorhang hinter sich zu.
»Also gut«, sagte Jean. »Sie muss Dich ja mächtig aufgegeilt haben, meine Kleine. Ich sehe auch gerne euch beiden zu.«
Hannah starrte den Maskierten an. Dieser schüttelte leicht den Kopf.
»Nein. Ich habe sie ersteigert, und ich bestimme, was geschieht. Sie ist frei.«
Er steuerte an Jean vorbei auf das Sofa zu, zog Hannah nach oben und trat einen Schritt zurück. »Du darfst zusehen, wie sie sich entscheidet. Ob sie mit mir gehen möchte oder hierbleibt.«
Jeans Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Sie gehört mir.«
»Nein. Sie gehört niemandem. Nur sich selbst.«
Mike. Es war seine tiefe Stimme, sein Geruch nach Moos und Holz. Hannah hatte außerdem die Spitze des Tattoos auf seinem Arm gesehen.
»Ich habe Dir vertraut«, sagte sie zu Jean. »Das war dumm von mir. Aber ich werde denselben Fehler nicht zweimal machen.«
»Nimm ihr die Handschellen ab.«
»Das kommt gar nicht in Frage, ich werde …«
Hinter Jean schob sich der Vorhang auf und der Sklavenwächter erschien. »Gibt’s Probleme, Schätzchen?«
»Nein«, knurrte Jean.
Hannah streckte ihre Hände aus. Mürrisch zog er einen kleinen Schlüssel aus der Anzugtasche und befreite sie.
Hannah ergriff Mikes Hand, schlüpfte an Jean vorbei und fing ein letztes Augenzwinkern des Transvestiten auf.
Zusammen holten sie Hannahs Mantel von der Garderobe ab und drängten sich durch einen Pulk von Neuankömmlingen zur Tür hinaus.
Die frische, kalte Luft belebte Hannah, die sich rasch den Mantel zuknöpfte. Dann sah sie zu ihrem Retter auf und lächelte. Vorsichtig nahm sie ihm die Maske ab. »Mike.«
»Meine Angebetete.«
»War ich das wirklich?«
»Von Beginn an.«
Er neigte sein Gesicht zu ihrem und küsste sie sanft auf die Lippen.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Hannah atemlos.
Mike grinste. »Eine Currywurst essen gehen.«
Hannah lachte.
»Das ist ein guter Anfang.«